Titel: | Ueber Calciumcarbid und Acetylen. |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 114 |
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Ueber Calciumcarbid und Acetylen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 20 d.
Bd.)
Ueber Calciumcarbid und Acetylen.
II. Theil.
Eine dem Referenten soeben zugänglich gewordene Tabelle von W. Hempel gibt ein Bild von dem Carburationswerth des Acetylens, wenn es in
verschiedenen Mischungen mit 10kerzigem Leuchtgas bei 150 l Stundenconsum verbraucht
wird:
Procent Acetylen
Kerzen Leuchtkraft
5,0
12,0
10,0
14,5
17,0
28,0
30,0
58,0
66,0
111,0
70,0
126,0
73,3
171,0
100,0
240,0
Wie man sieht, wäre danach eine geringe Aufbesserung des Gases mit relativ grösserem
Acetylenverbrauch verbunden als eine Carburation auf 100 bis 200 Kerzen. Es
berechnet sich aus den vorstehenden Daten der Carburationswerth für
5
Proc.
Acetylen
zu
0,33
Stundenkerzen
für
1 l
Stundenconsmn
10
„
„
„
0,37
„
„
1 l
„
17
„
„
„
0,78
„
„
1 l
„
30
„
„
„
1,14
„
„
1 l
„
70
„
„
„
1,17
„
„
1 l
„
100
„
„
„
1,60
„
„
1 l
„
Das zur Aufbesserung von 1 cbm Gas für eine Kerzenstärke erforderliche
Acetylengewicht würde danach für kleine Procentgehalte an Acetylen 23,5 g, für
grössere weniger betragen und mit 5 g für 100procent. Acetylen sein Minimum
erreichen.
Das ist in doppelter Hinsicht bemerkenswerth einmal würde, die Richtigkeit der Hempel'schen Tabelle zu Grunde gelegt, das Acetylen in
einen Gegensatz zu allen anderen Aufbesserungsmitteln treten, die, soweit bekannt,
ihren höchsten Carburationswerth in solchen Gemischen besitzen, in welchen ihr
volumprocentisches Vorkommen ein vergleichsweise untergeordnetes ist, andererseits
würde seine Concurrenzfähigkeit für centrale Carburation gegenüber dem Benzol noch
ungünstiger zu beurtheilen sein, als dies im ersten Theile dieser Mittheilungen
geschehen ist, da für Aufbesserung eines geringen Leuchtgases um einige Kerzen
höchstens ein Viertel so viel Benzol (5 bis 6 g für 1 cbm und Kerze) als Acetylen
dem Gewichte nach erforderlich wäre. Das Acetylen würde für diesen Verwendungszweck
sogar hinter dem Gasolin zurückstehen, dessen Carburationswerth von dem des Benzols
etwa um das 2½fache übertroffen wird. Auf der anderen Seite bestätigt die Tabelle
den früher gezogenen Schluss, dass das Acetylen zur Ergänzung der bisherigen
Carburationsmittel ausserordentlich werthvoll ist, weil das Acetylen gerade bei
solchen Helligkeiten beginnt sehr vortheilhafte Carburationswerthe zu zeigen, bei
denen der Verwendung des Benzols und des Gasolins durch ihre Dampfspannungen eine
obere Grenze gesetzt ist.
Vivian B. Lewes (l. c.) macht eingehende Vorschläge, wie
das Acetylen zur Kleinbeleuchtung vortheilhaft benutzt werden kann, und erläutert
die Möglichkeit Lampen zu construiren, welche ein kleines Stahlreservoir haben, das
mit 400 g Calciumcarbid und dem nöthigen Wasser beschickt wird, um das Carbid zu
zersetzen. Das entstehende Gas tritt durch ein Reductionsventil in einen kleinen
Oelgasschnittbrenner und liefert 10 Stunden lang ein Licht von 20 englischen Kerzen
bei einem Consum von 15 l in 1 Stunde. Nach Ablauf dieser Zeit wird der Behälter
entleert, gereinigt und neu beschickt. Unverkennbar ist dieser Gedanke
hoffnungsvoll. Eine solche Lampe besitzt den Vorzug, von jeder Installationsanlage
und Zuleitung unabhängig zu sein, ist frei von den Unbequemlichkeiten, welche die
Verwendung von Erdöl stets im Gefolge hat, beansprucht weder Docht noch
Cylinder und gibt ein sehr stetiges und ruhiges Licht. Aussichtsvoll erscheint auch
der zweite Lewes'sche Vorschlag Acetylen zur
Hauscarburation zu verwenden. Lewes will ein
geringwerthiges Leuchtgas (12 englische Kerzen) in der Gasanstalt erzeugen und
dieses an den Consumenten zu Heizzwecken direct abgeben, während es für Leuchtzwecke
aus einem am Consumtionsorte aufgestellten Cylinder mit comprimirtem Acetylen einen
passend bemessenen Zufluss erfährt. Lewes legt
besonderes Gewicht auf die hygienischen Vorzüge, welche das Acetylenlicht gegenüber
dem gewöhnlichen Gaslicht besitzt. Es ist eine selbstverständliche Folge der hohen
specifischen Leuchtkraft, dass für gleiche Helligkeit beim Acetylenlicht weniger
Kohlensäure und Wasser erzeugt wird als beim gewöhnlichen Gaslicht. Die verbrannten
Gasmengen und die Kohlensäureproduction betragen nach Lewes für eine Helligkeit von 48 englischen Kerzen in 1 Stunde:
Gasconsum
GebildeteKohlensäure
Flachbrenner Nr. 6
576 l
303 l
„ „ 5
687 l
363 l
„ „ 4
759 l
402 l
London Argand
450 l
237 l
Acetylen (im Oelgasbrenner)
30 l
60 l
Es fehlt der Vergleich mit dem Gasglühlicht, welcher an dieser Stelle gerade recht
wichtig ist. Gasglühlicht' erfordert für die Stundenkerze 1,8 bis 2,2 l Leuchtgas.
Der mittlere Werth von 2 l entspricht einer Kohlensäureproduction von 1,14 l,
während Acetylen bei einem Consum von 0,7 l für eine Vereinskerzenstunde 1,4 l
Kohlensäure erzeugt. Allerdings producirt die Gasglühlichtbeleuchtung mehr
Wasserdampf. Die Luftverschlechterung durch übermässigen Feuchtigkeitsgehalt ist
aber eine Erscheinung, die nur unter ganz abnormen Verhältnissen auftreten und eine
hygienische Superiorität des Acetylenlichtes gegenüber dem Gasglühlicht in keiner
Weise begründen kann. Lewes betont ferner, dass die
Acetylenflamme auch der zweiten hygienischen Anforderung an die Beleuchtung von
Innenräumen, der Vermeidung erheblicher Temperatursteigerung, in sehr vollkommenem
Maasse entspricht. Er hat mittels des Le
Chatelier'schen Thermopaares die Temperatur der Acetylenflamme gemessen und
gefunden, dass die Flamme sehr kalt ist, dass ihre Hitze unter 1000° C. bleibt,
während er in gewöhnlichen Schnittbrennerflammen Temperaturen bis 1360° C. fand.
[Lewes scheint in dem unbegreiflichen Irrthum befangen,
dass sich mit Hilfe des Le Chatelier'schen Thermometers
die Temperatur einer frei brennenden Gasflamme messen lasse. Das Le Chatelier'sche Thermopaar kann natürlich nur dann
richtige Werthe geben, wenn es in einem Medium sich befindet, in welchem es durch
Wärmeabstrahlung keine Temperaturerniedrigung erleidet. Es ist deshalb überaus
brauchbar zur Temperaturmessung bei heissen, festen Massen oder in Ofenräumen. Es
ist aber ebenso wenig wie irgend ein anderes Thermometer mit Ausnahme des
actinometrischen bezieh. des Bolometers befähigt, die Temperatur heisser Gasströme,
die sich in einem kalten Raume befinden, anzuzeigen. Bekanntlich schmilzt ein
Platindraht, wenn er recht fein ist, in einer Bunsen-Flamme; die Bunsen-Flamme
besitzt also eine Temperatur von über 1700°, da der Platindraht der Abstrahlung
wegen kälter ist als die Flamme selbst. Mit Hilfe des Le
Chatelier'schen Thermopaares wird man je nach der Grösse der Löthstelle
verschiedene Werthe messen, in keinem Falle aber 1700° auch nur annähernd erreichen.
Dass Lewes in diesen Irrthum verfallen konnte, ist um so
seltsamer, als sein Ergebniss, eine Temperatur von unter 1000° für die
Acetylenflamme, der Thatsache schnurstracks widerspricht, dass bei 1000° Kohlenstoff
niemals weiss glüht. Woher stammt denn die weisse bezieh. gelblichweisse Leuchtfarbe
der Acetylenflamme, wenn in ihr die Temperatur von 1000° nicht erreicht wird? Die
Wärmeproduction der Acetylenflamme, die innig mit der Frage der Verwerthbarkeit des
Acetylens als Heizgas für Gasmotoren u.s.w. zusammenhängt, ergibt sich ganz
unabhängig von der Flammentemperatur aus der Verbrennungswärme. Die
Verbrennungswärme des Leuchtgases beträgt bekanntlich 5000 bis 6000 Calorien für 1
cbm, die des Acetylens rund 14000. Da nun 1 cbm Acetylen eine etwa 15mal grössere
Leuchtkraft besitzt als das gleiche Volumen gewöhnlichen Steinkohlengases, so ergibt
sich, dass die Wärmeerzeugung, auf gleiche Helligkeit bezogen, bei
Acetylenbeleuchtung etwa nur ein Sechstel derjenigen mittels Leuchtgas ausmacht.
Auch hier muss aber wieder das Gasglühlicht zum Vergleich herangezogen werden. Das
Gasglühlicht producirt bei einem Verbrauch von 2 l Gas für 1 Stundenkerze höchstens
5 bis 10 Proc. mehr Wärme als das Acetylen bei einem Consum von 0,7 l für 1
Stundenkerze. Dieser Unterschied ist natürlich ganz unerheblich. Die
Wärmevertheilung zwischen Wärme von aufsteigender heisser Luft und strahlender
Wärme, welche hygienisch besonderes Interesse bietet, lässt sich mangels des
erforderlichen experimentellen Materials noch nicht vergleichen. Es ergibt sich
somit, dass das Acetylenlicht nach dem derzeitigen Stande der Kenntnisse eine dem
Gasglühlichte hygienisch gleichwertige, aber nicht überlegene Beleuchtungsart ist.
Der Ref.]
Es ist ferner einleuchtend, dass die hohe Verbrennungswärme des Acetylens, bezogen
auf 1 cbm, die ihm vermöge seiner grossen Dichte zukommt, eine Bedeutung des Gases
für Heizzwecke und Motorenbetrieb voraussehen lässt.
Ein generelles Bedenken gegen die Acetylenverwendung ist von verschiedener Seite
darin gesehen worden, dass das Acetylen an sich explosibel ist. Acetylen zerfällt
bei der plötzlichen Erschütterung, welche die Explosion des Knallquecksilbers darin
hervorruft, unter Detonation. Unzweifelhaft verlangt dieser Umstand eine eingehende
Untersuchung, bevor das Acetylen in den allgemeinen technischen Gebrauch übergeht.
Weber (Discussion in der Manchester Section der Society Chem. Ind., 1. II. 1895; Journal Soc. Chem. Ind., 1895 S. 115) will diese
Detonation nicht als einen Zerfall, sondern als eine Polymerisationserscheinung
betrachtet wissen. Diese Auffassung dürfte indessen einstweilen wenig für sich
haben. In Mischung mit Luft ist das Acetylen gleich allen Kohlenwasserstoffen
explosionsfähig. Die obere und untere Explosionsgrenze liegen in diesem Falle sehr
weit aus einander, Acetylen explodirt bereits mit dem 11/4fachen Luftquantum und
explodirt noch, wenn es mit 20 Th. Luft gemischt. Da das Acetylen das hohe spec.
Gew. 0,91 gegen Luft besitzt, so ist die Bedenklichkeit solcher Explosionen nicht
gering anzuschlagen. Unangezündet ausströmendes Leuchtgas liefert bekanntlich darum
in Wohnräumen so überaus selten explosible Gemische, weil es vermöge des geringen
specifischen Gewichtes seiner Hauptbestandtheile (Wasserstoff und Methan) durch die
Wege der natürlichen Ventilation mit sehr grosser Schnelligkeit aus dem Raume
entweicht. Beim Acetylen ist ein entgegengesetztes Verhalten vorauszusehen. Es
wird deshalb die Acetylenverwendung im Hausgebrauche mit besonderer Vorsicht
statthaben müssen.
Es seien schliesslich die für die Beleuchtungsindustrie erheblichen
Eigenthümlichkeiten des Acetylens und Calciumcarbids, soweit solche in der
vorstehenden Besprechung noch nicht erörtert worden sind, zusammengestellt.
Das Calciumcarbid besitzt das spec. Gew. 2,262, bildet dichte, graue Massen, die
durch Einwirkung feuchter Luft oberflächlich zersetzt werden, vermöge ihrer dichten
Beschaffenheit aber im Innern unverändert bleiben, während gepulvertes Calciumcarbid
rasch vollständige Zersetzung durch die Atmosphärilien erleidet. Acetylen ist ein
durchsichtiges farbloses Gas von intensivem, an Knoblauch erinnerndem Geruch, das
etwa ebenso giftig wie Kohlenoxyd, aber in Rücksicht auf die leichte Wahrnehmbarkeit
mittels des Geruchsorgans wesentlich weniger gefährlich ist. Das Gas ist in Wasser
bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich leicht löslich. 100 cc Wasser lösen bei 18° C.
das gleiche Volumen Acetylen. Mit Steinkohlengas gesättigtes Wasser löst etwas
weniger, gesättigte Kochsalzlösung auf 100 cc nur 5 cc Gas. In Alkohol und Eisessig
ist es etwa 6mal stärker löslich als in Wasser, in Paraffin (?) 2½mal.
Bei 0° wird es nach einer Angabe von Andsell (Jahresbericht, 1879 S. 68) durch einen Druck von 21,5
at, nach Mittheilungen von Cailletet (Jahresbericht, 1877 S. 68) durch einen solchen von 48
at zu einer sehr beweglichen Flüssigkeit von hohem Refractionscoëfficienten
verdichtet. Beim raschen Verdunsten wird diese Flüssigkeit fest und bildet gleich
der Kohlensäure schneeartige Massen. Auch dieses feste Acetylen ist brennbar. Das
specifische Gewicht des flüssigen Acetylens ist nach Andsell (l. c.) bei 0° 0,451, bei –7° 0,460, bei 16,4° 0,364. Nach Thomsen (Thermochem.
Unters., Bd. 4 S. 74; vgl. Berthelot, Ann.
Chem., [5] 23181) ist die Verbrennungswärme pro Grammolekül 310,5 grosse
Calorien. Es gibt mit Kupfer, Quecksilber und Silber in trockenem Zustande heftig
explosible Verbindungen. Für technische Anlagen muss deshalb die Verwendung dieser
Metalle an Stellen, die mit Acetylengas in dauernde Berührung kommen, vermieden
werden.
Die eminente Reactionsfähigkeit des Acetylens lässt eine ganze Reihe von Verwendungen
möglich erscheinen. Es kann durch Oxydation mit übermangansaurem Kali in alkalischer
Lösung in Oxalsäure, durch Behandeln mit verdünnter Chromsäurelösung in Essigsäure
übergeführt werden. Seine Kupferverbindung gibt beim Behandeln mit Zinkstaub und
Ammoniak Aethylen, das durch weitere Einwirkung von Schwefelsäure in
Aethylsulfosäure verwandelt werden kann. Aus der Aethylsulfosäure entstehen je nach
der weiteren Behandlung leicht Alkohol oder Aethyl- bezieh. andere Aether.
Fraglich bleibt, wie weit diese Processe Aussicht auf technische Verwirklichung
haben. Ihre Durchführbarkeit ist in erster Linie abhängig vom Preis des Acetylens.
Mit irgend welcher Sicherheit denselben vorauszusagen, ist derzeit wohl nicht
möglich. Es lässt sich aber wahrscheinlich machen, dass die ausserordentlich
niedrigen Angaben, welche von amerikanischer Seite über die Productionskosten
gemacht sind, nicht zutreffen können.
Wyatt gibt nämlich in seinem mehrfach angezogenen
Aufsatz nachstehende Berechnung der Productionskosten einer amerikanischen Tonne
Acetylen:
1200 Pfund engl. Kohlenstaub
2,50
Doll.
2000 „ „ gebrannter und ge- pulverter
Kalk
4,00
„
180 elektrische 12 Stunden lang geliefert
von Wasserkraftmaschinen
6,00
„
Arbeitslohn u.s.w.
2,50
„
––––––––––––
2000 Pfund Calciumcarbid
15,00
Doll.
2000 „ Acetylen
37,00
„
Wie man sieht, sind zunächst alle Anlagekosten, Verzinsung und Amortisation ausser
Acht gelassen. Es ist ferner der Process preismässig nur bis zu dem Augenblicke
verfolgt, wo das Calciumcarbid den Ofen verlässt, und die Ausgaben, welche die
Ueberführung des Schmelzflusses in ein handelsgängiges Product erfordert
einschliesslich Verpackung, Verladung und Frachten nicht in Rechnung gestellt. Dies
ist um so unzulässiger, als für die elektrische Energie ein ungemein niederer Betrag
angesetzt ist, der nur da möglich ist, wo billigste Wasserkraft in grossem Maasstabe
verfügbar ist. Die Beträge für Kalk- und Kokspulver erscheinen klein, aber nicht zu
klein. Der Ansatz von 2,50 Doll. für Arbeitslöhne u.s.w. dürfte aber hinter der
Wirklichkeit ansehnlich zurückbleiben. Auch sei angemerkt, dass ein Preis von 37
Doll. für 1 t Acetylen bei dem Preise von 15 Doll. für 1 t Calciumcarbid nur dann
möglich ist, wenn entweder die Ausbeute 100 Proc. beträgt oder der neben dem
Acetylen entstehende Aetzkalkschlamm günstig verwendbar ist. Die thatsächliche
Ausbeute wird zu 85 bis 95 Proc. angegeben.
Der interessanteste und wichtigste Punkt der ganzen Berechnung sind die
Stromquantitäten und Stromkosten. Zunächst ist anzuführen, dass der Ansatz von 6
Doll. für 2160 elektrische Pferdekraftstunden durch Frederic
Bredel (The Gas World, 1895 S. 286) als
zulässig bestätigt wird. Bredel calculirt die
Mindestkosten für die elektrische Pferdekraftstunde, wenn billigste Wasserkraft
(Niagara-Fall) zur Verfügung steht, auf 0,86 Pfg. (7440 elektrische = 3 £ 2
s. 6 d.). Dabei ist an hochgespannte Ströme (2000 Volt) gedacht, deren
Transformation auf Lichtbogenspannung einen Verlust von 10 Proc. bezieh. eine
Kostenvermehrung auf 0,95 Pfg. veranlasst. Steht Wasserkraft nicht zur Verfügung, so
berechnen sich für 7440 elektrische Pferdekraftstunden nach Bredel die Mindestkosten auf 8 £ 6 s. 8 d. bis 9 £ 7 s. 6 d. unter der
Annahme, dass die Tonne Kohle frei Fabrik 4 s. 2 d. kostet, und dass für die
Pferdekraftstunde 1,6 engl. Pfund Kohle verbraucht werden. Dass 1 t Kohle = 907 k,
welche 4,25 M. kostet, gestattet, mit 1,6 Pfund Aufwand = 725 g eine
Pferdekraftstunde zu erzeugen mag für amerikanische Verhältnisse richtig sein, für
deutsche Verhältnisse ist der Betrag abnorm niedrig angesetzt und die Mindestkosten
für die elektrische Pferdekraftstunde müssen also für uns höher veranschlagt werden.
Die Bredel'sche Schätzung entspricht umgerechnet 2,5
Pfg. für die elektrische Pferdekraftstunde. Rau in
Zaborze (Chem.-Zeit., 1895 Nr. 8) setzt für eine sehr
grosse ökonomisch arbeitende Dampfmaschine die Mindestkosten der mechanischen
Pferdekraftstunde mit 5 Pfg. an, woraus ein Preis von etwa 5,5 Pfg. für die
elektrische Pferdekraftstunde sich ergeben würde. Dieser Ansatz ist wohl etwas
reichlich bemessen, während der Bredel'sche auf der
anderen Seite für unsere Verhältnisse unbedingt zu niedrig ist. Es muss abgewartet
werden, inwieweit die Zahlen der Praxis sich der einen oder anderen Schätzung nähern
werden. Mit Bestimmtheit aber darf erwartet werden, dass der von Franck gemachte Anschlag (Verh.
d. Vereins zur Beförd. des Gewerbefleisses vom 4. Februar 1895), wonach
2400 elektrische Pferdekraftstunden, unter Benutzung von Dampfmaschinen erzeugt,
nebst Maschinenkosten und Ausgaben für den elektrischen Ofen 28 M. kosten sollen,
sich als weitaus zu niedrig herausstellen wird.
Franck scheint bei seiner Rechnung die stillschweigende
Annahme zu machen, dass die Erzeugung des Calciumcarbids im Nebenbetriebe einer
elektrischen Beleuchtungscentrale erfolge. Es ist bekannt, dass die
Elektricitätswerke unter der Ungleichheit der Ansprüche leiden, welche zu
verschiedenen Tages- und Jahreszeiten an sie gestellt werden. Der Wunsch eine
Beschäftigung für die Maschinen während des Tages zu haben, wo das Lichtbedürfniss
sehr gering ist, ist ein alter. Die Werke haben deshalb immer Werth darauf gelegt
durch billige Berechnung des zu Kraftzwecken verwendeten Stromes einen Tagesconsum
für elektrische Energie heranzuziehen. Die Möglichkeit einen elektrochemischen
Betrieb an die Beleuchtungscentrale anzugliedern, der in den Tagesstunden, wenn
Strom im Leitungsnetz nicht consumirt wird, betrieben wird, ist oft ins Auge gefasst
worden. Es wäre verständlich, wenn bei der Calculation der Stromkosten für einen
solchen Betrieb von allem anderen abgesehen und nur die verheizte Kohle als Ausgabe
in Rechnung gesetzt würde. Es lässt sich alsdann deduciren, dass die Fabrikation bei
Erzeugung des Stromes mittels Dampfmaschinen nicht theurer kommt als an anderen
Orten, wo mit billigster Wasserkraft erzeugte elektrische Energie im Hauptbetriebe
zu elektrochemischen Zwecken verwendet wird. Die Erfahrung scheint aber gegen die
Zulässigkeit dieser Deduction zu sprechen, da weder beim Aluminium, noch bei den
Producten der eigentlichen chemischen Grossindustrie sich die Herstellung im
Nebenbetrieb grosser Beleuchtungscentralen einzuführen vermocht hat.
Damit ist indessen nur die eine Seite der Sache beleuchtet. Die zweite, noch
wichtigere, ist, ob die 2400 elektrischen Pferdekraftstunden, welche auf Grund der
Wyatt'schen Angabe als erforderlich für 1000 k
Calciumcarbid anscheinend allgemein angenommen werden, denn überhaupt zureichend
sind. Wyatt behauptet, dass seine Angabe mit den von
Moissan gegebenen Zahlen und mit der Theorie in
gutem Einklang stehe. Moissan theilt mit, dass er mit
einem Strom von 350 Ampère und 70 Volt in 15 bis 20 Minuten 120 bis 150 g CaC2 erzeugt habe. Das würde einem Verbrauch von 66
elektrischen Pferdekraftstunden für 1 k entsprechen, während Wyatt rund den dreissigsten Theil angibt. Man sieht also nicht, worin hier
die Uebereinstimmung bestehen soll. Es wäre übrigens auch recht wunderbar, wenn sie
bestände; da naturgemäss ein Process, der nur 20 Minuten dauert und bei etwa 3000°
verläuft, gegenüber einem continuirlich vor sich gehenden eine ungünstigere
Wärmebilanz schon deshalb aufweisen muss, weil die Anheizung des Ofens ein
erhebliches Wärmequantum erfordert.
Moissan's Versuche waren auch gar nicht auf Erzielung
grosser Ausbeuten mittels möglichst geringen Energieverbrauchs gerichtet, sondern
bezweckten ausschliesslich chemisch reine Präparate zu erzeugen. Wenn Wyatt aber ferner seine Angabe in Uebereinstimmung mit
der Theorie glaubt, so bleibt es unklar, welche Art theoretische Berechnung er dabei
im Auge hat.
Bredel hat eine solche Rechnung versucht, indem er die drei Annahmen
macht, dass 1) die Bildungswärme des Calciumcarbids annähernd Null sei, 2) die
gesammte vom Strom gelieferte Wärme dem chemischen Processe zu gute käme mit Abzug
von 15 Proc., die durch Strahlung und Leitung verloren gingen, und 3) dass der
Process bei 3000° verlaufe. Er berechnet danach:
a) Erhitzung von 2 Grammolekülen Kohle auf
3000°: 24 × 3000 × 0,46 =
+ 33,12
Cal.
b) Reduction von 1 Grammolekül Kalk zu Calcium und
Sauerstoff: 56 CaO = 40 Ca + 160 =
+ 132,00
„
–––––––––––––
165,12
Cal.
c) Verbrennungswärme v. 1 Gramm- molekül Kohle zu
Kohlenoxyd
– 28,59
„
–––––––––––––
Gesammtwärmeverbrauch für Er- zeugung von 64 g CaC2
+ 136,53
Cal.
Folglich für 1 k CaC2
2117,60
„
+ 15 Proc. Verlust
2435,00
„
Nun ist bekanntlich die Pferdekraftstunde = 637 Cal. Unter der Annahme, dass 80 Proc.
des Spannungsgefälles im Ofen verbraucht werden, würden von diesen 637 Cal. 510 als
Heizeffect für 1 elektrische in Ansatz zu stellen sein. Dann verlangt 1 k
CaC2 = 4,78 elektrische Pferdekraftstunden, eine
amerikanische Tonne (906 k) also 4302 anstatt der von Wyatt behaupteten 2160.
Gegen diese Rechnung muss eingewandt werden, dass nur die Erhitzung von 2
Grammolekülen Kohlenstoff statt der von 3 Grammolekülen Kohlenstoff und 1
Grammolekül Kalk in Anschlag gebracht ist. Da das CaC2 geschmolzen abläuft, das Kohlenoxyd mit Ofentemperatur entweicht, muss
für 1 Grammolekül CaC2 die Bildungswärme von 1
Grammolekül CaO plus der ganzen Wärmemenge, welche zur Erhitzung der reagirenden
Substanzen auf die Versuchstemperatur nöthig ist, als Wärmeverbrauch gerechnet und
davon die Bildungswärme von 1 Grammolekül Kohlenoxyd plus demjenigen Wärmequantum,
welches sich als Product der Differenz zwischen der Reactionstemperatur und der
Temperatur des abfliessenden Calciumcarbids bezieh. des entweichenden Kohlenoxyds
multiplicirt mit der specifischen Wärme dieser Körper darstellt, in Abzug gebracht
werden. Die Differenz zwischen der Umsetzungstemperatur und der Temperatur der
abfliessenden Masse bezieh. des entweichenden Kohlenoxyds bleibt offenbar dem Ofen
erhalten. Man kann also den Vorgang auch so betrachten, als ob nur 2 Grammoleküle
Kohlenstoff und 1 Grammolekül Calciummetall durch den Strom auf die Temperatur des
abfliessenden Productes, 1 Grammolekül Kohlenoxyd aber durch seine eigene
Bildungswärme auf die Temperatur, mit der es entweicht, gebracht würde. Wir hätten
dann, die Temperatur des ablaufenden Carbids zu 2000°, die der Abgase zu 2500°
gesetzt:
a) Erhitzung von 2 C auf 2000°: 24 × 2000 × 0,46
=
+ 22,08
Cal.
Erhitzung von 1 Ca auf 2000°: 40 × 0,17 × 2000
=
+ 13,60
„
b) Bildungswärme von 1 CaO aus Ca und O
+ 132,00
„
––––––––––––––
167,68
Cal.
c) Bildungswärme von CO aus C und O, abzüglich dem
Wärme- verbrauch für Erhitzung von CO auf
2500°: 29,0 – 2500 × 0,00686 =
– 11,85
„
––––––––––––––
Gesammtwärmebedarf
155,83
Cal.
Dazu würde der Wärmeverlust des Ofens durch Strahlung
mit 15 Proc. treten
23,37
„
––––––––––––––
Summa
179,20
Cal.
Der Betrag ist jedenfalls zu klein um die Schmelzwärme des Calciumcarbids, die
ihn allerdings nur um wenige Calorien erhöhen dürfte. Es ist aber diese ganze
Rechnung eine im höchsten Maasse unsichere deshalb, weil diejenigen Werthe, welche
nicht bekannt sind: die Bildungswärme des Calciumcarbids, die specifischen Wärmen
sämmtlicher an der Reaction theilnehmender Substanzen bei Lichtbogentemperatur, die
Reactionstemperatur, der Wärmeverlust durch Verdampfen theils des Ofenmaterials,
theils des gebildeten Calciumcarbids, das Ergebniss wesentlich ändern können. Es
leuchtet indessen ein, dass diese unbekannten Grössen im Sinne einer Steigerung des
berechneten Wärmeconsums mitwirken, mit Ausnahme einer etwaigen positiven
Bildungswärme des Calciumcarbids, die, wenn vorhanden, kaum erheblich sein dürfte.
Man wird deshalb jedenfalls nicht weit fehlgehen, wenn man das praktisch erreichbare
Minimum des Stromverbrauches auf Grund vorstehender Betrachtungen etwa dreifach so
hoch greift als die Wyatt'sche Angabe. Bredel gibt auf Grund seiner vorstehend erläuterten
Ansicht, dass der theoretische Stromverbrauch für die amerikanische Tonne 4302
Pferdekraftstunden betrage, folgende weite Kostenrechnung für die amerikanische
Tonne CaC2 unter Annahme einer Tagesproduction von
15 t:
4302
40,15
M.
1200 Pfund Kokspulver
7,65
„
1900 Pfund Kalkpulver
20,20
„
––––––––––
Kosten des Rohmaterials und der Kraft
68,00
M.
Kosten des Betriebes, der Verpackung und
Fracht
53,00
„
Kosten der Verwaltung, Anlage nebst Verzinsung
48,85
„
––––––––––
Gesammtkosten
169,85
M.
1000 k würden danach kosten 186
M.Die Aluminiumindustrie-Actiengesellschaft
Neuhausen liefert gegenwärtig im Detail das Kilo
Calciumcarbid zu 50 Pfg.
Legt man für die Acetylenausbeute die Wyatt'sche Annahme
zu Grunde, dass 94 Proc. der theoretischen Ausbeute erreichbar seien, dass also eine
amerikanische Tonne statt 316 nur 297 cm Gas von 0° und 760 mm, also 315 cm bei 760
mm und der mittleren Temperatur von 18° C. liefern, und legt man ferner den höchsten
ermittelten Leuchtwerth mit 250 Kerzenstunden für 5 Cubikfuss (151 l) zu Grunde, so
würden sich aus der amerikanischen Tonne Calciumcarbid 520000 Kerzenstunden, aus
1000 k 570000 erzielen lassen. Gleichzeitig werden 850 k Kalkhydrat erzeugt. Nehmen
wir mit Franck (l. c.) an, dass diese einen Werth von
13 M. repräsentiren, so bleibt für die 570000 Kerzenstunden auf Grund der Bredel'schen Rechnung ein Betrag von 157 M., für 1000
Kerzenstunden 27,6 Pfg., während nach Wyatt, Franck
u.a., die gleich Franck auf der Wyatt'schen Berechnung basiren, 14 bis 15 Pfg. sich ergeben. Danach sieht
sich die Eignung des Acetylens für die Beleuchtungsindustrie allerdings recht
günstig an. 1000 Kerzenstunden kosten in grossen Städten heute für den
Einzelconsumenten
in
Form
von
Bogenlicht etwa
50
Pfg.
„
„
„
elektrischem Glühlicht
250
„
„
„
„
Gasglühlicht
80
„
Bei diesen Zahlen sind allerdings Anschaffungskosten, sowie Erneuerung von
Glühkörpern und Cylindern bezieh. Birnen und Bogenlichtkohlen eingerechnet. Immerhin
bliebe das Acetylenlicht die billigste Beleuchtungsform. Diese Schätzungen basiren
aber für die elektrischen Lichtquellen auf einem Preise von 60 bis 80 Pfg. für die
Kilowattstunde, für
das Gasglühlicht auf einem Gaspreise von 18 Pfg. für 1 cbm. Legt man für die
elektrische Energie hier denselben Preis zu Grunde, welchen Wyatt und Bredel für die elektrische
Erzeugung von Calciumcarbid benutzen, nämlich rund 1 Pfg. für die elektrische
Pferdekraftstunde, also 1,3 bis 1,4 Pfg. für die Kilowattstunde, so kehrt sich das
Verhältniss völlig um. Eine 16kerzige Glühlampe, welche 50 bis 55 Watt beansprucht,
erfordert für 1000 Kerzenstunden 3½ Kilowattstunden, also einen Aufwand für den
Strom von weniger als 5 Pfg. Rechnet man dazu selbst noch 7 Pfg. auf 1000 Kerzen
stunden für die zeitweilig erforderliche Erneuerung der Lampe, sowie 1,5 Pfg. für
den Mehrverbrauch an Strom, den die Glühlampen nach einigen Hundert Brennstunden
erfordern würden, wenn sie mit der Anfangshelligkeit von 16 Kerzen dauernd brennen
sollten, so bleiben die Kosten für das elektrische Glühlicht noch immer hinter der
billigsten Schätzung der Kosten der Acetylenbeleuchtung um ein Kleines, hinter jeder
wahrscheinlichen Schätzung um ein Erhebliches zurück. Bei dem elektrischen
Bogenlicht tritt dieses Verhältniss noch krasser zu Tage. Eine 1000kerzige
Bogenlampe verbraucht stündlich ½ Kilowattstunde. Bei einem Preise von 1,4 Pfg. für
die Kilowattstunde fallen also die Stromkosten für 1000 Kerzenstunden auf weniger
als ¾ Pfg.
Principiell wird demnach durch den Umweg, den elektrischen Strom zur Erzeugung von
Calciumcarbid und damit indirect von Acetylen zu verwenden und dieses als
lichtgebendes Gas zu benutzen, gegenüber der unmittelbaren Benutzung des Stromes zu
Leuchtzwecken mit Hilfe der Bogen- oder Glühlampe kein Gewinn, sondern ein Verlust
erzielt. Da das elektrische Licht gegenüber der Gasbeleuchtung, insbesondere der
Gasglühlichtbeleuchtung, durchaus nicht eine preismässige Superiorität generell
gewonnen hat, so ist es völlig unwahrscheinlich, dass dies dem Acetylengas gelingen
wird, soweit es sich um dessen Erzeugung in centralen Anstalten und Vertheilung
durch ein Rohrnetz handelt. Seine Bedeutung liegt vielmehr einmal in seiner leichten
Transportfähigkeit sowohl als verflüssigtes Gas wie als feste Kalkverbindung, da an
Stelle der ungemein theuren Rohr- oder Kabelleitung billigere Transportmittel treten
können, sie liegt zweitens in dem Umstände, dass das Acetylen die Aufspeicherung
einer grossen Leuchtkraft in einem kleinen Raume und ohne schwere Apparatur
gestattet. Gegenüber dem comprimirten Oelgas und der Accumulatorenbatterie – den
bisherigen Mitteln zum gleichen Zweck – lässt sich eine Ueberlegenheit für eine
Reihe von Fällen voraussehen.
Von den sonstigen möglichen Verwerthungen des Acetylens ist nur noch seine Verwendung
zur Erzeugung von Alkohol einer eingehenden Besprechung unterzogen worden. Franck, in seinem mehrfach angezogenen Vortrage,
berechnet, dass 1 ha Kartoffelacker, der 16000 k jährlich liefert, bei einem
Stärkegehalt der Kartoffeln von 18 Proc. 1391,6 k, bei einem solchen von 12 Proc.
695,8 k Spiritus gewinnen lässt, während 1000 k Calciumcarbid theoretisch 718,1 k
absoluten Alkohol zu liefern vermögen. So interessant diese Gegenüberstellung ist,
so wird doch bei den bekannten Preisen des unverzollten Spiritus der Kartoffelbau
jedenfalls mit voller Ruhe der Entwickelung der Acetylenindustrie entgegensehen
können. Die Spirituserzeugung aus Acetylen durch Ueberführung in Aethylen,
Verwandlung des Aethylens in die Aethylsulfosäure und Spaltung der
Aethylsulfosäure mit Wasserdampf wird für absehbare Zeit sich um ein Vielfaches
theurer stellen als die gährungsindustrielle Gewinnung aus der Kartoffel.
(Fortsetzung folgt.)