Titel: | Ueber elektrische Heizungen. |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 301 |
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Ueber elektrische Heizungen.Nach einem
Vortrage von E. Volt im Bayerischen Bezirksverein
d. V. d. I.
Ueber elektrische Heizungen.
Wenn schon die Elektricität sich viele Gebiete erobert hat, so sind die Erfolge, die
man mit derselben in der Heiztechnik erzielte, bis jetzt nur unbedeutend gewesen; es
liegt dies in der Natur der Sache: Wenn man die theoretische Wärmemenge einer
bestimmten elektrischen Energie und deren Kosten berechnet, so zeigt sich, dass für
die gleiche Wärmemenge, erzeugt durch Verbrennen von Kohle, ein bedeutend geringerer
Preis zu verausgaben ist. Es erscheint vollkommen widersinnig, Brennstoff auf einem
Herde zu verbrennen, die entwickelte Wärme in einem Kessel zur Dampfbildung zu
benutzen, sodann die im Dampf entwickelte Energie durch eine Dampfmaschine in
motorische Energie umzuwandeln, damit eine Dynamomaschine zu treiben, welche
ihrerseits elektrische Energie entwickelt, und endlich die letztere wieder in Wärme
umzusetzen. Nicht nöthig scheint es, die Unwirthschaftlichkeit einer solchen
elektrischen Heizung durch Rechnung nachzuweisen, um so mehr, da sichere
Erfahrungszahlen für eine genaue Bestimmung fehlen. Es sei nur beispielsweise eine
von Stephen H. Emmels angestellte Berechnung erwähnt,
nach welcher eine elektrische Heizung etwa 14mal mehr Kohle bedarf, als eine
gleichwerthige Dampfheizung. Emmels hebt jedoch am
Schlusse seiner Betrachtungen mit Recht hervor, dass die Frage über die
Anwendbarkeit einer elektrischen Heizung sich schon ganz anders stelle, wenn eine
Wasserkraft zur Erzeugung des elektrischen Stromes zur Verfügung stehe, da ja die
Kosten für Einrichtung und Betrieb einer Wasseranlage gering sein können, und dass
nach dieser Seite eine Zukunft für die elektrische Heizung liege, und so eine
Ersparniss des uns zur Verfügung stehenden Brennvorraths möglich sei. Dennoch
würde für die bei uns vorliegenden Verhältnisse, da sich Anlage- und Betriebskosten
einer Wasseranlage selten wesentlich niedriger als die einer Dampfkraft stellen,
eine allgemeine Anpreisung der durch Wasser betriebenen elektrischen Heizung nicht
gerechtfertigt sein. Es müssen noch andere Gründe dazu kommen, um diese Heizung auch
in wirthschaftlicher Beziehung als empfehlenswerth erscheinen zu lassen.
Um solche Gründe zu klarer Anschauung bringen zu können, soll eine ausgedehnte
elektrische Heizanlage, wie sie in Amerika in Ottawa besteht, beschrieben werden.
Diese Anlage ist wohl bis jetzt die einzige, welche in ausgedehntem Maasse
elektrische Heizungen, und zwar der verschiedensten Art, betreibt.
In geringer Entfernung von der kanadischen Residenz bildet der Fluss Ottawa die
bekannten Chaudière-Fälle, welche bei einem Gefälle von 4,6 m eine Leistung von 5000
geben. Vorläufig ist von dieser riesigen verfügbaren Wasserkraft nur ein
Theil für ein grossartiges Sägewerk (Booth) und ein
anderer für eine Kraftstation (Ahearn und Soper)
verwendet; von letzterer aus werden eine elektrische Bahn und die elektrischen
Heizungen betrieben. In dieser Station sind bis jetzt drei Turbinen von je 600
aufgestellt, zwei derselben bedienen die elektrische Bahn und die dritte
die elektrischen Heizapparate. Die von Westinghouse
gelieferte Wechselstrommaschine, welche für die Heizung verwendet wird, liefert 150
Ampère bei 1100 Volt Spannung; durch Transformatoren wird die Spannung des den
Heizapparat durchlaufenden Stromes meist auf 50 Volt gebracht. Ausserdem werden noch
einige Heizungen von dem elektrischen Strom der Chaudière
Electric Light Co. gespeist.
In der Kraftstation selbst wird der Dynamoraum, der 24 m lang, 15 m breit und 3,4 m
hoch ist, durch eine elektrisch betriebene Warmwasserheizung erwärmt. Drei in Gruben
unter dem Fussboden aufgestellte elektrische Oefen entwickeln eine Wärme, welche die
an die Umfassungsmauern des Raumes verlegten Rohrleitungen von 910 m Länge auf einer
Temperatur von 17° C. erhält. Jeder Ofen nimmt einen Raum von 0,6 auf 0,9 m ein und
erfordert 60 Ampère bei 50 Volt. In diesem Falle ist die geforderte Erwärmung des
Raumes nur sehr massig; es sollen nur die bei den strengen kanadischen Wintern zu
fürchtenden störenden Wirkungen im Dynamoraume verhindert werden.
In geringer Entfernung von der Station befindet sich ein elektrischer Trockenofen für
Abfälle, welcher eine Temperatur von 52° C. erfordert. Es sind drei Oefen
aufgestellt, von denen jeder 20 Ampère bei 50 Volt aus der Stromleitung entnimmt.
Der Stromverbrauch dieser Anlage veranlasst im Jahre einen Kostenaufwand von 1000
M.
Ein Raum in dem Pumpenhaus des städtischen Wasserwerks, dessen Abmessungen 2,4 m auf
3,6 m auf 3 m betragen, wird durch einen Heizapparat von 12,7 cm Durchmesser und
50,8 cm Höhe erwärmt, wobei 4 Ampère bei 110 Volt verbraucht werden. Den Strom
hierzu liefert die in der Pumpstation aufgestellte Lichtdynamo.
Mehrere Apotheker der Stadt Ottawa haben sich in ihren Laboratorien elektrische
Kochvorrichtungen aufstellen lassen, welche das für chemische Arbeiten nothwendige
warme Wasser liefern sollen. Jeder Apparat enthält 0,7 l Wasser, wird an einen
40-Lampen-Transformator angehängt und erfordert 3 Ampère bei 50 Volt. Die Kosten des
Stromes sind im Jahre 104 M., wobei durchschnittlich 4 Stunden im Tage zum Heizen,
die übrigen jedoch zur Beleuchtung benutzt werden. Die gleichen Kocher befinden sich
in Barbierstuben, Restaurants, bei Photographen und Materialisten.
Zur Verminderung der Feuersgefahr in einem Stall wurde der früher benutzte Kohlenofen
durch einen elektrischen 27 l Wasser fassenden Kocher ersetzt, der 6 Ampère bei 50
Volt Spannung verbraucht; der Strom kostet im Jahr 208 M.
In den verschiedenen Häusern Ottawas sind elektrisch zu heizende Bäder aufgestellt;
so wird ein Kocher von 60 l Wasserinhalt durch einen Strom von 9 Ampère bei 50 Volt
bedient. Auch grössere Heizanlagen sind ausgeführt. Eine Umlaufwasserheizung wird
von einem Ofen von 1 m Höhe und 15 cm Durchmesser mit einem Aufwände von 5,5 Ampère
bei 500 Volt betrieben. Eine ähnliche Anlage ist in dem neu errichteten
Telegraphengebäude, einem dreistockigen Hause von 23 m Länge und 9 m Breite; die für
diesen Bau verwendete Heizrohranlage hat eine Gesammtlänge von 1500 m.
Zum Austrocknen der frisch gewickelten Armaturen und Feldmagnete für die Wagenmotoren
der elektrischen Bahn hat Ahearn einen Trockenofen
aufgestellt, welcher eine Temperatur von 50° C. zu erzeugen hat und 4 Ampère bei 500
Volt verbraucht.
Bei einem Bäcker befand sich ein elektrischer Backofen. Ahearn hatte schon bei der im J. 1892 in Ottawa abgehaltenen
Industrieausstellung einen elektrischen Backofen in Betrieb gesetzt, der dort
grosses Aufsehen erregt haben soll. Durch die elektrischen Oefen wird eine
Temperatur von 165° C. in dem Backraum erreicht; es sind drei Heizapparate von 78 cm
Höhe, 28 cm äusserem und 18 cm innerem Durchmesser in dem Backofen, zwei davon
erfordern 20 und der dritte 19 Ampère bei 50 Volt. Im Allgemeinen sind nur zwei
Apparate nothwendig, der dritte zur Reserve, um bei häufigem Oeffnen des Ofens den
hierdurch entstehenden Verlust zu decken. Der Backofen ist unmittelbar in dem
Verkaufsladen aufgestellt, kann also leicht von den Verkäufern mit überwacht werden.
Die ausgedehnte und von Ahearn trefflich betriebene
elektrische Bahn von Ottawa verlangte bei dem strengen Winter in Canada eine
Beheizung der Wagen, so dass Ahearn sich bald mit der
Construction elektrischer Oefen hierfür beschäftigte. Der erste Ofen war von
cylindrischer Form, 74 cm hoch, bei 25 cm äusserem und 18 cm innerem Durchmesser;
ein solcher Ofen, welcher 6 Ampère Strom entnimmt, ersetzte die früher in den Wagen
aufgestellten Kohlenöfen. Später vertauschte Ahearn den
einen Ofen gegen vier ovale, welche in den vier Ecken des Wagens unter den Sitzen
angebracht sind.
Ahearn verwendet für die Widerstände bei den
Heizapparaten nur Argentan und Eisen. Wenn man Argentan benutzt, bleibt der
Stromverbrauch auch bei Erhitzung des Drahtes fast gleich, da der Widerstand des
Argentans mit der Temperatur sich nur wenig ändert; dagegen wird ein Eisendraht,
dessen Widerstand mit wachsender Temperatur beträchtlich zunimmt, die Stromentnahme
merklich sinken lassen. Ein solcher Ofen mit Eisendrähten, der anfänglich 4 bis 5
Ampère aus der Stromleitung entnimmt, geht bald auf 2,5 bis 3 Ampère zurück.
Die Construction der elektrischen Oefen ist von Ahearn in wenig verschiedener Weise ausgebildet; es genügt wohl, eine
Beschreibung der ovalen Oefen in den Strassenbahnwagen, sowie der in den Backöfen
aufgestellten cylindrischen Oefen zu geben.
Bei den ersteren bilden zwei eiserne in einander liegende Cylinder von ovalem.
Querschnitt den Körper des Ofens. Auf die äussere Seite des inneren Cylinders sind
isolirende Stäbe gesetzt, welche den bifilar gewickelten Eisendraht tragen. Der
zwischen den Cylindern befindliche Hohlraum wird mit isolirendem Sand ausgefüllt. In
ganz ähnlicher Weise ist der für den Backofen benutzte Heizapparat construirt; der
Hauptunterschied besteht darin, dass hier zwei cylindrische Eisenrohre von
kreisförmigem Querschnitt den Körper bilden und die Ausdehnung der Höhe noch
beträchtlicher ist.
Zur elektrischen Beheizung von elektrischen Strassenbahnwagen sind auch an anderen
Orten von Nordamerika bemerkenswerthe Versuche gemacht worden, z.B. mit dem Electro
Thermal System der American Electric Heating Co. of
Boston. Unter den Wagensitzen liegt ein Generator, der mit Chemikalien von
möglichst hoher specifischer Wärme gefüllt ist. Die Heizdrähte sind aus einer
Legirung von einem sehr geringen Temperaturcoëfficienten, d.h. von solchem Material,
dessen Widerstand von der Temperatur möglichst unabhängig ist. Der Generator bildet
einen Wärmespeicher, damit durch den Strom auch mit längeren Pausen geheizt werden
kann und der Wagen doch gleichförmig erwärmt bleibt. Es wird angegeben, dass der
Betrieb im Allgemeinen mit einem Strom von 4 Ampère in der ersten Stunde und dann
mit Unterbrechungen mit 2 Ampère geführt wird.
Das vorgelegte Material gestattet wohl, den Nachweis zu liefern, dass in manchen
Fällen die elektrische Heizung von grossem Werthe sein kann. Wenn einem Verbraucher
elektrischer Energie von der Centrale die installirte Lampe oder deren Aequivalent
für das Jahr berechnet wird, ist jede Vorrichtung, um den Stromverbrauch zu messen,
unnöthig. Dann aber ist es für den Abnehmer von grossem Werth, den Strom, wenn
möglich; unausgesetzt zu benutzen. Für Beleuchtung allein gelingt ihm dies nicht,
dagegen wird er im Besitze von elektrischen Heizapparaten die Ausnutzung beinahe
vollständig erzielen können und erhält dann bei geschickter Anordnung fast kostenlos
den Heizeffect. Aber auch für den Lieferanten ist es angenehm, eine möglichst
gleichmässige Belastung seiner Anlage zu gewinnen; er wird den Preis für die
Stromlieferung bedeutend billiger als bei einer so geringen Ausnutzung seiner
Anlage, wie sie bei Verwendung allein für Lichtbedarf möglich ist, stellen können.
Minderung der Feuersgefahr und grosse Bequemlichkeit in der Heizung können oft zur
Einrichtung einer elektrischen Erwärmung zwingen, wenn sie sich auch hoch im Preise
stellen sollte. So sind z.B. schon vor einigen Jahren in den Garderoben unserer
Hoftheater elektrisch geheizte Lockenbrennöfen aufgestellt. Gleich geringe
Feuersgefahr wie bei elektrischer Heizung wäre nur bei Warmwasser- und
Niederdruckdampfheizungen zu erzielen, wenn hierbei der Herd der Anlage entfernt von
dem feuergefährlichen Raum aufgestellt wird.