Titel: | Kraftübertragungsanlage für den Bau der Brücke über den Nordseekanal in Levensau bei Kiel. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 64 |
Download: | XML |
Kraftübertragungsanlage für den Bau der Brücke
über den Nordseekanal in Levensau bei Kiel.
Kraftübertragungsanlage für den Bau der Brücke über den
Nordseekanal in Levensau bei Kiel.
Eine der grössten Bogenbrücken ohne Zwischenpfeiler wird gegenwärtig von der Firma
Gutehoffnungshütte Oberhausen über den Nordseekanal
bei Levensau ausgeführt, dieselbe dient sowohl dem Eisenbahn- als auch dem
Strassenverkehr von Kiel nach Eckernförde. Ihre Fertigstellung soll noch im Herbste
dieses Jahres erfolgen, so dass sich die ausführende Firma veranlasst sah, zu den
modernsten Einrichtungen und Hilfsmaassregeln ihre Zuflucht zu nehmen.
Für die Aufstellung der Brücke ist eine elegant construirte Rüstung bereits am 1. Mai
vollendet worden, auf welcher zwei Drehkrahnen und zwei auf Schienen fahrbare
Bockkrahnen Aufstellung gefunden haben, um die auf Schuten ankommenden Eisentheile
direct an die zugehörigen Stellen transportiren zu können. Der von den Gurtungen
einzunehmende Raum war frei zu lassen, deshalb präsentiren sich die Bockkrahnen in
ihrer gespreizten Gestalt, aufgestellt auf zwei hohen, mit Schienen belegten
Seitenträgern. Jeder Bockkrahn ist mit zwei Laufkatzen ausgestattet, so dass im
Ganzen sechs Hebezeuge gleichzeitig arbeiten können, nämlich vier Laufkatzen und
zwei Drehkrahnen. Letztere haben ihren Platz in einer Mitteletage der Rüstung an der
Durchfahrt für Schiffe gefunden; diese Mitteletage ist mit Schienen versehen, so
dass die von den Drehkrahnen gehobenen Lasten auf einem Wagen wagerecht leicht
weiter befördert werden können, um alsdann, von den entsprechenden Bockkrahnen
abermals gehoben, an ihren definitiven Platz transportirt zu werden.
Verlangt wurde nun, das Heben der Lasten, das Drehen der Drehkrahnen und das Fahren
der Bockkrahnen in der Längsrichtung der Brücke auf elektrischem Wege mittels
Kraftübertragung auszuführen, so dass die Dampfmaschine in einiger Entfernung vom
Bauplatz auf festem Boden Aufstellung finden kann. Die Geschwindigkeit der Last soll
sich möglichst nach der Grösse derselben selbsthätig reguliren derartig, dass
10000 k als Maximum in etwa 13 bis 14 Minuten, kleinere Lasten jedoch in kürzerer
Zeit auf die halbe Brückenhöhe, nämlich 22 m hoch, gehoben werden können. Die zu
verwendende Spannung soll 220 Volt nicht übersteigen. Für Anlasswiderstände ist die
Verwendung freihängender Spiralen ausgeschlossen. Die ganze Anlage soll derartig in
zwei Theilen parallel arbeiten, dass vorkommendenfalls beim Bau kleinerer Brücken
eine Hälfte den Transport der Eisentheile übernehmen kann.
Mit der Ausführung der Anlage wurde die Firma Gustav
Conz, Hamburg, betraut. Mit Rücksicht auf die verlangte Veränderlichkeit
der Geschwindigkeit beim Heben verschiedener Lasten, ferner mit Rücksicht auf die
nöthige Durchzugskraft beim Anfahren der Bockkrahnen wurden als Secundärmaschinen
Hauptstrommotoren gewählt und zwar von einer Leistung von 7 bei 850
Umdrehungen in der Minute.
Für Primärmaschinen wurden zwei mit Dampfmaschinen direct gekuppelte Compounddynamos
vorgesehen, die in Parallelschaltung aufgestellt sind.
Der Betrieb an den Krahnen ist, wie vorauszusehen war, ein sehr unregelmässiger. Es
ist möglich, dass sämmtliche Elektromotoren zeitweise plötzlich ganz ausgeschaltet
werden. Für diesen Fall ist ein Automat angebracht, welcher in dem Moment des
Oeffnens des äusseren Stromkreises einen Nebenschlusswiderstand einschaltet, der
verhindert, dass die parallel geschalteten Dynamos gegen sich selbst anarbeiten. Auf
diese Weise wird auch ein ruhigerer Gang und ein sicheres Functioniren der Anlage
mit möglichst geringer Wartung erzielt.
Die Dynamos, sowie die Elektromotoren sind vierpolig mit zwei Magnetspulen gebaut,
das Material des Magnetgestelles ist Siemens-Martin-Stahl. Die Bremsung der
Elektromotoren ergab ein totales Güteverhältniss von 84 Proc. Als Anlass- und
Regulirwiderstände wurden geschlossene regendichte Gusseisengehäuse construirt, die,
in Schiefer gebettet, etagenweise über einander liegende Nickelinspiralen
einschliessen und nur die Einrückkurbeln sichtbar lassen.
Die Dampfmaschinen sind als Compoundmaschinen ausgeführt und leisten 25
maximal bei 400 Umdrehungen in der Minute; ihre Cylinderdurchmesser sind 160 und 280
bei einem Hube von 155 mm. Sie sind mit Tangye-Regulatoren versehen. Ihren Dampf
erhalten sie von zwei stehenden Kesseln von 8 at Ueberdruck, die von der
Gutehoffnungshütte selbst gebaut sind. Die Stromzuleitungen übernehmen drei parallel
geschaltete, blanke Kupferdrähte von 6,5 m Durchmesser. Die Hin- und Rückleitungen
betragen 1300 m, der Spannungsverlust im Durchschnitt 3 Proc. Zum Fortbewegen eines
Bockkrahns mit voller Last bei einer Geschwindigkeit von 0,16 m in der Secunde sind
40 Ampère und 210 Volt aufzuwenden, wobei die Elektromotoren beider Laufkatzen den
Betrieb übernehmen. Das Eisengewicht eines Bockkrahns beträgt 33000 k. Die Firma G. Conz hat hiermit die erste grössere Anlage
geschaffen.