Titel: | Die Barmer elektrische Zahnradbahn. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 89 |
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Die Barmer elektrische Zahnradbahn.Zeitschrift für Elektrotechnik
1894.
Die Barmer elektrische Zahnradbahn.
Seit vorigem Sommer ist die von Siemens und Halske
erbaute Barmer Bergbahn, die erste elektrische Zahnradbahn der Welt; in Betrieb. Die
Bahn führt aus dem Herzen der Stadt in deren Strassen entlang und durch den Barmer
Wald auf die Höhe der Bergischen Lande, am Tolaletthurm, einem besuchten
Aussichtspunkt. Von hier stellt eine Schmalspurbahn mit Locomotivbetrieb die
Verbindung mit der Ronsdorf-Müngstener Eisenbahn her, welche die besuchtesten
Ausflugsorte der Umgegend berührt.
Die Bahn hat 1630 m Gesammtlänge, ersteigt im Ganzen 170 m Höhe, hat also
durchschnittlich 1 : 10 Steigung; die stärkste Steigung ist 1 : 5,4, der kleinste
Halbmesser 150 m. Bei der Wahl der Bauart wurde das Zahnraddem Drahtseilsystem wegen
der in Erdgleiche zu kreuzenden Strassen vorgezogen; der elektrische Betrieb wurde
gewählt, um Lärm und Rauch in den Strassen der Stadt zu vermeiden.
Die Bahn ist zweigleisig und hat 1 m Spurweite. Die Zahnstange ist nach Riggenbach ausgebildet und liegt in der Gleismitte. Sie
ist zusammen mit den Schienen auf eisernen Querschwellen in 1 m Abstand gelagert.
Auf den Strassenkörpern sind Phönixschienen, auf der freien Strecke Vignolschienen
angewendet. Um das Wandern der Schienen und der Zahnstangen zu verhindern, stützen
sich diese mit besonderen Ansätzen gegen die Schwellen. Der gesammte Oberbau wird
gegen Abrutschen dadurch gesichert, dass alle 30 bis 40 m Querschwellen auf tief
gegründeten Pfeilern fest verankert sind. Die Schienen haben 9 m Länge und sind mit
ruhenden Stössen verlegt, während die Zahnstange in Längen von 3 m mit schwebenden
Stössen ausgeführt ist. Die Stromzuführung ist eine oberirdische. In der Gleismitte
liegen in 5 m Höhe über der Strasse kupferne Längsdrähte, die isolirt an Querdrähten
angehängt sind. Letztere werden von Stützen an den Seiten der Strassendämme
getragen, die im Innern der Stadt als reich verzierte Säulen aus Mannesmannrohr
hergestellt sind. Die Rückleitung erfolgt durch die Schienen, die an den Stössen mit
Kupferdrähten gutleitend verbunden sind. Die Stromspannung beträgt 500 Volt.
Auf der Bergbahn sind zur Zeit nur Personenwagen im Betriebe; diese enthalten 28
Sitzplätze, 6 bis 8 Stehplätze, sind 8 m lang, 2,45 m breit und in 4 Abtheilungen
getheilt. Der Zugang zu den beiden mittleren erfolgt von den Seiten, der zu den
beiden äusseren von den Plattformen am Kopfende. Jeder Wagen ist mit zwei Zahnrädern
und mit zwei unabhängig von einander arbeitenden Motoren von 38
ausgerüstet. Zwei an der Wagendecke angebrachte Contactwellen entnehmen den Strom
aus der Leitung.
Die Bewegung der Motoren wird mittels Zahngetriebe auf die in der Zahnstange
eingreifenden Räder übertragen. Jedes Zahnrad ist mit selbständiger Bremsvorrichtung
ausgestattet, die mittels Schraubenspindel von Hand, von jeder Plattform aus, in
Thätigkeit gesetzt werden kann. Ausser diesen beiden Bremsen ist unter dem Wagen
noch eine selbsthätige Bremse angelegt, die in Wirkung tritt, sobald eine genau
festgehaltene Geschwindigkeit von rund 3,2 m in der Secunde (11,5 Stundenkilometer)
überschritten wird. Es wird in diesem Falle durch einen Centrifugalregulatoreine gespannte Feder
ausgelöst, die nun die Bremse anzieht. Schliesslich kann noch durch Umschaltung der
Stromzuführung dem Motor eine rückläufige Bewegung gegeben und dadurch eine kräftige
Bremswirkung erzielt werden. Die Umsetzung der Wagen auf den beiden Endstationen
erfolgt mittels versenkter Schiebebühnen, die sich selbstthätig auf die Gleise
einstellen und mittels Elektromotoren bewegt werden.