Titel: | Ueber Zuckerbestimmung und über die Zuckergehalte der Gerbmaterialien, Gerbextracte, Gerbebrühen, sowie des unbeschwerten lohgaren Leders. |
Autor: | v. Schroeder, A. Bartel , W. Schmitz-Dumont |
Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 298 |
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Ueber Zuckerbestimmung und über die Zuckergehalte
der Gerbmaterialien, Gerbextracte, Gerbebrühen, sowie des unbeschwerten lohgaren
Leders.
Von Prof. v. Schroeder, A. Bartel und Dr. W.
Schmitz-Dumont in Tharand.
(Schluss der Abhandlung S. 281 d. Bd.)
Ueber die Zuckerbestimmung und die Zuckergehalte der
Gerbmaterialien u.s.w.
V. Untersuchung über die Zusammensetzung und den Zuckergehalt
normaler und mit Melasse verfälschter Quebrachoextracte.
Im J. 1890 wurden uns eine ganze Anzahl Proben auffallend billiger Quebrachoextracte
zugeschickt, welche ein etwas fremdartiges dunkleres Aussehen hatten und nach dem
abnormen Verhältniss zwischen gerbenden Stoffen und organischen Nichtgerbstoffen
sich als verfälscht erwiesen. Da uns unzweifelhaft verfälschte Gerbextracte auf dem
deutschen Markte bisher nicht begegnet waren, so erregte die Sache unser Interesse
und haben wir die betreffenden Proben einer genaueren Untersuchung unterzogen. Die
Resultate wollen wir in Folgendem mittheilen, bemerken dazu aber, dass diese
verfälschten Extracte, nachdem die Sache in praktischen Kreisen bekannt wurde, sehr
bald wieder vom Markte verschwanden. Es ist das auch bis jetzt der einzige uns
bekannt gewordene Fall der Verfälschung eines Gerbextractes durch fremde Zusätze,
und wir dürfen daher wohl behaupten, dass die in den Gerberzeitungen so häufig
angezogene Extractverfälschung mit Zucker wenigstens bei uns eine grosse Seltenheit
ist.
Die verfälschten Quebrachoextracte mit dem geringen Gerbstoffgehalt und der abnorm
grossen Menge organischer Nichtgerbstoffe ergeben bei Bestimmung des direct
reducirenden Zuckers nach unserem Verfahren ganz normale Zahlen. Nachdem wir aber
die von Gerbstoff befreite Extractlösung ganz kurze Zeit mit etwas Säure erwärmt
hatten, ergaben sich so grosse Zuckermengen, dass eine Verfälschung mit Melasse als
ganz sicher anzunehmen war, und es handelte sich nun darum, den zugesetzten
Rohrzucker der Melasse in den gefälschten Extracten richtig zu bestimmen. Zu diesem
Zweck verfuhren wir in folgender Weise:
Zunächst bestimmten wir in dem Extract die Menge der direct reducirenden Körper genau
nach der bisher befolgten Methode und berechneten das erhaltene Kupfer nach unserer
Tabelle auf Traubenzucker. Darauf wurden 50 cc der durch Bleiessiglösung von
Gerbstoff und durch Natriumsulfatlösung vom überschüssigen Blei in der früher
beschriebenen Weise befreiten Extractlösung mit 10 cc verdünnter Schwefelsäure (1
Volum englische Schwefelsäure und 5 Volum Wasser) versetzt, und zur Umwandelung des
Rohrzuckers in Invertzucker im Wasserbade bis auf etwa 80° C. erhitzt.Oder man nimmt 10 cc Salzsäure von 1,125 spec.
Gew. Nach dem Abkühlen wurde die Säure mit verdünnter Natronlauge
von bekanntem Gehalt neutralisirt und auf 100 cc aufgefüllt. Von dieser
(nöthigenfalls nochmals filtrirten) Flüssigkeit wurden 25 cc zu einer zweiten
Zuckerbestimmung verwendet, welche genau wie die erste mit Einhaltung der
halbstündigen Kochdauer ausgeführt wurde. Von dem erhaltenen Kupfer wurde zunächst
diejenige Menge abgezogen, welche, der verwendeten Substanzmenge entsprechend, nach
der ersten Bestimmung auf den direct reducirenden Zucker entfiel. Für den Rest des
Kupfers wurde die entsprechende Zuckermenge in der Allihn'schen TabelleVgl. die
citirte Abhandlung von Allihn, Journal für
praktische Chemie, N. F., Bd. 22 S. 63 und 69 bis 71.
als Invertzucker abgelesen, der Invertzucker mit dem Factor 0,95 in Rohrzucker
umgerechnet und auf die ursprüngliche Substanz berechnet. Diese Berechnung beruht
auf der Angabe Allihn's, dass eine Invertzuckerlösung
mit der alkalischen Kupferlösung bei halbstündiger Kochdauer genau ebenso viel
Kupfer liefert, wie eine gleich starke Traubenzuckerlösung bei einmaligem Aufkochen,
dass mithin die Allihn'sche Tabelle bei halbstündiger
Kochdauer für Invertzucker gültig ist.
Zur Begründung dieses Verfahrens wurden zuvor folgende Versuche angestellt:
I. 5 g reinster Kandiszucker (mit 0,08 Proc. Wasser und 0,02 Proc. Asche) wurden auf
500 cc gelöst, davon 100 cc mit 20 cc der verdünnten Schwefelsäure, wie soeben
angegeben, invertirt, nach dem Abkühlen mit verdünnter Natronlauge neutralisirt und
auf 200 cc gebracht.
In 25 cc der letzteren Lösung sind demnach 0,1316 g Invertzucker, entsprechend 0,1250
g des ursprünglichen Rohrzuckers enthalten. Mit je 25 cc dieser Lösung wurde die
Zuckerbestimmung ausgeführt und gefunden:
1) 0,2590 g Kupfer, entsprechend0,1341 g Invertzucker
= 0,1274 g
Rohrzucker
2) 0,2600 g Kupfer, entsprechend0,1346 g Invertzucker
= 0,1279 g
Rohrzucker
3) 0,2575 g Kupfer, entsprechend0,1333 g Invertzucker
= 0,1266 g
Rohrzucker
4) 0,2560 g Kupfer, entsprechend0,1324 g Invertzucker
= 0,1258 g
Rohrzucker
–––––––––
Mittel
= 0,1269 g
Es sind demnach für 100 angewendeten Rohrzucker 101,5 gefunden, was eine ganz
befriedigende Uebereinstimmung ist.
II. Es wurden 1,6000 g Kandiszucker auf 200 cc gelöst und 20 cc Bleiessig zugesetzt.
Von dieser Lösung wurden 100 cc mit 10 cc Natriumsulfatlösung versetzt und filtrirt.
Von dem Filtrat wurden 100 cc mit 20 cc verdünnter Schwefelsäure invertirt, nach dem
Abkühlen neutralisirt und auf 200 cc aufgefüllt. Es enthalten demnach 25 cc der
invertirten Lösung 0,0871 g Invertzucker, entsprechend 0,0827 g Rohrzucker. In je 20
cc der invertirten Lösung wurde die Zuckerbestimmung ausgeführt und gefunden:
0,1750 g Kupfer, entsprechend0,0895 g Invertzucker
= 0,0850 g
Rohrzucker
0,1745 g Kupfer, entsprechend0,0893 g Invertzucker
= 0,0848 g
Rohrzucker
–––––––––
Mittel
= 0,0849 g
Demnach für 100 angewandten Rohrzucker gefunden 102,7, was ebenfalls noch ganz
zufriedenstellend ist.
Aus diesen beiden Versuchen ergibt sich, dass man den Rohrzucker in der angegebenen
Weise sehr annähernd richtig bestimmen kann, und dass auch die Behandlung mit
Bleiessig und Natriumsulfatlösung mit nachheriger Inversion das Resultat nicht
abändert. Es wurde nun noch ein Versuch gemacht, bei dem zwei festen
Quebrachoextracten genau bekannte Mengen reinen Rohrzuckers zugesetzt wurden, und
der da zeigen sollte, wie weit man diesen zugesetzten Zucker richtig wiederfinden
könne. Hierzu war es natürlich nöthig, in den reinen Extracten vorher nicht nur die
Menge des direct reducirenden Zuckers zu bestimmen, sondern dieselben auch daraufhin
zu untersuchen, ob sich bei denselben nach vorhergehender, auf die angegebene Art
ausgeführter kurzer Invertirung ein Mehrgehalt an Zucker ergibt, der als Rohrzucker
zu berechnen und von dem Ergebniss für Rohrzucker bei dem mit Zucker verfälschten
Extract abzuziehen sein würde. Das Resultat stellt sich wie folgt:
III. a) Von zwei festen Extracten A und B wurden gelöst:
A = 15,8100 g auf 250 cc
B = 20,0000 g auf 300 cc
200 cc der Extractlösung wurden nach der gegebenen Vorschrift mit Bleiessig und
Natriumsulfatlösung behandelt. Von dem Natriumsulfatfiltrat sind 50 cc zu je zwei
Bestimmungen des direct reducirenden Zuckers verwendet worden, während wir 50 cc
genau nach der Vorschrift invertirten und in der erhaltenen Flüssigkeit wieder je
zwei Zuckerbestimmungen ausführten. Dabei wurde im Mittel beider Bestimmungen
erhalten:
A
B
Proc.
Proc.
Direct reducirender Zucker als Trauben- zucker
berechnetInvertzucker als Rohrzucker
berechnet
3,232,59
3,801,13
Gesammtzucker als Rohzucker
berechnet
5,66
4,74
b) Von den beiden Extracten wurden mit reinem Kandiszucker gelöst:
A =
21,9730 g
Extract
+ 2 g
Kandiszucker
auf
300 cc
B =
18,0000 g
„
+ 2 g
„
„
250 cc
wonach A = 9,11 Proc. und B = 11,11 Proc. zugesetzten
Rohrzucker enthält.
200 cc dieser Extractlösung wurden mit Bleiessig und Natriumsulfat behandelt,
filtrirt und 50 cc des Filtrates genau wie unter a) invertirt und je zwei
Zuckerbestimmungen ausgeführt. Das Gesammtresultat war:
A
B
Proc.
Proc.
Gesammtzucker als Rohrzucker berech- net in den mit
Kandis versetzten ExtractenGesammtzucker als Rohrzucker
berech- net in den reinen Extracten
14,95 5,66
16,23 4,74
Demnach Rohrzucker gefundenRohrzucker den Extracten
zugesetztMehr (+) oder weniger (–) an Rohr- zucker gefunden als
zugesetzt
9,29 9,11+ 0,18
11,4911,11+ 0,88
Der zugesetzte Rohrzucker ist demnach fast ganz genau in derselben Menge
wiedergefunden, und damit ist erwiesen, dass die Zuckerbestimmungen nach den
gegebenen Vorschriften zu richtigen Resultaten führen müssen.
Wir haben nun zunächst eine Anzahl reiner fester
und teigförmiger Quebrachoextracte analysirt und bei
ihnen zugleich auch die beiden Zuckerbestimmungen ausgeführt. Die Extracte Nr. 1 bis
4 sind Ottensener Fabrikate, die uns direct von der Fabrik zugingen. Die Nr. 5 ist
französischer Extract von E. Dubosc in Havre, Nr. 6 ist
Hamburger Extract aus der Fabrik von Dr. L. Weitz. Die
letzten drei Proben Nr. 7 bis 9 sind ältere Fabrikate der Gesellschaft Flora in Hamburg. Die Resultate ersieht man aus
folgender Zusammenstellung und ist beim Mittel die Analyse des festen Extractes, die
zu Ende des vorigen Abschnittes angeführt wurde, mit eingerechnet. Die Zuckergehalte
sind das Mittel aus je zwei Einzelbestimmungen, die ganz gut übereinstimmten. Die
dabei gewogenen Kupfermengen schwankten von 0,0670 bis 0,2490 g.
Feste
Quebrachoextracte
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Mittel
WasserGerbende StoffeOrganische
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
18,15 70,67 7,00 2,33 1,85
17,17 73,50 7,00 0,83 1,50
18,67 69,66 10,00 0,67 1,00
21,63 67,17 9,25 1,25 0,70
15,51 70,17 12,33 1,17 0,82
15,54 69,17 13,83 1,17 0,29
15,12 74,34 7,33 1,33 1,88
14,84 78,83 4,50 1,00 0,83
16,76 74,84 6,33 1,50 0,57
17,01 72,24 8,42 1,24 1,09
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Direct reducirender Zucker als Trauben- zucker in Proc.Invertzucker als Rohr- zucker in Proc.
3,23 2,59
2,44 0,00
2,91 1,41
3,80 1,13
2,93 0,25
2,82 2,94
1,69 2,00
1,69 0,00
1,56 1,08
2,41 1,27
Auf 100 Th. gerbende Stoffe kommen hier 11,58 Th. organische Nichtgerbstoffe und 3,31
Th. direct reducirender Zucker, während nach den früher mitgetheilten 5
Quebrachoholzanalysen bei dem Holz auf 100 Th. gerbende Stoffe 6,55 Th. lösliche
organische Nichtgerbstoffe und 1,02 Th. Zucker sich berechnen. Die Gründe für dieses
grössere Hervortreten der Nichtgerbstoffe und des Zuckers in einem Extract, im
Gegensatz zum Rohmaterial, haben wir oben schon angegeben, und hier sieht man, dass
im Quebrachoholz thatsächlich Stoffe vorhanden sind, die leicht in direct
reducirenden Zucker übergeführt werden können. Als Durchschnitt für die Praxis ist
72,24 Proc. gerbende Stoffe wohl etwas zu hoch, weil die festen Extracte meist mit
einem etwas grösseren Wassergehalt in den Handel kommen. Für feste Quebrachoextracte
des Handels wird man rund 70 Proc. rechnen können, wo man dann auf 100 Th. gerbende
Stoffe 3,44 Th. direct reducirenden Zucker haben würde.
Teigförmige
Quebrachoextracte
10
11
12
13
14
Mittel
WasserGerbende StoffeOrganische
Nicht- gerbstoffeExtractascheUnlösliches
44,20 45,69 7,15 1,27 1,69
43,16 47,80 3,45 1,86 3,73
46,02 43,50 8,45 0,75 1,28
45,02 38,78 11,55 1,47 3,18
43,11 46,91 6,21 0,89 2,88
44,60 44,75 6,98 1,10 2,51
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Direct reduciren- der Zucker als Traubenzucker in Proc.Invertzucker als Rohrzucker in Proc.
3,67 0,00
2,25 0,94
3,44 0,80
3,22 3,14
4,18 0,52
2,94 1,08
Die Zusammensetzung von fünf teigförmigen Quebrachoextracten zeigt vorstehende
Zusammenstellung. Die Nr. 10 bis 13 sind Ottenser Fabrikate, Nr. 14 bezieht sich auf
eine Einsendung aus der Praxis und liegt hier jedenfalls wohl auch ein Hamburger
Fabrikat vor. Im Mittel ist auch hier die eine am Ende des vorigen Abschnittes
mitgetheilte Analyse inbegriffen.
Das Verhältniss zwischen gerbenden Stoffen und Nichtgerbstoffen ist hier ähnlich wie
bei den festen Extracten, während die Menge an direct reducirendem Zucker etwas
grösser ist. Auf 100 Th. gerbende Stoffe berechnen sich nach dem Mittel 15,60 Th.
organische Nichtgerbstoffe und 6,57 Th. direct reducirender Zucker. Die nach dem
Invertiren erhaltene Zuckermenge, als Rohrzucker berechnet, schwankt bei festen und
teigförmigen Extracten von 0 bis 3,14 Proc. und beträgt bei beiden Extracten im
Mittel etwa 1 Proc.
Die Analyse von sechs Proben der erwähnten mit Melasse verfälschten
Quebrachoextracte, die uns theils aus der Praxis, theils durch die
Farbholzextractfabrik zu Ottensen zugingen, führte zu folgenden Resultaten:
Mit Melasse verfälschte
Quebrachoextracte
1
2
3
4
5
6
WasserGerbende StoffeOrganische
Nicht- gerbstoffeExtractascheUnlösliches
15,11 51,33 28,92 2,91 1,73
15,93 52,17 26,33 3,33 2,24
13,54 46,75 32,78 4,66 2,27
16,67 57,66 21,17 3,50 1,00
17,27 57,89 20,45 3,27 1,12
18,32 52,57 23,40 3,33 2,38
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Direct reduciren- der Zucker als Traubenzucker in Proc.Invertzucker als Rohrzucker in Proc.Auf 100
Theile gerbende Stoffe kommen orga- nische Nicht- gerbstoffe
1,76 13,86 56,34
3,66 7,98 50,47
1,93 18,3370,12
(!)
2,81 8,67 36,57
2,73 8,02 35,33
1,77 13,20 44,51
Dass diese Extracte verfälscht sind, ergibt sich ohne weiteres aus dem Verhältniss
zwischen den gerbenden Stoffen und organischen Nichtgerbstoffen. Bei normalen festen
und teigförmigen Extracten hatten wir im Mittel auf 100 Th. gerbende Stoffe 11,58
Th. bezieh. 15,60 Th. organische Nichtgerbstoffe gefunden, hier dagegen ergeben sich
auf 100 Th. gerbende Stoffe etwa 35,33 bis 70,12 (!) Th. Nichtgerbstoffe. Die
Extracte müssen mit einer Substanz verfälscht sein, welche keinen oder sehr wenig direct
reducirenden Zucker enthält, welche dagegen sehr reich an Rohrzucker ist, und
zugleich nicht unbeträchtliche Mengen Mineralstoffe enthält. Das beweisen die
normalen Zahlen für Traubenzucker in den verfälschten Extracten und die hohen
Rohrzuckergehalte, die von 7,98 bis 18,33 Proc. schwanken, während man bei derselben
Bestimmung in unverfälschten Quebrachoextracten im Mittel 1 Proc. und im Maximum 3
Proc. findet. Den höheren Gehalt an Mineralstoffen in der zugesetzten Substanz
beweisen die abnorm hohen Extractaschen, die bei den verfälschten Extracten von 2,91
bis 4,66 Proc. gehen und im Mittel 3,50 Proc. betragen, – in den normalen Extracten
geht die Extractasche von 0,75 bis 2,33 Proc. und kann im Mittel zu rund 1 Proc.
angenommen werden. Eine Substanz, die nur Spuren von Traubenzucker, dagegen aber
viel Rohrzucker enthält, und die zugleich so billig ist, dass ihre Benutzung zur
Verfälschung von Gerbextracten lohnend erscheint, kann nur die Melasse sein, deren
Zusatz auch die bedeutende Erhöhung des Mineralstoffgehaltes vollkommen erklärt. Ein
weiterer Umstand, der den Zusatz von Melasse beweist, ist der erhöhte
Stickstoffgehalt der gefälschten Extracte, denn die Melasse enthält im Vergleich zu
einem Gerbextract nicht unbedeutende Mengen Stickstoff. In dem festen
Quebrachoextract Nr. 2 fanden wir 0,14 Proc. Stickstoff, in dem verfälschten Extract
Nr. 1 dagegen 0,49 Proc. Um diese Verhältnisse noch deutlicher zu machen, haben wir
eine Melasse analysirt und versucht, aus der Zusammensetzung dieser Melasse und
eines reinen Quebrachoextractes die Zusammensetzung eines gefälschten Extractes zu
berechnen. Dass man dabei zu Zahlen kommt, die vollständig dem hier vorliegenden
Analysenresultat für die gefälschten Extracte entsprechen, beweist die folgende
Zusammenstellung. Bei der Berechnung sind 70 Proc. des reinen Extractes Nr. 2 und 30
Proc. Melasse angenommen, und die Mischung auf den Wassergehalt des gefälschten
Extractes Nr. 1 berechnet:
Melasse
Reiner festerExtractNr. 2
VerfälschterExtractNr. 1
Mischung aus70 Proc. Nr. 2und 30
Proc.Melasse bei15,11 Proc.Wassergehalt
WasserGerbende StoffeOrganische
Nicht- gerbstoffeExtractascheUnlösliches
17,91– 72,83 9,26–
17,17 73,50 7,00 0,83 1,50
15,11 51,33 28,92 2,91 1,73
15,11 52,72 27,61 3,48 1,08
100,00
100,00
100,00
100,00
Direct reducirender Zucker als Trauben- zucker in Proc.Invertzucker als Rohrzucker in Proc.Gesammtstickstoff in Proc.
1,23 48,42 1,86
2,44 0,00 0,14
1,76 13,86 0,49
2,14 15,03 0,68
Damit dürfte der Zusatz von Melasse zu den untersuchten sechs Extracten wohl
hinlänglich bewiesen sein.
VI. Uebersicht über die Beziehung der Gehalte an gerbenden
Stoffen und Zucker für die wichtigsten Gerbmaterialien und Gerbextracte.
Nachdem wir in den Abschnitten III und IV die Zuckergehalte der festen
Gerbmaterialien und Gerbextracte besprochen haben, wollen wir in Folgendem noch
eine kurze Uebersicht über die wichtigsten der gewonnenen Resultate in der Weise
geben, dass wir die Durchschnittsgehalte an Zucker und Gerbstoff tabellarisch
zusammenstellen, und dabei zugleich angeben, wie viel man nach unserer Untersuchung
im Mittel auf 100 Th. gerbende Stoffe an Zucker, d.h. säurebildenden Stoffen,
rechnen kann. Was die Gerbstoffgehalte anbetrifft, so bemerken wir, dass nur die
Zahlen für die Eichen- und Fichtenrinde wirkliche Mittel aus bereits
zusammengestelltem Untersuchungsmaterial sind, wie das ja an den betreffenden
Stellen im Abschnitt II auch angegeben ist. Für die übrigen Gerbmaterialien haben
wir definitive Zusammenstellungen des uns vorliegenden sehr umfangreichen Materials
noch nicht machen können, und es sind die Zahlen daher nur als vorläufig
abgeleitete, immerhin aber sehr annähernd richtige runde Mittelwerthe aufzufassen.
Wir geben daher für den Gerbstoff auch keine Minima und Maxima an und behalten uns
vor, über die Gerbstoffgehalte der Gerbmaterialien in späteren Abhandlungen noch
genauere Mittheilungen zu machen. In der folgenden Tabelle sind die Gerbmaterialien
in der Weise geordnet, dass diejenigen, welche auf 100 Th. Gerbstoff die grössere
Menge Zucker enthalten, voraus stehen. Die Minima und Maxima beziehen sich beim
Zucker immer nur auf diejenige Zahlenreihe, aus welcher das angegebene Mittel
wirklich abgeleitet ist, während einzelne ausserdem eventuell noch gefundene
grössere oder kleinere Werthe, wie aus dem Texte an den betreffenden Stellen
ersichtlich ist, nicht berücksichtigt sind.
I
II
III
Gerbende Stoffein Proc.im
Mittel
Zuckergehlatin Proc.
Auf 100 Th.gerbende Stoffekommen
säure-bildende Stoffe
imMittel
Mini-mum
Maxi-mum
Fichtenloheextracte
25,00
7,84
4,58
9,44
31,4
Fichtenlohe
11,63
3,53
2,65
4,47
30,4
Eichenlohe (Jungrinde)
10,10
2,65
1,75
3,46
26,2
Dividivi
41,50
8,39
7,98
8,83
20,2
Algarobilla
43,00
8,23
6,24
10,49
19,1
Myrobalanen
30,00
5,35
3,15
7,05
17,8
Sumach, italienischer
28,00
4,53
–
–
16,2
Eichenholzextracte, slavo- nische
28,00
3,07
2,47
3,92
11,0
Kastanienholzextracte, flüssige normale
30,00
2,87
2,61
3,53
9,6
Valonea
28,80
2,69
1,21
3,57
9,3
Cayotarinde
22,00
1,65
–
–
7,5
Trillo der Valoneen
43,50
2,41
–
–
5,5
Garouille
25,00
1,00
0,67
1,51
4,0
Rove
29,00
1,13
–
–
3,9
Quebrachoextracte, feste
70,00
2,41
1,04
3,80
3,4
Mimosenrinden
32,00
0,91
0,33
1,57
2,8
Knoppern
30,00
0,65
0,54
0,71
2,2
Quebrachoholz
22,00
0,25
0,10
0,65
1,1
Ueberblickt man diese Tabelle, so stimmt dieselbe im Allgemeinen mit den praktischen
Erfahrungen überein, indem die in der Columne III an der Spitze stehenden
Gerbmaterialien diejenigen sind, welche sich durch grösste Säurebildung auszeichnen,
während die zuletzt kommenden durch ihre sehr geringe Fähigkeit, Säure zu bilden,
bekannt sind. Der Praxis geläufige Gegensätze sind in dieser Beziehung die Fichten-
und Eichenlohe einerseits; sowie die Holzextracte andererseits, und von den
letzteren ist es besonders Quebracho, dessen ganz verschiedene Fähigkeit zur
Säurebildung immer betont wird. An Quebracho schliessen sich in dieser Beziehung eine Reihe
anderer Gerbmaterialien an, welche, wie Knoppern, Mimosenrinden, Rove u.s.w.,
ebenfalls eine sehr geringe säurebildende Fähigkeit haben. Zwischen den Eichen- und
Kastanienholzextracten und unseren einheimischen Lohen stehen Dividivi, Algarobilla
und Myrobalanen, die einen höheren Zuckergehalt haben, und die im Verhältniss zum
Gerbstoffgehalt als Gerbmaterialien mit mittlerer säurebildender Fähigkeit
bezeichnet werden können. Manche Beobachtungen der Praxis erklären sich aus den
vorstehenden Resultaten ganz ungezwungen, und man kann danach wenigstens zum Theil
das leitende Princip begründen, das die Praxis bei der Combination der verschiedenen
Gerbmaterialien zu befolgen hat. Auf diese Seite der Sache wollen wir indessen hier
nicht näher eingehen, weil uns das zu sehr in praktische gerberische Details führen
würde, und wir werden in Zukunft vielfach noch Gelegenheit haben, auf die Resultate
der vorstehenden Tabelle zurückzukommen.
Um nicht falsch verstanden zu werden, möchten wir uns aber noch eine Bemerkung
erlauben. Die die Fehling'sche Kupferlösung direct
reducirenden zuckerartigen Bestandtheile der Gerbmaterialien sind gewiss ein
Hauptmaterial zur Bildung der Säure bei der Gährung der Gerbebrühen, und daher hat
es ohne Zweifel eine Berechtigung, wenn wir, wie das in vorstehender Tabelle
geschehen ist, die Gerbmaterialien nach ihrem Verhältniss zwischen Gerbstoff und
Zucker ordnen und zunächst danach ihre säurebildende Fähigkeit messen. Damit allein
ist die Sache aber nicht erschöpft. Es wäre sehr gut denkbar, dass andere
Bestandtheile unter den löslichen organischen Nichtgerbstoffen ebenfalls bis zu
einem gewissen Grade bei der Säurebildung betheiligt sind, und ebenso ist gewiss
anzunehmen, dass, wo in einem Gerbmaterial Stärkemehl vorhanden ist, dieses unter
geeigneten Bedingungen in Säure übergehen kann. Danach müsste es dann auch bei ein
und demselben Gerbmaterial einen wesentlichen Unterschied bedingen, ob wir dasselbe
kalt oder heiss auslaugen und nur die erhaltene Brühe benutzen, oder ob wir dasselbe
in Substanz verwenden und es zum Frischmachen in die Brühen und als Streumaterial in
die Gruben bringen. Endlich käme, wenn man eine gute Schwellung durch die gebildeten
Säuren ins Auge fassen will, bis zu einem gewissen Grade wohl auch die Qualität der
Säure in Betracht. Darüber liegt aber nur sehr wenig brauchbares
Untersuchungsmaterial vor, so dass man, abgesehen von den Eichen- und
FichtenlohenVgl. in dieser
Beziehung J. Wladlka: Zur Kenntniss der organischen
Säuren in Fichtenbrühen; Gerber, 1890 S. 3, 15, 28 und
61., in dieser Beziehung über die einzelnen Gerbmaterialien nicht
viel sagen kann. Es bleibt nach allen Seiten hin noch sehr viel zu erforschen übrig,
und wir legen unserer eigenen Arbeit daher keineswegs einen abschliessenden Werth
bei, wir möchten dieselbe nur als den ersten Versuch zu einer besseren
wissenschaftlichen Behandlung und Orientirung auf dem betreffenden Gebiete
betrachtet wissen.
VII. Ueber Zuckergehalte in Gerbebrühen.
Um zu zeigen, welche Zuckergehalte in Gerbebrühen vorkommen und wie die Zuckergehalte
in Gerbebrühen sich verändern, wollen wir zunächst die Untersuchung eines
Brühenganges mittheilen, der aus einer Rosslederextractgerberei in der Nähe von
Hamburg herstammt.Vgl. v. Schroeder: Ueber Gerbung mit Fichtenextract und
Quebrachoextract; Deutsche Gerberzeitung, 1889 Nr. 38.
In dieser Gerberei wird ein Gemenge von gleichen Theilen Fichtenlohe und
Quebrachoholz extrahirt und mit der erhaltenen Extractbrühe der Brühengang täglich
nachgebessert. Die Blössen kommen zuerst in die schwächste Gerbebrühe Nr. 5, in
welcher sie ungefähr eine Woche verbleiben, dann kommen sie auf etwa eine Woche in
die folgende stärkere Brühe Nr. 4, und so fort bis zur stärksten Brühe Nr. 1, aus
welcher sie, nach einer Gerbdauer von insgesammt 35 Tagen, fertig durchgegerbt
herauskommen. Die Nachbesserung der Brühen geschieht täglich und zwar in folgender
Weise: Von der schwächsten Brühe Nr. 5 wird ein gewisses Quantum ausgeschöpft und
durch Brühe aus Nr. 4 ersetzt, in Nr. 4 wird dann eine entsprechende Menge aus Nr. 3
zugegeben u.s.w. bis Nr. 1, wo das fehlende Quantum durch Extractbrühe ersetzt wird.
Die aus Nr. 5 zuerst ausgeschöpfte ausgebrauchte Brühe wird nicht fortgeworfen,
sondern sie wird statt Wasser bei der Extraction des Gerbmaterialgemisches mit
verwendet. Dadurch erklärt es sich, dass die Extractbrühe Säure enthält und
verhältnissmässig reicher an organischen Nichtgerbstoffen ist, als das der Fall sein
würde, wenn zur Extraction des Gerbmaterials nur reines Wasser zur Anwendung käme.
Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung dieser Brühen, und. ist in derselben,
wie auch bei allen folgenden Brühen, die Gesammtsäure nach der Koch'schen Methode titrirt und als Essigsäure in
Rechnung gebracht.
Gerbebrühen aus einer Extractgerberei in der Nähe von Hamburg.
100 cc Brühe enthalten Gramm:
Ex-tract-brühe
Gerbebrühen
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
Nr. 4
Nr. 5
Gerbende StoffeOrganische
Nicht- gerbstoffeMineralstoffe
1,3530,9380,278
1,0580,8180,259
0,8220,7400,243
0,5240,6690,237
0,2490,6070,214
0,0970,4350,163
2,569
2,135
1,805
1,430
1,070
0,695
GesammtsäureZuckerSpecifisches Gewicht bei
17,5° C.
0,1570,1211,0108
0,1610,0801,0090
0,1650,0471,0076
0,1800,0311,0062
0,2260,0171,0048
0,2440,0111,0034
Diese Zahlen sprechen bezüglich des Zucker- und Säuregehaltes für sich selbst: In der
Extractbrühe und stärksten Gerbebrühe ist der Zuckergehalt am grössten und der
Säuregehalt am kleinsten. Je länger die Gährung im Brühengang dauert, um so mehr
verschwindet der Zucker und nimmt die Säure zu, bis endlich in der schwächsten Brühe
der Zucker sein Minimum und die Säure ihr Maximum erreicht.
Als Gegenstück zu dem soeben besprochenen lehrreichen Brühengange können folgende
Bestimmungen dienen, die sich auf Farben aus einer kleinen Sohlledergerberei
beziehen; welche mit Fichten- und Eichenlohe arbeitet. Eine Stufenfolge ist hier gar
nicht wahrzunehmen, nicht einmal im Gerbstoffgehalt, und das liegt unzweifelhaft in
der ausserordentlich unrationellen Art und Weise, in welcher die Brühen ganz nach
Gutdünken und Befinden bald mit grösseren, bald mit kleineren Mengen frischer Lohe und Sauerbrühe
nachgebessert werden. Leider sind die Gerbstoffbestimmungen hier seiner Zeit nur
nach der Löwenthal'schen Methode ausgeführt? sonst
würde sich noch deutlicher herausstellen, wie gehaltlos diese Brühen bei ihrem
verhältnissmässig hohen specifischen Gewicht sind. Die Zuckergehalte schwanken für
100 cc von 0,000 bis 0,067, – eine Beziehung zum Säuregehalt kann aber hier wegen
der Art und Weise der Zubesserungen natürlich nicht hervortreten. Die Proben sind
alle den 3. December entnommen, und in der Tabelle ist angegeben, an welchem Datum
die letzte Zubesserung erfolgte.
100 cc Brühe enthalten Gramm:
FarbeNr.
Wann die letzteZubesserungerfolgte
Gesammtgehaltan festenStoffen
SpecifischesGewicht bei17,5° C.
Gerbstoff nachLöwenthal'scherMethode
Zucker
Säure
4
III
29. November30. November
0,6540,721
1,00281,0030
0,0440,049
0,0000,006
0,0170,030
Mittel
–
0,688
1,0029
0,047
0,003
0,024
3
IIIIII
29. November29. November29. November
1,4131,5581,367
1,00621,00671,0059
0,0600,0660,067
0,0190,0670,052
0,2090,2780,287
Mittel
–
1,446
1,0063
0,064
0,046
0,258
1
IIIIIIIVVVIVIIVIIIIX
23. October 2. November 2.
November19. November19. November24. November26.
November 1. December 1. December
1,2860,7651,1371,3081,2271,4111,2051,5441,280
1,00561,00301,00471,00571,00541,00601,00501,00671,0056
0,0560,0540,0610,0660,0710,0590,0800,0930,093
0,0270,0090,0280,0480,0350,0270,0490,0460,048
0,4170,2260,3560,4260,3480,3220,2780,3650,269
Mittel
–
1,240
1,0053
0,070
0,035
0,334
In vielen Fällen ist der Zuckergehalt hier höher, wenn der Gerbstoffgehalt grösser
ist, d.h. wenn vor kürzerer Zeit mit frischer Lohe nachgebessert worden ist, – es
trifft das aber auch nicht in allen Fällen zu.
In der folgenden Zusammenstellung ist:
Nr. 1 eine frische Extractbrühe, die in der Hauptsache
aus Eichenholz hergestellt ist.
Nr. 2 ist eine frische Extractbrühe aus reinem
Quebrachoholz. Beide Brühen dienen zum Nachbessern der Farben in den betreffenden
Gerbereien und enthalten als frisch hergestellte Brühen noch keine Säure.
Nr. 3 und Nr. 4 sind zwei Gerbebrühen aus einer
Riemenledergerberei.
Nr. 5 eine gute Sauerbrühe, in der Hauptsache aus
Eichensauerlohe gewonnen, die in der Lehrgerberei der deutschen Gerberschule zur
Anstellung der Schwellfarben für die geschwitzten Sohlleder gedient hat.
In 100 cc sind enthalten Gramm:
1
2
3
4
5
Gerbende StoffeOrganische
NichtgerbstoffeMineralstoffe
2,5601,6700,350
2,7980,1990,039
0,6760,7430,120
0,7430,8990,150
0,2340,7960,164
GesammtsäureZucker
4,580–0,220
3,036–0,006
1,5390,1630,050
1,7920,2060,043
1,1940,4260,042
Bei den beiden Extractbrühen tritt der höhere Zuckergehalt der Brühe aus
Eichenholz, gegenüber dem ausserordentlich geringen Zuckergehalt der reinen
Quabrachaholzbrühe, sehr charakteristisch hervor. Die beiden Riemenlederbrühen sind
ganz normale Brühen, bei denen die Zucker- und Säuregehalte zu einander im
umgekehrten Verhältniss stehen. Sehr charakteristisch ist die Zusammensetzung der
Sauerbrühe mit dem verhältnissmässig geringen Gehalt von gerbenden Stoffen und hohen
Gehalt an organischen Nichtgerbstoffen, – dabei ist der Säuregehalt sehr hoch und
der Zuckergehalt ein mittlerer, so dass aus dem vorhandenen Zucker bei fortgehender
Gährung noch weitere Säure entstehen könnte.
Es möge uns erlaubt sein, hier noch zwei Versuche anzuführen, die die Entstehung der
Säure aus dein Zucker der Gerbebrühen direct zeigen.Vgl. Deutsche
Gerberzeitung, 1890 Nr. 74 und 75.
I. Aus einer Eichenlohe wurde eine frische Brühe hergestellt, die mit 0,221 Proc.
Gerbstoffgehalt als schwache Gerbebrühe gelten konnte. Den 9. Juli wurde diese Brühe
mit etwas Weissbeize versetzt, – sie blieb bis zum 21. Juli stehen, wo sich eine
bedeutende Abnahme des Zuckergehaltes und das Vorhandensein von Säure zeigte, die in
der süssen Brühe nun entstanden war. Der Gerbstoffgehalt der Brühe blieb dabei
unverändert.
II. Ein ganz ähnlicher Versuch wurde mit einer frischen Eichenlohbrühe gemacht, die
mit Sauerbrühe gemischt wurde und vom 22. bis zum 30. Juli stehen blieb. In dieser
Zeit hatte die ursprünglich vorhandene Säure zugenommen, während der Zuckergehalt
abgenommen hatte. Auch hier blieb der Gerbstoffgehalt unverändert. Diese
Verhältnisse sind aus folgenden Zahlen zu ersehen:
100 cc enthalten Gramm:
I
II
9. Juli
21. Juli
22. Juli
30. Juli
Gerbende StoffeOrganische
NichtgerbstoffeMineralstoffe
0,2210,1470,020
0,2180,1000,020
0,1920,1830,032
0,1900,1550,035
SäureZucker
0,3880,0000,066
0,3380,0250,006
0,4070,0560,033
0,3800,0690,011
Zu einem weiteren Versuch wurde aus Eichen- und Fichtenlohe gewonnene Sauerbrühe aus
einer Tharander Gerberei genommen, dieselbe wurde filtrirt und in 3 l des Filtrates
etwa 10 g reiner Traubenzucker gelöst. Diese Flüssigkeit blieb vom 29. Juli bis zum
6. August stehen und wurde in dieser Zeit mehrmals untersucht. Dabei ergab sich
nachstehendes Resultat:
100 cc enthalten Gramm:
29. Juli
30. Juli
1. August
4. August
6. August
Gerbende StoffeOrganische
NichtgerbstoffeMineralstoffe
0,2401,4010,187
0,2401,3600,187
0,2401,2540,189
0,2401,0990,189
0,2441,0950,188
SäureZucker
1,8280,4530,415
1,7870,4610,350
1,6830,4530,237
1,5280,4400,055
1,5270,4360,053
Denkt man sich von der ursprünglichen Sauerbrühe
die zugesetzte Zuckermenge abgezogen, so hat dieselbe eine ganz ähnliche
Zusammensetzung wie die aus der Lehrgerberei untersuchte Sauerbrühe, sie ist dabei
aber noch etwas reicher an Säure. Vom 29. Juli bis zum 6. August ist die Menge der
gerbenden Stoffe, der Mineralstoffe und der Säure so gut wie unverändert geblieben,
der Zucker ist dagegen bis auf einen geringen Rest verschwunden, und nahezu um
denselben Betrag hat die Menge der organischen Nichtgerbstoffe in der Brühe
abgenommen. Es ist das ein sehr bemerkenswerthes Resultat, denn wir ersehen aus
demselben, dass Zucker zersetzt worden ist, ohne dass eine weitere Säurebildung
eingetreten ist. Der Zucker muss dabei zum grössten Theil in gasförmige resp.
flüchtige Zersetzungsproducte aufgelöst worden sein, das ist mit Sicherheit aus der
entsprechenden Abnahme der Gesammtmenge der organischen Nichtgerbstoffe zu
entnehmen. Warum in dem vorliegenden Falle, bei reichlich vorhandenem Zucker, aus
demselben keine weitere Säurebildung eingetreten ist, darüber lassen sich nur
Vermuthungen aussprechen. Ein Fehlen der hiezu nöthigen Fermente in der Sauerbrühe
ist nach den Hänlein'schen Untersuchungen doch nicht
gut anzunehmen, und es wäre das Nächstliegende, den Stillstand der Säurebildung
durch ein in der Brühe bereits vorhandenes Maximum an Säure zu erklären. Dem würde
die Thatsache entsprechen, dass nach unseren vielfachen Säurebestimmungen in
Gerbebrühen etwa 0,5 Gesammtsäure in 100 cc wirklich das Maximum ist, das wir in
denselben gefunden haben. Damit stehen aber Angaben von anderer Seite herVgl. die citirte Arbeit von J. Wladika, Gerber, 1890 S. 62.
nicht im Einklang, und es muss die Beantwortung dieser Frage daher weiteren
Versuchen vorbehalten bleiben. Jedenfalls ersieht man aber aus unserem Versuche, dass die Zersetzung des Zuckers in Gerbebrühen nicht
nothwendig immer von Säurebildung begleitet sein muss, sondern dass diese
Zersetzung unter Umständen auch nach anderen Richtungen hingehen kann.In dem vorliegenden Falle war wenigstens ein
Theil des Zuckers in Folge von alkoholischer Gährung verbraucht, in der
Brühe konnte Alkohol durch die Jodoformreaction nachgewiesen
werden. Wie hier der Zucker, ohne dass Säurebildung eingetreten war,
in gasförmige und flüchtige Endproducte aufgelöst worden ist, so müssen auch im
Laufe des Gerbeprocesses ganz regelmässig grosse Mengen der in den Brühen gelösten
organischen Nichtgerbstoffe zerstört werden. Es ergibt sich das ebensowohl aus
Versuchen, wie auch aus der genaueren Betrachtung eines gerberischen Betriebes, in
welchem die ausgenutzten Brühen, wie häufig geschieht, nicht fortgeworfen, sondern
immer wieder von Neuem zu Extractionen benutzt werden. Fände diese Auflösung und
Zersetzung der organischen Nichtgerbstoffe nicht statt, so müssten dieselben sich im
Laufe der Zeit in den Brühengängen der Gerbereien in viel höherem Maasse anhäufen,
als das thatsächlich der Fall ist.
VIII. Resultate der Zuckerbestimmungen für unbeschwerte
lohgare Leder.
Was die Zuckergehalte in normalen lohgaren Ledern, die nicht mit Traubenzucker
beschwert sind, anbetrifft, so haben wir die Methode, deren wir uns im Gange der
Lederanalyse zur Zuckerbestimmung bedient haben, schon im Abschnitt II beschrieben.
Die speciellen Resultate unserer Lederanalysen beabsichtigen wir in besonderen
Publicationen in nächster Zeit zu besprechen, und liegt uns hier nur daran, die
Ergebnisse für die Zuckerbestimmungen der Vollständigkeit wegen zusammenzufassen.
Wie sich aus unseren Zahlen ergibt, ist der Zuckergehalt in den Ledern oft ein ganz
verschwindender, derselbe steigt nur sehr selten auf 1 Proc. und etwas mehr. In der
folgenden Zusammenstellung beziehen sich die Zahlen auf den lufttrockenen Zustand
mit dem durchschnittlichen Wassergehalt von 18 Proc. Bei den Riemenledern und
Oberledern, die im fertigen Zustande immer mehr oder weniger gefettet sind, haben
wir von dem unmittelbaren Analysenergebniss das Fett zuerst abgezogen und die
übrigen Zahlen dann auf den lufttrockenen Zustand mit 18 Proc. Wasser berechnet.
Dabei ist angenommen, dass das Leder im lufttrockenen ungefetteten Zustand 0,82
Proc. Fett enthält. Die Zuckergehalte bei Riemenledern und Oberledern beziehen sich
also auf den lohgaren ungefetteten Zustand mit demselben Wassergehalt wie bei den
übrigen Ledern, und im fertigen gefetteten Zustande müssen die Zuckergehalte daher
für diese Ledersorten im Allgemeinen noch etwas kleiner ausfallen, als die folgende
Tabelle ergibt.
Art der untersuchten Leder
AnzahlderAna-lysen
Zuckergehalt Proc.
Mini-mum
Maxi-mum
Mittel
1) Rheinische Sohlleder,
reine Eichengerbung, altes Gruben- system
18
Spur
0,39
0,13
2) Sohlleder, alte Grubengerbung, Eichenlohe und Fichtenlohe, ohne oder mit nur sehr
ge- ringem Zusatz fremder gerb- stoffreicherer
Gerbmaterialien
9
0,02
0,27
0,13
3) Sohlleder gegerbt unter Zu- hilfenahme fremder gerbstoff- reicherer
Gerbmaterialien resp. unter Zuhilfenahme von stär- keren
Extractbrühen
13
0,05
0,25
0,13
4) Sogen. Norddeutsche Sohlleder
5
0,16
0,36
0,28
5) Oesterreichische Sohlleder: Terzen und ein Pfundleder
11
0,30
1,39
0,66
6) Diverse Sohlleder
18
Spur
0,99
0,19
7) Vacheleder, deutsche in
der Hauptsache
26
Spur
1,07
0,29
8) Vacheleder, nach englischem System
gegerbt
10
0,05
0,75
0,31
9) Riemenleder, deutsche
13
Spur
0,65
0,12
10) Riemenleder, englische,
belgische, russische
9
Spur
0,50
0,17
11) Oberleder: Fahlleder (Rindleder)
10
Spur
0,31
0,13
12) Oberleder: Kipse
5
Spur
1,22
0,37
13) Oberleder: Rossleder
7
Spur
0,17
0,11
14) Oberleder: Kalbleder
17
Spur
0,48
0,15
Nimmt man den Durchschnitt aus den 14 Klassen der untersuchten Leder, so erhält man
die Zahl 0,26 Proc. als Durchschnitt, berechnet man dagegen aus den 171
Lederanalysen das richtige arithmetische Mittel, so erhält man 0,22 Proc. Hiernach können wir für die unbeschwerten lohgaren Leder als
Durchschnitt einen Zuckergehalt von 0,25 Proc. annehmen, wobei Schwankungen
von Spuren an Zucker bis zu etwa rund 1,40 Proc. vorkommen können. Bei Ledern, die
nachweislich beschwert waren, haben wir Zuckergehalte von 1,50 bis etwa 16 Proc.
gefunden. Es ist daher in den meisten Fällen sehr leicht, das Vorhandensein einer
Zuckerbeschwerung schon durch die Zuckerbestimmung allein nachzuweisen, und
Schwierigkeiten können nur entstehen, wenn der Zuckerzusatz ein sehr geringer
gewesen ist, so dass der Gehalt nicht viel über das Maximum steigt, das bei normalen
Ledern vorkommen kann. Auf die Besprechung der Untersuchungsresultate für beschwerte
Leder wollen wir später in einem besonderen Artikel zurückkommen. Aus
Zuckerbestimmungen, die Herr Simand in seiner
angeführten Abhandlung für zehn unbeschwerte Leder mittheilt, ergibt sich eine
Schwankung von 0 bis 1,17 Proc. und würde sich als Mittel 0,49 Proc. berechnen.
Dieses höhere Durchschnittsresultat erklärt sich vielleicht daraus, dass Herr Simand hauptsächlich österreichische Terzen in der Hand
gehabt hat, die auch nach unseren Analysen etwas grössere Zuckergehalte ergeben, es
kann aber auch reiner Zufall sein, da es sich hier ja nur um eine ganz kleine Anzahl
von Ledern handelt. Die Grenzen, die Simand angibt,
stimmen dagegen mit unseren Resultaten ganz gut überein.