Titel: | Die Fortschritte der Rübenzuckerindustrie in den Jahren 1893 und 1894. |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 140 |
Download: | XML |
Die Fortschritte der Rübenzuckerindustrie in den
Jahren 1893 und 1894.
(Letzter Bericht 1892 Bd. 285 * S. 39, * 115, 186,
* 208.)
Die Fortschritte der Rübenzuckerindustrie in den Jahren 1893 und
1894.
„Die eigentliche Zuckerproduction liegt auf dem Rübenfelde“, schrieb vor weit
mehr als einem Menschenalter der Altmeister der Zuckerindustrie Franz Carl Achard, und in diesem Ausspruche hat er
schon damals die richtigen Worte gefunden. Die Zuckerfabrikation bedarf einer guten
Rübe, wenn der Betrieb glatt und ungestört sein soll; bei schlechtem und
mangelhaftem Material nützen alle Verbesserungen im Betriebe nichts. Leider gedachte
man der Worte Achard's nicht immer und die Folgen
zeigten sich in verschiedener und für den Betrieb unangenehmer Weise. In den
letzten Jahren nahmen die Rübenculturversuche, welche
von den verschiedensten Gesichtspunkten aus unternommen wurden, einen ziemlich
breiten Raum ein und es betheiligte sich daran eine grosse Reihe hervorragender
Gelehrter, wie Kühn, Märker, Hollrung, Marek, Strohmer,
Wagner u.s.w. Grosse Aufmerksamkeit wandte man auch der Rübensamenzucht zu, um durch ihre Vervollkommnung nicht
nur ein besseres Rohmaterial heranzuziehen, sondern auch einfacher arbeiten zu
können. Grosse Vortheile verspricht man sich aus der ungeschlechtlichen Vermehrung der Zuckerrüben nach dem Verfahren von A. Nowoczek.Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1894 XXIII S. 1 (kurz
„Blaue Hefte“ genannt). Zeitschrift
des Vereins für die Rübenzuckerindustrie, 1893 XXXXIII S. 482
(kurz „Gelbe Hefte“ genannt). Weitere Versuche
und Verfahren müssen aber noch lehren, ob diese Methode auch wirklich den gehegten
Erwartungen entsprechen wird. Bezüglich der Samenrübenuntersuchung sind die Verfahren von MarekZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen,
1892/93 XVII S. 409. und
von HerlesDaselbst
1892/93 XVII S. 195. hervorzuheben, über welche aber
ebenfalls noch nicht das Schlusswort gesprochen ist. Auch das Selectionsverfahren
des russischen Forschers BlonskiGazeta
cukrownizea, 1893 I S. 26, durch Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie,
1893 XXII S. 927. hat Widerspruch erfahren und harrt
noch einer eingehenden Prüfung. Bei der Mannigfaltigkeit in der Praxis der
Rübenwirthschaft und bei den immer neu auftretenden Fragen bietet sich für die
Wissenschaft noch ein sehr grosses Arbeitsfeld. Jede günstig gelöste Frage kommt
aber der Zuckerindustrie zu gute und darum besitzen die Rübenculturversuche nicht
nur für die Landwirthschaft allein einen grossen Werth.
Wenn wir nun auf die Technik der Zuckerfabrikation näher
eingehen und die in den verschiedenen Zeitschriften während der Jahre 1893 und 1894
veröffentlichten Arbeiten überblicken, so sind die Schwierigkeiten nicht gering, die
sich einer geordneten Zusammenstellung über die wirklich wichtigen Erfindungen und
Neuheiten entgegenstellen. Ueber Mangel an Arbeiten und Erfindungen könnte sich
allerdings kein Referent beklagen, denn die Litteratur ist ausserordentlich
ergiebig, doch finden wir aber unverhältnissmässig wenige Publicationen, welche für
die Fortschritte der Zuckerfabrikation von Wichtigkeit
sind. Dazu kommt noch, dass gerade über Erfindungen, welche vielfaches oder,
richtiger gesagt, allgemeines Interesse erwecken, die Meinungen sehr getheilt sind,
so dass es nicht möglich ist, darüber ein abschliessendes Urtheil zu fällen.
Immerhin hat aber die Zuckerfabrikation auf manchen Theilen des Gebietes
beachtenswerthe Fortschritte zu verzeichnen, von welchen, da sie bereits
durchgeprüft und praktisch erprobt sind, zu erhoffen ist, dass sie auch allgemeinere
Verbreitung finden werden.
Was nun zuerst die Rübenschwemmen anbetrifft, so erkennt
man deren Werth, das für den Betrieb nöthige Rübenquantum herbeizuschaffen,
allgemein an; die neu errichteten grossen Fabriken legen ein Hauptaugenmerk auf eine
zweckmässige Construction der Rübenschwemmen, welchen zumeist das schon längst
erprobte System Riedinger zu Grunde gelegt ist.
Bezüglich der Schnitzelmesser ist hervorzuheben, dass
der neue Messerkasten von PutschD. R. P. Kl. 89 Nr. 69139 vom 9. September
1892.in Folge seiner grossen Vortheile bezüglich der
Erhöhung der Leistungsfähigkeit und vereinfachten Handhabung während des Betriebes
vielfache Anwendung erfahren hat.
Bei der Wichtigkeit, welche die Diffusion in dem
Betriebe einnimmt, ist es nicht zu verwundern, dass man hier auf eine Reihe von
Vorschlägen kommt, welche die Arbeit auf dieser Station verbessern sollen. Im
Grossen und Ganzen sind aber alle diese Vorschläge problematischer Natur, denn alles
das, was bei der Diffusion, um gute Resultate zu erzielen, unbedingt eingehalten
werden muss, beruht auf schon längst bekannten und vielfach durchgeprobten
Grundsätzen, in Folge dessen die meisten als „neu“ eingeführten Vorschläge
entweder nicht mehr neu oder wenigstens nicht sehr gut sind. Dies gilt z.B. von den
sogen. „kurzen oder getheilten Batterien“, welche Neuerung übrigens fast so
alt wie das Diffusionsverfahren selbst ist. Das Verfahren hat sich auch nicht
besonders bewährt und scheint vielfach wieder aufgegeben worden zu sein.
Dasselbe kann auch von dem Berghoff'schen VerfahrenOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1883
XXII S. 410. der „Diffusion für hochconcentrirte Säfte“
gesagt werden, sowie von dem Verfahren von WeyrD. R. P. Kl. 89 Nr. 63913 vom 26. November
1891. und dessen Modification von Grünwald.D. R. P.
Kl. 89 Nr. 66363 vom 5. April 1892. Ebenso wenig neu ist
das Verfahren von Stentzel,D. R. P. Kl. 89 Nr. 64326 vom 29. Mai
1891. welcher behufs besserer Arbeit die Schnitzel vor
dem Einfüllen in den Diffuseur durch heisse Luft erwärmen will, um die in den
Schnitten enthaltenen gelösten organischen Stoffe zum Gerinnen zu bringen. Ein
ähnliches Verfahren hat sich auch DziegielowskyD. R. P. Kl. 89 Nr. 70996 vom 3. Januar
1893. patentiren lassen. Die Diffusion unter Luftleere
hat sich an verschiedenen Orten bestens bewährt, doch ist wiederum hervorzuheben,
dass dieses Verfahren, welches sich HeckmannD. R. P. Kl. 12 Nr. 68998.
patentiren liess, nicht neu ist, nachdem schon Patente über die Anwendung der
Luftleere in der Diffusion aus dem Jahre 1867 vorliegen.
In den letzten Jahren hat das Bestreben, die mechanischen
Verunreinigungen des Diffusionssaftes zu entfernen, immer mehr Verbreitung
gefunden. Schon zur Zeit des Pressverfahrens wandte man verschiedene Vorrichtungen
an, um die mitschwimmenden Presslinge aus dem Saft zu entfernen, und als man dann
zur Diffusionsarbeit überging, construirte man zur Entfernung der Pülpebestandtheile
und der Schnittlinge schon vor Jahren die sogen. Schnitte- oder Pülpefänger. Die ersten
Apparate besassen aber verschiedene Mängel, so dass es erst in den letzten Jahren
gelang, vollkommenere Apparate und Vorrichtungen in den Betrieb einzuführen, von
welchen als die neuesten die Apparate von Wagner,Correspondenzblatt
des Vereins akademisch gebildeter Zuckertechniker, 1893 II S.
117. Mick,Zeitschrift des Vereins für Zuckerindustrie in
Böhmen, 1892/93 XVII S. 294. Schwager,D. R. P. Kl. 89 Nr. 69482 vom 15. November
1892. SkodaZeitschrift des Vereins für die
Rübenzuckerindustrie, 1893 XXXXIII S. 409. und
NapravilZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen,
1892/93 XVII S. 103. Oest.-ung. Privilegium vom 8. November 1892.
43/1495. genannt sein mögen. Die Pülpefänger haben sich
in der Praxis bestens bewährt, so dass das Bedenken, sie möchten zur Säuerung
und Zersetzung der Säfte Anlass geben, nicht gerechtfertigt ist. Bezüglich der Frage
der Eiweissabscheidung aus dem Diffusionssafte sind die Meinungen noch ziemlich
getheilt. Von Seite der Gegner wird wohl hervorgehoben, dass die sogen.
„Eiweissfänger“ vorzüglich wirken, dagegen aber energisch bestritten,
dass diese Apparate wirklich Eiweissfänger sind, nachdem die coagulirbaren
Ausscheidungen des Diffusionssaftes nur zum geringen Theil aus Eiweiss bestehen. Wie
dem auch sei, so hat sich doch der Braunbeck'sche
EiweissfängerOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie, 1892 XXI S. 634 und 704. in der Praxis
bereits bestens bewährt; ob er seinen Namen mit Recht führt, muss immerhin noch
weiteren Untersuchungen anheim gestellt werden. Zur Entfernung des coagulirten
Eiweisses und Wegschaffung aller anderen mechanisch suspendirten organischen
Substanzen und Reste wird in Frankreich der Apparat von BouvierD. R. P. Kl. 89
Nr. 73800 vom 11. Mai 1893. Bulletin de
l'association des Chimistes, 1893 X S. 200.
empfohlen.
Der Arbeit auf der Diffusionsbatterie wird aller Orten
grosse Aufmerksamkeit geschenkt, doch kann man immer noch nicht behaupten, dass auch
wirklich das Ideal einer Diffusionsarbeit erreicht worden wäre. Die Ansichten über
die Anzahl, Form und Grösse der Diffusionsgefässe, über die Art der Anwärmung,
Grösse der Füllung und des Saftabzuges, passendste Diffusionsdauer u.s.w. sind
mitunter noch recht verschieden; immerhin herrscht aber doch im Grossen und Ganzen
eine ziemliche Klarheit und Conformität der Anschauungen, so dass man mit dem
heutigen Diffusionsbetrieb zufrieden sein kann.
Ueber Diffusionsversuche liegen u.a. ausführliche
Arbeiten von HerzfeldZeitschrift des Vereins für die
Rübenzuckerindustrie, 1893 XXXXIII S. 173. vor,
welche verschiedene werthvolle Anhaltspunkte für die Praxis ergeben haben. Im
Verlauf seiner Arbeiten studirte HerzfeldDaselbst 1894 XXXXIV S. 278 und
391. den Vergleich zwischen trockener und nasser Scheidung
und führen uns diese Versuche auf das grosse, vielfach bearbeitete und eminent
wichtige Gebiet der Saftreinigung. Bei diesen Versuchen
wurde die Modifikation der Trockenscheidung gewählt, welche am meisten in der Praxis
üblich ist, und bei welcher der Kalk in Stücken mit Hilfe eines Rührwerkes im
heissen Saft vertheilt wird. Bei der nassen Scheidung wurde, wie meistens üblich,
der Kalk in Form von Kalkmilch auf einmal zugegeben und vom Anfang an mit
Kohlensäure saturirt. Die gesammten Versuche sprechen fast sämmtlich zu Gunsten der
Trockenscheidung. Zu denselben günstigen Resultaten ist auch BeaudetBulletin de l'association des Chimistes,
1894 XI S. 628. gekommen, welcher die Kalkung mit
gebranntem Kalk bei niedriger Temperatur empfiehlt. Die Trockenscheidung hat sich
schon vielfach in die Praxis eingebürgert und dementsprechend die nasse Scheidung
verdrängt. BouvierDaselbst 1894 XI S. 198. verwendet ebenfalls nicht
Kalkmilch, sondern Kalk, welcher mit so viel Wasser übergossen wird, dass er eben
gelöscht erscheint. Dieses Kalkhydrat bietet nun nach der Ansicht von Bouvier bedeutende Vortheile, nicht nur gegen
Kalkmilch, sondern auch gegenüber jener Arbeitsweise, bei welcher trockenes
Aetzkalkpulver in den Vorwärmern direct mit dem Saft vermischt wird.
Zur Reinigung des Diffusionssaftes sind eine Reihe
von Verfahren patentirt worden, welche die verschiedenartigsten Stoffe empfehlen,
wie z.B. Eisenoxychlorid, mit Monocalciumphosphat oder Phosphorsäure imprägnirte
Kohle, Gerbsäure u.s.w. Irgend welche Erfahrungen liegen darüber nicht vor.
Bezüglich des Soda-Barytverfahrens, welches in den letzten Jahren in Frankreich
empfohlen wurde, spricht sich WeissbergBulletin de
l'association des Chimistes, 1893 X S. 650.
dahin aus, dass die vortheilhafte Wirkung allein auf der Anwesenheit der Soda und
nicht auf der des Baryts beruht und dass man ohne jenen Process zu demselben Ziel
gelangen kann, wenn man nur sorgfältig arbeitet.
Von den neuen Apparaten ist als besonders bemerkenswerth der continuirliche Saturateur von RebouxD. R. P. Kl. 89 Nr. 72218 vom 24. December
1892. Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie, 1893 XXII S. 428.
hervorzuheben und stand derselbe in der französischen Zuckerfabrik Iwuy in Anwendung. Das charakteristische Merkmal des
Reboux'schen Saturateurs besteht darin, dass die
Flüssigkeit und die Kohlensäure gemeinschaftlich in den Apparat zu unterst
eingeführt werden (sich also in der gleichen aufsteigenden Richtung bewegen) und in
inniger Berührung sind. Während dieses Contactes wird die Kohlensäure des
Gasgemisches durch die Alkalität absorbirt, und der Saft, sowie die unausnutzbaren
Gase gelangen zur oberen Oeffnung des Apparates, wo sie sich schliesslich
abscheiden. In Iwuy hat sich der Apparat bestens
bewährt, wobei sich eine Anzahl von Vorzügen ergeben haben, in Folge dessen ihn Cambier in Frankreich, sowie Kasalovsky in Oesterreich empfehlen. Ein Verfahren zur continuirlichen
ersten Saturation mit Kohlensäureersparniss hat auch FrancZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen,
1893/94 XVIII S. 1. zum Patent angemeldet, bei welchem
er die erste Saturation in zwei Phasen theilt, und zwar 1) continuirliche
Vorsaturation mit ursprünglichem Gas und 2) Fertigsaturation mit einmal gebrauchtem,
von der Vorsaturation kommendem Gas. Das Verfahren soll sich ebenfalls schon in der
Praxis bewährt haben. Ueber den continuirlichen Saturationsapparat von BraunOest.-ung. Privilegium vom 21. März 1893. 43/3615.
liegen Erfahrungen aus der Praxis noch nicht vor.
Seitdem die Arbeit mit Knochenkohle aus den Rohzuckerfabriken verschwunden ist (in
Oesterreich allerdings noch nicht vollständig), war man bestrebt, die eminente
Reinigung der Säfte durch die Knochenkohle durch andere Methoden zu ersetzen. Von
diesen Methoden, die zumeist auf chemischer Basis aufgebaut sind, hat sich vor allen
zuerst in Deutschland und in den letzten Jahren in Oesterreich die Behandlung der Säfte mit schwefliger Säure
eingebürgert. Allerdings sind aber die Meinungen über die Nützlichkeit der
Schwefelung zwischen den Rohzuckerfabrikanten und den Raffineuren gegenwärtig noch
sehr getheilt. Während auf der einen Seite die Vortheile der Schwefelung
hervorgehoben und z.B. für das Verfahren von Drost und
SchulzD. R. P. Kl. 89
Nr. 50100 vom 15. November 1888. (directe Gewinnung des
Granulated aus der Rübenfüllmasse ohne Spodiumfiltration) direct anempfohlen werden,
ist man auf der anderen Seite der Meinung, dass dieses Verfahren ausser der
temporären Entfärbung der Säfte und Producte und der zweifelhaften Kalkersparniss
bei der Saturation gar keine Vortheile bietet und dass daher das Schwefeln zur
Erzielung von marktfähiger Waare nicht nothwendig ist. Zu einer Klärung der
Ansichten ist es noch nicht gekommen, wenn auch vielleicht nicht bestritten werden
kann, dass die Schwefelung mehr Anhänger als Gegner hat, nachdem man sich z.B. in
Frankreich neuerdings ernstlich mit der Einführung der schwefligen Säure in die
Rohzuckerfabrikation zu befassen scheint. DupontBulletin de
l'association des Chimistes, 1894 S. 276.
beschreibt hier ein „neues Verfahren“ der Schwefelung, bei welchem Baryt
verwendet wird. Die Vortheile dieses Verfahrens werden übrigens bezweifelt.
Als man vor ungefähr 10 Jahren die Arbeit mit der Knochenkohle zu verlassen begann,
versuchte man die Anwendung von doppeltschwefligsaurem
Kalk zum Reinigen der Säfte und Syrupe, doch war damals die Wirkung bei
alkalischen Säften beinahe Null. Um ein Resultat zu erzielen, muss man diese
Verbindung auf eine neutrale oder leicht saure Lösung einwirken lassen. Lachaux empfiehlt nun auf Grund praktischer Versuche,
den doppeltschweflig-sauren Kalk ungefähr in der zehnfachen Menge Wasser zu lösen
und die Schnitte, bevor sie in den Diffuseur gefüllt werden, mit dieser Lösung
einzumaischen. Bei diesem Reinigungsverfahren, welches also der Erzeugung des
Diffusionssaftes voran geht, hat LachauxDaselbst 1892 X S. 501.
eine Reihe von Vortheilen erzielt, welche sich sowohl im Verlauf der Fabrikation,
als auch im erzielten Endproduct äussern. Von irgend welcher Anwendung dieses
Verfahrens ist aber nichts bekannt geworden. Zur Entfernung der in den Säften
enthaltenen Kalksalze, welche ein Schwerkochen der Säfte im Vacuum veranlassen,
empfiehlt RümplerD. R. P. Kl. 89 Nr. 71021 vom 16. December 1892.
einen Zusatz von schwefligsaurem Natron, wodurch die Kalksalze in Natronsalze
umgewandelt werden, welch letztere das Kochen und die Krystallisation nicht
erschweren.
Einiges Aufsehen hat das patentirte Verfahren der Reinigung von Zuckerlösungen durch
schweflige Säure und Knochenkohle von Steffen und
DruckerD. R. P. Kl. 89
Nr. 78142 vom 19. September 1893 ab. erregt, bei welchem
Verfahren man also wieder auf die Anwendung der Knochenkohle zurückgreifen will.
Nach HerzfeldZeitschrift des Vereins für die
Zuckerindustrie, 1894 XXXXIV S. 957. enthält
dieses Patent nichts anderes, als die Beschreibung eines uralten, jetzt an den
meisten Orten ausser Anwendung gekommenen Verfahrens. In Oesterreich-Ungarn ist
zumeist die Reinigung der Rübensäfte durch dreifache
Saturation üblich, bei welchem Verfahren man so ausgezeichnete Resultate
erhält, dass z.B. in böhmischen Fabriken das Schwefeln zum Theil ausser Gebrauch
gekommen ist. Auf dem französischen Congress der Zucker- und Brauertechniker zu
Lille im J. 1894 räth daher DeutschBulletin de
l'association des Chimistes, 1894 XII S. 628.
den französischen Zuckerfabrikanten an, das Schwefeln ganz aufzugeben und zum System
der dreifachen Saturation, mit welchem sich die Resultate der zweifachen Saturation
und Schwefelung in keiner Weise vergleichen lassen, überzugehen.
Allgemeines Interesse hat die Reinigung der Säfte mittels
Elektrolyse erfahren und wurde dieser Gegenstand sowohl litterarisch als
auch in Versammlungen in der eingehendsten Weise behandelt. Der Gedanke, sich den
elektrischen Strom zur Reinigung von Zuckersäften dienstbar zu machen, ist keineswegs
neu, nachdem Clément bereits im J. 1848 die Reinigung
der Melassen durch Elektrolyse versuchte. Es folgten hierauf eine ganze Reihe
anderer Versuche und Methoden, die aber alle ihren Hauptzweck – die rationelle
Einführung in die Praxis – nicht erreichten. Nur das Verfahren von Maigrot und Sabates 1889
(eine Combination der Elektrolyse mit der Dialyse) wurde in der
Rohrzuckerfabrikation im Grossen angewendet, brachte aber manche Unannehmlichkeiten
mit sich. Erst dem neuesten Verfahren von Schollmeyer,
Behm und DammeyerD. R. P. Kl. 89 Nr. 76853 vom 24. November
1894 ab. blieb es vorbehalten, in Wirklichkeit in das
Gebiet der Praxis einzutreten. Dieses Verfahren stand zuerst in der Zuckerfabrik Hoym in Anwendung, hat aber erst in der Campagne
1893/94 die Feuerprobe bestanden, nachdem es während der ganzen Dauer der Campagne
erprobt wurde. Die Anlage ist eine sehr einfache,Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1893
XXII S. 865 und 1894 XXIII 8. 441. denn sie besteht nur in zwei
aus Eisenblech verfertigten Kästen, von welchen jeder einen Passungsraum besitzt,
dass er einen Saftabzug aufzunehmen vermag. In jedem Kasten sind die
Zinkblechelektroden eingehängt, von welchem die 1., 3., 5. Platte mit dem positiven,
die 2., 4., 6. Platte mit dem negativen Pol einer Dynamomaschine in Verbindung
steht. Der vom Vorwärmer kommende Saft gelangt mit einer Temperatur von 70 bis 75°
in den Kasten und wird durch 8 bis 10 Minuten der Elektrolyse bei einer Stromstärke
von 50 bis 60 Ampère bei 5 bis 7 Volt Spannung unterworfen. Nach der Elektrolyse ist
der Saft von den in feinster Vertheilung ausgeschiedenen Eiweisskörpern getrübt,
welche sich allerdings schwierig filtriren lassen. Die leichte Filtrirbarkeit lässt
sich jedoch dadurch sehr einfach erreichen, wenn man den elektrolisirten Säften ein
Viertelprocent Kalk zusetzt, wodurch sich die Ausscheidungen zusammenballen und
leicht in jeder Filterpresse zurückgehalten werden können. Die erzielten Resultate
waren in Hoym mannigfacher Art: lichtere und hellere
Rohsäfte, bedeutende Kalkersparniss bei der Scheidung, Verdampfen und Verkochen der
elektrolysirten Säfte in bedeutend kürzerer Zeit, stramme und lichte Füllmassen. Das
Rendement der erzielten Rohzucker hatte sich während der Campagne constant auf mehr
als 96 erhalten. Die Einwirkung elektrischer Ströme auf Rübensäfte hat BerschDaselbst
1893 XXII S. 43. in einer theoretischen Arbeit studirt,
bei welcher er der reinigenden Wirkung des elektrischen Stromes ein günstiges
Prognosticon stellt. Ueber den Werth der Anwendung des elektrischen Stromes zur
Reinigung der Rübensäfte lässt sich nach den bisherigen Erfahrungen und
Veröffentlichungen noch kein bestimmtes Urtheil fällen. Es muss hervorgehoben
werden, dass einerseits der Gegenstand in Fachkreisen bedeutendes Aufsehen erregte
und sich viele Freunde erwarb, andererseits muss aber auch betont werden, dass man
der Frage wieder sehr ablehnend entgegen steht. Von Seite der Gegner wird behauptet,
dass die gemachten Versprechungen noch zu beweisen sind, nachdem es an wirklich
vergleichenden Methoden fehlt. Während man es aber auf einer Seite als möglich
bezeichnet, dass künftig Besseres und Erfolgreicheres auf diesem Wege geleistet
wird, gehen andererseits die extremen Gegner viel weiter und sind der Meinung, dass
diese Sache ebenso rasch aus der Zuckerfabrikspraxis verschwinden wird, wie sie
rasch mit grosser Begeisterung in dieselbe eingeführt wurde.
Nachdem aber nun das Verfahren von Schollmeyer, Behm und
Dammeyer nicht nur in Deutschland, sondern auch in
Frankreich, Belgien, Russland und in Oesterreich Anwendung gefunden hat, so steht zu
hoffen, dass man über die Erfolge baldigst nähere Daten erhalten wird. Von einem
abschliessenden Urtheil über den praktischen Werth dieses Verfahrens wird allerdings
nicht so bald die Rede sein, nachdem sich die verschiedenen Meinungen zu extrem
gegenüber stehen.
Anschliessend daran muss hervorgehoben werden, dass man der Anwendung der Elektricität für die Kraftübertragung in Zuckerfabriken
grosses Interesse zuwendet, und dass man alle diejenigen Vortheile, welche schon
gegenwärtig aus dem Elektromotorenbetrieb erwachsen, erwägt, um so mehr als die
elektrische Kraftübertragung nicht mehr als ein physikalisches Experiment, sondern
als eine ernste Errungenschaft der modernen Elektrotechnik erkannt ist. Es sind
daher auf diesem Gebiete noch grosse Fortschritte zu erwarten. Hier sei nur erwähnt,
dass der elektrische Antrieb für Centrifugen bereits in vielen Zuckerfabriken in
Anwendung steht.
Seit der Beseitigung der Knochenkohle aus den Rohzuckerfabriken trat oft der sehr
störende Umstand ein, dass sich die concentrirteren Säfte (Mittelsaft und Dicksaft)
durch Filterpressen, Excelsiorfilter, Wellblech- und Buckelblechfilter schwierig
filtriren liessen. Die Hanf-, Leinen- und Baumwollstoffe der verschiedenen Filter
functionirten viel zu langsam, in Folge dessen sie den erhöhten Anforderungen der
vergrösserten Betriebe nicht zu genügen vermochten. Man ist daher vielfach gezwungen
gewesen, zu einer vermehrten Aufstellung von Dicksaftfiltern zu schreiten, ein
Uebelstand, der bedeutende Kosten verursacht. Von den vielen vorgeschlagenen
Filtermaterialien hat sich nun nach dem Verfahren von WagnerD. R. P. Kl. 89
Nr. 64449 vom 25. August 1891 ab. Zeitschrift
für Zuckerindustrie in Böhmen, 1893/94 XVIII S. 33. Zeitschrift des Vereins für die
Rübenzuckerindustrie, 1893 XXXXIII S. 630. der
Kork am besten bewährt. Der Kork wird in Form von Schrott verwendet und in
cylindrische Filtrirgefässe gefüllt (wozu die alten Spodiumfilter ganz gut geeignet
sind). Die zu filtrirende Flüssigkeit wird von unten nach oben durch das Filter
aufsteigen gelassen. Man hat aber nicht nur schwere Dicksäfte, sondern auch
Dünnsäfte bei aufsteigender Filtration schnell und vollständig blank filtrirt.
Dieses Verfahren dürfte daher in manchen Fällen recht brauchbar sein und verdient
Beachtung. MaignenBulletin de l'association des
Chimistes, 1893 XI S. 881 und 1894 XII S. 780.
empfiehlt die Verwendung von Asbest zur Filtration von
Rohsäften, Saturationssäften und Syrupen und soll sich dessen Apparat in
französischen Zuckerfabriken bewährt haben. Das neue Filter von MaresZeitschrift des Vereins für die Zuckerindustrie
in Böhmen, 1893/94 XVIII S. 243., der
Filtration der Säfte der II. und III. Saturation dienend, stand in Böhmen in
verschiedenen Zuckerfabriken in Anwendung; auch das Niederdrucksaftfilter
„Claritas“, System Matouxek-BerounskýDaselbst 1893/94 XVIII S.
247., hat mit gutem Erfolg zur Filtration der Säfte der II.
Saturation gedient. Von den verschiedenen verbesserten Filterpressensystemen werden die Vorzüge der Beeg'schenOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie, 1894 XXIII S. 702. Filterpresse
gelobt.
Die Wichtigkeit der Saturation für die Saftreinigung ist allgemein anerkannt; zu
einer guten Saturation gehört aber neben einem guten Kalkstein ein entsprechend functionirender Kalkofen. Sehr gut bewährt hat sich der
Kalkofen von Kulmiz, welcher nach HyrošZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen,
1892/93 XVII S. 337. eine glückliche Modifikation des
Steinmann'schen Kalkofens ist. Verschiedene
deutsche Zuckerfabriken haben mit dem Khern'schen
OfenZeitschrift des Vereins für die
Rübenzuckerindustrie, 1894 XXXXIV S. 143.
zufriedenstellende Resultate erhalten. Im Uebrigen liegen über die Anlage und
Beschickung der Kalköfen noch sehr verschiedene Ansichten vor, wie dies auch in der
Natur der Sache liegt, nachdem bei der Leistung eines Kalkofens mancherlei Umstände
in Betracht kommen. Vielfach ist man der Ansicht, dass Kalköfen mit Generatoren in
allen Stücken den Vorzug vor den anderen Constructionen verdienen, welch letztere
sich übrigens ohne besondere Kosten in solche mit Generatoren umgestalten
lassen.
(Schluss folgt.)