Titel: | Beiträge zur Untersuchung des Wollfettes. |
Autor: | W. Herbig |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 160 |
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Beiträge zur Untersuchung des
Wollfettes.
Von W.
Herbig.
(Schluss der Abhandlung S. 135 d. Bd.)
Beiträge zur Untersuchung des Wollfettes.
II. Bestimmung der Gesammtmenge an freien und an gebundenen
Alkoholen.
Nach der Verseifung am Rückflusskühler besteht der durch Aceton zu scheidende
Bestandtheil des Wollfettes aus einem Gemisch von freien Alkoholen und Aethern
dieser Alkohole mit Fettsäuren von hohem Moleculargewicht.
Bei der Druckverseifung werden, wie ich früher gezeigt habe, auch diese höheren
Fettsäureäther zerlegt, und es entstehen nur Kalisalze sämmtlicher vorhandener
Fettsäuren und freie Alkohole. Unter Verwendung des eben beschriebenen Ganges, unter
kleinen Abänderungen des Verfahrens, können diese Alkohole gewichtsanalytisch
bestimmt werden.
Ungefähr 2 g Wollfett werden aus einem gewogenen Wägegläschen mit gut schliessendem
Stopfen, der eine graduirte Glasröhre von genügender Weite trägt, in die von mir zur
Bestimmung der Verseifungszahlen unter Druck benutzten und früher beschriebenen
Kupfercylinder so gebracht, dass das Fett auf den Boden des Cylinders zu liegen
kommt und nicht an dem oberen Theil der Cylinderwandungen haften bleibt. Das
Wägegläschen wird noch warm verschlossen und nach vollständigem Erkalten (nach
mehreren Stunden) zurückgewogen. Man verseift mit 25 cc doppeltnormaler wasserheller
oder höchstens schwach gelb gefärbter alkoholischer Lauge unter öfterem sorgfältigen
Umschwenken 3 Stunden bei 105° C. Unterlässt man das Umschwenken, so findet erstens
die Verseifung unvollständig statt, zweitens wird das Fett, welches, ohne mit der
Lauge in innige Berührung zu kommen, dann träge am Boden liegt, durch Ueberhitzung
theilweise zersetzt. Die Extracte sind dann tief braun gefärbt.
Nach beendigter Verseifung wird das Product, nachdem es im Wasserbad geschmolzen ist,
quantitativ mit Hilfe von Alkohol und Aether in ein grosses Becherglas von 400 cc
Inhalt gebracht, und nachdem soviel Alkohol zugegeben worden ist, dass die
Farbenwandlung beim Titriren mit 1/1-normalem HCl erkennbar ist, titrirt. Die Titration
erfolgt heiss, da die Kalisalze der höheren Fettsäuren in kaltem Alkohol unlöslich
sind. Der Alkohol wird dann verjagt, und die Füllung und Extraction der Kalksalze
unter denselben Bedingungen vorgenommen, wie unter I. Höhere Temperatur als 105° C.
beim Verseifen einzuhalten birgt die Gefahr anderweiter Zersetzungen in sich: es
zeigten Proben, die bei 110 bis 115° C. verseift worden waren, stets geringe Mengen
einer schwarzen schmierigen Substanz, deren Entstehung bei niederer Temperatur nicht
beobachtet werden konnte, daher jedenfalls als Zersetzungsproducte des Wollfettes
anzusprechen waren.
Es ist hier zu berücksichtigen, dass Kupfer von alkoholischer Lauge bei Gegenwart von
Wollfett angegriffen wird, dass geringe Mengen fettsaurer Kupfersalze entstehen,
welche, da sie in Aceton löslich sind, mit in den Extract eingehen.
Für die Bestimmung der Verseifungszahl bei Druckverseifungen war jene Eigenschaft der
Lauge bedeutungslos, da durch blinde Versuche der jedesmalige Verlust an Kali
berücksichtigt und in die Berechnung eingesetzt werden konnte. Es wurden 25 cc
½-normaler und dann 2/1-normaler Lauge je 1, 2 und 10 Stunden im Rohr auf 104° erhitzt und dann
mit entsprechender Normalsäure titrirt. Der Unterschied zwischen der directen
Titration von 25 cc 2/1-Lauge und der Titrirung nach dem Erhitzen betrug für 1, 2 und 10 Stunden
gleichmässig: 0,1 cc Titrirsäure. Die aus dieser Säuremenge berechnete Menge
Kalihydrat, welche zu anderen Reactionen (vielleicht zur Neutralisation etwa durch Oxydationen
gebildeter Säuren) verbraucht worden ist, beträgt 0,0057 g KOH, das sind 0,17 Proc.
des zur Verseifung angewendeten Kalihydrates. Die im Uebrigen blank gebliebene
Kupferoberfläche war an der Berührungsgrenze des alkoholischen Kalis durch CuO
schwarz geworden. Dieses CuO bildete dann natürlich fettsaure Salze. Es musste also
bei der gewichtsanalytischen Bestimmung der Alkohole der Gehalt des Extractes an CuO
resp. an fettsauren Kupfersalzen berücksichtigt und von dem direct durch Wägung
gefundenen in Abzug gebracht werden. Für die nachstehenden Versuche wurde der Gehalt
an CuO unter Annahme des Moleculargewichts der Stearinsäure 284 auf stearinsaures
Kupfer umgerechnet. Diese willkürliche Annahme schliesst natürlich eine
Ungenauigkeit in sich ein, denn wir wissen ja nicht, welche fettsauren Kupfersalze in Aceton löslich sind. Der Fehler, der
indessen dadurch entsteht, bleibt, wie aus den Zahlen zu ersehen ist, überall
gleich; auch bei Annahme eines geringeren oder höheren Moleculargewichtes der als
fettsaure CuO-Verbindungen gelösten Fettsäuren verschiebt er sich nur um einige
Zehntel-Procent.
Tabelle VII.
NamedesFettes
AngewendetesFett in g
Gefundener Extractin g
In Procent
Gefundene Aschedes Extractes in gals
CaO
Aus der Asche be-rechnetes stearin-saures
CuO in g
Unter Abzug desstearinsauren
CuOgefundener wirk-licher Extract in g
In Procent
WollfettausNeu-Seeland-Wolle
2,05922,18942,07081,97931,99251,8750
0,92000,97230,92460,88400,88760,8337
44,6344,4144,6444,5244,5444,44
0,00200,00170,00220,00180,00170,0019
0,01580,01340,01740,01420,01340,0150
0,90420,95790,90720,86980,87420,8187
43,9143,7543,8043,9443,8743,66
WollfettausBuenos-Aires-Wolle
1,97532,59342,53002,27672,47092,2516
0,88021,15211,12971,01651,10310,9977
44,5644,4244,6544,6444,6444,31
0,00260,00310,00320,00310,00340,0033
0,02060,02450,02530,02450,02680,0261
0,85961,12761,10440,99201,07630,9716
43,5143,4843,6543,5743,5543,15
WollfettausrussischerWolle
1,70502,56951,97202,04102,20502,07001,92462,19422,4940
0,68631,02790,79800,82100,88310,82830,77600,88251,0045
40,2040,0040,2140,2240,0540,0140,3240,2240,27
0,00330,00370,00350,00330,00340,00300,00300,00330,0037
0,02610,02920,02760,02610,02690,02370,02370,02610,0292
0,66020,99870,77040,79490,85620,80460,75320,85640,9753
38,7238,8739,0638,9438,8238,8739,0939,0339,10
Auch diese Bestimmungen zeigen befriedigende Uebereinstimmung, wenn bei Ausführung
besonders beachtet wird: Anwendung farbloser Kalilauge (ältere gefärbte Lauge greift
Kupfer viel stärker an); blank polirte Kupferflächen, welche viel widerstandsfähiger
sind als rauhe; gutes Digeriren des Verseifungsgemisches; Verseifungstemperatur
nicht über 105° C.; endlich auch noch die bei den Bestimmungen unter I
gekennzeichneten Punkte einer regelrechten Bestimmung des Unverseifbaren durch
Extraction der Kalksalze mit Aceton.
III. Beziehungen zwischen Verseifungszahlen und direct durch
Wägung gefundener unverseifbarer Substanz.
Vergleicht man in den drei untersuchten Wollfetten die früher nach der Verseifung am
Rückflusskühler und unter Druck erhaltenen Verseifungszahlen und die nach
obigem Verfahren erhaltenen directen Gewichte an unverseifbarer Substanz nach
beiden Verseifungsprocessen, so lässt sich folgende Betrachtung anstellen:
Nach der Verseifung am Rückflusskühler enthält der unverseifbare Bestandtheil nach
den jetzigen Erfahrungen freies Cholesterin C26H43OH, Cerylalkohol C27H53OH, Cerotinsäurecholesterin- und
-Cerylester C26H53COOC26H43 und C26H53COOC27H53, vielleicht auch noch Palmitin-, Stearin- und Oelsäureester dieser
Alkohole: C15H31COOC26H43. C15H31COOC27H53 u.s.w. Nach der Verseifung unter Druck besteht das Unverseifbare aber
nur aus C26H53OH und
C27H53OH. Die
Moleculargewichte beider Alkohole sind 372 und 394. In weitaus überwiegender Menge
ist nun jedenfalls Cholesterin vorhanden, so dass der Fehler unbedeutend erscheint,
wenn man das Moleculargewicht des chemischen Körpers, der bei der Verseifung unter
Druck gewonnen wurde durch Extraction, zu 380 annimmt. MarchettiChemiker-Zeitung, Repertorium, 1895 S.
80. scheint neuerdings einen Alkohol von der Formel C16H24O aus Lanolin
isolirt zu haben. Derselbe, Lanolinalkohol genannt, ist aber nach den Ausführungen
des Verfassers nur in der Menge von 1 Proc. darin vorhanden, so dass dieses
Moleculargewicht kaum in Betracht kommt.
Stellen wir die Durchschnittsverseifungszahlen der drei Fette zusammen, so ergibt
sich:
1 g Fett verbrauchen zur Verseifung:
Neu-Seeland-Wollfett
Amerikanisches Fett
Russisches Fett
unter Druck
0,1112 g KOH
0,0988 g KOH
0,09574 g KOH
am Rückfluss- kühler
0,1083 g KOH
0,0911 g KOH
0,07900 g KOH
––––––––––––––
–––––––––––––
–––––––––––––
Differenz
0,0032 g KOH
0,0077 g KOH
0,01674 g KOH
Die Differenz gibt nun die Menge Kalihydrat an, welche zur Verseifung der höheren
Fettsäureäther des Cholesterins und Cerylalkohols verbraucht worden ist. Nehmen wir
nun an, dass die ganze Masse der schwer verseif baren Aether aus
Cerotinsäurecholesterinäther bestünde, so besteht bei gewöhnlicher Verseifung das
Unverseifbare aus:
x (C26H53COOC26H43)
+
y (C26H43OH)
+
z (C27H53OH)
(1).
764
372
394
Nach der Druckverseifung aber aus:
x (C26H43OH)
+
y (C26H43 . OH)
+
z (C27H53OH)
(2).
372
372
394
Erstere Summe ist gleich dem Gewicht an Unverseifbarem nach Bestimmung unter I
gefunden.
Letztere Summe ist gleich dem Gewicht der unter II gefundenen Extracte zu setzen.
Ziehen wir Summe (2) von Summe (1) unter Einsetzung der Moleculargewichte ab, so
erhalten wir einen Körper vom Moleculargewicht 392, und dieser Körper, der
allerdings gar nicht existirt, würde sich mit 1 Mol. KOH = 56 zu cerotinsaurem Kali
verbinden können, eine Annahme, die chemisch ebenfalls nicht denkbar ist; dieser
Körper C26H52 . CO
vom Moleculargewicht 392 verbindet sich mit KOH zu C26H53. COOK.
Die Differenz der Gewichte an un verseif barer Substanz nach beiden Verseifungsarten
würde uns das Gewicht dieses Körpers darstellen.
1 g Fett ergibt Unverseifbares nach der Verseifung:
Neu-Seeland
Amerika
Russland
am Rückfluss
0,4630 g
0,4840 g
0,3720 g
unter Druck
0,4382 g
0,4350 g
0,3888 g
––––––––
––––––
–––––––
Differenz
0,0248 g
0,0490 g
0,0168 g.
Aus oben angeführter Differenz der Kalimengen lässt sich jene hier durch Wägung
gefundene Differenz, welche das absolute Gewicht des Körpers C26H52CO = 392
ausdrückt, berechnen.
Nach der Gleichung:
392 : 56 = x : 0,0032 g KOH
ergibt sich:
392 : 56 = x : 0,0077 g KOH
392 : 56 = x : 0,1674 g KOH
für x = 0,0224 g, 0,0539 g, 0,1171 g.
Diese Zahlen müssten nun genau, wenn unsere Annahmen richtig wären und die erwähnten
Fehlerquellen bei den Verseifungsprocessen womöglich vollständig ausgeschlossen
gewesen wären, der Differenz der Gewichte der unverseifbaren Bestandtheile, welche
nach beiden Verseifungsarten erhalten worden sind, entsprechen. Wenn wir das Fett
aus russischer Wolle vorläufig ausser Betracht lassen, so ergibt sich dann
Folgendes:
Neu-Seeland
Amerika
Durch Wägung gefundene Differenz
0,0248 g
0,0490 g
Aus der Kalimenge berechnete Dif- ferenz
0,0224 g
0,0539 g
––––––––
–––––––
+ 0,0024 g
– 0,0049 g.
Das eine Mal 0,0024 mg mehr, das andere Mal 0,0049 mg weniger als berechnet worden
ist, oder procentual ausgedrückt: + 0,34 Proc. und – 0,49 Proc. Der Fehler, der bei
diesen Annahmen zwischen gefundener und berechneter Menge dieses Körpers oder besser
Atomcomplexes vom Moleculargewicht 392 in vorliegenden zwei Fällen auftritt, liegt
innerhalb der Grenzen von 0,83 Proc.
Das schon in der ersten ArbeitD. p. J. 1894 292 42
und 66. erwähnte eigenthümliche Verhalten des russischen
Wollfettes beim Verseifungsprocess zeigt auch hier bei den gewichtsanalytischen
Bestimmungen der unverseifbaren Körper ganz abnorme Erscheinungen. Es muss bei
Druckverseifungen die Verseifungszahl naturgemäss steigen, aber der durch Wägung
gefundene Extract muss gegenüber dem bei gewöhnlicher Verseifung erhaltenen um ein
bestimmtes Gewicht, wie oben ausgeführt worden ist, kleiner sein. Die Wollfette aus
Neu-Seeland- und amerikanischer Wolle zeigen diese Regelmässigkeit in
übereinstimmender Weise. Das russische Wollfett aber verhält sich gerade
umgekehrt.
Aus den Verseifungszahlen berechnet sich analog den oben angegebenen Verhältnissen
die Menge jenes Körpers von hypothetischer Zusammensetzung C26H52 . CO zu 11,71
Proc. Bei Bestimmung des Unverseifbaren unter Druck hätte demnach gefunden werden
müssen anstatt 38,88 Proc.: 37,20 Proc. weniger 11,71 Proc: das sind 25,49 Proc. Statt dessen hat sich eine Vergrösserung der
Extractmenge nach entgegengesetzter Seite hin ergeben um 1,68 Proc. Wollte man diese
Zunahme einer Zersetzung des Wollfettes während der Verseifung unter Druck
zuschreiben, so wären nicht weniger als 13,4 Proc. Zersetzungsproducte entstanden.
Dieser Fall ist aber ausgeschlossen, denn die beim russischen Wollfett erhaltenen
Acetonauszüge verhielten sich in Bezug auf Farbe, Geruch, Viscosität und chemische
Eigenschaften genau wie die Extracte der anderen Wollfette, so dass die Ursachen des
abweichenden Verhaltens dieses Fettes anderswo gesucht werden müssen, was weiteren
eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleibt.
IV. Untersuchungen über die Zusammensetzung des
Wollfettes.
Nachdem in der beschriebenen Weise ein Verfahren gewonnen worden ist, welches einfach
in der Ausführung und exact in seinen Ergebnissen bezeichnet werden darf, sollte die
Untersuchung des Wollfettes auf die einzelnen Körper ausgedehnt werden, indem
grössere Mengen Fett in Arbeit genommen wurden. Dabei schien es mir nun von grossem
Vortheil, um einen ungefähren Ueberblick über das Verhalten eines Fettes zu
bekommen, in nachfolgend beschriebener Weise eine Voruntersuchung anzustellen.
Es wurden 2 g Fett abgewogen, in Aether gelöst, mit ½-normalalkoholischem Kali die
Säurezahl festgestellt; der Aether wird vollständig vertrieben, die gebildeten
fettsauren Kalisalze in Kalksalze verwandelt und mit Aceton extrahirt; der Extract
wird bestimmt, er enthält: leicht verseif bare Fettsäureäther, schwer verseifbare
Aether- und Alkohole – Extract I. In je zwei weiteren Proben von 1 bis 2,5 g wird
die Verseifungszahl am Rückflusskühler und unter Druck, alsdann nach Darstellung der
Kalksalze gewichtsanalytisch das Unverseifbare durch Extraction dieser Salze mit
Aceton bestimmt. Wir erhalten so Extract II, das sind Alkohole + schwer verseif bare
Fettsäureäther, und Extract III, das sind nur Alkohole. Die Differenz zwischen
Extract 1 und der zu dieser Bestimmung abgewogenen Menge Fett gibt uns direct das
absolute Gewicht der freien Fettsäuren, deren Moleculargewicht durch die angestellte
Bestimmung der Säurezahl bestimmt ist.
Die Differenz zwischen den Bestimmungen I und II gibt uns nun erstens die Menge KOH
an, welche zur Verseifung der leicht zerlegbaren Aether verbraucht worden ist,
zweitens aber durch die gewichtsanalytischen Daten die absolute Menge jenes
hypothetischen Atomcomplexes, der zur Bildung von fettsaurem Kali eben jene Menge
KOH gebraucht hat. Denn besteht Extract I aus:
x(C15H31COOC26H43) + y(C26H53COOC26H43) + z(C26H43OH)
und Extract K aus:
x(C26H43 . OH) + y(C26H53COOC26H43) + z(C26H43 . OH),
so ergibt sich analog der früheren Betrachtung durch Differenz
ein Körper vom Moleculargewicht C15H30. CO, der mit 1 Mol. KOH palmitinsaures Kali
bilden würde, C15H31.COOK, wenn wir annehmen, dass das Moleculargewicht der Palmitinsäure jenes
der Fettsäuren der leicht zerlegbaren Aether sei.
Das Moleculargewicht der Fettsäuren, welche mit Alkoholen zu leicht zerlegbaren
Aethern verbunden sind, und jener, welche zu schwer verseifbaren Körpern vereinigt
sind, wird folgendermaassen bestimmt. Man verseift 20 g Fett am Rückflusskühler,
stellt die Kalksalze dar und extrahirt.
Der so gewonnene Extract wird unter Druck in bekannter Weise verseift, aus dem
Verseifungsproduct die Kalksalze gefällt und diese ebenfalls extrahirt. Wir haben so
zwei Gruppen fettsaurer Kalksalze: a) diejenigen der leicht verseif baren, b)
diejenigen der schwer verseif baren Aether. Diese Kalksalze werden zur Darstellung
der freien Fettsäuren mit concentrirter HCl zu einem feinen Brei verrührt und über
Nacht stehen gelassen; alsdann mit H2O gekocht. Das
Kochen mit Salzsäure wird wiederholt, um die vollständige Zerlegung zu erreichen, da
diese Kalksalze dem Angriff der Salzsäure ziemlich hartnäckig widerstehen;
vortheilhaft ist es, die Zerlegung im Kolben am Rückflusskühler vorzunehmen, da auf diese
Weise die Salzsäure inniger mit den Salzen in Berührung kommt. Die abgeschiedenen
Fettsäuren werden dann in Aether gelöst, mit H2O bis
zum Aufhören der Chlorreaction gewaschen, mit CaCl2
getrocknet, der Aether verdunstet und die Menge der erhaltenen Säuren gewogen. Man
bestimmt sowohl von den Säuren a) wie b) durch Titriren mit ½-normal-alkoholischer
Lauge das Moleculargewicht.
Durch diese Bestimmungen sind uns folgende analytische Befunde gegeben:
1) Säurezahl des Wollfettes; 2) Verseifungszahl am Rückflusskühler und unter Druck;
3) Extracte: I = Gesammtfettsäureäther + Alkohole, II = schwerverseifbare Aether + Alkohole, III = Alkohole; 4) Moleculargewichte: a)
der freien Fettsäuren (zugleich absolutes Gewicht), b) der Fettsäuren der leicht
verseif baren Fettsäureäther, c) der Fettsäuren der schwer verseif baren
Fettsäureäther. Nehmen wir Cholesterin als Hauptmasse der vorhandenen Alkohole an,
so lässt sich aus diesen Daten berechnen: das vorhandene freie Cholesterin, die
Menge der leicht verseifbaren und die Menge der schwer verseifbaren Aether.
Unter Verwendung der Hübl'schen Jodzahl für die
einzelnen Extracte und Fettsäuregemische lassen sich dann weitere Schlüsse auf die
Anwesenheit resp. Mengen ungesättigter Alkohole und Fettsäuren gewinnen, so dass
schon die Ergebnisse dieser vorläufigen Untersuchung ein ziemlich klares Bild über
die Zusammensetzung des Wollfettes darzustellen vermögen.
Aus den oben angestellten Berechnungen ergibt sich für die beiden untersuchten
Wollfette, dass von jenen schwer zerlegbaren Aethern nur geringe Mengen vorhanden
sind. Es lässt sich aus der zur Verseifung der schwer zersetzbaren Aether
verbrauchten Kalihydratmenge berechnen nach der Gleichung: 764 : 56 = x : 0,0032 g
KOH, dass 4,37 Proc. Cerotinsäurecholesterinäther vorhanden sind, wenn wir annehmen,
dass dieser Aether in jenem Bestandtheil des Neu-Seeland- und amerikanischen
Wollfettes enthalten ist. Aus den durch Wägung erhaltenen Zahlen berechnet sich nach
den Gleichungen 410 : 392 = x : 0,0258 und 764 : 392 = x : 0,0258 2,69 Proc.
Cerotinsäure oder 5,03 Proc. Cerotinsäurecholesterinäther. Ebenso ergibt sich für
das amerikanische Wollfett aus der Menge des KOH berechnet: 10,51 Proc.
Cerotinsäurecholesterinäther; aus den gewichtsanalytisch gefundenen Zahlen: 5,13
Proc. Cerotinsäure oder 9,56 Proc. Cerotinsäureäther. Es besteht demnach die
Hauptmasse des Unverseifbaren aus freien Alkoholen: nämlich unter Abzug dieser
berechneten Mengen Cerotinsäureäther vom Gewicht der unverseifbaren Masse nach der
Verseifung am Rückflusskühler erhalten wir, wenn die aus der Aetzkalimenge und der
durch Wägung gefundene Betrag eingesetzt wird:
Amerikanisches Fett
Neu-Seeland-Fett
48,40 Proc.
48,40 Proc.
46,30 Proc.
46,30 Proc.
10,51 „
9,55 „
4,37 „
5,03 „
–––––––––
–––––––––
–––––––––
–––––––––
37,89 Proc.
38,85 Proc.
41,93 Proc.
41,27 Proc.
freie Alkohole. Es scheinen also
der Cerotinsäure ähnliche hochmoleculare Fettsäuren in diesen Wollfetten in geringer
Menge vorhanden zu sein. Die Hauptmasse der Fettsäuren sind als leicht verseifbare
Aether vorhanden, es werden also voraussichtlich niedere Fettsäuren bis zur
Palmitinsäure und Stearinsäure nachzuweisen sein. Weitere Schlüsse auf die
Constitution des Wollfettes aus diesen Ergebnissen ziehen zu wollen, ist nicht
thunlich. Differiren zwei Wollfette, wie die untersuchten, schon so
beträchtlich, so ist auch die Möglichkeit vorhanden, dass bei Wollfetten anderer
Provenienz die Unterschiede am Gehalt schwer verseifbarer Körper noch grössere
werden. Meine Vermuthung, dass in der Zusammensetzung des Wollfettes gewisse
Regelmässigkeiten auftreten würden, bestätigt sich, wie schon an diesen beiden
Beispielen und aus den Verseifungszahlen der von mir früher untersuchten Wollfette
erhellt, nicht. Zur vollen Aufklärung dieser Frage sind langwierige Untersuchungen
erforderlich; denn es wird unumgänglich nothwendig sein, sich verschiedene
Wollfette, sowohl aus der Wolle verschiedener Racen, als auch aus Wollen
verschiedener wollproducirender Gebiete, selbst darzustellen und nach den von mir
eingeschlagenen Verfahren analytisch zu untersuchen.
V. Trennung der im Wollfett vorhandenen Fettsäuren.
Nachdem im vorhergehenden Theile dieser Arbeit das Wollfett gewissermaassen
quantitativ in Gruppen zerlegt worden ist, erübrigt es noch, die unter Anwendung
grösserer Mengen von Wollfett, 200 bis 300 g, erhaltenen Gruppen weiter zu
untersuchen. Namentlich sollten die in den einzelnen Gruppen vorhandenen Säuren
bestimmt werden.
Die Mengen der im Filtrat der Kalksalze gelösten Fettsäuren wurden auf folgende Weise
bestimmt: Die Filtrate wurden auf dem Wasserbade zur Trockne verdampft und der
Rückstand mit heissem absoluten Alkohol so lange ausgezogen, bis der Rückstand,
bestehend aus KCl und etwas CaCl2, rein weiss
erscheint und an Alkohol nichts mehr abgibt. Die alkoholische Lösung wird in einem
Kolben durch Destillation vollständig vom Alkohol befreit und dann mit verdünnter
HCl am Rückflusskühler zur Abscheidung der freien Säuren gekocht. Zur erkalteten
Masse gibt man reinen Aether, bringt in einen Scheidetrichter und wäscht die
Aetherlösung mit wenig Wasser bis zur neutralen Reaction des Waschwassers. Der
Aether wird abdestillirt, die Fettsäuren über H2SO4 getrocknet, gewogen und dann mit 1/20-Normallauge
titrirt.
Es wurden bei vier Bestimmungen im amerikanischen Wollfett folgende Zahlen
erhalten:
AngewendetesFett
Gefundene Fettsäuren
in g
in Proc.
1,8608
0,0930
5,09
2,1156
0,1085
5,12
2,4318
0,1259
5,17
2,1110
0,1137
5,38
Zur Trennung der einzelnen Säuren von einander habe ich die fractionirte Destillation
der aus den Fettsäuren dargestellten Aethylester in der Luftleere verwendet. Da die
Methyl- und Aethylester der Fettsäuren bedeutend niedriger sieden als die freien
Fettsäuren, so schien mir die Verwendung derselben von Vortheil, um die bei höheren
Temperaturen eintretenden Zersetzungen so viel wie möglich zu vermeiden. Die
einzelnen Fractionen werden dann verseift, die Fettsäuren abgeschieden und deren
physikalische Constanten erst im rohen Zustand und dann nach wiederholter Reinigung
durch Umkrystallisiren u.s.w. bestimmt.
Die Esterification wurde erst durch Einleiten von trockener gasförmiger Salzsäure in
die Lösung der Fettsäuren in Alkohol bewerkstelligt. Nach beendigter Esterification wurde die Masse in
viel Wasser gegossen, die gebildeten Fettsäureäther mit Aether aufgenommen, die
Aetherlösung gewaschen, über geglühter Potasche getrocknet und nach der Verdunstung
des Aethers destillirt. Es zeigte sich indessen, dass auf diese Weise die von mir
erwartete Trennung nicht herbeizuführen war, da erstens die erhaltenen Aether
tiefbraun gefärbt waren und beim Destilliren unter Abgabe saurer Dämpfe sich leicht
zersetzten. Die Anwesenheit ungesättigter Fettsäuren in dem Säuregemisch lässt
vermuthen, dass beim Einleiten gasförmiger HCl als Nebenreaction eine Anlagerung von
HCl am Orte der doppelten Bindung stattfindet, so dass schliesslich ganz neue Körper
entstehen, deren leichte Zersetzbarkeit störend einwirkt. Es wurde deshalb die
Esterbildung durch 24stündiges Erhitzen des Fettsäurealkoholgemisches unter Zusatz
von wenig concentrirter H2SO4 (berechnet) am Rückflusskühler bewerkstelligt. Die
Fettsäureäther wurden so als hellgelbe, angenehm riechende Masse von butterartiger
Consistenz erhalten, welche beim Destilliren sich nur wenig zersetzte und bei 21 mm
Druck bis 290° fast vollständig als wasserhelle Flüssigkeit überging, die in der
Vorlage zu einer schwach gelb gefärbten krystallinischen Masse erstarrte. Noch
einfacher aber gestaltete sich dieser Process, als ich versuchte, die extrahirten
Kalksalze direct unter Zugabe von concentrirter H2SO4 und absolutem Alkohol am
Rückflusskühler zu esterificiren. Es wurden ungefähr 2,5 g mit Aceton extrahirte,
nach gewöhnlicher Verseifung erhaltene Kalksalze mit absolutem Alkohol und der
berechneten Menge H2SO4 am Rückflusskühler esterificirt; die Abscheidung der Fettsäureäther
erfolgte wie beschrieben. Erhalten wurden 2,6925 g Aether, das ist, unter Annahme
eines Moleculargewichts der Fettsäuren von 256, die theoretische Menge. Diese
wurden, um die Menge der noch nicht esterificirten Fettsäuren festzustellen,
titrirt; es ergab sich so eine Menge von 0,0267 g freien Fettsäuren, das sind 0,9
Proc.
Mit diesem Theile der von mir unternommenen Untersuchungen über Wollfett bin ich zur
Zeit noch beschäftigt. Die bis jetzt erhaltenen Resultate lassen erkennen, dass der
eingeschlagene Untersuchungsgang das von mir verfolgte Ziel der Isolirung der
einzelnen Säuren erreichen lässt.
Darüber soll später besonders berichtet werden.
Chemnitz, Laboratorium der Kgl. Technischen Staatslehranstalten,
April 1895.