Titel: | Fahrräder. |
Fundstelle: | Band 296, Jahrgang 1895, S. 155 |
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Fahrräder.
(Fortsetzung des Berichtes S. 134 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Fahrräder.
IV. Steuerung.
Die Steuervorrichtung befindet sich am oberen Ende der Vorderradgabel. Man
unterscheidet Kugel- und Nackensteuerung; erstere wird in neuerer Zeit allgemein
verwendet und hat gegenüber der letzteren den Vorzug eines leichteren und sicheren
Fahrens. Am oberen Ende des Steuerkopfes ist die Lenkstange angebracht, mittels
welcher die Steuerung bethätigt wird. Die Lenkstange ist entweder gerade, oder so
gebogen, dass die Enden zuerst abwärts, dann nach hinten, dem Fahrer zu, gewendet
sind; hierdurch kommt der Stützpunkt der Arme etwas tiefer zu liegen.
Lenkstangeneinrichtung zur Abschwächung der Erschütterungen von W. Phillips in Coventry, England (D. R. P. Nr. 52093).
Die Lenkstange b (Fig.
76) ist mit nach rückwärts gebogenen Griffen versehen. Sie ist vor dem
Steuerkopfe a oder einer Verlängerung desselben
wagerecht drehbar gelagert und mit einem Zapfen B
verbunden, der nach rückwärts in den hohlen Steuerkopf reicht und zwischen Federn
c d gehalten wird, so dass die Erschütterungen
desselben sich nur abgeschwächt auf die Griffe der Lenkstange übertragen. Die Feder
d wird durch einen Gummipfropfen gebildet, welcher
sich oben gegen den Schraubenbolzen e stützt.
Textabbildung Bd. 296, S. 154
Fig. 76.Phillips' Abschwächung der Stösse.
Die Unmöglichkeit, für verschiedene Körpergrössen eine genau passende Maschine zu
bauen, führt zu der Nothwendigkeit, die Sattelstütze und Lenkstange aus Rohren,
welche in einander verschiebbar sind, herzustellen. Die dadurch entstehende
Gewichtsvergrösserung ist auf ein möglichst geringes Maass zu reduciren. Der Radmarkt vom 20. März 1895 führt uns zwei dieser
Einrichtungen vor.
Die erste (Fig. 77) wird
von der Snell Cycle Fitting Co. in Toledo auf den Markt
gebracht und zeichnet sich durch ihre Einfachheit aus, während die Verstellbarkeit
genügend gross ist. Die obere Muffe ist direct auf dem Rohre angebracht, welches die
Verlängerung der Vordergabel bildet. Die Verstellung der Lenkstange beruht in einer
Drehbarkeit in der Muffe, welche einen wagerechten Schnitt hat und durch Anziehen
der vierkantigen Schraube a auf die Lenkstange so
festgeklemmt wird, dass ein Bewegen derselben nicht befürchtet zu werden
braucht.
Die zweite Art (Fig.
78), welche die Ariston Mfg. Co.
in Westboro auf den Markt bringt, macht die Lenkstange zweitheilig und
gestattet eine Drehbarkeit jedes Theiles um eine wagerechte Achse, welche in der
Längsrichtung des Sattels liegt, und demzufolge wird bei der Verstellung nicht
allein ein Höher- oder Tieferstellen, sondern gleichzeitig ein Zusammenrücken der
Griffe verursacht. Trotz der grösseren Verstellbarkeit wird hier eine
Gewichtsersparniss erzielt, indem das Rohr der Lenkstange nur sehr kurz ist.
Textabbildung Bd. 296, S. 154
Fig. 77. Verstellbare Lenkstange der Snell Cycle Fitting Co.Fig. 78.
Verstellbare Lenkstange der Ariston Mfg. Co.
Bei der Lenkstange Fig. 79 (D. R. G. M.) können die
Griffe höher oder tiefer gestellt werden, so dass der Fahrer je nach Wunsch eine
gerade oder Rennhaltung einnehmen kann, ohne die Lenkstange selbst verstellen zu
müssen.
Um die Lage der Griffe zu ändern, ist die mit Gewinde versehene Muffe a, welche sich auf der Lenkstange befindet, so weit
nach links zu schrauben, dass die Griffe durch schwachen Druck nach unten oder Zug
nach oben in die gewünschte Stellung, wie mit b und c bezeichnet, gebracht werden können. Die Muffe wird
alsdann wieder fest aufgeschraubt und behalten die Griffe nun die gegebene Lage
bei.
Textabbildung Bd. 296, S. 154
Fig. 79.Verstellbare Lenkstange.
Bei einiger Uebung lässt sich die Lenkstange auch während des Fahrens.
verstellen.
Die Griffe, welche früher häufig aus Eben- oder Rosenholz, sowie aus Elfenbein, Horn
u.s.w. hergestellt wurden, hatten den Uebelstand, dass sie leicht Blasen auf den Händen
verursachten. Das beste Material seiner Zeit war Büffelhorn oder Vulcanit, welches
den Uebelstand beseitigte. In jetziger Zeit kommen solche aus Celluloid, Kork, Holz
u.s.w. zur Anwendung.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Fig. 80.Blakely's Handgriff.
Handgriff für Fahrräder von W. Blakely in Bournemouth,
England (D. R. P. Nr. 55212). Bei demselben sind zwischen dem an den Enden
kegelförmig ausgebohrten Griff b (Fig. 80) und dessen Stange c elastische Muffen a eingeschoben und durch
elastische, sich gegen die beiden Enden des Griffes anlegende Ringe d isolirt.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Waterson's Handgriffbekleidung.
Handgriffbekleidung für Fahrräder zum Abschwächen der Stösse von H. Waterson in Aston, England (D. R. P. Nr. 55803). Bei
dieser Handgriffbekleidung kommt ein schlauchförmiges Stück f (Fig. 81)
aus elastischem Material zur Anwendung, das über die Lenkstange c des Fahrrades gezogen wird; durch Umwickelung h der überstehenden Enden g wird ein luftdichter Hohlraum gebildet. Die Handgriffbekleidung kann
auch in der Weise ausgeführt werden, dass ein schlauchförmiges Stück d (Fig. 82) mit einem
äusseren Stück e eine luftdichte Kammer bildet, wobei
die Schlauchweite derart gewählt werden kann, dass das Luftkissen ohne weitere
Mittel festhaftet.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Fig. 83.Wespennestgriffe von Marcus.
Elastische Handgriffe („Wespennestgriffe“) von Marcus
und Co. in München (D. R. M. S. Nr. 15423), Fig.
83. Der elastische Theil ist in zellenartiger Anordnung aus Gummi
hergestellt und bedingt eine Verminderung der Vibration und durch seinen Ueberzug
aus Loden ein weiches Anfühlen.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Fig. 84.Grossmann's Bügelhandgriff.
Bügelhandgriff von Otto Grossmann in Berlin (D. R. P.
Nr. 73010). Die Handhaben A (Fig. 84) sind in Bügeln B gelagert, welche
drehbar und verstellbar sind. Hierdurch kann den Handhaben eine für den Fahrer
bequeme Stellung gegeben werden. Die Bügel B haben
einen Schlitz oder einzelne Löcher, durch welche Schrauben C zum Feststellen hindurchgehen.
V. Bremsen.
Eine der unentbehrlichsten Vorrichtungen an einer Tourenmaschine ist eine
zuverlässige Bremse, die leicht und schnell wirken muss. Beim hohen Zweirad kommt
fast ausschliesslich die Löffelbremse zur Anwendung, beim niederen und beim Dreirad
finden dagegen Löffel-, Band- und Felgenbremsen Verwendung. Letztere sind am
vortheilhaftesten, da sie den Gummireifen nicht berühren und somit auch denselben
nicht verletzen können.
Es kommen die verschiedensten Bremsen zur Anwendung, und zwar mit Frictionskonus, mit
Feder, mit Luftdruck, mit Bremsbacken aus verschiedensten Stoffen und in den
verschiedensten Anordnungen. Wir müssen uns darauf beschränken, hier nur einige
Constructionen anzuführen.
H. Schultes in München (D. R. P. Nr. 73193) ordnet an
der Achse radial stehende Stäbe an, deren beide Enden Gewichte haben, die durch eine
Feder aus einander gehalten werden. Bei der Drehung werden die Gewichte durch die
Centrifugalkraft an den Umfang eines Gehäuses gepresst und bremsen dadurch.
A. Ulrich in Frankfurt a. M. (D. R. P. Nr. 72765)
verwendet eine konische Bremse, deren Ringe durch Federn aus einander gehalten und
durch einen Hebel angedrückt werden. Durch diese Anordnung wird eine seitliche
Belastung des Lagers vermieden.
Bremse von A. Leszynski im Forst Mokronos (D. R. P. Nr.
75457). Auf der Achse a (Fig.
85) ist ein Ring b befestigt, welcher mit
einer Feder e verbunden ist. Concentrisch zu diesem
Ring ist ein ebenfalls mit der Feder e verbundener
gezahnter Ring k angeordnet, welcher durch Einführen
der Bremsstange zwischen die Zähne festgehalten werden kann. Durch den Ring b wird die Feder gespannt und das Rad gebremst.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Fig. 85.Leszynski's Ringbremse.
Eine automatische Bremse von Gardner in London besteht,
wie Fig. 86 erklärt, darin, dass auf dem
Kurbelachsenlager B neben dem Kettenrade C eine Bremstrommel G und
auf dem Kettenrade ein in Bolzen I lagerndes Bremsband
I1 angebracht ist.
Die Achse selbst trägt fünf Stahlarme K, die beim
Vorwärtstreten auf das Kettenrad eingreifen und dasselbe mitnehmen. Sobald ein
Contratritt stattfindet, bleiben die Arme stehen, das Kettenrad macht noch ⅕
Umdrehung, doch greifen die Stahlarme sogleich an fünf Stellen D das Bremsband an.
Textabbildung Bd. 296, S. 155
Fig. 86.Gardner's automatische Bremse.
Lescynski in Mokronos trifft eine Bremsanordnung, indem
er zwischen Achse und Radnabe eine Spiralfeder einschaltet, die einestheils an der
Achse, andererseits an einem sie bedeckenden Ringe befestigt ist, der sich für gewöhnlich mit der
Achse dreht. Der Umfang dieses Ringes ist mit Sperrzähnen versehen, in welche von
der Lenkstange aus ein Sperrzahn eingedrückt wird, sobald das Bremsen erfolgen
soll.
Textabbildung Bd. 296, S. 156
Fig. 87.Doppelbremse der Neckarsulmer Strickmaschinenfabrik.
Bei der Bremse von E. Offenbacher in Markt-Redwitz (D.
R. P. Nr. 61774) wird der Bremslöffel oder das Bremsband durch ein Excenter, welches
vom Bremshebel oder der Trittplatte aus gedreht wird, angepresst. Hierdurch wird ein
selbsthätiges Lösen der Bremse vermieden und der Fahrende braucht den Bremshebel
nicht fortwährend anzuziehen.
Selbstspannende Bremse von Frankenburger und Ottenstein
in Nürnberg (D. R. P. Nr. 61916). Der Bremslöffel ist um einen festen Punkt an der
Gabelscheide schwingend, und so aufgehängt, dass er nach erfolgtem Anlegen an den
Radreifen in der Drehrichtung des Rades durch die Drehung desselben angezogen wird
und sich nicht selbsthätig lösen kann.
Textabbildung Bd. 296, S. 156
Fig. 88.Krieger und Dallmer's Bremsvorrichtung.
Doppelbremse für Fahrräder zur Ermöglichung eines gleichmässigen Andrückens der
Bremslöffel gegen Vorder- und Hinterrad von der Neckarsulmer
Strickmaschinenfabrik in Neckarsulm (D. R. P. Nr. 53805). Den Haupttheil
dieser Doppelbremse bildet der auf einem Handbremshebel frei drehbare Balancier bhb (Fig. 87), dessen
Arme bb auf das Bremsgestänge c für das Vorder- und Hinterrad derart einwirken, dass nach Bethätigung
einer Bremse das Bremsgestänge c und der betreffende
Scharnierzapfen des Balanciers als Stützpunkt für den dann als einarmiger Hebel
wirkenden Balancier dient, bis die andere Bremse das zweite Rad berührt.
Die Bremsvorrichtung von J. Krieger und A. Dallmer in Dresden (D. R. P. Nr. 51890) besteht aus
dem am Bremshebel H (Fig.
88) anzubringenden, um die Schraube M
drehbaren gezahnten Stellriegel R und aus dem an der
Lenkstange L zu befestigenden Schloss S mit einer auf einer Seite gezahnten Oeffnung zur
Aufnahme des Stellriegels R und zum Verstellen
desselben Zahn um Zahn, je nach dem Grade der Bremsung, wobei der auf den Riegel R drückende Druckriegel D
den Eingriff der Zähne Z und Y lösbar unterhält, der Schlossriegel r
jedoch, wenn er durch Eindrücken des Drückers d
vorgesprungen ist und sich gegen den Riegel R gelegt
hat, letzteren im Eingriff der Zähne festhält und nur unter Anwendung eines in e einzuführenden Schlüssels wieder zurückgeschoben
werden kann, so dass es möglich ist, die Lösung des Stellriegels bezieh. der Bremse
und damit der Fahrradfestschliessung zu bewirken.
Textabbildung Bd. 296, S. 156
Fig. 89.Klotzbremse von Clement.
Bei der Bremse von H. W. Schladitz in Dresden (D. R. G.
M. Nr. 15251) greift der Bremslöffel direct auf eine an der Seite des vorderen
Laufrades angebrachte kleine, mit Gummi überzogene Scheibe.
Vorrichtung an Fahrrädern zum Senken des Sattelträgers und gleichzeitigen Bremsen von
F. Hamminger in Regensburg (D. R. P. Nr. 52326).
Der in dem Gestellrohre bewegliche, durch Federn nach oben gepresste Sattelträger
wird nach Auslösung eines Bolzens durch das Gewicht des Fahrenden nach unten
gedrückt, so dass ein Bremsen durch einen Bremshebel stattfindet. Bei Anwendung der
Vorrichtung auf Dreiräder wird ein Bremsband benutzt, das über eine auf der
Fahrradachse sitzende Bremsscheibe geführt ist.
Mit der Bremse verbundene Reinigungsbürste für Pneumatikreifen von Seidel und Naumann in Dresden (D. R. P. Nr. 72087). Mit
dem Bremsgestänge ist eine Bürste verbunden, welche beim Anziehen der Bremse, bevor
dieselbe zur Wirksamkeit gelangt, den Pneumatikreifen von anhaftenden Steinchen u.
dgl. befreit, welche sonst zu Beschädigung des Reifens Veranlassung geben
würden.
Die Nürnberger Velocipedfabrik von C. Marschütz und Co.
benutzt eine Bürstenbremse aus Gummi, die nicht stossen oder versagen kann, sie fegt
den Reifen und nützt sich wenig ab. Eine zweite Bremse besteht aus einem um eine
Achse drehbaren Gummiwürfel und zeichnet sich gleichfalls durch grösste Einfachheit
und verlässliche Wirkung aus.
Die Bürstenbremse von A. Ch. Roper in Southernhay (D. R.
P. Nr. 78795) vermeidet zufolge ihrer pflugartigen Gestaltung ein Verschmutzen, da
sie nach einem Halbkreis gebogen und etwa in Art eines Schneepfluges konisch
zugeschärft und abgeschrägt ist.
A. Clement in Paris verwendet eine Bremse mit zwei
vierkantigen Gummiklötzchen von etwa 44 mm Länge und 22 mm Breite (D. R. P. Nr.
66211). Die Klötzchen (Fig. 89) sind auf zwei Stiften
drehbar; sie stellen sich nach der durch die Dicke der Reifen bedungenen Neigung und
wirken wie eine
gewöhnliche Löffelbremse. Die Gummiqualität der Klötzchen ist empfindsamer als jene
der Reifen, es nützen sich daher die Bremstheile mehr ab, als der theure
Pneumatikreifen. Ist eine der vier Flächen abgenützt, so dreht man dieselbe, um eine
frische Fläche wirken zu lassen.
Eine verdeckte Bremse mit drehbarer Lenkstange von C.
Bescherer in Zeitz beschreibt der Radmarkt vom
20. März 1895. Die Bremsstange ist in das Innere des Vorderradgabelkopfrohres, also
dem Drehpunkt der Lenkstange verlegt worden (Fig.
90), wo sie in geschützter und verdeckter Lage sich befindet; der Bremshebel
braucht nicht mehr in fester Verbindung mit der Bremsstange zu sein, sondern er
drückt nur lose auf den Knopf der Stange. Hierdurch wird erzielt, dass man die quere
Lenkstange, welche so häufig das Hinderniss beim Transport des Rades durch einen
schmalen Gang bildete, ohne dass man an der Bremse zu schrauben oder zu stellen
braucht, in der Richtung des Rades drehen kann; ebenfalls ist durch diese Anordnung
der Bremse ein Verbiegen des Bremsgestänges bei einem Sturz ausgeschlossen. Das Rad
lässt sich leicht anlehnen. Das Herumdrehen der Lenkstange, sowie etwaige
Höheverstellungen lassen sich leicht und schnell bewerkstelligen.
Textabbildung Bd. 296, S. 157
Fig. 90.Verdeckte Bremse von Bescherer.
Rollenbremse von J. A. Hildebrand in Dresden (D. R. P.
Nr. 77251). Diese besteht aus zwei Bremsrollen f und
k (Fig. 91), von denen die
eine fest, die andere drehbar am Bremsgestänge sitzt. Die Stange i der drehbar am Bremsgestänge befestigten Rolle ist
mit einem Keilstück l versehen, welches an einem
Führungsstift m anliegt. Werden nun beide Rollen gegen
den Radkranz gepresst, so wird durch den Keil l die
Rolle k ausserdem noch gegen die Rolle f gedrückt, so dass die Bremswirkung verstärkt
wird.
Textabbildung Bd. 296, S. 157
Hildebrand's Rollenbremse.
Bei dem Zusatzpatente Nr. 79436 werden die beiden Bremsrollen f (Fig. 92)
in gegen einander geneigten Schlitzen q geführt, so
dass beim Anpressen der Bremsrollen an den Radumfang beide Rollen verschoben und
einander bis zu ihrer Berührung genähert werden.
Die Firma Gebr. Reichstein in Brandenburg bringt bei
ihren Brennabor-Rädern eine Rollenbremse für Pneumatikradreifen in Anwendung. Mit
der bisherigen gewöhnlichen Stichbremse durfte man den Bremshebel nicht anziehen,
ohne Gefahr zu laufen, dass der Radreifen von dem Bremslöffel zerrissen würde.
Die Construction dieser neuen Bremse ist aus Fig. 93
ersichtlich. Eine aus Hartgummi bestehende Rolle ist in einem kleinen Gehäuse
drehbar angebracht. Zieht man den Bremshebel an, so drückt die Rolle auf den
Radreifen. Bei stärkerem Anziehen gibt die Rolle, welche federnd gelagert ist, nach
und drückt sich fest in das Gehäuse ein, so dass sie bei stärkerem Bremsen nicht
mehr als drehbare, sondern als feste Rolle functionirt.
Textabbildung Bd. 296, S. 157
Fig. 93.Rollenbremse der Firma Reichstein.
Nach der Radfahr-Chronik lässt R. S. Erskine in London S. W. seine Patentbremse (Fig. 94) auf die Radfelge wirken. Die Bremse hat zwei Hartgummiringe, die
auf den Seiten der Radfelge fest aufgekittet sind und auf welche die Bremsklötze
wirken. Die Bremsstange ist gabelförmig getheilt.
Textabbildung Bd. 296, S. 157
Fig. 94.Felgenbremse von Erskine.
Von der Pfälzischen Nähmaschinen- und Fahrradfabrik in
Kaiserslautern wird eine Pneumatikbremse (Fig. 95)
ausgeführt, bei der von beiden Seiten zwei Bremsklötze aus Gummi oder Leder auf die
Stahlfelge wirken, ohne den Pneumatik zu berühren. Die Bremse ist sehr einfach, kann
leicht entfernt werden, ohne das Vorderrad herauszunehmen, und versagt nie. (D. R.
G. M. Nr. 18732.)
Pneumatische Bremse der Pneumatic Cycle Brake Co., Ltd.,
in Manchester. In der Nähe des einen Handgriffes befindet sich ein Gummiball, von
dem aus ein Röhrchen nach der Hinterradbremse läuft; drückt man auf den Ball, so
bringt die gepresste Luft die Bremse zum Wirken. Diese Bremse ist nicht schwer und
ist an jeder Maschine verwendbar.
Textabbildung Bd. 296, S. 157
Fig. 95.Kayser's Felgenbremse.
Eine ähnliche Vorrichtung ist der mit Luft oder Wasser bethätigte Bremsschuh von J. G. Aulsebrook Kitchen in Manchester (D. R. P. Nr.
75861). Der Bremsschuh steht durch ein Rohr mit einem an der Lenkstange befestigten
Gummiball in Verbindung. Durch Zusammendrücken des Gummiballes wird der Bremsschuh
aufgebläht und drückt dann gegen den Radreifen.
VI. Sattel und Sattelstützen.
Der Sattel, von dessen Form das bequeme Fahren abhängt, darf nicht zu weich, aber
auch nicht zu hart sein; stets muss er so elastisch sein, dass ein Drücken oder
Reiben an den Oberschenkeln des Fahrers ausgeschlossen ist. Der Sattel muss ausserdem
ventiliren, wodurch ein Erhitzen des Gesässes vermieden wird. Trotz aller
Bemühungen, vollkommene, verstellbare Sättel herzustellen, ist die Lösung dieser
Aufgabe noch nicht gefunden. Wir lassen hier die Beschreibung einiger Sättel
folgen.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 96.Rauhe's federnder Sattel.
Aenderbare Federung an Fahrradsätteln von C. Rauhe in
Düsseldorf (D. R. P. Nr. 51233). Mit dem Sattel ist ein doppelarmiger Hebel b (Fig. 96) fest
verbunden, welcher um einen Bolzen a drehbar ist und
dessen unterer Arm mit einer durch eine Schraube c
anzuspannenden Spiralfeder d in Verbindung steht. Die
Stellschrauben e dienen zur Begrenzung des Anschlages
des Hebels b.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 97.Elastische Sattelbefestigung von Lloyd und Priest.
Elastische Sattelbefestigung für Fahrräder von Lloyd und
Priest in Birmingham (D. R. P. Nr. 52523). Dieselbe besteht, wie Fig. 97 zeigt, aus einem Parallelogramm, dessen
senkrechte Stangen e den Sattel tragen. Die Stangen e werden von zwei regulirbaren Spiralfedern h getragen, welche vorkommende Stösse aufnehmen.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 98.Elastische Sattelbefestigung von Lamplugh.
Die elastische Sattelbefestigung für Fahrräder von J. A.
Lamplugh in Birmingham (D. R. P. Nr. 51582) wird durch Schraubenfedern kk hergestellt, von denen bei Hochrädern (Fig. 98) zwei am hinteren Ende des Sattels derart
befestigt sind, dass sie mit einem Ende durch Bolzen und Mutter entweder am
Sattelgestell oder am Fahrrade gehalten werden, während sie mit dem anderen mit der
untersten Windung in mit Oesen n versehene Ringe m einer Querstange i
eingeschraubt werden, die in geeigneter Weise mit dem anderen Theil verbunden ist.
Es soll durch diese Einrichtung ein leichteres Zusammensetzen und Auseinandernehmen
der einzelnen Theile erreicht werden. Für Zwei- und Dreiräder wird diese
Sattelbefestigung dahin abgeändert, dass der Ledersitz auf dem oberen Theil des
Gestelles befestigt wird und durch drei Schraubenfedern mit dem unteren Gestelltheil
verbunden ist.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 99.Federnder und drehbarer Sattel von Boultbee Brooks.
Federnder und drehbarer Fahrsattel von J. Boultbee
Brooks in Birmingham, England (D. R. P. Nr. 65227). Das Untergestell des
Sattels besteht aus den Theilen lfh (Fig. 99). Die Theile f
dienen als Tragstützen für die auf Federn ruhende Sitzplatte. Dem Sattel kann eine
wippende Bewegung gegeben werden, da die Sattelnabe i
bei m gelenkig mit den Stützen verbunden ist und der
Theil l mit seinem geschlitzten runden Mitteltheil auf
dem entsprechend gerundeten Kopf n der Sattelnabe
gleiten kann. Der Sattel kann durch die Schraube o
festgestellt werden.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 100.Sattelfeder von Wellington Saladee.
Feder für Fahrradsättel von C. Wellington Saladee in
Cleveland, Ohio (D. R. P. Nr. 73553). Die den Sattel tragende Feder besteht aus zwei
Theilen C und B (Fig. 100), von denen der am hinteren Sattelende
angreifende Theil B länger und weniger gebogen, als der
vordere Theil C ist., Beide Theile greifen in der
Tragklemme über einander und sind so umgebogen, dass bei starker Durchbiegung der
Feder die Enden als Gegenfeder zur Wirksamkeit kommen.
Die Overman Wheel Co. in Boston hat einen Sattel in den
Handel gebracht (Fig. 101), welcher in eine
senkrechte Lage gebracht werden kann, wodurch das Aufsteigen, besonders bei Damen,
sehr erleichtert wird, indem mehr Raum zwischen dem Sattel und der Lenkstange
geschaffen wurde. Wenn der Sattel durch einen Druck nach rückwärts wieder in seine
wagerechte Lage gebracht ist, legt er sich mittels einer elastischen Feder auf einen
Knaggen.
Textabbildung Bd. 296, S. 158
Fig. 101.Klappsattel der Overman Wheel Co.
Der Sattel von E. Lycett in Birmingham hat zwischen Sitz
und Federn noch zwei mit Luft gefüllte Bälle, welche ausser den Stahlfedern Federung
verursachen. Wie aus Fig. 102 ersichtlich ist, liegt
ein kleines Luftkissen unter der vorderen Spitze des Sattels, ein grösseres
rückwärts.
Die Patent Pneumatic Saddle Co., Ltd., in Coventry baut
einen pneumatischen Sattel (Fig. 103), in dessen
Mitte sich ein 2 Zoll langer Schlitz befindet, welcher die Ventilation regelt und das
Aufreiten verhindert. Dieser Sattel kann mit einer gewöhnlichen Luftreifenpumpe
aufgeblasen werden.
Textabbildung Bd. 296, S. 159
Fig. 102.Elastischer Sattel von Lycett.
Spielhagen in Berlin fertigt einen, „Aërophor“
genannten Luftsattel an, dessen Gewicht nur 500 bis 600 g beträgt, einschliesslich
des Untergestelles. Der Sattel ist aus einem Stück gefertigt, indem die das
Luftkissen mit dem Untergestelle verbindende Platte, welche aus einer unter
hydraulischem Druck hergestellten Pflanzenfaser besteht, im Innern des Luftkissens
liegt und fest mit demselben verbunden ist. Durch Leinwandeinlagen ist der Sattel
gegen Platzen gesichert.
Textabbildung Bd. 296, S. 159
Fig. 103.Pneumatischer Sattel der Pneumatic Saddle Co.
Um das bei den früheren Luftsätteln so hässliche Hitzen zu vermeiden, hat der
Aërophor auf seiner Sitzfläche eine aus Chemikalien bestehende Isolirung, welche
durch einen Segeltuchüberzug verdeckt ist, der nicht aufgeschnallt, sondern fest mit
dem Luftkissen verbunden ist.
Textabbildung Bd. 296, S. 159
Fig. 104.Pneumatische Sattelstütze von Marcus und Co.
Fig. 104 zeigt die pneumatische Sattelstütze von Marcus und Co. in München (D. R. M. S. Nr. 20114). Bei
derselben wird die Federung des Sattels durch den zwischengelegten, mit Luft
gefüllten Puffer erhöht, sollte jedoch ein Platzen oder Defectwerden des Puffers
vorkommen, so kann, indem die Sitzstütze noch genügend Federung besitzt,
ununterbrochen weiter gefahren werden.
(Schluss folgt.)