Titel: | Ueber die Untersuchung und das Verhalten von Cement. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 114 |
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Ueber die Untersuchung und das Verhalten von
Cement.
(Fortsetzung des Berichtes S. 89 d.
Bd.)
Ueber die Untersuchung und das Verhalten von Cement.
B. Arbeiten von theoretischem Interesse.
Die Zusammensetzung hydraulischer Bindemittel wird von
Le Chatelier besprochen. Wenn man Gyps erhitzt,so tritt bei 128
und 163° C. ein Stillstand der Temperatur in Folge von Wasserabgabe ein. Bei 128° C.
entsteht die Verbindung 2CaSO4, H2O. Das Erhärten des Gypses wird bedingt durch
Wasser auf nähme und Krystallisation. Wasser nimmt aus gebranntem Gyps 5mal mehr
CaSO4 auf als aus krystallisirtem. Die Lösung
trübt sich alsbald unter Krystallausscheidung. Dadurch wird das Anmachwasser wieder
befähigt, neue Gypsmengen zu lösen und auszuscheiden, und dieser Vorgang geht
weiter, bis aller Gyps in krystallisirten wasserhaltigen Gyps verwandelt ist.
Aehnliches gilt vom Bariumsilicat, vom Calciumsilicat und -aluminat, die die
wesentlichen Bestandtheile des Cementes ausmachen. Der verhältnissmässig leicht
lösliche Gyps erhärtet demnach schneller als das weniger lösliche Calciumaluminat
und dieses schneller als das Calciumsilicat. Durch Zusatz von Stoffen, die das Lösen
erleichtern, kann man demnach das Abbinden beschleunigen.
Festwerden des Luftmörtels. Das erste Stadium, Erhärten
des Luftmörtels, ist rein mechanischer Natur, ähnlich dem Festwerden des Thones beim
Austrocknen. Zusatz von Sand verhindert das Schwinden der Masse. Durch Aufnahme der
Kohlensäure aus der Luft bekommt der Mörtel erst Festigkeit und Widerstandsfähigkeit
gegen Regenwasser. Verfasser sieht die Gegenwart von freiem Kalk fast
ausschliesslich als die Ursache des Treibens an (vgl. das Referat über
Magnesiacemente weiter unten). Das Wasser als Dampf oder Feuchtigkeit verursacht ein
viel stärkeres Quellen des Kalkes als flüssiges Wasser, der erstere Process geht
aber langsamer vor sich. Manche Producte binden daher an der Luft ab unter
Treiberscheinungen, im Wasser ohne dieselben. Mörtel mit wenig freiem Kalk treiben,
spalten sich mit heissem Wasser nach allen Richtungen, lassen mit kaltem Wasser
dagegen kaum ein Treiben erkennen.
Von den drei Silicaten CaO,SiO2, (CaO)2SiO2 und (CaO)3SiO2 macht nur das
letzte einen wesentlichen Bestandtheil der Cemente aus. Die beiden ersten Silicate
wurden durch Zusammenschmelzen in einem hessischen Tiegel hergestellt; sie binden
nicht mit gewöhnlichem, nur mit stark kohlensäurehaltigem Wasser ab, können daher
kaum einen wesentlichen Bestandtheil der Cemente ausmachen.
Das Silicat (CaO)2SiO2 besteht aus zwei dimorphen Modifikationen, von denen die eine sich beim
Erstarren aus dem Schmelzfluss bildet und beim Erkalten in die andere übergeht.
Diese Umwandelung bewirkt gleichzeitig einen vollkommenen Zerfall der Masse, eine
Erscheinung, die sich bei vielen Hochofenschlacken und manchmal bei heiss aus dem
Ofen gezogenen Cementklumpen beobachten lässt. Dieser Zerfall ist ein Beweis von dem
Vorhandensein des Silicates (CaO)2SiO2 und ist nicht, wie man annahm, die Folge der
Einwirkung feuchter Luft.
Das Silicat (CaO)3SiO2 lässt sich dagegen durch einfaches Zusammenschmelzen nicht gewinnen, da
freier Kalk immer übrig bleibt. Man stellt zunächst Chlorosilicat (CaO)2CaCl2SiO2 dar durch Verschmelzen von CaCl2, 2CaO und SiO2 und
zersetzt dieses durch Wasserdampf bei 450° C. nach der Formel
(CaO)2CaCl2SiO2 + H2O = (CaO)3SiO3 + 2HCl.
Nach mehrmaliger Wiederholung dieses Processes erhält man die Verbindung zuletzt als
staubige, amorphe Masse, die, angemacht und acht Tage in kochendem Wasser
aufbewahrt, so hart wird, wie Cement, ohne zu treiben oder Risse zu zeigen.
Dieses Calciumsilicat ist nach Le Chatelier der
wesentliche Bestandtheil des Cementes, derjenige Bestandtheil, welcher die technisch
werthvollen Eigenschaften des Portlandcementes bedingt,
Kalk und Thonerde treten ebenfalls in mindestens drei Verbindungen auf, die sich fast
nur durch ihre krystallographischen und optischen Eigenschaften von einander
unterscheiden; sie können durch Zusammenschmelzen entsprechender Mengen von CaO und
Al2O3 erhalten
werden. Es sind die Verbindungen
CaOAl2O3, (CaO)3(Al2O3)2 und
(CaO)3Al2O3
dargestellt worden, von denen das zweite Aluminat in seiner
Zusammensetzung noch nicht sicher festgestellt wurde.
Gepulvert und mit Wasser angemacht, erhärten diese Aluminate fast ebenso schnell wie
Gyps. Die Hydrate sind jedoch wenig beständig, sie zersetzen sich mit Wasser bei
100° C. Viel Wasser löst Thonerde und Kalk und scheidet wieder wasserhaltiges
Aluminat und Thonerde aus.
Das Hydrat, welches nur bei Gegenwart von überschüssigem Kalk bestehen kann, hat die
Zusammensetzung (CaO)4Al2O312H2O.
Alle Kalkferrate treiben beim Anmachen mit Wasser, löschen ab wie Kalk und erhärten
nicht. (Vgl. das gegentheilige Verhalten der Silicoferrate nach Schott, das Referat weiter unten.)
Die Doppelsilicate und Silicoaluminate werden von Wasser nicht angegriffen, nur die
stärker basischen können im Cement vorkommen.
Ein Dünnschliff aus Portlandcementklinker zeigt hauptsächlich doppeltbrechende,
scheinbar reguläre Krystalle mit sehr deutlichen Umrissen. Die Krystalle sind in
braungelbe, stärker doppeltbrechende Masse eingebettet. Sie haben sich offenbar aus
dieser Masse, so lange sie flüssig war, oder während des Erkaltens ausgeschieden.
Verdünnte Essigsäure löst daraus alle Bestandtheile, ein Beweis, dass alle
Kalkverbindungen sind, da die Silicate der Thonerde und des Eisenoxydes von
schwachen Säuren nicht angegriffen werden. Von Ammoniaksalzen werden nur die
Krystalle angegriffen. Verfasser hält die braune Masse für ein Calciumferroaluminat,
die Krystalle dagegen für (CaO)3SiO2. Daneben sind noch Krystalle zu sehen, welchen
wahrscheinlich die Zusammensetzung (CaO)2SiO2 und (CaO)SiO2
zukommt, ausserdem scheint noch Calciumaluminat vorhanden zu sein.
Abgebundener Cement enthält hexagonale Blättchen von Calciumhydroxyd; sie sind
offenbar die Folge einer sehr langsam verlaufenden Reaction. Das Mikroskop zeigt
dann noch feine Krystallnadeln, die nichts anderes als das Silicat CaO, SiO2, 2,5H2O sein
können, ferner scheint sich das Aluminat (CaO)4Al2O3,12H2O zu bilden.
Die Erhärtung des Cementes geht nach Le Chatelier nach
folgender Reaction vor sich:
(CaO)3SiO2 + nH2O = CaO, SiO2, 2,5H2O +
2Ca(OH)2.
Daneben scheint sich noch ein basisches Kalkaluminat zu bilden, dessen schnelle
Hydratisation wahrscheinlich einen Einfluss auf die Schnelligkeit des Abbindens bei
verschiedenen Cementen ausübt:
(CaO)3Al2O3 + CaO, H2O + aq = (CaO)4Al2O3,12H2O.
Für die obere Grenze des Kalkgehaltes in Portlandcement stellt Verfasser die
Formel
\frac{\mbox{CaOMgO}}{\mbox{SiO}_2+\mbox{Al}_2\mbox{O}_3}\,\leq\,3
auf (vgl. die Arbeit Erdmenger's über die Rolle der
Magnesia im Cement, das Referat weiter unten). Durch Verminderung des Kalkgehaltes
nimmt das Silicoaluminat zu, bis es sich vollkommen gebildet hat; geht man noch
weiter herunter, so bildet sich (CaO)2SiO2, was zu vermeiden ist. Bei Annahme des
Doppelsilicates (CaO)3, Al2O3, 2SiO2
erhält man die untere Grenze für den Kalkgehalt:
\frac{\mbox{CaO,
MgO}}{\mbox{SiO}_2-(\mbox{Al}_2\mbox{O}_3,\
\mbox{Fe}_2\mbox{O}_3)}=\,\geq\,3.
Für die Herstellung des idealen Cementes \frac{\mbox{CaO,
MgO}}{\mbox{SiO}_2+\mbox{Al}_2\mbox{O}_3}=3 müsste man mit höheren
Temperaturen arbeiten. (Annales des mines, 1892. Thonindustrie-Zeitung, 1892 S. 1032.)
In einem Aufsatze über die Zusammensetzung des
Portlandcementes spricht sich Dr. B. Kosmann
abfällig über die soeben besprochene Arbeit von Le
Chatelier aus. (Thonindustrie-Zeitung, 1893 S.
1140. 1170.) Erstellt darin u.a. für abgebundenen Portlandcement, entsprechend dem
wasserfreien Producte 7CaO, 2SiO2, ½Al2O3, die folgende
Formel auf unter Annahme einer Wasseraufnahme von 11 Mol.:
Ca2Si(OH)8 | 2 Ca(OH)2
+
Ca2SiO(OH)6 |½ (Ca2Al2O[OH]8)
Eine Formel, in welcher die Bindestriche natürlich nicht im Sinne der Valenztheorie
zu nehmen sind.
Kosmann stützt einen seiner Einwände gegen Le Chatelier auf das Berthelot'sche Gesetz; es ist zum mindesten gewagt zu nennen, die Angaben
eines ernsten Forschers ohne experimentelle Prüfung zu verwerfen auf Grund eines
Princips, dessen Unhaltbarkeit schon seit längerer Zeit erkannt worden ist. Man lese
hierüber Nernst (Dammer's
Handbuch der anorganischen Chemie, Bd. 1 S. 331),
der das Kapitel über das Princip der maximalen Arbeit, eine
irrthümliche Deutung der Wärmetönungen, mit folgenden Worten schliesst:
„Keineswegs darf daher gegen die vorsichtige
Verwendung des Berthelot'schen Satzes, als einer erfahrungsgemäss häufig stimmenden Regel, Einspruch
erhoben werden, deren man sich etwa mit dem gleichen Zutrauen auf Erfolg
bedienen mag, wie man aus dem Steigen des Barometers auf gutes Wetter schliesst;
nur ihre Erhebung zum leitenden Princip der Thermochemie war ein totaler
Missgriff.“
In der Thonindustrie-Zeitung, 1893 S. 1343, wird die
neuere, nach Le Chatelier's Arbeiten verbesserte Kosmann'sche Formel für Portlandcement von Erdmenger kritisirt. Verfasser sagt u.a. sehr richtig:
Es ergibt sich demnach auch hieraus wieder, wie schwer sich die heutigen, als
Portlandcement geltenden Producte in eine bestimmte chemische Constitutionsformel
einzwängen lassen wollen. – Zwischen der ersten Kosmann'schen Formel, welche dem Sättigungsverhältniss
\frac{6}{3}=2 entspricht, und seiner neueren (nach Kosmann seiner früheren Berechnung nahezu
gleichkommenden) Formel mit dem Verhältniss \frac{7}{2,5}=2,8
liegt nicht weniger als das ganze heutige Fabrikationsproduct
„Portlandcement“.
Kosmann bezweifelt u.a. auch, dass nach Angaben Erdmenger's (vgl. 1891 281
138) das Besprengen zerrieselnder Portlandcementklinker (wenn auch ein wirksames
Gegenmittel gegen deren Zerfall) als geeignetes Mittel im Nothbehelf zu
erachten sei. Nach Kosmann's Behauptung ist es eine
Hydratbildung, und damit eine Qualitätsverschlechterung, welche dem Zerfallen
vorbeugt. Dass diese Behauptung nicht stichhaltig ist, geht aus einer Entgegnung Erdmenger's ebenso wie aus seinen früheren Ausführungen
hervor. (Thonindustrie-Zeitung, 1889 Nr. 13 und 14 und
1893 S. 1279 und 1342.)
Der Cementblock erscheint nach dem Besprengen hart und dicht, wie Stücke, die nicht
zerrieseln; er lässt sich ebenso schwer pulvern und ist analytisch ebenso
zusammengesetzt wie letztere; Wasser lässt sich auch nicht in Spuren nachweisen. Die
Wirkung des Wassers besteht im Abschrecken, in einer plötzlichen
Temperaturerniedrigung.
Partielle Wasseraufnahme tritt bloss beim Granuliren ein, wenn das heisse Cementstück
in einen Ueberschuss kalten Wassers geworfen wird. Aus der 1891 281 138
wiedergegebenen Tabelle geht übrigens hervor, dass selbst solche Stücke nach dem
Pulvern und Abbinden beinahe die doppelte Festigkeit erhalten als diejenigen, welche
zerrieselt waren.
Der Vorgang beim Zerfall des Silicates Ca2SiO4 – vgl. Le Chatelier
weiter oben – (und damit auch der des Zerrieselns von Portlandcement) ist nach Kosmann darauf zurückzuführen, dass dasselbe unter
Aufnahme eines Wärmeüberschusses einschmilzt, welcher bewirkt, dass vor der
Erstarrung die Moleküle der Verbindung noch nicht den Zustand des stabilen
Gleichgewichts und damit ihrer chemischen Reactionsfähigkeit Endschaft erreicht
haben; der bei der Erstarrung erfolgende Austritt der Wärme ist so heftig, dass
darüber der Zerfall der Verbindung stattfindet.
Aehnlicher Anschauung ist auch Erdmenger, der (Thonindustrie-Zeitung, 1893 S. 1279) sagt, dass dieses
Zerfallen von einer gewissen Ueberschusswärme, d.h. einer Art Ueberhitzung,
herrührend gedacht werden kann.
Hierzu möchte ich mir nun die folgenden Bemerkungen erlauben: Fertiger Portlandcement
besteht der Hauptsache nach aus Kalk, Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd; diese
Substanzen können in der verschiedenartigsten Weise mit einander in Verbindung
treten; es ist durch nichts erwiesen, dass der fertige Portlandcement eine
einheitliche Verbindung darstellt, man wird vielmehr mit viel grösserer Berechtigung
annehmen, dass derselbe aus verschiedenartigen Silicaten, vielleicht auch Aluminaten
besteht, welche, wie man dies vom Glase auch annimmt; mit einander verschmolzen,
versintert oder in einander gelöst sind. Anhaltspunkte darüber, welcher Art diese
Verbindungen sein können, finden sich in den Arbeiten Le
Chatelier's und Candlot's. Der Versuch, die
Zusammensetzung des fertigen oder des abgebundenen Cementes durch eine
Constitutionsformel darstellen zu wollen, muss daher nach dem gegenwärtigen
Standpunkte unserer Erkenntniss als verfrüht betrachtet, und kann von kritisch
denkenden Technologen nicht ernst genommen werden.
Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass das Zerrieseln mancher Portlandcementklinker auf
einer molekularen Veränderung der Cementmasse selbst beruht, die, an ein bestimmtes
Temperaturintervall gebunden, einige Zeit für sich in Anspruch nimmt.
Die Wirkung des kalten Wasserstrahles dürfte dann darauf zurückzuführen sein, dass er
die Temperatur, bei welcher dieser die Cementmasse
verändernde Vorgang vorsich geht, schnell überschreiten lässt und die verhältnissmässig langsam vor
sich gehende Reaction unmöglich macht, oder auf ein gewisses Zeitminimum beschränkt.
Es existiren zahlreiche analoge Fälle, welche zeigen, dass Körper bei langsamem
Erkalten sich physikalisch und chemisch anders verhalten, als wenn sie schnell
abgekühlt werden. Ich habe schon gelegentlich der Besprechung des Granulirens der
Hochofenschlacke1890 275 434. einige Beispiele dieser Art
angeführt: Schlechte Glassorten erstarren, schnell erkaltet, amorph, glasig; hält
man sie längere Zeit nahe der Schmelztemperatur, so entglasen sie und werden
krystallinisch; ähnlich verhalten sich getrübte Gläser; geschmolzener Schwefel, in
Wasser gegossen, bleibt eine Zeit lang elastisch, amorph; langsam erkaltet, erstarrt
er immer krystallinisch. Rubingläser erscheinen, mit Wasser abgeschreckt, ebenso wie
in geschmolzenem Zustande farblos. Die Farbe kann durch Anwärmen oder durch
langsames Erkalten hervorgerufen werden.
Eine Erscheinung, die mit dem Zerrieseln von Cementklinkern eine gewisse Aehnlichkeit
besitzt, ist das Zerfallen von mit Cadmiumsulfid übersättigten Gläsern.Zsigmondy, 1887 266
369. Solche. Gläser erstarren anfangs ganz normal, zerfallen aber
bei einer verhältnissmässig niedrigen Temperatur unter vollständiger Entglasung in
Tausende von kleinen Trümmern. Ich habe für diese Erscheinung in der citirten
Abhandlung die Erklärung gegeben, dass das Cadmiumsulfid aus dem ihm unbequemen
Lösungsmittel nach dem Erstarren bei verhältnissmässig niedriger Temperatur
ausfällt, ein Vorgang, der natürlich nicht ohne Zerfall des starren Lösungsmittels
vor sich gehen kann. Endlich mag als nächstliegendes Beispiel noch die
Hochofenschlacke angeführt werden, die, langsam erkaltet, krystallinisch erstarrt,
schnell erkaltet dagegen amorph, und die in letzterem Falle mit Kalk und Wasser
abbindet, in ersterem Falle aber nicht.
Alle die angeführten Beispiele, denen ich noch viele andere hinzufügen könnte, haben
ein gemeinsames Merkmal: Die genannten Körper verändern ihre innere Beschaffenheit
bei einer Temperatur, welche ich die charakteristische Reactionstemperatur nennen
möchte, die zwischen der höchsten zulässigen Temperatur und der Temperatur liegt,
bei welcher sie ihrer Verwendung zugeführt werden, und zwar verändern sie ihre
Beschaffenheit im Allgemeinen um so mehr, je länger sie der
betreffenden Temperatur (der charakteristischen
Reactionstemperatur) ausgesetzt werden. Die
innere Veränderung wird bei den verschiedenen Körpern je nach ihrer Beschaffenheit
sich natürlich in verschiedener Weise kundgeben: bei schlechtem Glase und der
Schlacke darin, dass beide krystallinisch werden, bei Milchgläsern darin, dass sie
sich trüben, bei den Rubingläsern darin, dass sie roth werden, beim Schwefel im
Uebergang in den festen krystallinischen Zustand und bei manchen Arten
Portlandcement darin, dass die Klinker zerrieseln und dass der Cement nachher, wie
die langsam erkaltete Schlacke, geringere Festigkeit aufweist.
Die Wirkung des kalten Wasserstrahles ist nun, wie schon erwähnt, darauf
zurückzuführen, dass er die an die betreffende Uebergangstemperatur gebundene,
langsam verlaufende Reaction auf das geringste Zeitmaass beschränkt und damit
unterdrückt, etwa so wie man die im Kolben des Chemikers verlaufende stürmische
Reaction durch Eintauchen des Kolbens in kaltes Wasser unterdrücken kann.
Welcher Art nun der Vorgang ist, der beim Zerrieseln der Portlandcementklinker
stattfindet, darüber kann man natürlich vorläufig nichts Bestimmtes aussagen. Einen
Anhaltspunkt für die Erklärung dieses Vorganges kann vielleicht das erwähnte
Verhalten der Cadmiumgläser geben und ich würde es nicht für unwahrscheinlich
halten, dass die Bildung von neuen Verbindungen, die das Bestreben haben, aus der
bereits erstarrten Klinkermasse auszufallen, vielleicht auszukrystallisiren, den
Zerfall des starren Lösungsmittels selbst bedingen. Von Interesse wäre darum die
mikroskopische Untersuchung der zerrieselten Klinkermasse und ein Vergleich
derselben mit unzerfallenen Partien.
Ob nun die innere Veränderung, welche bei manchen Portlandcementmassen sich im
Zerrieseln äussert, gleichzeitig von Wärmeentwickelung, von Verlust an innerer
Energie begleitet ist, darüber könnten leicht einige thermo-chemische Versuche
Aufschluss geben; man braucht nur gleiche Gewichtsmengen von zerrieseltem und
abgeschrecktem Portlandcement in Salzsäure im Calorimeter aufzulösen und zu
beobachten, ob die bei dieser Reaction auftretenden Wärmemengen die gleichen sind
oder nicht.
Mit Hochofenschlacke sind derartige Versuche angestellt worden (vgl. 1891 279 69), die ergeben haben, dass die Bildung der
krystallinischen Schlacke und der abgeschreckten amorphen thatsächlich unter
Wärmeabgabe erfolgt.
Die interessanten Mittheilungen Erdmenger's würden
jedenfalls an Interesse noch gewinnen, wenn sie nach dieser Richtung hin ergänzt
würden.
Wie aber auch die Resultate ausfallen mögen, eines können wir von vornherein sagen,
dass das Zerrieseln der Portlandcementklinker nicht eine Folge der (noch zu
erweisenden) Wärmeabgabe ist, sondern eine Folge eines inneren Vorganges, der
möglicher Weise auch von Wärmeabgabe, also von Verlust an innerer Energie begleitet
ist.
Ueber „anziehenden“ Cement von H. Geyer. Bei der Verwendung von sehr plastischen
Thonen und thonerdereichen Mergeln zur Fabrikation von Portlandcement begegnet man
oft der Eigenschaft, dass der Cement beim Anrühren mit Wasser entweder sofort unter
dem Löffel erstarrt, oder doch schmierig und teigig wird und in sehr kurzer Zeit das
anfangs ausgestossene Wasser wieder aufsaugt und anfängt abzubinden. Bei einem
solchen Cement sagt man: „er zieht an“. Da derselbe meistens überrührt ist,
so wird er erst nach längerer Zeit nagelhart.
H. Geyer hat nun gefunden, dass das Verhältniss
\frac{\mbox{SiO}_2}{\mbox{Al}_2\mbox{O}_3+\mbox{Fe}_2\mbox{O}_3}
von wesentlichem Einfluss auf das Anziehen der Cemente ist, wie aus folgender
Tabelle ersichtlich ist:
SiO2%
Al2O3%
Fe2O3%
I.
Cement mit
23,85
5,50
2,45
\frac{\mbox{SiO}_2}{\mbox{Al}_2\mbox{O}_3+\mbox{Fe}_2\mbox{O}_3}
= 3,00
bindet langsam
II.
Cement mit
21,80
5,20
3,20
desgl.
= 2,60
bindet langsam
III.
Cement mit
23,83
3,85
6,65
desgl.
= 2,27
bindet in 20 Minuten ab.
(Derselbe Probebrand nochmalsgemacht, ergab
anziehendenCement.)
SiO2%
Al2O3%
Fe2O3%
IV.
Cement mit
22,15
6,95
3,35
\frac{\mbox{SiO}_2}{\mbox{Al}_2\mbox{O}_3+\mbox{Fe}_2\mbox{O}_3}
= 2,15
bindet in 15 Minuten ab.
V.
Cement mit
20,50
9,00
3,10
desgl.
= 1,69
Giesscement.
VI.
Cement mit
20,95
8,05
4,50
desgl.
= 1,67
zieht an.
VII.
Cement mit
18,80
9,80
2,05
desgl.
= 1,58
zieht an.
VIII.
Cement mit
20,32
13,67
desgl.
= 1,48
zieht sehr stark an.
(Thonindustrie-Zeitung, 1894 S.
280.)
Geschmolzener Cement, Todtbrennen von Cement. Zwei sehr
interessante Arbeiten über geschmolzenen Portlandcement
sind von W. Michaëlis in der Thonindustrie-Zeitung, 1892 S. 403 und 1893 S. 1254, veröffentlicht
worden. Es wird darin der bis dahin herrschenden Ansicht entgegen gezeigt, dass eine
vollkommene Schmelzung der Portlandcementmasse keineswegs der Güte des Cementes
nachtheilig sei, dass ganz im Gegentheil der mit oxydirender Flamme geschmolzene
Cement ganz vorzügliche Eigenschaften besitze. Die geschmolzene Schlacke war nicht
grünschwarz, sondern braun und gab ein hellbraunes Cementmehl. Der erste
erschmolzene Cement hatte das Mischungsverhältniss 1 Gew.-Th. Silicat (SiO2 + R2O3) auf 2,4 Gew.-Th. Kalkerde oder
\frac{\mbox{SiO}_2+\mbox{R}_2\mbox{O}_3}{\mbox{CaO}}=0,4167.
Es wurde nun geschlämmte Portlandcementrohmasse mit so viel CaO gemischt, dass die
drei dargestellten Cemente das Verhältniss 1 Gew.-Th. Silicat: 2,35, 2,4 und 2,5
Gew.-Th. CaO besassen. Die Mischungen wurden nun nach gewöhnlicher Weise bis zur
Sinterung gebrannt, ein anderer Theil aber mit oxydirender Flamme niedergeschmolzen.
Die braunen geflossenen Cementschlacken hatten etwas geringeres specifisches Gewicht
als die gesinterten (z.B. 3,259 [gesintert] und 3,238 [geschmolzen]).
Die Analyse der geschmolzenen Cemente 2,4 und 2,5 lieferte folgende Werthe:
Verhältniss
\frac{\mbox{Kalk}}{\mbox{Silicat}}
2,4
2,5
SiO2
20,7
19,5
Al2O3
5,8
5,5
Fe2O3
2,7
2,7
CaO
69,4
70,0
MgO
0,92
0,94
SO3
0,52
0,52
K2O und Na2O
nicht bestimmt
Die geschmolzenen Cemente 2,35 und 2,4 erwiesen sich als im höchsten Maasse
volumbeständig; neun Stunden gekocht, lösten sich die Kuchen nicht von der
Glasplatte. Der geschmolzene Cement 2,5 zeigte ganz schwaches Treiben; ebenso
verhielt sich der gesinterte Cement 2,4. Es wurden zur genaueren Bestimmung der
Dehnung Stäbe angefertigt und im Bauschinger'schen
Apparat geprüft.
Die Resultate finden sich in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Volumänderung eines Stabes von 1 m Länge
in1/1000Millimetern.
(+ bedeutet Verlängerung, – bedeutet Verkürzung.)
Mischungs-verhältniss
Lufterhärtung
Wassererhärtung
28 Tage
84 Tage
182 Tage
28 Tage
84 Tage
182 Tage
Gesinterter Portlandcement 1 : 2,2
1 : 0
+ 20
– 940
– 1500
+ 505
+ 735
+ 725
Stern-Cementmasse
1 : 3
– 130
– 600
– 860
– 15
+ 75
+ 190
Gesinterter Portlandcement 1 : 2,35
1 : 0
– 1685
– 1215
– 965
+ 245
+ 553
+ 890
Stern-Grundmasse
1 : 3
– 200
– 85
+ 135
+ 35
+ 102
+ 115
Gesinterter Portlandcement 1 : 2,40
1 : 0
– 970
– 400
+ 1060*
+ 625
+ 1007
+ 1430
Stern-Grundmasse
1 : 3
– 305
+ 150
+ 2235*
+ 310
+ 393
+ 535
Geschmolzener Portlandcement 1 : 2,40
1 : 0
– 1364
– 1461
– 1520
+ 379
+ 503
+ 530
Stern-Grundmasse
1 : 3
– 389
– 511
– 520
+ 146
+ 180
+ 190
Geschmolzener Portlandcement 1 : 2,50
1 : 0
+ 3261**
+ 839
+ 1905
+ 1073
+ 1751
+ 2055
Stern-Grundmasse
1 : 3
– 64
+ 89
+ 80
+ 611
+ 789
+ 855
Geschmolzener Groschowitzer Portlandcement 1 : 2,1
1 : 3
–
–
–
–
–
+ 120
* Diese Probekörper zeigten Absanden. ** Dieser Probekörper zeigte
offenbares Treiben durch klaffende Risse.
Die Zug- und Druckfestigkeiten für den Normalsandmörtel 1 : 3 für die beiden
geschmolzenen Cemente bei Wassererhärtung wurden gefunden wie folgt (Kilogramm für
das Quadratcentimeter):
Alter
1 : 2,40
1 : 2,50
Zugfestigkeit
Druckfestigkeit
Zugfestigkeit
Druckfestigkeit
3 Tage
16,2
181
12,16
180
7 „
22,1
294
19,9
315
28 „
27,7
486
21,0
460
Der geschmolzene Cement 1 : 2,4 ist also unübertroffener Portlandcement. Alle
Speculationen bezüglich des Erhärtungsprocesses, welche auf das nur bis zur
Sinterung gebrachte Kalksilicat gegenüber geschmolzenem Kalksilicat gründeten, sind
damit hinfällig geworden.
Verfasser bespricht ferner eine Bessemer-Process-Schlacke aus der Georgs-Marienhütte,
welche so energisch erhärtete, dass dieselbe bereits sechs Stunden nach dem Anmachen
die mit 1000 g belastete Nadel von 1 qmm Querschnitt trug, nach 24 Stunden 5200 g
und nach zwei Tagen 8800 g. Wie Portlandcement auf Zugfestigkeit geprüft, gab
dieselbe folgende Festigkeiten (Kilogramm für das Quadratcentimeter) bei
Wassererhärtung (A):
A
B
Alter
1 : 0
1 : 3
Alter
1 : 3
7 Tage
17,50
22,10
7 Tage
25,90
28 „
25,50
39,92
28 „
38,60
90 „
26,75
40,25
90 „
30,75
1 Jahr
34,50
40,33
1 Jahr
34,00
Die Zusammensetzung dieser Schlacke wurde ermittelt zu:
Kieselsäure
29,471
Proc.
Thonerde
9,430
„
Eisenoxydul
0,490
„
Manganoxydul
0,955
„
Kalkerde
35,938
„
Magnesia
12,464
„
Baryterde
1,338
„
Schwefelcalcium
3,665
„
Kali
0,289
„
Natron
0,253
„
Schwefelsäure
0,700
„
Glühverlust
4,682
„
Die Arbeit erweist, dass geschmolzener Cement mit dem Verhältniss 1 Silicat: 2,4 Kalk
sich wie allerbester gesinterter Portlandcement erweist, dass aber gesinterter
Cement derselben Zusammensetzung schon zu Volumänderungen Veranlassung gibt.
B. Blomel's Bemerkungen zu der ersterwähnten Arbeit Michaëli's siehe Thonindustrie-Zeitung, 1892 S. 507.
Ueber das Todtbrennen von Cement wurden in England im
verflossenen Jahre mehrere Aufsätze geschrieben, die sich mit der Frage befassen,
worin das Todtbrennen bestehe, und ob richtig zusammengesetzter Cement überhaupt
todtgebrannt werden könne. Eine kritische Besprechung dieser Arbeiten findet sich in
der Thonindustrie-Zeitung, 1893 S. 211.
In England wird Portlandcement gegenwärtig fast ausschliesslich mit Koks erbrannt.
Die Asche dieses Koks, 5 bis 30 Proc., besteht vorwiegend aus saueren
Bestandtheilen, Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd, und wirkt beim Brennen auf die
Oberfläche der Klinker oft bis tief in das Innere. Die angegriffene Stelle zerfällt
beim Erkalten; das Pulver bindet mit Wasser nicht ab. Es wurde nun vorgeschlagen,
Cement mit Gasfeuerung zu brennen, wogegen sich die Fabrikanten ablehnend verhalten,
da sie ein Todtbrennen der Masse befürchten.
Dieser Ansicht ist auch Hewitt, der durch seine Versuche
den Beweis zu liefern trachtete, dass durch Schmelzen und Ueberhitzen des Cementes
ein Todtbrennen desselben leicht möglich sei. Er stellt der Analyse eines solchen
geschmolzenen, vermeintlich todtgebrannten Cementes A die eines anderen; nicht
todtgebrannten Stückes B (aus demselben Brande) gegenüber:
A
B
Glühverlust
0,80
–
SiO2
21,65
22,55
Al2O3 + Fe2O3
14,75
13,60
CaO
59,02
60,40
MgO
2,20
2,45
H2SO4 Alkalien und Verlust
1,58
1,00
Der Gehalt an Thonerde beträgt etwa 9 Proc. Hewitt
schliesst aus der gleichartigen Zusammensetzung der beiden Cemente, dass es sich
hier um allotrope Modifikationen handle, von denen eine aus der anderen durch
Ueberhitzung entstehe.
Hewitt stellte ausserdem ein Cementrohmehl mit 75 Proc.
CaCO3 her und fand, dass dasselbe, normal
gebrannt, einen guten Cement liefere, geschmolzen jedoch ein Pulver gebe, welches
mit Wasser nicht erhärtet.
Der ungenannte Verfasser des Artikels in der Thonindustrie-Zeitung rechnet nun das Verhältniss
\frac{\mbox{CaO}+\mbox{MgO}}{\mbox{SiO}_2+\mbox{Al}_2\mbox{O}_3}
der beiden analysirten Cemente aus und findet für A die Zahl 2,43 und für B die Zahl
2,45. (Vgl. übrigens die Arbeit Erdmenger's, aus
welcher hervorgeht, dass die Magnesia im Cement sich nicht wie eine Base verhält,
das Referat weiter unten.) Verfasser sucht nun darzuthun, dass man aus der
Zusammensetzung des Cementes auf die Anwesenheit überwiegender Mengen der Verbindung
2CaOSiO2 schliessen könne, deren Gegenwart nach
Le Chatelier die Eigenschaft mancher Cemente, zu
zerfallen, zuzuschreiben ist. Verfasser kommt zu folgenden Schlüssen:
1) Cement idealer Composition kann nicht todtgebrannt werden. (Vgl. Michaëlis: Ueber geschmolzenen Cement.)
2) Cement, wie allgemein hergestellt, kann todtgebrannt erscheinen:
a) in Folge des Eindringens von nicht hineingehörigen
Sauerstoffsäuren, oder
b) entweder durch Verdrängung der Thonerde aus der Verbindung
mit Kalk durch Kieselerde, oder in Folge Verdrängung der Kieselerde ihrerseits
bei noch höherer Temperatur durch das allmähliche Anwachsen der sauren
Eigenschaften der Thonerde und des Eisenoxyds und die daraus folgende Bildung
von Dicalciumsilicat und damit des „Zerfallens“.
H. Hauenschild führt als wirksames Mittel gegen das Todtbrennen der Cemente das Aufstreuen von
Kalkstaub auf die geformte Rohmasse in etwa ½ mm dicker Schicht an, das dann
vortheilhaft angewendet wird, wenn wirklich die Einwirkung saurer Bestandtheile der
Asche das Todtbrennen veranlasst. (Thonindustrie-Zeitung, 1893 S. 292.)
Ein recht interessanter Beitrag zu der gleichen Frage findet sich auch in der Thonindustrie-Zeitung, 1893 S. 575. – In Folge ungleich
massigen Ganges des Feuers in einem Cementbrennofen war ein Theil der Beschickung zu
einer basaltartigen Masse zusammengeschmolzen. Die von Dr. A. G. Höglom ausgeführte mikroskopische Untersuchung ergab, dass das
Material aus einer glasigen Grundsubstanz bestand, die sehr reichlich von Krystallen
von Melilith durchwachsen war, einem Minerale, dem die Zusammensetzung (CaMgNa2)12(Al2Fe2)2(Si9O36) zukommt. Die Menge des Melilith wurde auf 40 bis
50 Proc. geschätzt. Der geschmolzene Cement hat sein Abbindevermögen vollkommen
verloren und ist gleich den geschmolzenen Steinen nur der Verwitterung
ausgesetzt.
Dass der von Dr. Michaëlis erschmolzene Cement ein
wesentlich anderes Verhalten zeigte, ist nach dem Verfasser wahrscheinlich darauf
zurückzuführen, dass er schnell erkaltete und dadurch der Bildung von Krystallen
keine Zeit gelassen wurde.
(Schluss folgt.)