Titel: | Elektrische Bremsung für Strassenbahnwagen. |
Autor: | L. |
Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 186 |
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Elektrische Bremsung für Strassenbahnwagen.Zeitschrift für Elektrotechnik und
Elektrochemie.
Elektrische Bremsung.
Mr. Elmer A. Sperry hat unlängst auf der
Jahresversammlung des American Institute of Electrical Engineers einen Vortrag über
sein System der elektrischen Bremsung gehalten, welcher manche neue technische
Gesichtspunkte aufweist und auch das Interesse unserer Strassenbahntechniker
verdient. Sperry hat seit 5 Jahren die elektrischen
Bremsen für Strassenbahnwagen angewendet und hat eine wachsende Anzahl von
elektrisch betriebenen Wagen im Betriebe, die zum Theil bezüglich der Bremsung unter
schwierigen Bedingungen fahren.
Die elektrische Bremse bietet, wenn sie in ihrer Handhabung mit dem Steuerhebel
verbunden ist, eine grosse Betriebssicherheit gegenüber der Handbremse, da der
Wagenführer nicht mehr genöthigt ist, seine Aufmerksamkeit auf zwei Mechanismen zu
richten.
Auf der anderen Seite ist die mechanische Handbremse von grosser Sicherheit,
wohingegen die elektrische Bremsung wegen des verwickelten Zusammenhanges der
wirkenden Theile eine gewisse Gefahr ergibt und die Bremse gerade im Falle der Noth
versagen kann. Die Laufrolle kann vom Leitungsdraht abspringen, die
Stromerzeugungsstätte kann versagen, die Leitung kann unterbrochen werden, so dass
die Wirkung der Bremse aufgehoben wird. Um dieser Möglichkeit vorzubeugen, benutzt
Sperry nicht den zugeleiteten Strom zur Bremsung,
sondern er verwandelt den Wagenmotor durch Umschaltung in eine Primärmaschine,
welche ihre mechanische Betriebskraft aus dem rollenden Wagen erhält, und lässt den
Strom derselben auf einen Bremsmagnet wirken. Bei dieser Anordnung wird also die
lebendige Kraft des rollenden Wagens auf doppeltem Wege vernichtet. Der zum
Stromerzeuger umgewandelte Motor verbraucht einen Theil der mechanischen Energie und
wirkt also selbst schon bremsend. Ausserdem wirkt aber der durch den Strom dieses
Erzeugers erregte Bremsmagnet auf die lebendige Kraft des Wagens und wandelt
dieselbe in Wärme um.
Sobald also der Wagenführer seinen einzigen Hebel auf die Nullstellung zwischen
Vorwärts und Rückwärts stellt, schaltet er den Motor von der stromführenden Leitung
ab und verbindet ihn mit dem Bremsmagnet, worauf sich dann die Bremsung ganz
selbsthätig vollzieht. Der Strom in dem Stromkreise Motor-Bremsmagnet verschwindet
nicht plötzlich, sondern wird durch das allmähliche Verschwinden des Magnetismus aus
den Feldmagneten aufrecht erhalten, so dass Sperry in
manchen Fällen noch eine Secunde, nachdem der Wagen vollständig zur Ruhe
gekommen war, bei Unterbrechung des Kreises einen Flammenbogen erhielt; es nimmt
daher, wie es erscheinen könnte, die bremsende Kraft der geschilderten Vorrichtung
mit fortschreitender Bremsung und also mit wachsender Verlangsamung der zu
unterbrechenden Fahrt nicht ab. Zur Ausnutzung dieses Vorganges hat der Erfinder
noch besondere Hilfsmittel angewendet, über welche er eine begreifliche
Undeutlichkeit in seiner Veröffentlichung gebreitet hat. Immerhin ist es eine
werthvolle Bestätigung, dass der Bremsstrom auch mit schwindender Bewegung des
Wagens noch in genügender Stärke erhalten wird.
Der Bremsmagnet wird in doppelter Form angewendet; in der einen zieht er die sonst
mit der Handbremse verbundene Kette an und drückt dadurch den Schuh an den Radrand;
in der anderen Form wirkt der Bremsmagnet magnetisch bremsend auf die Radachse; auf
jeder Achse sitzt eine Scheibe aus Eisen, welche als Anker dient und sich mit
geringem Spielraum vor den Polen des Magneten dreht.
Bremsversuche mit diesen magnetischen Bremsen zeigten eine stärkere Bremskraft, als
sich nach den berechneten Kraftlinien erwarten liess; Sperry erklärt dies damit, dass die Bremsung oder mit anderen Worten die
Umwandlung der mechanischen in elektrische Energie durch Erzeugung von Foucault'schen Strömen erheblich vergrössert wird.
Die Umwickelung des Magneten besteht aus wenigen Windungen eines dicken Drahtes; der
Spannungsunterschied an den Enden derselben geht selten über 6 Volt hinaus.
Der Erfinder hat an 150 Wagen, die mit einer Bremse eingerichtet sind und zusammen
täglich 16000 km laufen, seine Construction erprobt. Ausserdem, dass er dieselbe im
Betriebe zuverlässig gefunden hat, soll die Bremsung in sanfter Weise erfolgen.
Endlich verdient auch die Schonung der Räder, Lager und Schienen als ein Vorzug der
elektrischen Bremsung hervorgehoben zu werden.
L.