Titel: | Silvey's System für Accumulatorenbetrieb von Eisenbahnwagen. |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 282 |
Download: | XML |
Silvey's System für Accumulatorenbetrieb von
Eisenbahnwagen.
Silvey's System für Accumulatorenbetrieb von
Eisenbahnwagen.
Nach einem Berichte im New Yorker Electrical Engineer
vom 4. April 1. J. begann W. L. Silvey zu Dayton im
Staate Ohio auf Grund vieler Versuche die Herstellung von Accumulatoren, welche er
zuerst mit günstigem Erfolge zur Beleuchtung von Eisenbahnwagen verwendete, wobei
sich herausstellte, dass die elektrische Beleuchtung in diesem Falle 52 Proc.
weniger als Oellicht und 60 Proc. weniger als Gaslicht kostete. Die Batterie
war in täglichem Gebrauch und leistete auch bei der harten Behandlung, die im
Eisenbahnbetriebe nicht zu vermeiden ist, drei Jahre lang gute Dienste. Mit
Rücksicht auf diese Ergebnisse kam Silvey auf den
Gedanken, seine Accumulatoren auch für den Betrieb von Strassenbahnwagen zu
verwenden. Hierbei wurden jedoch anfangs recht üble Erfahrungen gemacht, indem in
Folge der Erschütterungen und unregelmässiger, bald übertriebener Entlastung, bald
übertriebener Belastung die Batterien bald keinen Strom, bald über 100 Ampère Strom
abgeben mussten und daher im höchsten Grade angestrengt wurden. Auch fand Silvey, dass die mit hoher Spannung arbeitenden, weil
hintereinander geschalteten Trolley-Motoren sich nicht für den Accumulatorenbetrieb
eigneten. Diese Erfahrungen benutzte Silvey zur
Herstellung eines praktischen Accumulatorenwagens, der 1893 zur Ausführung kam. Die
American Car Company zu St. Louis liess zu dem
Zweck anzustellender Versuche einen besonderen 5 m langen Wagen bauen, welcher unter
den Sitzen einschiebbare Eisenkasten zur Aufnahme der Batterien erhielt. Der Wagen
wurde mit besonders starken Achsen ausgerüstet; der Motor fand zwischen den zwei
Achsen des Rädergestelles seinen Platz und wird vom Rahmen des Gestelles
getragen.
Die Feldmagnete des Motors werden durch zwei mit einander verbundene Ringe gebildet,
die je mit zehn oder zwölf keilförmigen Polstücken versehen sind, welche Folgepole
bilden. Der Ringanker rotirt zwischen den beiden Feldmagnetringen und hat gleichen
Durchmesser mit denselben. Durch diese Anordnung wird ein sehr leichter Motor
erhalten, dessen Gewicht bei 40 wenig über 600 k beträgt. Die ganze
Ausrüstung des Motors mit dem Triebwerk, Schutzkästen u.s.w. stellt sich auf kaum
900 k.
Der Motor ist so angebracht, dass seine Ankerwelle rechtwinkelig zu den Räderachsen
steht und das Geschwindigkeitsverhältniss zwischen Motorwelle und Räderachsen 5 : 1
beträgt. Die Uebertragung der Bewegung der Motorwelle auf die beiden Räder erfolgt
durch Kegelräder, die ganz eingekapselt sind und in Oel laufen. Zwischen der
Motorwelle und der Welle, welche die kleinen Kegelgetriebe trägt, ist eine
elastische Kuppelung angebracht, so dass die Räder sich in jeder Richtung frei
bewegen können, ohne die übrigen Theile zu beeinflussen. Der Betrieb ist fast
geräuschlos und die steilsten Steigungen werden mit weniger Kraftaufwand überwunden,
als wenn die Wagenräder mit getrennten Motoren betrieben werden.
Der wichtigste Theil des ganzen Systems ist die Batterie, von deren Leistung die
Wirthschaftlichkeit hauptsächlich abhängig ist. Vor allen Dingen muss der innere
Widerstand der Batterie niedrig sein, damit Regulirungsvorrichtungen entbehrlich
werden, welche in allen Fällen Energie verzehren.
Silvey ging bei der Herstellung seines Accumulators von
dem Grundsatze aus, dass derselbe nicht bis zur äussersten Grenze des Wirkungsgrades
zu beanspruchen sei, sehr geringes Gewicht besitzen und harte Behandlung vertragen
müsse. Er glaubt diese Bedingungen nach Möglichkeit erfüllt zu haben, insofern seine
Batterie bei unausgesetztem Betrieb eines Strassenbahnwagens die letzten neun Monate
ihren Dienst verrichtet hat, ohne dass ein Kurzschluss oder ein Verziehen der
Platten in den Zellen eingetreten ist. Die Zellen sind auf eine Kapacität von 30
Ampère eingerichtet, aber sie sind häufig mit einem Betrage von 120 Ampère vollständig entladen
und mit 100 Ampère geladen worden, ohne den geringsten Schaden zu leiden. Diese
extremen Belastungen traten häufig ein, weil die Batterien in 3 Stunden geladen und
in 3,5 Stunden entladen werden. Es werden für den täglichen Betrieb zwei
Batteriesätze benutzt, wovon der eine den Wagen betreibt, während der andere geladen
wird.
Die Zellen bestehen aus Hartgummi. Zu den Elektroden ist eine unoxydirbare
Bleilegirung in der Form von gitterartigen Platten verwendet; die Platten haben 125
× 175 mm Flächenabmessung bei 3,2 mm Dicke; 21 Platten bilden eine Batteriezelle.
Die Durchbrechungen der Platten sind mit oberflächlich oxydirten Theilchen von
metallischem, chemisch reinem Blei und Bleioxyd gefüllt. Nach Einbringung der
Füllung werden die Platten einer Art Röstprocess unterworfen, wodurch die feinen
Theilchen in eine feste, zusammenhängende, fast steinharte Masse umgewandelt werden,
die sich in den Löchern der Platte festsetzt und einen festen Ueberzug über die
ganze Platte bildet. In jeder Zelle sind elf negative und zehn positive Platten
eingesetzt, die mittels einer durch Löcher der Platten gehenden Bleischraube
verklammert sind. Zwischen den Platten befinden sich fest niedergeschraubte Muttern,
wodurch ein guter metallischer Contact gesichert ist; die Muttern werden dann mit
der Oberfläche verschweisst, so dass kein Verlöthen nöthig ist. Will man die Platten
aus einander nehmen, so sind diese Muttern leicht zu beseitigen, indem durch
Umdrehung derselben die geschweisste Stelle abbricht. Die gemischte Füllung der
Platten mit reinem Blei und Bleioxyd soll einen um etwa 20 Proc. höheren
Wirkungsgrad ergeben, als wenn nur Bleioxyd zur Füllung verwendet wird.
Zwischen die Plattensätze ist eine Schicht poröses Material eingelegt, dessen Kanten
mit einem Präservativ getränkt sind, welches (der Beschreibung nach) mit Säuren und
Alkalien behandelt wird, bis es nicht mehr von dem Elektrolyt angegriffen werden
kann und etwa 50 Proc. seines Eigengewichtes der in der Batterie befindlichen Säure
zu absorbiren vermag. Die Batterie erhält somit den Charakter einer Trockenzelle,
insofern darin nur eine sehr geringe Menge freier Flüssigkeit enthalten ist, so dass
davon bei den Erschütterungen durch die Fahrt nichts überfliessen kann. Sollte
zufällig einer der Hartgummibehälter einen Riss bekommen, so wird durch die von dem
porösen Material der Zwischenlagen aufgesaugte Flüssigkeit die betreffende Zelle
während der Fahrt im Betrieb erhalten. Um jedes Ueberschwenken der Flüssigkeit zu
verhüten, sind die Kasten sehr tief gemacht, so dass die Platten etwa nur auf deren
halbe Höhe reichen.
Zu dem Betriebe eines Wagens sind 108 Zellen von je etwa 12 k Gewicht nöthig, so dass
das Gesammtgewicht der Batterie in runder Zahl 1300 k beträgt. Die monatlangen
Betriebserfahrungen haben gezeigt, dass der Wagen nahezu 50 km mit einer
Batterieladung bei voller Geschwindigkeit läuft, wobei natürlich die Batterie
rascher erschöpft wird, als bei massiger Fahrgeschwindigkeit. Bei einer Probefahrt
durchlief der Wagen in 35 Minuten 14,5 km, wobei zweimal Halt gemacht wurde und zwei
Hügel von etwa 500 m Länge bei 4,5 Proc. Steigung zu überwinden waren. Es folgt
hieraus, dass der Wagen nöthigenfalls 32 bis 40 km in der Stunde zurücklegen
kann.