Titel: | Ueber Calciumcarbid und Acetylen. |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 20 |
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Ueber Calciumcarbid und Acetylen.
Mit Abbildung.
Ueber Calciumcarbid und Acetylen.
I. Theil.
Die Elektrochemie hat einen neuen grossen Erfolg errungen dadurch, dass es ihr
gelungen ist, die Herstellung der Verbindung CaC2
des Calciumcarbids in annähernd reinem Zustande und im Grossen durchzuführen.
Die Wichtigkeit des Calciumcarbids besteht, soweit sich vorläufig übersehen lässt, in
der Thatsache, dass es mit Wasser eine Zersetzung nach folgender Gleichung
erleidet:
CaC2 + 2H2O = Ca(OH)2 + C2H2.
Es entstehen also Kalkhydrat und Acetylen. Damit tritt das
Acetylen in den Kreis der Gase, welche leicht zugänglich und in beliebigem Maasse
erzeugbar sind, während es bisher in grossem Maasstabe gar nicht, in kleinem schwer
darstellbar war. Die Schwierigkeit, mit der seine Darstellung bis jetzt verbunden
war, erklärt, dass ausgearbeitete Wege zu seiner Nutzbarmachung noch fehlen, aber es
ist kein Zweifel, dass ein so überaus reactionsfähiger Körper der mannigfaltigsten
Anwendung fähig und berufen ist eine grosse Rolle in der chemischen Industrie zu
spielen.
Die technische Darstellung des Calciumcarbids schliesst sich eng an die des
Carborundums an.Vgl. D. p. J. 1893 290 95
und 1894 294 * 144.
Auch hier ist es die Hitze des elektrischen Flammenbogens, welche die Bildung des
Körpers veranlasst. Die Reaction CaO + 3 C = CaC2 +
CO, welche unter diesen Verhältnissen verwirklicht wird, ist unabhängig von irgend
welchen elektrischen Einwirkungen des verwendeten Stromes, und wird ausschliesslich
bedingt durch die enorme Temperatursteigerung, welche die Vernichtung eines grossen
Quantums elektrischer Energie auf einer kleinen Strecke veranlasst. Jede andere
Vorrichtung, welche die Erzeugung von Temperaturen gegen 3000° gestattet, würde eine
gleiche Eignung wie der elektrische Ofen besitzen.
Genau das Gleiche gilt von dem Siliciumcarbid, dem Borcarbid und anderen in analoger
Weise gewonnenen Körpern. Wir stehen einer Gruppe von Reactionen gegenüber, die in
ausgezeichneter Weise auf dem Gebiete der thermischen Processe den Grundsatz
illustrirt, dass bei jeder Arbeitsleistung der Quantitätsfactor der Arbeitsgrösse
für den Umfang, der Intensitätsfactor aber für den Charakter der erreichbaren
Wirkung maassgebend ist, dass also eine Vermehrung des Quantitätsfactors eine
Vermehrung der Production, eine Steigerung des Intensitätsfactors aber eine neue
wissenschaftliche bezieh. technische Möglichkeit bedeutet.
Das Calciumcarbid ist gleichzeitig von zwei Seiten bearbeitet worden. Vom
wissenschaftlichen Standpunkte aus hat es Moissan
studirt (vgl. 1895 295 69), seine technische Herstellung
ist von Thomas L. Willson in Spray, N. C.,
ausgearbeitet worden.
Ueber das Willson'sche Verfahren besitzen wir eine
Mittheilung von Wyatt (Engineering and Mining, 1894 S. 566), wonach Willson den von ihm patentirten Lichtbogenofen (Amerikanisches Patent Nr.
492377 vom 21. Februar 1893) zur Darstellung benutzt. Wir geben eine Skizze dieses
Ofens nebenstehend wieder. Derselbe besteht aus dem Chamottemantel A, in welchem der Kohle- oder Graphittiegel B steht, beide ruhen auf einer als Stromzuführung
dienenden Eisenplatte. Der Tiegel ist mit einer Kohleplatte verschlossen, durch
welche die stabförmige zweite Kohleelektrode hindurchgeführt ist. Die im Willson'schen Patent erhobenen fünf Patentansprüche
laufen sämmtlich darauf hinaus, dass der Tiegelboden mit reducirbaren Substanzen
beschickt werden soll, welche mit so viel Kohlepulver gemischt sind, dass die
Bildung eines Bades von geschmolzener Substanz verhindert wird, dessen Kochen
Schwankungen im Widerstand des Flammenbogens veranlassen würde. Daneben wird durch
die in jedem einzelnen Patentanspruch wiederkehrende Betonung des zwischen
getrennten Elektroden übergehenden Flammenbogens, welcher unmittelbar über der in
Reaction zu bringenden Masse liegt, der Ofen gegenüber dem Cowles'schen und verwandten Ofenformen deutlich unterschieden.
Textabbildung Bd. 296, S. 20
Willson's Ofen.
Es sind für die Vernichtung einer grossen Summe elektrischer Energie zwei
principielle Möglichkeiten gegeben: Die eine ist der Lichtbogen, den Moissan und angeblich Willson benutzen, der andere ein Kurzschluss, gebildet entweder durch das
in Reaction tretende Material oder durch einen Kohlestab, der darin eingebettet ist.
Beide Verfahren haben Vortheile und Nachtheile.
Der Lichtbogen muss frei in einem besonders angeordneten kleinen Ofen brennen; legt
man ihn mitten in das Material hinein, welches schmelzen und reagiren soll, so
treten leicht Kurzschlüsse ein, welche ein Nachreguliren und damit beständige
Beaufsichtigung nöthig machen.
Dass es zweckmässig sein sollte, im Sinne des Willson'schen Patentes durch grosse Mengen zugesetzten Kohlestaubes die
Schmelzung zu hindern, muss bezweifelt werden. Es muss speciell im Falle des
Calciumcarbids wenigstens ein Backen des Materials durch den schmelzenden Kalk
statthaben, und es resultirt als Ergebniss schliesslich ein mit den Tiegelwänden
fest zusammenklebender mit Kohlestaub in weitem Maasse verunreinigter
Carbidklumpen.
Willson scheint auch gar nicht nach seinem patentirten
Verfahren zu arbeiten. Er erschmilzt nach den Angaben Wyatt's Calciumcarbid aus einem Gemisch von 12 Th. Kohle- mit 20 Th.
Kalkpulver. Bei reinem Aetzkalk und reinem Kohlenstoff wäre das theoretische
Verhältniss 12,8 : 20. Er geht also jedenfalls von einem Material aus, das dem
stöchiometrischen Mengenverhältniss sehr nahe kommt. Dem entspricht auch, dass das
von ihm gelieferte Calciumcarbid, nach einer Anzahl Proben zu urtheilen, durchaus
grau und krystallinisch ist und somit im Aussehen von jenen schwarzen,
zusammengefritteten Massen erheblich abweicht, die man in einem kleineren Apparat,
der nach dem Schema seines Ofens eingerichtet ist, bei Ueberschuss an Kohle aus
einem Kalk-Kohlegemisch leicht erzeugt. Auch nach anderer Hinsicht wollen die Wyatt'schen Angaben nicht recht zu einer Benutzung des
Willson patentirten Verfahrens stimmen. Wyatt gibt an, dass zur Production von 1 t
Calciumcarbid 180 elektrische 12 Stunden lang geleistet werden. Es kann das
im Zusammenhange wohl nur so verstanden werden, dass Willson Dynamos von einer effectiven Leistung von rund 130 Kilo-Watt
benutzt. Nach einer anderen Wyatt'schen Angabe liegt
die Stromstärke zwischen 4000 und 5000 Ampère, das entspricht bei 130 Kilo-Watt
einer Spannung von 26 bis 33 Volt. Unter Berücksichtigung des Spannungsverlustes in
der Leitung bleibt dann für den Lichtbogen ein Betrag, der zwar allenfalls
ausreicht, aber doch so gering ist, dass die Annahme berechtigt erscheint, es werde
bei dem Willson'schen Verfahren thatsächlich ein
Kurzschluss durch die glühende Masse eventuell mit kleinen cascadenartigen
Flammenbögen innerhalb derselben erzielt.
Der ganze Willson'sche Ofen macht nach der
Patentzeichnung nicht den Eindruck eines Apparates, der in grösserem Maasstabe zu
benutzen ist. Es ist zwar – obgleich die Masse angeblich nicht in Fluss kommen soll
– eine Abstichöffnung vorgesehen, aber es fehlt jede Andeutung, wie eine
continuirliche Zufuhr von Material statthaben soll, und die Grössenverhältnisse der
einzelnen Theile stehen mit einer nach Tonnen rechnenden Production in argem
Widerspruch. Haltbarkeit des Ofens, Abführung der gebildeten, mit den staubförmigen
Reagentien und Reactionsproducten beladenen Gasmassen u. ä. bilden eine Reihe von
Momenten, die, namentlich in Rücksicht auf die im Folgenden wiedergegebenen
Mittheilungen Moissan's über seine Lichtbogenöfen, zu
der Vermuthung führen, dass die zweifellos eminenten Erfolge Willson's wohl nicht unter Benutzung seiner patentirten Ofenconstruction
erreicht sind. Es darf vermuthet werden, dass seine Anordnung das Princip des
Kurzschlusses benutzt. Dies bietet den Vortheil, dass die difficilen und wenig
dauerhaften Oefen überflüssig sind, welche ein frei brennender Lichtbogen erfordert,
da die bearbeitete Substanz um die Wärmequelle dicht herumgehäuft werden kann und
die erzeugte Wärme unmittelbar empfängt, so dass die Ofenwände nur massigen
Temperaturen ausgesetzt werden. Diese Anordnung nöthigt allerdings für gleiche
Arbeitsleistung zu grösseren Stromstärken und damit zu kostspieligeren und
unhandlicheren Zuleitungen, gestattet aber ein grösseres Quantum Substanz
gleichzeitig in Reaction zu bringen und einen continuirlichen Process in einfacher
Weise durchzuführen.
Die Cowles'schen Patente variiren diese Principien in
mannigfaltiger Weise, während die Moissan'schen
Mittheilungen die Construction und Eigenheiten der eigentlichen Lichtbogenöfen in
ausgedehntem Maasse beleuchten.
Moissan's Versuche umfassen Ströme, die mit Maschinen
von 4 bis zu 300 erzeugt wurden, und machten die Benutzung sehr
verschiedener Oefen erforderlich, da mit wachsender Strommenge die Anforderungen an
den Ofen jedesmal stiegen. Anfangs benutzte Moissan
einen Block aus gebranntem Kalk, in dem eine kleine Höhlung ausgearbeitet war, in
welche die Substanz entweder direct oder in einem Graphittiegel eingeführt
wurde. Darüber lag ein Deckel, gleichfalls aus Aetzkalk, der eine entsprechende
flachere Aushöhlung enthielt. Die Elektroden liefen durch Rinnen, die halb im
Deckel, halb im Hauptblock ausgespart waren. Sie waren ausserhalb des Ofens an
Stativen schiebbar befestigt. Für Ströme bis 125 Ampère und 60 Volt genügten die
folgenden Dimensionen. Hauptblock: 18 cm, 15 cm, 8 cm; Deckel: 18 cm, 15 cm, 6 cm.
Für stärkere Ströme (bis 75 Volt und 450 Ampère) wurde der Ofen von 18 auf 22 bis 25
cm verlängert. Da ein Hauptgewicht bei Moissan's
Versuchen auf Reinheit der erzeugten Präparate fiel, wurden Elektroden vom härtesten
Retortengraphit, der einer besonderen sorgsamen Reinigung zuvor unterworfen wurde,
gewählt. Die Elektroden maassen für kleine Ströme (30 bis 40 Ampère, 55 Volt) 20 cm
bei 12 mm Durchmesser, für 120 Ampère und 50 Volt 40 cm bei 16 bis 18 mm
Durchmesser; für 40 bis 45 40 cm bei 27 mm Durchmesser. Bei schwächeren
Strömen empfiehlt sich, beide Elektroden gut anzuspitzen, für stärkere die eine
eben, die andere spitz zu machen.
Benutzt man Einsatztiegel, so werden dieselben zweckmässig aus gepresstem
Retortenkohlepulver gemacht, für die Elektroden werden Aussparungen am Rande
eingeschnitten. Der Tiegel muss auf Magnesia gestellt werden, damit er nicht in
Berührung mit dem Kalke des Ofens unter Bildung von Calciumcarbid zerstört werde.
Seine Wände berühren die Ofen wand nicht, sondern lassen einen ringförmigen
Zwischenraum.
Der Ofen hat das Missliche, dass passende Blöcke aus Aetzkalk namentlich im Winter
schlecht zu erhalten sind. Es liegt nahe, ihn durch einen Ofen aus Kalkstein zu
ersetzen. Dadurch wird die Beschaffung zwar erleichtert, es tritt aber der Nachtheil
auf, dass die entstehende Kohlensäure zum grossen Theil durch die enorme Temperatur
zerfällt, ohne beim Entweichen aus dem Ofen wieder vollständig zu verbrennen, so
dass ein continuirlicher Kohlenoxydstrom von einem solchen Kalksteinofen
ausgeht.
Für die Kalksteinöfen gibt Moissan folgende Dimensionen:
Für Maschinen von 4 Deckelstück und Hauptblock gleichmässig: 18 cm, 15 cm,
10 cm; für 45 Hauptblock: 15 cm, 20 cm, 30 cm, Deckel: 10 cm, 20 cm, 30 cm;
für 100 Hauptblock: 20 cm, 35 cm, 30 cm, Deckel: 15 cm, 35 cm, 30 cm. Ein
solcher Ofen hält 6 bis 7 Operationen aus.
Der verwendete Block muss vorher in der Wärme sehr gut getrocknet und dann mit
Eisenbändern verschnürt werden, damit er nicht Risse bekommt. Vor dem Trocknen
werden im Hauptblock und im Deckel Hohlräume genau wie beim Aetzkalkofen
ausgearbeitet. Die Führung der Elektroden, die Stellung des Tiegels auf eine Lage
von Magnesia, die Trennung von Tiegelwand und Ofenwand durch einen Zwischenraum von
1 bis 2 cm kommen gleicher Weise in Anwendung. Auch die Elektroden haben die
gleichen Dimensionen wie beim Aetzkalkofen. Für Ströme von über 100 wählt
man sie 50 cm lang bei 40 mm Durchmesser, für 200 bis 300 geht man mit dem
Durchmesser zweckmässig bis 50 mm.
Die benutzten Tiegel sind aus gepresstem Retortenkohlepulver oder aus Magnesia. Für
45 benutzt Moissan Tiegel von 6 cm Höhe und 6
cm Durchmesser mit Einschnitten von 3 cm Länge, für Ströme von 90000 Watt solche von
einem inneren Durchmesser von 7,5 cm, bei einem äusseren Durchmesser von 9 cm und einer
äusseren Höhe von 10 cm ohne Aussparungen für die Elektroden.
Für Ströme von 100000 Watt und darüber sind diese Oefen in Folge der enormen
Verdampfung des Kalkes und der stromweisen Entbindung von Kohlensäure und Kohlenoxyd
schwer benutzbar. Man kleidet deshalb in diesem Falle den Ofen zweckmässig mit
Kohleplatten aus; da diese Kohleplatten aber in Berührung mit dem Kalke sofort zu
Calciumcarbid gelöst werden würden, schiebt man zwischen Ofenwand und
Kohleverkleidung Magnesiaplatten von 1 cm Stärke, da Magnesia durch Kohle bei keiner
Temperatur reducirt wird. Die Magnesia wird durch Glühen, Behandeln mit
Ammoncarbonat und Waschen gereinigt, darauf mit Wasser geformt; gepresst, getrocknet
und geglüht.
Diese mit Magnesia- und Kohleplatten abwechselnd ausgekleideten Oefen sind sehr
leistungsfähig, aber natürlich niemals frei von Kohlensäure, die dem Ofenmaterial
entstammt, und von Wasserdampf, der trotz aller vorgängigen Trocknung in dem Ofen
doch immer in kleiner Menge auftritt. Für Reactionen, bei welchen die Abwesenheit
dieser Gase bezieh. ihrer Umsetzungsproducte wünschenswerth ist, verlegt Moissan die Reaction deshalb in ein Kohlerohr von 5 bis
40 mm Weite, das den Elektrodenraum senkrecht zum Lichtbogen durchsetzt und durch
die Bestrahlung seiner Aussenseite die gewünschte Temperatursteigerung erfährt. Das
Rohr muss etwa 1 cm unter dem Lichtbogen und 1 cm über dem Boden der Aushöhlung
liegen, um die stärkste Erhitzung zu erfahren. Es kann, wenn einerseits der
Kohledampf vermieden, andererseits der Verdampfungspunkt der Magnesia nicht
überschritten werden soll, mit Magnesia ausgefüttert werden. Bedauerlicher Weise ist
es anscheinend unmöglich, diese Kohlerohre völlig dicht zu halten, ihre Porosität
bei hoher Temperatur ist durch keinen Ueberzug von Carbiden des Siliciums, Bors oder
ähnlicher Körper aufzuheben.
Für die Verwirklichung von Reactionen in Gasströmen hat diese Ofenform entschieden
grosse Vortheile, sie ist aber recht complicirt. Statt das Rohr von aussen zu
bestrahlen, wäre es einfacher, ein Kohlerohr in die Leitung einzuschalten und mit
der Stromstärke so lange hinaufzugehen, bis die gewünschte Temperatursteigerung
erzielt ist. Das Abbrennen der Contacte liesse sich bequem verhüten, indem man dem
Kohlerohre an den Stellen, an welchen die Stromzufuhr statthat, bei durchgehend
gleicher Weite der Bohrung wesentlich grössere Wandstärke gäbe. Moissan legt Werth darauf, dass durch Neigung dieses
Rohres gegen die Horizontale dieser Rohrofen zu einem continuirlich wirkenden
umgestaltet werden kann, in welchen man auf der einen Seite Substanz einführt, die
auf der geneigten Fläche geschmolzen abläuft. Mit einem Strom von 600 Ampère und 60
Volt gelang es ihm auf diese Weise leicht in 1 Stunde 2 k Chrom zu schmelzen. Es
erscheint wahrscheinlich, dass derselbe Effect unter Vermeidung der Benutzung des
mühsam herzustellenden Ofens in der im Vorstehenden besprochenen Weise durch
Stromzufuhr direct zu dem Kohlerohr zu erzielen wäre. Eine Vervollkommnung des Ofens
in Rücksicht auf continuirliche Production erzielte Moissan schliesslich durch Theilung des Flammenbogens, so dass die unter
der Wirkung des ersten Bogens geschmolzene Masse durch einen zweiten und dritten
Flammenbogen im Flusse erhalten wird, während sie über die geneigte Seite des
Reactionsraumes hinabgleitet.
An dieser Stelle wird das Verhältniss der beiden Oefen zu Grunde liegenden Principien
des Moissan'schen und des Cowles'schen – denn die Oefen, welche auf der
Erhitzung eines festen Leiters beruhen, gehen alle auf den Cowles'schen Aluminiumofen zurück – vielleicht am deutlichsten.
Wo die höchste erreichbare Temperatur gefordert wird, ist es zweckmässig, den
Flammenbogenofen zu wählen, weil derselbe die bequemere Möglichkeit gibt, auf einer
äusserst kurzen Strecke ein Maximum von Energie in Wärme umzusetzen; wo aber nur
Temperaturen zwischen 2000 und 3000° verlangt werden, wird man für Production in
grossem Maasstabe den erhitzten Widerstand – eventuell in Rohrform – vorziehen, weil
derselbe den continuirlichen Betrieb unmittelbarer und einfacher ermöglicht.
Aus den Moissan'schen Mittheilungen sei schliesslich
noch die interessante Bemerkung herangezogen, dass, unbeschadet dem Umstände, dass
die Temperatursteigerung des Flammenbogens durch die Verdampfung der Kohle nach oben
jedenfalls begrenzt ist, die Temperatur mit wachsender Grösse der elektrischen
Energie dauernd wächst. Moissan vermochte Vanadiumoxyd
mit Kohle bei 400 Ampère und 70 Volt nicht, bei 70 Volt und 1000 Ampère aber leicht
zu reduciren. Die Annahme erscheint danach berechtigt, dass die Verdampfung der
Kohle in Flammenbögen mittlerer Stärke nur als eine langsame Verdunstung aufzufassen
ist, und dass die Temperatur, bei welcher jede weitere Zufuhr von Wärme nur zur
Veränderung des Aggregatzustandes und nicht mehr zur Temperatursteigerung verwandt
wird, der Kochpunkt der Kohle – unter Atmosphärendruck – wenn überhaupt, dann
höchstens in den allerstärksten bis jetzt benützten Flammenbögen erreicht wurde.
Um von diesen Betrachtungen über die elektrischen Oefen wieder zu dem Calciumcarbid
und seinem Zersetzungsproduct, dem Acetylen, zurückzukehren, so verspricht das
Acetylen in erster Linie eine Bedeutung für die Gasindustrie zu gewinnen. Es ist
naturgemäss, dass ein Kohlenwasserstoff von 92,3 Proc. Kohlenstoffgehalt einen hohen
Carburations- und Leuchtwerth besitzen muss; an seine Benutzung konnte aber früher
nicht gedacht werden, da es an geeigneten Methoden der Darstellung fehlte. Seine
älteste Gewinnung ist die durch Davy aus
Kohlenstoffkalium und Wasser. Wöhler gewann 1836 aus
Kohle und Zinkcalcium ein Carbid, welches mit Wasser Acetylen entwickelte. Später
zeigte Berthelot seine Bildung im Flammenbogen, wenn
dieser in einer Wasserstoffatmosphäre zwischen Kohlespitzen überging, und seine
Gewinnung aus den Producten der unvollständigen Leuchtgasverbrennung durch
Vermittelung seiner Silber- oder Kupferverbindung. Für den Laboratoriumsgebrauch
wurde gelegentlich die Abspaltung von Salzsäure aus dem Aethylenchlorid benutzt. Auf
elektrochemischem Wege lässt sich Acetylen durch Elektrolyse seiner Dicarbonsäuren,
der Fumar- und Maleinsäure, gewinnen. Zur Herstellung grösserer Mengen gab Maquenne (Comptes rendus,
Bd. 115 S. 558) ein Verfahren. Nach ihm wird frisch gefälltes Bariumcarbonat mit
Kohle- und Magnesiumpulver in der Muffel geglüht. Es entsteht in erträglicher
Ausbeute Bariumcarbid, das bei der Zersetzung mit Wasser Acetylen liefert. Die
Reaction verläuft explosionsartig und das gebildete Product gibt in Folge Nebenbildung von
Bariummetall ausser Acetylen viel Wasserstoff. W.
Travers (Proc. Chem. Soc., Bd. 118 S. 15)
ersetzte das Bariumcarbonat durch Chlorcalcium und das Magnesium durch Natrium. Aus
einem Gemisch von 4 Th. Chlorcalcium, 1 Th. Gaskohle und der entsprechenden Menge
Natrium vermochte er 16 Proc. Ausbeute an Calciumcarbid zu erzielen.
Diese sämmtlichen Methoden boten für eine technische Verwerthung keinen Anhalt.
Sofort nach dem Bekanntwerden des Willson'schen
Verfahrens zur Herstellung des Calciumcarbids haben Vivian
B. Lewes (Journal of Gaslighting) und W. Hempel (Märkischer Verein
von Gas- und Wasserfachmännern 1895) den Carburations- und Leuchtwerth des
Acetylens untersucht.
Nach Hempel gibt ein Brenner mit einem Stundenconsum
von
35
l
Acetylen
eine
Leuchtkraft
von
45
Vereinskerzen
45
l
„
„
„
„
62
„
67
l
„
„
„
„
97
„
82
l
„
„
„
„
138
„
92
l
„
„
„
„
143
„
nach Vivian B. Lewes:
151 l
Acetylen eine Leuchtkraft von
212 Vereinskerzen
(5 Cubikfuss)
(240 engl. Kerzen)
Der Carburationswerth ist nach Lewes gleich dem
Leuchtwerth. Demgegenüber veranlasst Benzol, welches unter den bisher üblichen
Carburationsmitteln die erste Stelle beansprucht, für 1 g eine Aufbesserung des
Gases für 1 cbm um 0,17 bis 0,21 Kerzen. Daraus berechnet sich ein stündlich
erfordertes Quantum von etwa 170 g Benzol für eine Flamme, die bei 151 l
Stundenconsum eine Helligkeit von 212 Kerzen geben soll. Da das specifische Gewicht
des Acetylens 0,91 beträgt, so ist der Carburationswerth des Acetylens, also auf
gleiche Gewichte bezogen, ein wenig geringer als der des Benzols, während er auf
gleiche Volumina bezogen ausserordentlich viel kleiner ist. Das Acetylen müsste sich
also billiger stellen als das Benzol, um es als Carburationsmittel ersetzen zu
können. Dies ist, wie aus den im Folgenden gemachten Angaben ersichtlich ist,
einstweilen recht unwahrscheinlich. Es ist aber nicht zu verkennen, dass Acetylen
ausserordentliche Vorzüge hat, welche es befähigen das Benzol zwar nicht zu
verdrängen, aber es zu ergänzen. Benzol ist eine Flüssigkeit von dem relativ hohen
Siedepunkt von 80°. Diejenige Menge, welche ein Gas davon aufzunehmen vermag, ist
durch die Temperatur begrenzt. Wo also Flammen von sehr hoher Leuchtkraft verlangt
werden, in mittleren und kalten Klimaten, ist deren Aufbesserung auf die verlangte
Lichtstärke bei centraler Carburation mit Benzol nicht mehr erreichbar. In diesem
Falle wird das bei allen praktisch in Frage kommenden Temperaturen gasförmige
Acetylen das Benzol wirksam ergänzen können, da es den anderen Carburationsmitteln,
von Benzol abgesehen, weit überlegen ist.
(Fortsetzung folgt.)