Titel: | Luftcondensator nach dem System A. Richter. |
Fundstelle: | Band 295, Jahrgang 1895, S. 87 |
Download: | XML |
Luftcondensator nach dem System A.
Richter.
Luftcondensator nach dem System Richter.
In einer Sitzung des Oberschlesischen Bezirksvereins deutscher Ingenieure vom 4. Mai
1894 hielt der Maschineninspector A. Richter in Lipine
einen Vortrag über sein neues, durch D. R. G. M. Nr. 21135 geschütztes System von
Luftcondensatoren.
In der Einleitung hob er hervor, wie grosse Schwierigkeiten die chemische Reinigung
bietet, und lenkte die Aufmerksamkeit auf Oberflächencondensatoren, insbesondere auf
die Luftcondensatoren hin, indem er Folgendes ausführte:
„Jedenfalls muss es grosse Vortheile bieten, das Speisewasser aus dem Auspuffdampfe
zum Theil wieder zurückzugewinnen, und zwar, weil man dadurch wirklich reines Wasser
gewinnt, welches nicht mit schwefelsaurem Natron, wie beim chemischen Klärverfahren,
belastet ist; weil man ferner einem überhaupt bestehenden Wassermangel abhelfen
kann, da dann nur noch die Differenz des nicht wiederzugewinnenden Dampfes durch
Wasser zu ersetzen bleibt, während man beim chemischen Klärverfahren nicht
unerhebliche Mengen frischen Dampfes zur Wasservorwärmung aufwenden muss.
Bekanntlich ist neuerdings das Verfahren, Dampf durch Luftoberflächenkühlung
niederzuschlagen, durch Ingenieur Popper in Wien
ausgebildet und eingeführt worden.1891 282 * 125. Derselbe verwendet flache,
etwa 50 mm hohe und 2 qm grosse viereckige Kästen aus verzinktem Eisenblech, welche
in einem Thurme mit kleinen Zwischenräumen jalousieartig über einander gestellt und
entweder durch natürlichen Luftzug oder durch einen Ventilator gekühlt werden. Jeder
Kasten ist an das Dampfabgangsrohr durch eine Rohrverbindung angeschlossen, ebenso
führt aus jedem Kasten ein Röhrchen das Condenswasser ab. Diese Anlage wäre nach der
Offerte recht kostspielig geworden, und man befürchtete, dass die vielen
Rohrverbindungen nicht dauernd haltbar und die schwachen Kästen ihre Form nicht
bewahren würden, auch dass sich die Kühlflächen in der Nähe der Hütten stark mit
Staub belegen, also theilweise unwirksam werden würden.
Der Vortragende kam nun auf den Gedanken, behufs Erzielung eines einfacheren und
gedrängteren Apparates, die Luft nicht allein zur Oberflächenkühlung zu benutzen,
sondern sie dem Dampfe beizumischen, also eine Art Lufteinspritzcondensation
herzustellen, von der er sich entsprechend wie bei der Wassereinspritzung, eine
durchschlagendere Wirkung versprach. – Die Mischung von Luft und Dampf ist in sehr
einfacher Weise zu bewirken mittels eines Strahlapparates, da der geringe Ueberdruck
des Auspuffdampfes vollkommen genügt, um in einem einfachen Düsensystem eine
reichliche Menge Luft anzusaugen.
Berechnet man, welches Luftquantum bei mittlerer Jahrestemperatur von 5° nothwendig
ist, um 1 cbm Dampf zu condensiren, so ergibt sich etwa das zehnfache Quantum, wobei
vorausgesetzt ist, dass das Niederschlagwasser noch nahezu 100° besitzt und die Luft
bis nahezu zu der gleichen Temperatur erwärmt ist. Thatsächlich kann dieser Vorgang
aber gar nicht stattfinden, da das zehnfache Luftvolumen bei dieser Temperatur
derartige Mengen Wasserdunst aufgelöst aus dem Düsenapparate entführen würde, dass
fast nichts zum Niederschlagen käme. Es bleibt demnach kein anderes Mittel übrig,
als dieses Gemisch aus Luft und Wasserdunst vor dem Verlassen des Apparates soweit
als möglich abzukühlen, und dies kann nur durch Oberflächenkühlung geschehen, da
neue Luft nicht mehr hinzugeführt werden darf. Daraus ergab sich nun die
Construction des Apparates in der Weise, dass auf den Strahlapparat noch ein
Rohrbündel aufgesetzt wurde, aus welchem schliesslich die mit Dunst gesättigte Luft
mit möglichst niedriger Temperatur heraustritt. Die Rechnung ergibt, dass man bei
einer Abkühlung der Luft im Apparate bis auf 40° erst etwa 40 Proc. des Dampfes
wiedergewinnen kann, dass man also noch eine weiter getriebene Abkühlung zu
erreichen suchen muss. Dies kann nur durch reichliche Bemessung der Rohroberflächen
und möglichst freien Standort des Apparates erzielt werden, selbstverständlich
bleibt man, wie bei jeder Luftcondensation, von der Aussentemperatur abhängig und
erzielt im Sommer geringere Resultate als im Winter.
Es könnte den Anschein gewinnen, als dürfe man sich die Luftbeimischung ersparen, da
ja der Apparat ohnehin reichliche Oberflächen zur Kühlung verlangt; der Vortragende
erwähnt jedoch hierzu, dass Messungen an ausgeführten Apparaten erwiesen haben, dass
1 qm Kühlfläche bei dem Luftmischcondensator stündlich 6 k Dampf liefert, dagegen
bei reiner Oberflächencondensation nur 2 k, dass also der erstere Apparat bei
einfachster und betriebssicherer Form dreimal kleiner ausfällt.
Es sind bisher von diesen Apparaten zwei Typen, eine kleinere und eine grössere, in
Betrieb gesetzt worden, und zwar sind zur Zeit im Ganzen 13 Stück im Gange, zwei
kleinere und neun grössere. Der kleinere Apparat genügt bis zu 20 bis 25 effectiven
, der grössere für 30 bis 35 .
Die Hauptgrössen dieser Apparate sind:
Kleinerer
Grösserer
Dampfdüsendurchmesser
80 mm
120 mm
Höhe des Strahlapparat- theiles
2800 mm
2800 mm
Höhe des Rohrsystems
10,5 m
10,5 m(aus 2 Bündeln à 5 m)
Anzahl der Rohre
2 × 64
2 × 88
Durchmesser der Rohre
51 mm äuss.
51 mm äuss.(2,5 Wandstärke)
Gesammthöhe
13,3 m
13,3 m
Um einen näheren Anhalt über die Leistungsfähigkeit der Apparate zu geben, theilt der
Vortragende nachstehende Versuchsergebnisse mit:
Kleinerer Typus, für eine
Einzelventilatoranlage auf Silesia II.
Maschinenstärke: 25 .
Zwei Dampfkessel im Betriebe, einfache Ober- und Unterkessel
von 37 bis 59 qm Heizfläche.
Auspuffmaschine mit Meyer'scher
Steuerung, geht mit knapp 0,3 Füllung, 365 mm Cylinderdurchmesser, 630 mm Hub, 75
Touren.
Gemessener stündlicher Speisewasserverbrauch: 838 l.
Gewonnenes Condensat am 6. und 7. März 1893 bei + 6,25°
(etwa mittlere Jahrestemperatur) 591 l.
Gewonnen: 70,5 Proc. des Speisewassers
(also verbleiben von 68 deutschen Härtegraden nur noch
20°; bei Silesia III und Ziegelei: 18°) einschliesslich der Condenswasser aus den
Cylindern und Rohrleitungen.
Bei einem weiteren Versuche wurde das zum vollen Quantum fehlende Speisewasser
bei 8 m Höhe mittels einer Brause in den Apparat eingespritzt, was sich als sehr
zweckmässig erwies; der Zusatz wurde genau so regulirt, dass der gesammte
Speisewasserbedarf von dem Apparate geliefert wurde. – Da das Zusatzquantum nicht
direct gemessen werden konnte, so wurde das fertige Speisewasser analysirt und
gefunden:
In einem Liter
Speisewaser
Rohwasser
0,127
g
Schwefelsäureanhydrit
0,8445
g
Schwefelsäureanhydrit
0,055
g
Kalk
0,392
g
Kalk
0,0225
g
Magnesia
0,206
g
Magnesia
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
8,65
deutsche Härtegrade
66,65
Härtegrade
87 Proc. Verbesserung.
Eine viel stärkere Speisewasserverbesserung erreicht man, wie vorher gesagt, mit
chemischer Wasserklärung ebenfalls nicht, unter 3° bis 5° – gegen hier 8° – kommt
man bei sehr schlechten Wassern ebenfalls nicht, dagegen würde man bei gutartigeren
Speisewassern mit der Dampfcondensation ganz gut dieselben Zahlen erreichen, und man
hat ein salzfreies Wasser.
Grösserer Typus.
Silesia-Walzwerk.
Kesselanlage: 9 Dupuiskessel zu 112 qm.
Spannung: 6,5 at. 7 Kessel im Betrieb.
9 Walzenzugmaschinen, davon durchschnittlich 6 bis 7 im
Betriebe zu 40 bezieh. 80 .
Sämmtliche Maschinen puffen aus in ein 90 m langes, 4 m breites, dicht überwölbtes
Rohwasserbassin, aus dem früher neun Ausblaserohre den entweichenden Dampf, nachdem
15 Proc. desselben absorbirt, ins Freie führten; jetzt sind statt der Ausblaserohre
neun Luftcondensatoren aufgesetzt.
Das Silesia-Walzwerk besitzt eine Humbold'sche
Kläranlage, deren Betriebskosten sehr hoch sind; um diese zu vermindern, wurden die
Condensatoren angelegt, gleichzeitig auch, um die Kläranlage, welche
verhältnissmässig zu klein ist, zu entlasten.
Die Dampfwiedergewinnung stellt sich hier wie folgt:
Gesammtspeisewasserverbrauch in 24 Stunden
364
cbm
ab: Nebenbetriebe (Schneidemühle u.s.w.)
45
cbm
––––––––––
bleiben
319
cbm
––––––––––
Hiervon im Rohwasserbassin absorbirt 15 Proc.
48
cbm
––––––––––
bleiben
270
cbm
welche die Condensatoren passiren.
Mit den 9 Apparaten werden gewonnen
126
cbm
also rund 50 Proc.
ohne Condensat aus Cylindern und
Rohren (inclusive Condensat etwa 60 Proc).
Die weniger günstige Wirkung liegt an der Aufstellung zwischen zwei hohen Gebäuden,
die zugemischte Luft wird über dem mit Dampf erfüllten Bassin entnommen, ist also
warm, auch sind die neun Apparate rechnungsmässig nicht ganz zureichend, durch
Vermehrung würde man mehr gewinnen.
Oekonomische Wirkung.
Einzelanlage auf Silesia II.
Die Kesselanlage verursachte an Reparaturkosten
in den Jahren 1888–1890 1319 M., also in 1 Jahr
439 M.
im Jahre 1892–1893
Nichts
––––––
Ersparniss
439 M.
Reinigungskosten
früher
297 M.
jetzt
144 M.
––––––
Ersparniss
153 M.
153 M.
––––––
Summa
592 M.
(Früher nach 4 Wochen 4 bis 5 mm Kesselstein und meist lose
Anhäufungen, jetzt in 8 Wochen 1,5 mm, also der achte Theil, früher durchschnittlich
ein neues Feuer blech in 1 Jahr, theilweise auch Flecken.)
Kohlenverbrauch:
Ohne Condensator: Speisewasser 12°, Verdampfung
5,42fach.Mit Condensator: Speisewasser 70°, Verdampfung
6,6fach.Gewogene stündliche Kohlenersparniss 26 k, d. i. bei
einem Preise von 13 Pig. bis ins Kessel- haus jährlich
592
M.
–––––––––
Ersparniss Summa
1184
M.
–––––––––
Kosten des Apparates
2631
M.
Aufstellung, lange Rohrleitung, Speisebassin
mit Koksfüllung
773
M.
–––––––––
Summa
3404
M.
Demnach der Apparat bezahlt in 3 Jahren. Betriebs- und Reparaturkosten sind seither
nicht erwachsen.
Die gleiche Anlage wurde ein Jahr später für Silesia-Hütte III ausgeführt, wobei sich
der Preis des Apparates nur noch auf 2000 M., Aufstellung, Rohrleitungen u.s.w. auf
500 M., zusammen also auf 2500 M. stellte, so dass diese Anlage sich in 2½ Jahren
durch Ersparnisse bezahlt macht.
Anlage auf Silesia-Walzwerk (grösserer
Typus).
Die chemische Wasserklärung der gewonnenen 126 cbm
würde kosten zu 18 Pfg., also täg- lich 22,68 M., jährlich (300
Tage)
6804
M.
Die 9 Apparate kosten (jeder 2650 + Aufstel- lung =
3000 M.)
27000
M.
Also die Apparate bezahlt in 4 Jahren.
Anlagekosten. Vergleich mit anderen Systemen.
Für Silesia II hätte eine Fopper'sche Anlage mit Thüren gekostet
9300
M.
(gegen 3400 bezieh. 2500 M., also
27 Proc.)
Eine Kläranlage für chemische Reinigung
6200
M.
dazu Betriebskosten und Chemikalien täglich 4,80 M.
(20 cbm zu 14 Pfg.), jährlich 1752 M., kapitalisirt mit 5
Proc.
35000
M.
–––––––––––
Summa
41200
M.
(gegen 3400 M. = 9 Proc.)
Anwendbarkeit: In erster Linie und am einfachsten und
billigsten für Einzelmaschinen, wobei der Condensator an Stelle des Ausblaserohres
gesetzt wird.
Bei grösseren industriellen Anlagen, wenn die Maschinen dicht bei einander liegen,
empfiehlt sich eine Centralcondensation, sonst ist jede Maschine als Einzelmaschine
zu behandeln, wobei man die theueren Rohrleitungen, welche den Ausblasedampf von den
Maschinen zur Condensationsanlage führen, erspart und nur verhältnissmässig dünne
Rohre zur Abführung des Condenswassers ins Speisewasserbassin erhält.
Nutzbarmachung des Condensates aus Cylinder und Dampfzuleitungsröhren ist stets zu
empfehlen. Einspritzung, wenn genügend Druck vorhanden, ebenfalls. Freier Standort
desgleichen.
Der Richter'sche Luftcondensator besteht aus zwei
Haupttheilen:
1) Dem in gusseisernem Untersatz eingebauten Mischdüsensystem, und
2) dem darüber senkrecht aufgestellten System schmiedeeiserner Kühlröhren.
Das Düsensystem hat den Zweck, den aasblasenden Dampf mit atmosphärischer Luft behufs
Abkühlung zu mischen und grösstentheils niederzuschlagen, während in den Röhren das
dann noch übrig bleibende Gemisch von Dampf und Luft abgekühlt wird. Seine
Construction und Wirkungsweise gehen aus Folgendem hervor: In einem gusseisernen
Untersatze befindet sich ein Düsensystem, in welches durch das Ausströmungsrohr der
Ausblasedampf eintritt und das durch die im Untersatze angebrachten Oeffnungen
Luft ansaugt; das sich hierbei bildende Condensat sammelt sich in dem Untersatze.
Das restirende Gemisch von Wasserdunst und erwärmter Luft tritt alsdann in einen
nach oben trichterförmig erweiterten Raum und steigt in dem daran anschliessenden
senkrechten Rohrsystem in die Höhe. Die genügenden Raum zwischen sich frei lassenden
Röhren werden von der atmosphärischen Luft umspült, und wird dadurch das im Innern
befindliche Dampf- und Luftgemisch abgekühlt. Das Condenswasser rinnt im Innern der
Rohre herab und sammelt sich in einem unter dem Untersatze angebrachten Bassin, von
wo es den Speisepumpen zufliesst oder von denselben angesaugt wird. Die vom Dampf
befreite und wieder abgekühlte Luft tritt aus den oberen Mündungen der Rohre ins
Freie.
Naturgemäss ist es nicht möglich, so viel Wasser aus dem Ausblasedampf zu gewinnen,
als in die Dampfkessel gespeist wurde und im continuirlichen Betrieb zu speisen
nothwendig ist, weil sowohl an den Kesseln und den Dampfmaschinen schon
Dampfverluste entstehen, als es auch praktisch unmöglich ist, jedes Atom im
Ausblasedampf enthaltene Wasser zurückzugewinnen. Aus diesen Gründen ist es
nothwendig, dem Condensat einen gewissen Procentsatz rohes Wasser zuzufügen, und
dies geschieht, wenn genügender Druck vorhanden ist, vortheilhaft in der Weise, dass
das betreffende Wasserzuführungsrohr als Brause in einem Räume endet, welcher das
Rohrsystem in entsprechender Höhe unterbricht. Es wird hierdurch der doppelte
Vortheil erzielt, dass einestheils die Condensation des Ausblasedampfes befördert
und anderntheils das erforderliche Zusatzwasser auf eine hohe Temperatur vorgewärmt
wird. Besitzt das Zusatzwasser nicht genügenden natürlichen Druck, so lässt man
dasselbe direct in das Speisewasserbassin eintreten.
Das ausschliessliche Ausführungsrecht für den Richter'schen Luftcondensator ist der Wilhelmshütte in Waldenburg in Schlesien übertragen.