Titel: | Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei. |
Autor: | Johannes Pässler |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 20 |
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Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der
Gerberei.
Von Dr. Johannes
Pässler in Freiberg i. S.
Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei.
Die Gerberei gehört zu denjenigen Gewerben, welche in früheren Jahren wenigen
Veränderungen unterworfen waren und deren Ausübung von den betreffenden
Gewerbtreibenden Jahrhunderte lang fast immer in derselben, zum grossen Theile sehr
unrationellen Weise erfolgte, ohne dass wesentliche Verbesserungen getroffen wurden.
Erst etwa seit 40 bis 50 Jahren, seitdem sich die Technik und die Verkehrsmittel in
so ungeahnter Weise entwickelt haben und seitdem in neuester Zeit die Wissenschaft
einen besseren Einblick in das Wesen des Gerbeprocesses verschafft und vor allen
Dingen die verschiedenen Rohmaterialien und deren Eigenschaften genau studirt hat,
seit dieser Zeit hat sich die Gerberei in grossartiger Weise entwickelt; so stellt
dieselbe gegenwärtig z.B. im Deutschen Reiche hinsichtlich des Werthes der
Productionsmenge die drittgrösste Industrie dar. Mit diesem Umschwünge ist zugleich
aber eine Veränderung in der Art der Gerbereibetriebe erfolgt; während früher der
Kleinbetrieb vorherrschte, wird jetzt die Herstellung der verschiedenen Ledersorten zu
einem grossen Theile von den kapitalkräftigeren Inhabern der Grossbetriebe
ausgeführt und eine beträchtliche Menge der Kleinbetriebe ist dabei eingegangen.
Diese Erscheinung, welche in keinem Gewerbe so deutlich zu Tage tritt, wie gerade in
der Gerberei, ist nun nicht lediglich eine natürliche
Folge der Entwickelung der Grossindustrie und nicht allein darauf zurückzuführen,
dass das Kleingewerbe den Grossbetrieben gegenüber absolut
concurrenzunfähig geworden ist. Diese Thatsache ist theilweise auch eine Folge davon, dass sich die Inhaber solcher
eingegangener Kleinbetriebe in unserer Zeit des Fortschrittes den Errungenschaften
der Technik und der Wissenschaft gegenüber vollständig zurückhaltend gezeigt haben
und in Folge dessen von ihren Collegen, die sich den Neuerungen nicht verschlossen
haben, überflügelt und zurückgedrängt wurden. Es wäre falsch, zu behaupten, dass der
Kleinbetrieb in der Gerberei überhaupt jetzt nicht mehr existenzfähig sei; es ist
nur nothwendig, dass der Inhaber vollständig auf der Höhe der Zeit steht und
richtigen Gebrauch von den Neuerungen der Technik und den Forschungen der
Wissenschaft macht.
Den ersten Anlass zu dem Umschwünge in dem Gerbereigewerbe gab die im Anfange und in
der Mitte unseres Jahrhunderts sich so grossartig entwickelnde Maschinenindustrie,
welche der Gerberei eine grosse Menge von Kraft- und Arbeitsmaschinen lieferte. Eine
weitere rege Förderung erfuhr die Gerberei dadurch, dass verschiedene Männer der
Wissenschaft begannen, sich mit diesem Gewerbe eingehender zu beschäftigen, und vor
allen Dingen die Bohmaterialien, sowie die verschiedenen in der Gerberei
auftretenden chemischen und physikalischen Processe näher studirten. Hier ist vor
allem Prof. Dr. Knapp zu nennen, welcher die Gerberei
vom wissenschaftlichen Standpunkte aus betrachtete, auf Grund seiner umfassenden
Untersuchungen eine Theorie zur Erklärung des Gerbeprocesses aufstellte und
interessante Aufklärungen über die Natur und das Wesen der Gerberei gab.„Natur und Wesen der Gerberei und des
Leders“, D. p. J. 1858 149 305 und 378. Nach seiner Ansicht,
die im Gegensatz zu allen früher, theilweise auch erst später entstandenen Theorien
über das Leder steht, ist Leder keine chemische Verbindung
von Haut und Gerbstoff, für welche MuntzAnn. Chim. Phys.,
[4] 20, 309.
dasselbe hält, sondern es besteht aus mehr oder weniger
isolirten Fasern der Bindegewebsubstanz, die durch Zwischenlagerung der
heterogensten Dinge: pflanzliche Gerbstoffe in mehr oder weniger verändertem
Zustande, Fette, Salze, Seifen u. dgl., verhindert werden, beim Trocknen
zusammenzukleben. Diese Knapp'sche Theorie,
welche von den meisten Fachleuten jetzt als richtig anerkannt wird, unterscheidet
sich von den übrigen Theorien vortheilhaft dadurch, dass sie die verschiedenen
Zweige der Gerberei von einem allgemeinen Gesichtspunkte auffasst, während die
anderen nur das Wesen der Lohgerberei erklären.
Die Knapp'schen Arbeiten sind es entschieden gewesen,
welche auch andere Chemiker veranlasst haben, sich auf dem Gebiete der
Gerbereichemie zu specialisiren. Es sind auf diese Weise eine Reihe von Laboratorien
entstanden, in denen man sich ausschliesslich oder vorzugsweise mit gerberischen
Fragen beschäftigt. In derartigen Anstalten wurden z.B. Methoden zur Untersuchung
der verschiedenen in der Gerberei verwendeten Rohstoffe ausgearbeitet, um deren
Gehalt an wirksamer Substanz, wie z.B. der Gerbmaterialien an Gerbstoff, zu
ermitteln. Derartige Anstalten waren in Folge dessen im Stande, den Gerbern Klarheit
über den Gerbstoffgehalt der von ihnen verwendeten Gerbmaterialien zu verschaffen;
als in Folge der mannigfacheren Verwendung des Leders die bei uns gebräuchlichen
Gerbstoffe, Eichen- und Fichtenrinde, nicht mehr ausreichten, suchte die chemische
Wissenschaft nach Surrogaten und fand dieselben in einer grossen Anzahl namentlich
ausländischer Pflanzen, wie z.B. in der Mimosenrinde, im Quebrachoholz u.s.w. Ferner
zeigte die chemische Untersuchung der gebrauchten Gerbmaterialien, dass dieselben
viel zu schlecht ausgenutzt werden und dass durch zweckmässige Extractionsanlagen
eine bedeutend bessere Auslaugung zu erreichen ist. Wir sehen an diesen wenigen
Beispielen, dass das Gerbereigewerbe, seitdem sich die Chemie eingehender mit
demselben beschäftigt hat, bereits grosse Vortheile davon getragen hat, dass aber
von den Fachleuten auf diesem Gebiete noch viel zu erforschen ist. Zu denjenigen
Anstalten und Laboratorien, welche sich fast ausschliesslich mit Arbeiten aus der
Gerbereichemie beschäftigen und welche dafür sorgen, dass die dabei erhaltenen
Resultate genügend bekannt und in der Praxis nutzbringend verwerthet werden,
gehören, nach dem Zeitpunkte ihres Entstehens geordnet: die unter der Direction von
Wilhelm Eitner stehende, 1873 gegründete
chemischtechnische Versuchsstation für Lederindustrie in Wien, welche zugleich auch
Kurse für Gerbereichemiker abhält, das unter Leitung von Prof. Dr. v. Schroeder stehende Gerbereilaboratorium in Tharand,
die bis jetzt als einzige bestehende deutsche Gerberschule in Freiberg i. S., an
deren Spitze ebenfalls Prof. Dr. v. Schroeder mitsteht,
sowie das mit dem Yorkshire College in Leeds verbundene Leather Industries
Laboratory mit H. Procter als Leiter. Von französischen
Chemikern haben sich namentlich Muntz und Jean mit Gerbereichemie beschäftigt und auf diesem
Gebiete werthvolle Arbeiten geliefert. Wir finden aber ausser den genannten
Fachleuten noch eine grosse Anzahl Chemiker, welche ebenfalls eifrig an der weiteren
Ausbildung der Gerbereichemie arbeiten.
In Folgendem sollen in Kürze die Fortschritte, welche im Laufe der letzten Jahrzehnte
auf dem Gebiete der Gerberei zu verzeichnen gewesen sind, und die wissenschaftlichen
Arbeiten, die nach dieser Richtung hin ausgeführt worden sind, übersichtlich
zusammengefasst und kritisch betrachtet werden.
A. Rohhaut und Blösse.
Die thierische Haut bezieh. der Theil, welcher beim Gerbeprocess in Leder übergeführt
wird, also die Lederhaut oder das Corium, sind früher nur sehr wenig untersucht
gewesen; RolletD. p. J. 1858 149
298; Wiener Akademie-Berichte, Bd. 30 S. 37 und
Bd. 39 S. 308. fand, dass dieselbe aus Bindegewebsfasern und der
sie verbindenden Intercellularsubstanz besteht, welche beide Substanzen, besonders
ihre Zusammensetzung und ihr Verhalten gegenüber verschiedenen anderen Substanzen,
später von ReimerD. p. J. 1872 205
143. eingehender studirt worden sind. Stohmann und Langbein, ebenso auch Reimer haben Elementaranalysen der
Blössentrockensubstanzen ausgeführt; die dabei erhaltenen Resultate stimmen aber nicht
vollständig mit denen überein, welche als Ergebnisse von umfangreichen, oftmals
wiederholten und mit grosser Sorgfalt ausgeführten Untersuchungen in einer Arbeit
v. Schroeder's und des BerichterstattersD. p. J. 1893 287 258 u. 283. niedergelegt sind.
Gelegentlich dieser Untersuchung wurde ausser der Zusammensetzung der
Blössentrockensubstanz verschiedener Thiere auch die Zusammensetzung der nassen
Blössen an Wasser, Fett, Asche und Hautsubstanz ermittelt. Diese Ermittelungen,
deren Resultate hier nur in Kürze angegeben werden können, zeigten, dass der
Trockensubstanzgehalt der Blösse abnimmt bezieh. der Wassergehalt steigt mit der
Abnahme der Stärke und mit Zunahme der schwammigen Textur der Blösse. Die
Elementaranalyse wurde namentlich deswegen ausgeführt, um zu prüfen, ob der
Stickstoffgehalt in der Blössentrockensubstanz ein und derselben Haut und
verschiedener Häute derselben Thiergattung constant ist, weil dann eine Grundlage
zur Lederanalyse, wenigstens zur Analyse derjenigen Leder, die mit stickstoffreien
Gerbstoffen (lohgare, fettgare, weissgare, sämischgare, mineralgare Leder) gegerbt
sind, geschaffen wäre. Die genannten Autoren constatirten, dass der Stickstoffgehalt
der wasser-, asche- und fettfreien Blössentrockensubstanz bei ein und demselben
Individuum an den verschiedensten Stellen und bei Individuen derselben Thiergattung
constant ist; es haben sogar die Blössentrockensubstanzen mehrerer Thiergattungen
den gleichen Stickstoffgehalt. Die untersuchten Blössen liessen sich hinsichtlich
des Stickstoffgehaltes in drei Klassen theilen, wobei das Nähere aus dem Originale
ersehen werden muss. Nachdem von den genannten Verfassern die Constanz des
Stickstoffgehaltes festgestellt worden war, kamen sie zu dem Schlusse, dass man im
Stande ist, aus dem Stickstoffgehalte der wasser-, asche- und fettfreien
Ledersubstanz zu berechnen, wie viel das betreffende Leder Hautsubstanz und gerbende
Stoffe enthält: ein Vorschlag, welchen bereits früher MuntzCharles Vincent: La Fabrication et le Commerce des
Cuirs et des Peaux, Paris 1877 bis 1879, Theil II S. 80 bis 108.
M. A. Muntz: Etudes sur la peau.
gemacht hat, welcher aber noch nicht spruchreif war, weil man die Constanz des
Stickstoffgehaltes zuvor noch nicht nachgewiesen hatte. Diese Methode, welche den
Durchgerbungsgrad einer der genannten Lederarten zu bestimmen gestattet, ist von den
Autoren bei späteren zahlreichen Analysen stets verwendet worden. Die Resultate der
vollständigen Elementaranalysen zeigten, dass die Blössentrockensubstanzen (im
asche- und fettfreien Zustande) verschiedener Thiere eine ziemlich gleiche
Zusammensetzung besitzen.
In einem Artikel der Deutschen Gerberzeitung bespricht
v. SchroederDeutsche Gerberzeitung, 1892 Nr. 62 bis
67. die Einwirkung des Kochsalzes auf die Haut beim Salzen und bei
der Kochsalzweiche und kommt vor allem zu dem Resultat, dass die von der Salzlösung
gelöste Menge an Hautsubstanz gar nicht so bedeutend ist, als meist angenommen wird,
und dass dieselbe gegenüber den Vortheilen der Kochsalzweiche nicht in Betracht
kommen kann. HaenleinD. p. J. 1893 288 214. studirte den Einfluss des
Kochsalzes auf die Fäulnissbakterien der Haut und fand, dass Kochsalz schon in
2procentiger Lösung einen hemmenden Einfluss auf die Entwickelung der Hautbakterien
ausübt und namentlich die verflüssigenden Stäbchenbakterien vollständig tödtet,
dass aber eine Lösung von 2 Proc. nicht hinreicht, um alle Fäulnissbakterien zu
vernichten, und mithin auch nicht die Fäulniss auf die Dauer verhindern kann,
sondern dass die volle antiseptische Wirkung erst bei stärkeren Concentrationen
eintritt.
Was die Conservirung der Rohhäute, namentlich derjenigen für den Handel, anbelangt,
so ist dieselbe in den letzten Jahren schon eine wesentlich bessere geworden und die
Qualitätsverluste durch beginnende Fäulniss in Folge mangelhafter Conservirung sind
geringer geworden. Es könnte jedoch hier im Interesse der gesammten Lederindustrie
noch viel gebessert werden, wenn der Verkäufer bezieh. der Käufer der Häute sofort
nach dem Schlachten die richtige Sorgfalt auf eine rationelle Conservirung verwenden
würde; es wäre dies zugleich im Interesse der allgemeinen Hygiene. Vor allem müssten
die Häute sofort von allen leicht zersetzlichen Substanzen, wie Blut, Mist, Fleisch,
ferner von Hörn und Knochen befreit und dann mit Kochsalz, Carbolsäurelösung o. dgl.
hinreichend conservirt werden. Dadurch würden dem Nationalvermögen alljährlich
bedeutende Summen erhalten, welche jetzt in Folge Entwerthung der Häute durch
beginnende Zersetzung verloren gehen.
In den gerberischen Fachschriften ist in den letzten Jahren sehr viel über den Werth
und über die Bedeutung der Blössengewichtsbestimmungen gestritten worden, welche
jetzt in jeder rationell geleiteten Gerberei zur Controle des Häutelieferanten
(Blössenrendement) und zur Bestimmung des Lederrendements (bezogen auf Weissgewicht)
ermittelt werden. EitnerDer Gerber, 1884
Nr. 1. zweifelt den Werth dieser Gewichtsbestimmungen für die
Praxis stark an; wenn auch zugegeben werden muss, dass die Blössenrendements
zuweilen keine zuverlässigen Zahlen liefern, so liegt dies aber in diesen Fällen an
der Art der Ausführung. Es ist bei dieser Controle vor allen Dingen nothwendig, dass
die Wägungen stets unter ganz gleichen Verhältnissen ausgeführt werden, damit
vergleichbare Resultate erhalten werden; darauf ist auch vom Berichterstatter und
von anderen SeitenDeutsche Gerberzeitung, 1893 Nr. 88 und 93;
1894 Nr. 46 und 48. wiederholt hingewiesen worden. Am
empfehlenswerthesten ist es, wenn die Wägungen nach dem vollständigen Reinmachen und
Wässern und nach 2stündigem Hängen vorgenommen werden.
B. Gerbmaterialien.
a) Lohgerberei.
Während früher in Deutschland, ebenso in einigen anderen Ländern, fast
ausschliesslich die Eichenrinde, ausser dieser vielleicht noch die Fichtenlohe,
als Gerbmaterial benutzt wurden, kommen jetzt noch eine Reihe anderer
vegetabilischer Substanzen zum Gerben in Anwendung. In Folge der mannigfacheren
Verwendung des Leders genügte die eigene Production an Gerbmaterial in unseren
Eichenschälwaldungen nicht mehr und man sah sich zur Einfuhr ausländischer
Producte unbedingt genöthigt; ferner suchte man auch nach gerbstoffreicheren
Substanzen, da die Eichen- und Fichtenlohen immer noch verhältnissmässig
gerbstoffarm sind. Durch die rasche Entwickelung der Verkehrsmittel wurde es dem
Lederproducenten ermöglicht, aus allen Erdtheilen Surrogate für die heimischen
Eichen- und Fichtenrinden zu beziehen. Es vergeht jetzt kein Jahr, wo nicht mehrere
neue Gerbmaterialien auf dem Markte angepriesen werden; sehr häufig ist das
Schicksal derselben, dass sie sehr bald wieder vom Markte verschwinden, weil sie
sich nicht für die Praxis eignen. Von einem neuen Gerbmaterial verlangt man vor
allen Dingen, dass es billig zu beschaffen ist, dass es den Gerbstoff möglichst
leicht abgibt und dem Leder keine nachtheiligen Eigenschaften ertheilt. Zu
denjenigen ausländischen Gerbmaterialien, welche sich auf dem Markte zu erhalten
vermochten, gehören vor allen Dingen die Valoneen
oder Ackerdoppen, welche aus Kleinasien und
Griechenland schon seit einer langen Reihe von Jahren zu uns kommen und
namentlich gemischt mit Eichenrinde zur Herstellung von Sohl-, Vache- und
Riemenleder Verwendung finden. Die Knoppern, die
fast ausschliesslich in den Donauländern producirt werden, benutzt man in der
Hauptsache nur in ihrer Heimat zur Herstellung von schweren Lederarten, während
sie sich in Deutschland wenig Eingang verschafft haben; dies hängt mit der
hässlichen Farbe, die dem Leder durch Knoppern ertheilt wird, mit dem
verhältnissmässig hohen und dabei sehr stark wechselnden Preise dieses
Gerbmaterials zusammen. In einzelnen Gegenden wird auch die Weidenrinde, welche im Gerbstoffgehalte der
Eichenrinde mindestens gleichkommt, mit sehr gutem Erfolge als Gerbmaterial
verwendet, und zwar gewinnt man für diesen Zweck sowohl Altholzrinde als auch
die Rinde der jungen Korbweide. Da dieses Material, wenigstens die junge Rinde,
das Leder sehr hell macht und andere günstige Eigenschaften besitzt, so wäre zu
wünschen, dass man der Gewinnung desselben eine grössere Aufmerksamkeit zuwenden
würde, damit dasselbe häufiger und in grösseren Mengen als jetzt auf dem Markte
zu erhalten wäre.
Seit einer Reihe von Jahren wird aus Australien, neuerdings auch aus Afrika, ein
sehr gerbstoffreiches Gerbmaterial in der Mimosen-
oder Wattlerinde zu uns importirt, welche etwa 22
bis 40 Proc. Gerbstoff enthält und sich namentlich zur Herstellung von Sohlleder
eignet. In England wird dieses schätzenswerthe Gerbmaterial schon vielfach
verwendet, während es auf dem Continente noch nicht die ihm gebührende genügende
Beachtung gefunden hat und daselbst mehr benutzt werden sollte, als es bis jetzt
geschieht. Vor einigen Jahren wurde von Mexico und Californien aus ein
Gerbmaterial unter dem Namen Cajotarinde oder Taroccarinde zu uns importirt, welches zunächst
grosses Aufsehen erregte, jetzt aber schon vollständig vom Markte verschwunden
ist. Diese Rinde fand bei den Gerbern wenig Anklang, weil der Gerbstoff
derselben ziemlich schwer löslich war, das Leder hässlich roth färbte und sie
trotz dieser schlechten Eigenschaften zu hoch im Preise stand.
Von Früchten sind im Laufe der letzten Jahre als Gerbmaterialien die Myrobalanen, Algarobilla und Dividivi empfohlen worden, von welchen namentlich
die ersteren wegen ihres niedrigen Preises sich schnellen Eingang verschafft
haben. Die Myrobalanen, deren Gewinnung in ihrer
Heimat, Indien, von der dortigen Forstverwaltung sehr rationell betrieben wird,
besitzen einen Gerbstoffgehalt von 18 bis 40 Proc. und eignen sich namentlich in
der Unterledergerberei zum theilweisen Ersatz der Eichenlohe bezieh. der
Valonea. Algarobilla (mit 35 bis 52 Proc. Gerbstoff) und Dividivi (mit 25 bis 51
Proc. Gerbstoff) sind sehr schätzenswerthe Gerbmaterialien, welche in
ziemlich grossen Quantitäten aus Südamerika und Westindien nach Europa exportirt
werden, aber bei uns in der Gerberei leider noch zu wenig, sondern zum grossen
Theile in der Färberei Verwendung finden.
Von Gallen werden bis jetzt in der Gerberei nur die von einer kleinasiatischen
Eiche abstammenden Rovegallen (Bassoragallen oder
Sodomsäpfel) verwendet; die übrigen Gallen sind für diesen Zweck zu theuer.
Diese Rovegallen, deren Gerbstoffgehalt etwa zwischen 22 bis 36 Proc. schwankt,
eignen sich wegen der Leichtlöslichkeit ihres Gerbstoffes vorzüglich zum
Vermischen mit dem Versetzmaterial, weil sich alsdann im Satz schnell starke
Brühen bilden.
Vor 4 bis 5 Jahren brachte Nordamerika ein neues Gerbmaterial unter dem Namen Canaigre zu uns, welches vermuthlich noch eine
grosse Zukunft hat. Dasselbe besteht aus den 2- und 3jährigen Wurzelknollen von
Rumex hymenosepalus, welche in Nordamerika, namentlich in den Flussniederungen,
in grossen Mengen angepflanzt werden; neuerdings werden auch in Afrika und in
Hawai Anbauversuche mit Canaigre gemacht; Culturversuche, welche mit dieser
Pflanze in Bosnien vorgenommen worden sind, gaben keine zufriedenstellenden
Resultate. Die bis jetzt mit der Canaigrewurzel (20 bis 30 Proc. Gerbstoff)
angestellten Gerbeversuche sind sehr günstig ausgefallen und diese würden sicher
viele europäische Gerber veranlasst haben, dieses Material ständig zu verwenden,
wenn der Preis (30 M. für 100 k) vorläufig nicht ein noch zu hoher gewesen wäre.
In den letzten Jahren hat die Regierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas
sich der Canaigrecultur sehr angenommen, was auch Erfolg gehabt zu haben
scheint, denn in dem letzten Jahre findet man auf dem Markte Angebote von
Canaigre zu niedrigeren Preisen als früher. Es wäre im Interesse der Gerberei
mit Freuden zu begrüssen, wenn man in Zukunft ein so gutes Gerbmaterial wie
Canaigre für einen massigen Preis erhalten könnte. Eine Monographie über
„Canaigre“ von CallingwoodBulletin Nr. 7 of
the Arizona Agricultural Experiment-Station. enthält
die Geschichte, die botanische Charakteristik, chemische Studien und die
Culturmethoden dieses Gerbmaterials.
Eine Anzahl verschiedener Hölzer sind in den letzten Jahrzehnten in die Reihe der
Gerbmaterialien eingetreten; es sind dies das Holz der Eiche und der
Edelkastanie, sowie das Quebrachoholz. Das Kernholz der ersten beiden Bäume
enthält im höheren Alter einen nicht unwesentlichen Gerbstoffgehalt, welcher in
Gegenden, wo diese Hölzer in grossen Mengen vorkommen und nicht vortheilhafter
verwerthet werden können, technisch ausgenutzt werden kann. Dieses Holz wird in
den meisten Fällen nicht direct als Gerbmaterial verwendet, sondern es werden
daraus Extracte gewonnen, weswegen erst weiter unten bei der Betrachtung der
Extracte darauf näher eingegangen wird.
Das wichtigste Gerbholz ist entschieden das Quebrachoholz, welches auch in Deutschland innerhalb kurzer Zeit zu
ausserordentlicher Bedeutung gelangt ist. Dieses Gerbmaterial, welches das
Kernholz des namentlich in Argentinien heimischen Loxopterigium Lorentzii
darstellt, kam zuerst Anfang der 70er Jahre nach Europa, und die Einfuhr desselben hat
sich seit etwa 12 Jahren rapid gesteigert. In Deutschland wurden im J. 1882 nur
1200 t, im J. 1888 16600 t und im J. 1893 39000 t importirt. Dieses Gerbmaterial
(der Gerbstoffgehalt schwankt zwischen 16 und 26 Proc.) konnte sich trotz seiner
zum Theil ungünstigen Eigenschaften (rothe
Farbe des damit hergestellten Leders, Schwerlöslichkeit des Gerbstoffes) so
rasch einbürgern, weil der Preis desselben ein sehr niedriger war und die
deutsche Lederindustrie dadurch in Stand gesetzt wurde, der grossen Concurrenz
der nordamerikanischen Hemlockleder und der südamerikanischen Valdivialeder
einigermaassen mit Erfolg zu begegnen und diese Leder, welche in Amerika wegen
der niedrigen Preise der Häute und der Gerbmaterialien (in Nordamerika
Hemlockrinde, in Südamerika Linguerinde) sehr billig hergestellt werden und
früher den europäischen Ledermarkt überschwemmten, einigermaassen
zurückzudrängen. Die Erfolge, die in der ersten Zeit mit Quebrachoholz erzielt
wurden, waren aber recht schlechte, was damit zusammenhing, dass man die
Eigenschaften desselben noch nicht genügend kannte. Vor allen Dingen waren
zuerst die damit hergestellten Sohlleder von so schlechter Qualität, dass
dieselben noch jetzt in einem schlechten Rufe stehen. Erst mit der Zeit erkannte
man, dass das Quebrachoholz ein Gerbstoff ist, welcher, für sich allein
angewandt, sich nur zur Herstellung von Oberleder, namentlich von Rossleder,
eignet, und dass es bei der Herstellung von schwereren Lederarten, wie
Sohlleder, mit anderen Gerbmaterialien, wie besonders Fichtenrinde, combinirt
werden muss, um bessere Qualitäten zu erhalten. Die gerberische Praxis hat es
jetzt unter Benutzung ihrer eigenen Erfahrungen so weit gebracht, dass sie mit
Hilfe des billigen Quebrachogerbstoffes bei richtiger Combination mit anderen
Gerbstoffen gute, marktfähige Qualitäten herstellt, wenn auch zugegeben werden
muss, dass sich dieselben nicht als vollständig gleichwerthig den mit Eichenlohe
gegerbten Sohlledern an die Seite stellen können, aber dafür sind sie auch im
Preise niedriger. Auf die vortheilhafte Combination des Quebrachoholzes mit der
Fichtenlohe hat v. SchroederDeutsche
Gerberzeitung, 1889 Nr. 74 und 75. wiederholt
hingewiesen.
Durch die vielfache Verwendung des Quebrachoholzes als Gerbmaterial sah sich in
Deutschland ein Theil der Eichenlohe producirenden Eichenschälwaldbesitzer und
derjenigen Gerber, welche fast ausschliesslich mit Eichenlohe arbeiten, in ihrer
Existenz bedroht und begann eine Agitation gegen dieses Gerbmaterial, welche
darin gipfelte, auf dasselbe einen so hohen Einfuhrzoll zu legen, dass die
Verwendung überhaupt unmöglich werde. Trotz einer lebhaften Gegenagitation hat
daraufhin der Deutsche Reichstag im April 1895 den Beschluss gefasst, auf
Quebrachoholz und alle überseeischen Gerbstoffe, soweit sie nicht in der
Färberei oder einem anderen Zweige der chemischen Industrie Verwendung finden,
einen Einfuhrzoll zu legen. Es bleibt zunächst abzuwarten, ob der Bundesrath
diesem Beschlusse zustimmen wird; sollte dies geschehen, so würde die
Durchführung desselben in der obigen Fassung auf viele Schwierigkeiten stossen,
zugleich würde es eine principielle Aenderung der früheren Handelspolitik sein,
nach welcher alle Rohstoffe für die heimische Industrie zollfrei eingehen
sollen. Diese Maassregel würde sicherlich für diejenigen, die den Zoll angeregt
haben, nicht den gewünschten Erfolg haben, aber auf der anderen Seite dem
grössten Theile der deutschen Lederindustrie empfindlichen Schaden zufügen,
indem demselben dadurch das billigste Gerbmaterial ausserordentlich vertheuert
werden würde und er in Folge dessen mit dem Auslande nicht mehr würde
concurriren können. Der Vorwurf, dass das Quebrachoholz den Preis der Eichenlohe
wesentlich herabgedrückt habe, ist ungerechtfertigt; der Fall des Preises der
Eichenlohe hat bereits vor der Einfuhr des Quebrachoholzes begonnen. Ein Zoll
auf Gerbmaterialien würde sich auch nur dann rechtfertigen lassen, wenn
Deutschland seinen Bedarf an Gerbmaterial selbst produciren könnte, was aber
nicht annähernd der Fall ist; etwa zwei Drittel des Gesammtbedarfes an
Gerbmaterialien muss Deutschland aus dem Auslande beziehen.
Die Blätter des Sumachbaumes, welche man früher in der Gerberei fast
ausschliesslich zur Herstellung der feineren Saffianleder verwendete, werden
jetzt vielfach in der Lohgerberei benutzt, um fertig gegerbte Leder, welche
möglichst weich und hell werden sollen, geschmeidiger und heller zu machen. Zu
diesem Zwecke werden die Leder entweder einige Zeit mit Sumachbrühe in einem
Walkfasse gewalkt oder auf einige Tage in eine derartige Brühe eingelegt.
(Fortsetzung folgt.)