Titel: | Beiträge zur Metallurgie des Bleis. |
Autor: | Haber |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 69 |
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Beiträge zur Metallurgie des Bleis.
Beiträge zur Metallurgie des Bleis.
Hannay hat dem Institute of
Mining and Metallurgy eine bemerkenswerthe Untersuchung über die Vorgänge
bei der Bleigewinnung aus Bleiglanz im Flammenofen unterbreitet, die im Bull. Soc. Chim., 1894 S. 911, ausführlich
wiedergegeben ist.
Bekanntlich wird Blei fast ausschliesslich aus Bleiglanz und zwar wesentlich auf zwei
Weisen gewonnen. Entweder wird mit metallischem Eisen, Eisenerzen oder
Eisenfrischschlacken u. ä. der Bleiglanz in einem Schachtofen (Sumpfofen)
niedergeschmolzen und so entschwefelt, oder es wird der Bleiglanz in Flammöfen
geröstet. Bei letzterem Verfahren soll nach den bisherigen Annahmen zunächst ein
Theil des Sulfids zu Oxyd und schwefliger Säure verbrennen und die schweflige Säure
zum Theil entweichen, zum Theil mit dem Bleioxyd Sulfat bilden. Bleioxyd und
Bleisulfat sollen weiterhin mit unzersetztem Bleiglanz nach folgenden Gleichungen
reagiren:
2PbO + PbS = 3Pb + SO2
PbSO4 + PbS = 2Pb + 2SO2.
Daneben wird die Bildung eines Subsulfurets
2PbS + PbSO4 = Pb + Pb2S + 2SO2
angenommen, das unter Saigerung in
Pb2S = Pb + PbS
wieder zerfällt.
Hannay macht dem gegenüber zunächst wahrscheinlich, dass
ein solches Subsulfuret nicht existirt. Ein geschmolzenes Gemisch von Blei und
Bleisulfid liefert nämlich bei fractionirter Krystallisation nicht eine niedere
Schwefelungsstufe des Bleis, sondern nur Blei und Bleisulfid. Ferner zeigen
Schmelzgemische von Bleisulfid und Blei zwischen den durch die Formeln PbS und Pb4S bestimmten Grenzen der Mengenverhältnisse von
Blei und Schwefel specifische Gewichte, welche jeweils genau derjenigen Zahl
entsprechen, die sich für die betreffende Mischung von Blei und Bleisulfid bei
Zugrundelegung der Dichte 11,254 für Blei und 7,766 für Bleiglanz berechnet. (Die
Dichte des Bleiglanzes ist von Hannay in Benzol
bestimmt worden; Bestimmungen in Wasser fallen stets ungenau aus, weil der Bleiglanz
im gepulverten Zustand sich mit Wasser zersetzt.)
Die Umsetzung
PbS + PbSO4 = 2Pb + 2SO2
findet nach Hannay gleichfalls
nicht statt. Eine Schmelzung äquivalenter Mengen Bleiglanz und Bleisulfat in einem
Porzellangefäss ergab statt der berechneten Menge Blei einen Schmelzrückstand, der
etwa 9 Proc. weniger wog und fast zu gleichen Theilen aus Blei und Bleioxyd bestand.
Der Gewichtsverlust war offenbar verursacht durch die Entbindung eines dicken
bleihaltigen Rauches, die den Versuch begleitete. Diese Rauchbildung erwies sich als
unabhängig von dem atmosphärischen Sauerstoff, denn sie trat auch auf, als die
Schmelzung in einem Strome von Stickstoff vorgenommen wurde. Die bleihaltigen Dämpfe
verdankten also ihre Entstehung ausschliesslich der Einwirkung von Bleisulfat auf
Schwefelblei. Uebereinstimmend damit wurde bei portionsweisem Eintragen von
Bleisulfat in geschmolzenes Bleisulfid stets eine energische Bildung dieses Rauches
beobachtet. Zur Untersuchung seiner Zusammensetzung wurde die Einwirkung des Sulfats
auf den Bleiglanz im Stickstoffstrome so vorgenommen, dass die gebildeten Dämpfe
durch ein Entbindungsrohr in eine Aetznatronlösung geleitet wurden. Dabei beschlug
sich dieses Rohr mit kleinen Bleiglanzkrystallen, während in der Vorlage schweflige
Säure absorbirt wurde. Danach erschien es möglich, dass der Bleiglanz sich als
solcher verflüchtigte. Beim Erhitzen von Bleiglanz im Stickstoff-, Wasserstoff- und
Ammoniakstrome trat aber diese Erscheinung nicht auf, während sie in
sauerstoffhaltigen Gasströmen, im Strome von schwefliger Säure Wasserdampf,
Kohlensäure und Kohlenoxyd stets statt hatte. Es liegen also hier eigenartige
flüchtige Bleiglanzverbindungen vor. Für die Verbindung des Bleiglanzes mit
schwefliger Säure hat Hannay die Formel PbS2O2 auf folgende
Weise wahrscheinlich gemacht: 50 g geschmolzenes Bleisulfid wurden im Luftstrome
erhitzt. Dabei blieb ein Rückstand von 18,5 g Blei und 4,35 g Bleiglätte, zusammen
22 g Blei, während im Rauch 21 g Bleiglanz und 7 g schweflige Säure sich
verflüchtigten. Die Formel PbS2O2 verlangt, dass mit 7 g SO2 26 g PbS entweichen und 20,7 g Blei im Rückstand
bleiben; der Versuch, welcher 22 g Rückstand ergab, liefert also eine befriedigende
Annäherung. Veränderung der Versuchstemperatur beeinflusst das
Versuchsergebniss nicht merklich. Die Einwirkung der Luft auf geschmolzenes
Bleisulfid erfolgt also nach der Gleichung
2PbS + 2O = 2Pb + PbS2O2.
Der Körper PbS2O2 ist
nur bei Rothglut existenzfähig und zerfällt unterhalb derselben in PbS und SO2. Kohlensäure, Kohlenoxyd und Wasserdampf bilden,
wie erwähnt, analoge flüchtige Doppelverbindungen. In vollkommener Uebereinstimmung
damit gelingt es, Bleiglanz im Schwefligsäurestrom als farblosen Dampf völlig zu
verflüchtigen. Zusammenerhitzen von Bleiglanz und schwefliger Säure in geschlossenen
Röhren führte Hannay hingegen nicht zu demselben
Resultat, sondern es schied sich Schwefel ab, während ein Theil des Bleis oxydirt
wurde
4PbS + SO2 = 2(PbS . PbO) + S3.
Die Doppelverbindung von Bleiglanz und schwefliger Säure ist in Gasform naturgemäss
sehr oxydabel. Bei Ueberschuss von Luft zerfällt sie nicht in Bleisulfid und
Schwefligsäure, sondern liefert Bleisulfat. Bei der industriellen Ausführung des
Rostsaigerprocesses erhält man deshalb den bekannten Bleisulfatstaub.
In Berührung mit Bleioxyd zerfällt das gasförmige PbS2O2 in PbS . PbO und SO2, welch letztere entweicht.
Die Bildung dieser schlackigen Doppelverbindung macht die Reaction zwischen
Bleisulfid und Bleisulfat zu einer recht complicirten. Während nämlich auf der einen
Seite aus Bleisulfid und Bleisulfat die flüchtige Schwefligsäureverbindung entsteht
und ein Gemisch von Blei und Bleiglätte zurückbleibt, wie dies bei dem früher
beschriebenen Versuch festgestellt wurde, zerfällt auf der anderen Seite die
gebildete flüchtige Bleiglanzverbindung mit dem überschüssigen Bleiglanz wieder
unter Erzeugung von Oxysulfid. Dieses Oxysulfid erleidet nun nach Hannay mit weiterem Bleioxyd nicht wieder Umsetzung
nach der Gleichung
PbS + 2PbO = 3Pb + SO2,
wie dies nach Percy angeblich bei
der Einwirkung beider Körper auf einander stets statthaben soll, gleichviel welches
die Mengenverhältnisse von PbS und PbO sind. Aequimolekulare Menge von Bleioxyd und
Sulfid geben vielmehr beim Zusammenschmelzen das krystallinische stahlgraue
Oxysulfid PbS PbO, welches an Ammoniumacetat sein Oxyd abgibt, während flockiges
weisses Bleisulfid zurückbleibt. Wird aber dieses schlackige Product so hoch
erhitzt, dass es zerfällt, dann saigern zwei Schichten aus einander, von denen die
eine Blei und Bleisulfid, die andere Sulfat, Oxyd und Sulfid enthält.
Die Einwirkung von Bleisulfat auf Bleisulfid liefert je nach der Dauer und Temperatur
der Einwirkung die wechselndsten Resultate.
Hannay stellt fest, dass man den Process auf der ersten
Stufe aufhalten kann, wenn man die Einwirkung der Hitze unterbricht, sobald die
Entbindung schwefliger Säure aufhört; dann findet der Reactionsverlauf nach
folgendem Schema statt:
2 PbS + 2PbSO4= PbS2O2 + Pb + 2PbO +
SO2.
Ueberschreitet aber die Reaction diese Stufe, dann entsteht Oxysulfid und zwar in um
so grösserer Menge, je mehr Bleiglanz hinzugefügt wird. Hannay veranschaulicht dies durch folgende Formeln:
24PbO + 9PbS = 3PbSO4 + 12Pb + 6PbO
+ 6(PbS . PbO)
24PbO + 12PbS = 3PbSO4 + 12Pb +
3PbO + 9(PbS . PbO)
24PbO + 24PbS = 3PbSO4 + 12Pb +
9PbS + 12(PbS . PbO)
In der letzten Reactionsphase zerfällt dieses schlackige Product unter Bildung
von Blei, Bleioxyd und Bleisulfat. Aus den Hannay'schen
Darlegungen wird ersichtlich, dass das Bleisulfat einen schädlichen Einfluss auf den
Fortgang der Operation übt. Seine Bildung, die theils der Oxydation der flüchtigen
Schwefligsäure-Bleiglanzdoppelverbindüng, theils dem Eintritt der Reaction
PbS + 4PbO = 4Pb + PbSO4
zuzuschreiben ist, lässt sich anscheinend nicht wohl
vermeiden; es ist aber jedenfalls unstatthaft den Bleisulfatstaub in den Process
zurückzuführen: eine Erfahrung der Praxis, die dadurch zu einer theoretischen
Forderung umgeprägt wird.
Die Hannay'schen Darlegungen machen es ferner gut
verständlich, warum die Behandlung feinkörnigen Bleiglanzes beim Rostsaigerprocesse
auf Schwierigkeiten stösst. In diesem Falle wird die Oxydation der Masse durch
Luftzutritt in Folge der geringen Korngrösse eine beschleunigte. Es entsteht sehr
viel Sulfat; damit steigt die Schmelztemperatur, man muss bei höherer Temperatur
arbeiten und vermehrt dadurch wiederum die Sulfatbildung. Diese vermehrte
Sulfatbildung veranlasst aber vermehrte Entstehung von Oxysulfid und dadurch wird
der Process zu einem irrationellen. Im Uebrigen folgt aus der Hannay'schen Untersuchung nichts, was geeignet wäre,
die Praxis des Rostsaigerprocesses umzugestalten. Hannay schlägt allerdings ein verändertes Verfahren vor, aber es ist nicht
vollkommen ersichtlich, wie das neue Verfahren mit den eigenen Untersuchungen Hannay's in Einklang zu bringen ist. Nach Hannay's Vorschlag soll der Bleiglanz in einem
basischen Converter theils durch Ueber-, theils durch Durchblasen von Luft oxydirt
und dabei die eine Hälfte des Bleis als Sulfat verflüchtigt werden, die andere als
metallisches Blei zurückbleiben. Will man den Bleiglanz auf Silber verarbeiten, so
wird nach diesem ersten Processe ein Theil des Bleisulfats in den Ofen zurückgegeben
und durch seine Einwirkung das gewonnene Blei partiell in Glätte und Schlacke
verwandelt, während alles Silber in dem restirenden kleineren Bleiquantum verbleibt.
Praktische Ergebnisse mit diesem neuen Verfahren scheinen einstweilen nicht
vorzuliegen. Seine Bewährung muss jedenfalls abgewartet werden. Die Hannay'schen Ausführungen über das Bleioxysulfid und
seine Rolle tragen in manchen Punkten ein hypothetisches Gepräge, seine Ergebnisse
bezüglich der Flüchtigkeit des Bleiglanzes in Gasströmen aber sind jedenfalls eine
sehr werthvolle Erweiterung unserer bezüglichen Kenntnisse.
Haber.