Titel: | Praktische Extraction der Myrobalanen. |
Autor: | v. Schroeder |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 213 |
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Praktische Extraction der
Myrobalanen.
Von Prof. Dr. v.
Schroeder in Tharand.
Praktische Extraction der Myrobalanen.
Die Myrobalanen, die Früchte der Terminalia Chebula Willd., die aus Indien zu uns importirt worden, erfreuen sich eines von
Jahr zu Jahr steigenden Verbrauches von Seiten der Lohgerberei. Im J. 1891 wurden
nach Deutschland 62870 Ctr., im J. 1893 dagegen schon 101394 Ctr. à 50 k eingeführt.
Die Myrobalanen sind mit durchschnittlich 30 Proc. gerbenden Substanzen ein sehr
gerbstoffreiches Gerbmaterial, und der Gerber kauft den Gerbstoff mit denselben so
billig wie kaum in irgend einem anderen Gerbmaterial. Rechnen wir den
durchschnittlichen Gerbstoffgehalt für Eichenrinde und Fichtenrinde nach den
zehnjährigen Tharander Untersuchungen im Mittel zu 10,10 Proc. und 11,59 Proc. so
würde, bei einem Gesammtkostenaufwande von 6,0 M. bezieh. 3,0 M. für den Centner
Lohe (gemahlen franco Gerberei incl. aller Spesen) das Procent oder Pfund
Eichenrindengerbstoff dem Gerber gegenwärtig 0,59 M., das Procent
Fichtenrindengerbstoff dagegen 0,26 M. zu stehen kommen. Myrobalanen in feiner
Mittelwaare sind jetzt zu 7,00 M. für 1 Ctr. franco Gerberei ganz gut zu haben, was
bei 30 Proc. gerbenden Substanzen einem Kostenaufwande von 0,24 M. für das Procent
entspricht. Etwas geringere Waare, die aber im Gerbstoffgehalt der höher bezahlten
Sorte meist nicht nachsteht, ist schon für 5,50 M. zu bekommen, wo sich dann das
Procent zu 0,18 M. calculirt. So wohlfeil ist nur noch der Quebrachogerbstoff zu
haben, – in allen übrigen Gerbmaterialien wird der Gerbstoff höher bezahlt. Bei
durchschnittlich 22 Proc. kann man den Centner zerkleinertes Quebrachoholz jetzt für
etwa 4,25 M. franco Gerberei kaufen, was einem Kostenaufwande von 0,19 M. für das
Procent Quebrachogerbstoff entspricht. Die Myrobalanen sind daher mit Quebrachoholz
und Fichtenlohe die billigsten Gerbmaterialien, welche unserer Gerberei zur
Verfügung stehen, und darin liegt der Hauptgrund, warum sie in der Praxis mehr in
Aufnahme kommen.
Reine Myrobalanen geben keinen guten Gerbeffect, namentlich ist die Lederfärbung eine
hässlich grünlichgelbliche. Man benutzt die Myrobalanen dagegen mit Vortheil in
Verbindung mit Eichenlohe und Fichtenlohe, um die Gerbekosten herabzusetzen, und als
Ersatz anderer theurer Gerbmaterialien. So werden Myrobalanen in der
Sohlledergerberei an Stelle der im Preise sehr schwankenden Knoppern und namentlich
zum theilweisen Ersatz der immer wesentlich theureren Valonea verwendet. Mit Lohe
benutzt man Myrobalanen ausser zu Sohlleder besonders auch zu Vacheleder,
Riemenleder und Zeugleder. Ist zugleich Lohgerbmaterial vorhanden, so combiniren
sich Myrobalanen auch sehr gut mit Holzextracten. Zur Oberledergerbung sind
Myrobalanen ebenfalls zu gebrauchen, obgleich sie in der Praxis hier weniger zur
Verwendung kommen. Wenn es auf die Färbung der Leder nicht sehr ankommt, so sind
Quebracho und Myrobalanen eine gute und sehr billige Mischung, die sich namentlich
für Rossleder eignet. Benutzt man gleichzeitig mit Quebracho und Myrobalanen noch
Fichtenlohe, so hat man ebenfalls eine sehr billige Mischung, mit der man aber
wesentlich bessere Resultate bezüglich der Lederqualität und Lederfärbung erzielt,
als wenn man die Fichtenlohe weglässt.
Die auf beiden Seiten mehr oder weniger spitz zulaufenden Früchte sind meist 2
bis 4, im Mittel etwa 3 cm lang und sehen, wenn sie wohlerhalten sind und von
Feuchtigkeit nicht gelitten haben, hell-gelblichbraun aus. Die geringeren billigeren
Sorten sind dunkel, geben aber im Gerbstoffgehalt den hellen meist nichts nach, so
dass man gerade mit diesen billigen Sorten den Gerbstoff häufig am vortheilhaftesten
kauft. Die Früchte bestehen aus der fleischigen Fruchtschale und einem von derselben
eingeschlossenen harten Steinkern, welcher den Samen enthält. Die Fruchtschale, die
gelbbräunlich aussieht und in der Hauptsache aus einem lockeren Parenchymgewebe
besteht, ist der Träger des nutzbaren Gerbstoffs. Der harte Steinkern, der den Samen
enthält, sieht auf dem Querschnitt hell-röthlichgelb aus, er besteht hauptsächlich
aus stark verdickten Sklerenchymzellen und enthält nur sehr geringe Mengen
Gerbstoff. Während die Schale sich von dem Steinkern verhältnissmässig leicht
ablösen und pulvern lässt, setzt der Kern der Zerkleinerung einen ziemlich grossen
Widerstand entgegen. Im Durchschnitt nach einer ganzen Anzahl von mir ausgeführter
Bestimmungen kann man annehmen, dass die Myrobalanen zu 65 Proc. aus der
gerbstoffhaltigen Schalen Substanz und zu 35 Proc. aus den Steinkernen mit den Samen
bestehen. Ueber die Vertheilung des Gerbstoffs auf Schale und Kern geben einige
schon vor längerer Zeit in Tharand ausgeführte Analysen Aufschluss.
Ausgesucht dunkle, schlecht aussehende Myrobalanen, mit
63,50 Proc. Schalensubstanz und 36,50 Proc. Kernsubstanz, ergaben bei der
Untersuchung nach der indirect gewichtsanalytischen Gerbstoffbestimmungsmethode und
berechnet auf den durchschnittlichen Wassergehalt von 13 Proc. folgendes Resultat in
100 Theilen:
Fruchtschale
Steinkern
Ganze Frucht
Wasser
13,00
13,00
13,00
Gerbende Substanzen
35,46
3,52
23,80
Org. Nichtgerbstoffe
23,65
3,22
16,19
Extractasche
2,74
0,71
2,00
In Wasser unlöslicher Theil
25,15
79,55
45,01
––––––
––––––
––––––
100,00
100,00
100,00
Gesammtextract
61,85 %
7,45 %
41,99 %
Zucker (als Trauben- zucker berechnet)
4,74 %
0,39 %
3,15 %
Ausgesucht helle, gut aussehende Früchte mit 67,58 Proc.
Schalensubstanz und 32,42 Proc. Kernsubstanz ergaben folgendes Resultat:
Fruchtschale
Steinkern
Ganze Frucht
Wasser
13,00
13,00
13,00
Gerbende Substanzen
42,34
2,60
29,46
Org. Nichtgerbstoffe
20,98
2,58
15,02
Extractasche
3,35
0,58
2,44
In Wasser unlöslicher Theil
20,33
81,24
40,08
––––––
––––––
––––––
100,00
100,00
100,00
Gesammtextract
66,67 %
5,76 %
46,92 %
Zucker (als Trauben- zucker berechnet)
7,40 %
0,50 %
5,16 %
Man verwendet die Myrobalanen theils als Zusatz zum Versetzmaterial oder zum
Einstreuen in die Brühen, theils extrahirt man dieselben für sich oder mit anderen
Gerbmaterialien gemischt, und benutzt die auf diese Art erhaltenen Extracte zum
Gerben. Zum Versetzen werden die Früchte mehr oder weniger fein gemahlen und mit den
benutzten Lohen abgemischt. Da die Steinkerne nicht viel Gerbstoff enthalten und
sich schwerer zerkleinern lassen, hat man versucht, die Myrobalanen durch eine Art
Abschrotungsprocess derart zu vermahlen, dass sich ein Product ergibt, welches
im Wesentlichen aus dem zerkleinerten Fleisch der Fruchtschalen besteht, während die
Steinkerne zurückbleiben. Man kann auf diese Art keine vollkommene Trennung
erreichen, es ergibt sich aber doch ein gerbstoffreicheres Product, als wenn die
ganzen Früchte mit Kern und Schale zusammen gemahlen werden. Den zurückbleibenden
Kernen haftet natürlich immer mehr oder weniger von der gerbstoffreichen
Schalensubstanz an, die verwerthet werden muss, wenn die Ausnutzung der Myrobalanen
eine genügende sein soll. In Gerbereien hätte das keine Schwierigkeit, da man diesen
Abfall ohne weiteres extrahiren und den Gerbstoffgehalt desselben zur Herstellung
von Brühen benutzen kann. Werden die Früchte dagegen für den Handel vermählen, so
bilden die mehr oder weniger unvollkommen abgeschiedenen Steinkerne einen Abfall,
der auf reellem Wege nur schwer zu verwerthen ist, der aber die ganze Zerkleinerung
sehr vertheuert, wenn man ihn verloren gibt. Es kann daher diese Abschrotung,
gegenüber der gewöhnlichen Art der Zerkleinerung, für den Handel mit Gerbmaterialien
wenig Vortheil bieten. In der Praxis wird die angestrebte Trennung in
Schalensubstanz und Kernsubstanz häufig wohl auch eine sehr unvollkommene sein. So
erhielt ich aus einer Gerberei, welche Myrobalanen zum eigenen Verbrauch
zerkleinert, zwei Muster, von denen das eine vorherrschend aus zerkleinerter
Schalensubstanz, das andere hauptsächlich aus rückständiger zerkleinerter Kernmasse
bestehen sollte, – bei näherer Untersuchung ergab sich aber, dass der
Gerbstoffgehalt beider Proben nur um wenige Procent verschieden war:
Gerbende Substanzenbei 13 Proc.
Wasser-gehalt
Angeblich
vorherrschend
Schalenmasse
35,89
Proc.
„
„
Kernmasse
31,91
„
Aber selbst wenn die Trennung in Schalenmasse und Kernmasse besser gelingt, wird sie
für den Gerber höchstens den Nutzen haben, dass er ein gerbstoffreicheres
Versetzmaterial erhält, die Extraction der Rückstände kann ihm nicht erspart
bleiben, wenn er auf die Kosten kommen will. Es erscheint daher viel zweckmässiger,
die Myrobalanen entweder im Ganzen in gewöhnlicher Weise zu vermählen, oder sie zu
extrahiren und die Brühen zu benutzen. Die Myrobalanen zu extrahiren ist überhaupt
eine sehr rationelle Art der Verwendung, denn da der Gerbstoff nur in der äusseren
Fruchtschale sitzt und diese sich beim Extrahiren bis auf einen geringen Rest von 20
bis 25 Proc. der Trockensubstanz in Wasser auflöst, so kann man die Früchte, ohne
sie zu zerkleinern, in die Extracteure bringen und sie so ganz ausreichend
ausziehen. Auf diese Art lässt sich der Gerbstoff in mehr oder weniger starken
Brühen in Lösung bringen und man spart die Zerkleinerungskosten vollständig. Kocht
man die Myrobalanen mit Wasser, so nimmt die äussere Schale viel Wasser auf und die
aufgeschwollenen Früchte geben bei ausreichendem Brühenwechsel durch Diffusion den
Gerbstoff bis auf einen geringen Rest ab. Von den ausgekochten Früchten lösen sich
die geringen Reste der lockeren ausgelaugten Schalenmasse leicht ab, so dass die
Steinkerne dann frei daliegen. Die Extraction der ganzen unzerkleinerten
Myrobalanenfrüchte habe ich in der Praxis wiederholt gesehen, sowohl in der
Extractfabrik, wo Myrobalanenextract hergestellt wurde, als auch in Gerbereien, wo
Myrobalanen gemischt mit Quebrachoholz oder mit Quebrachoholz und Fichtenrinde
zusammen ausgezogen wurden. Vor einiger Zeit wurde in der Lehrgerberei der deutschen
Gerberschule zu Freiberg ein Posten Myrobalanen in der angegebenen Weise in einem
geschlossenen Metallextracteur ausgezogen, und habe ich, um die Ausnutzung
festzustellen, die Früchte sowohl vorher, wie auch, nachdem sie dreimal und viermal
ausgekocht waren, in meinem Laboratorium untersuchen lassen. Die Resultate sind aus
folgender Zusammenstellung zu ersehen, wobei die Analysen der ausgekochten Früchte
ebenfalls auf den mittleren Wassergehalt von 13 Proc. berechnet sind:
Myrobalanenunextrahirt
Dreimalausgekocht
Viermalausgekocht
Wasser
13,00
13,00
13,00
Gerbende Substanzen
32,14
4,65
3,18
Organische Nichtgerbstoffe
11,05
3,30
1,48
Extractasche
2,27
0,40
0,29
In Wasser unlöslicher Theil
41,54
78,65
82,05
––––––––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
100,00
Legt man den in Wasser unlöslichen Theil der Rechnung zu Grunde, so geben 100 Th.
lufttrockene Myrobalanen im vorliegenden Falle nach dreimaligem Auskochen 52,8 Th.
und nach viermaligem Auskochen 50,6 Th, lufttrockene extrahirte Früchte. Demnach
sind von den 32,14 Th. Gerbstoff der Früchte nach dreimaligem Auskochen 2,46 Th. und
nach viermaligem Auskochen nur 1,61 Th. in dem Rückstande verloren gegangen. Im
letzteren Falle sind von den 32,14 Th. eingekauftem Gerbstoff 30,53 Th. in Lösung
gebracht, – es ist das eine für praktische Verhältnisse durchaus befriedigende
Ausnutzung, und man ersieht daraus, das die Extraction der ganzen, unzerkleinerten
Myrobalanenfrüchte sehr zweckmässig und empfehlenswerth ist.