Titel: | Ein Elektricitätswerk für landwirthschaftliche Zwecke. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 183 |
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Ein Elektricitätswerk für landwirthschaftliche
Zwecke.Elektr. Zeitschrift, 1894.
Ein Elektricitätswerk für landwirthschaftliche Zwecke.
In diesem Sommer wurde von der Firma Ganz und Co. auf
der gräflich Ugarte-Lowatelli'schen Domäne in Jaispitz
in Mähren eine Anlage für elektrische Kraftübertragung errichtet, welche sowohl in
ihrer Ausführung, als angesichts des speciellen Zweckes, welchem diese Anlage zu
dienen hat, das Interesse der fachlichen Kreise verdient. Die hier zu besprechende
elektrische Kraftanlage wird nämlich ausschliesslich für landwirthschaftliche Zwecke
benutzt, in einer Verwendung und Vielseitigkeit, wie sie bisher kaum irgendwo anders
Platz gefunden hat.
Auf der genannten Herrschaft wurden aus Anlass der Erbauung eines Dampfsägewerkes
etwa 30 der dampfmaschinellen Anlage für die Zwecke der elektrischen
Kraftübertragung zurückbehalten. In diesem Dampfsägewerk wurde der Generator
untergebracht und ist mithin die Brettsäge die centrale Kraftquelle der gesammten
Uebertragungsanlage geworden.
Von hier gehen zwei, je etwa 5 km lange Drahtleitungen nach verschiedenen Richtungen
aus. Eine dieser Drahtleitungen führt zu einer Mühle und Molkerei mit einer
Abzweigung nach einem benachbarten Meierhof; die andere Leitung zu einem zweiten
Meierhof.
Die secundären Betriebsstätten in der Molkerei und in den beiden Meierhöfen umfassen
einen 10pferdigen Elektromotor in der Molkerei und je einen 12pferdigen Elektromotor
in jedem der beiden Meierhöfe. In der Primärstation ist eine Gleichstromdynamo für
35 Ampère und 620 Volt aufgestellt. Die Regulirung dieser Dynamo geschieht mittels
eines selbsthätig wirkenden Spannungsregulators nach dem System Bláthy, im Vereine mit einem
Dampfmaschinenregulator.
In der Secundärstation der Molkerei werden zwei Centrifugen, eine Pumpe und
verschiedene Transmissionen angetrieben. In der Nähe dieser Station befindet sich,
wie bemerkt, eine Mühle, welche früher nur während kurzer Zeit im Jahre arbeiten
konnte, weil die Wasserkraft zum Betriebe derselben nicht ausreichend war. Nun ist
auch diese Mühle in den elektrischen Betrieb derart eingezogen worden, dass dieselbe
bei ungenügender Wasserkraft mittels des Elektromotors der Molkerei betrieben werden
kann. In den zwei anderen Secundärstationen, den beiden Meierhöfen, dienen die
Motoren zum Antriebe von Dreschmaschinen. Zu diesem Zwecke sind die 12pferdigen
Elektromotoren der beiden Meierhöfe fahrbar
eingerichtet, nämlich auf entsprechenden Wagen montirt. Diese Wagen werden zur
Arbeit aus den Meierhöfen aufs freie Feld hinausgeführt.
Die Stromlieferung für diese fahrenden Elektromotoren geschieht in einfacher Weise
durch eine transportable Kabelschnur, welche mit der vorbeiführenden Hauptleitung
von blankem Kupferdraht verbunden wird. Auf diese Weise kann der Motorwagen längs
der Leitung an den verschiedenen Punkten, wo das Getreide verarbeitet werden soll,
aufgestellt und in Betrieb gesetzt werden.
Der Strombedarf in der Molkerei beträgt, wenn nur die Centrifugen, Pumpen und
Transmissionen betrieben werden, etwa 8 Ampère; die Kraft Versorgung zum Betriebe
der benachbarten Mühle beansprucht ebenfalls 8 Ampère, so dass, wenn die Molkerei
und die Mühle zusammen elektrisch in Betrieb genommen werden, etwa 16 Ampère
gebraucht werden. Der Strombedarf für die Dreschmaschine schwankt nach der Gattung
des zu dreschenden Getreides von 14 bis 16 Ampère bei Korn, bis zu 10 Ampère bei
Hülsenfrüchten.
Die Hauptleitung besteht aus Elektrolytdraht von 5½ mm Durchmesser, der mittels
Isolatoren auf Holzsäulen befestigt ist. Auf denselben Säulen ist eine
Telephonleitung geführt, mittels welcher die Primärstation und die einzelnen
Secundärstationen mit einander in Verbindung gebracht sind. Wenn die Dreschperiode
beendigt ist, werden die Motoren in die Meierhöfe zurückgeführt und dort zum
Pumpenbetriebe und für Berieselungszwecke benutzt. Einer der Elektromotoren wird
auch zum Betriebe einer gleichfalls auf der Domäne befindlichen Spiritusfabrik
herangezogen.
Der elektrische Kraftbetrieb für landwirthschaftliche Zwecke besitzt gegenüber dem
gleichen Betriebe, wie er bisher in üblicher Weise mit Locomobilen besorgt wird,
ganz namhafte Vortheile. Er beseitigt die Feuersgefahr; man erspart den Transport
von Kohle und Wasser and verliert keine Zeit beim Anheizen. Der elektrische Betrieb
stellt sich auch wesentlich billiger, da die Dampf kraft auf der Brettsäge erzeugt
wird, wo das Brennmaterial ein Nebenproduct ist. Endlich ist der elektrische Betrieb
auch viel einfacher als der Betrieb mit Locomobilen.
Das Entstehen dieser Kraftanlage ist dem Unternehmungsgeiste des gräflichen
Domänendirectors Albert Hayn zu verdanken, welcher die
Ausführung der gesammten Einrichtungen durch die Firma Ganz
und Co. hat bewerkstelligen lassen. Es ist damit der Beweis geliefert, dass
der elektrische Betrieb auch für die Zwecke der Landwirthschaft Vortheile
bietet.