Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 235 |
Download: | XML |
Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Fortsetzung des Berichtes S. 206 d.
Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
Nachweis des Hefeglykogens in den Zellen auf mikroskopischem
Wege von Cremer (Medicinische Wochenschrift, 1894 Heft 1). Verfasser kochte glykogenreiche
Bierhefe zur Vernichtung der Fermentwirkung eine Stunde auf, theilte dieselbe in
drei Portionen, versetzte die erste mit reinem Wasser, die zweite mit filtrirtem
Mundspeichel, die dritte mit einer Diastaselösung, fügte einige Tropfen Chloroform
hinzu und erwärmte während mehrerer Tage auf 28° C. In der wässerigen Lösung trat
dann bei Zusatz von Jodjodkalium die Glykogenreaction ausserordentlich deutlich auf;
in den beiden anderen Auszügen war Glykogen auf diese Weise nicht mehr aufzufinden.
Cremer benutzte dieses Verhalten zur Identificirung
dieses Körpers in mikroskopischen Präparaten und stellte das Hefeglykogen auch nach
Brücke in reiner Form als weisses, neutrales Pulver
dar.
Die opalisirende, wässerige Lösung gibt mit Jod eine rothe Färbung, mit
Barytwasser einen Niederschlag, reducirt Fehling'sche
Lösung selbst in der Siedehitze nicht, wird durch Speichel, Pankreas und Diastase
invertirt, zeigt eine Drehung [α]D = + 198 . 9 und liefert bei der Inversion mit
Salzsäure Traubenzucker, lässt sich aber durch Erhitzen auf 130° C. nicht theilweise
in Cellulose umwandeln. Die letztere Thatsache steht im Widerspruch zu den
Beobachtungen Salkowsky's, nach welchen Hefeglykogen
sich vom Leberglykogen in diesem Punkte unterscheidet. (Nach Chemisches Centralblatt, 1894 Bd. 2 Nr. 5 S. 245.)
Ihre frühere Arbeit über den durch thierische Fermente
bewirkten Abbau des Glykogens und der Stärke haben Külz und Vogel wiederholt (Zeitschrift für Biologie, 1894 31 S. 108) und gefunden,
dass Stärke mit Parotidenspeichel des Menschen Isomaltose, mit gemischtem Speichel
des Menschen Maltose und Isomaltose, oder je nach den angewandten, geringeren oder
grösseren Mengen des Fermentes und kürzerer oder längerer Einwirkung entweder
vorwiegend Isomaltose, oder hauptsächlich Maltose neben Dextrose lieferte. Bei
Einwirkung von Bauchspeichel des Hundes oder von Rindspankreas auf Stärke entstand
Isomaltose.
Parotidenspeichel des Menschen erzeugte aus Leberglykogen Maltose und Isomaltose,
Rindspankreas Dextrose, Isomaltose und Maltose. Geringe Quantitäten
Parotidenspeichels wandelten Muskelglykogen in Dextrose, Isomaltose und Maltose,
grössere dasselbe in Maltose und Dextrose um; Rindspankreas dagegen gab mit
demselben Körper Dextrose und Isomaltose. Aus dem Verhalten des Glykogens gegen
Diastase kann nach den Autoren ein Unterschied in der Constitution der Stärke und
des Glykogens nicht abgeleitet werden. (Chemiker-Zeitung, 1894 Nr. 44, Rep. 13 S. 145.)
Säureabbau des Glykogens von Cremer (Zeitschrift für Biologie, 1894 21 S.
181). Durch Behandlung des Glykogens mit verdünnter Oxalsäure unter Druck und
späteren Zusatz von Phenylhydrazin wurde neben Glukosazon ein Isomaltosazon
gewonnen, welches mit einem von Bull aus Stärke
hergestellten Präparat den gleichen Schmelzpunkt zeigte. Maltose wurde unter den
Inversionsproducten nicht beobachtet. In allen Fällen, in welchen aus Glykogen und
Stärke durch Fermente Maltose gebildet wird, scheint diese Bildung erst durch
Umlagerung primär entstandener Isomaltose zu erfolgen. (Chemiker-Zeitung, 1894 Nr. 76, Rep. 21 S. 228.)
Verhalten des Glykogens gegen Hefen von. Koch und Hosäus (Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde, 1894
16 S. 145). Nach den bisherigen Annahmen wird bei der Selbstgährung der Hefe
besonders aus vorher gebildetem Glykogen Alkohol und Kohlensäure erzeugt. Verfasser
zeigen nun, dass ein Glykogenzusatz zur zuckerfreien Nährlösung weder die Hefe
Vermehrung, noch die Alkoholbildung fördert, sondern dieselben geradezu hemmt. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 39 S. 1216.)
Vergleichende Studien über die Enzyme veröffentlichen
Fermi und Pernossi
(Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde,
15 S. 229 bis 284), welche die Wirkung von Wärme, von Sonnenlicht, von Gasen, von
chemischen Substanzen auf verschiedene Fermente (Pepsin, Trypsin, Ptyalin, Emulsin,
Diastase) zum Gegenstand haben.
Sie prüften ferner das Verhalten der Fermente gegen Porzellanfilter, gegen
thierische Membranen, gegen den Organismus und studirten die Wechselwirkung der
proteolytischen Enzyme auf einander. (Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 22 S. 664.)
Die Darstellung einer möglichst reinen Diastase
unternahm Egoroff (Moniteur
scient., 2 S. 741 bis 742) in der Weise, dass er 6 Centner gekeimte Gerste
mit 30procentigem Alkohol extrahirte und zunächst in den alkoholischen Filtraten das
Ferment in drei Fractionen mit absolutem Alkohol fällte. Durch fortgesetzte,
fractionirte Fällungen der mit Alkohol und Aether ausgewaschenen, über Schwefelsäure
getrockneten, dann wieder in Wasser gelösten und von unlöslichen Antheilen durch
Filtration befreiten Diastase erhielt er schliesslich einen Rückstand, welcher
allerdings frei von Asche war, aber dennoch Albumin enthielt; wenigstens gab
derselbe noch immer die charakteristischen Reactionen des Albumins.
Die Zusammensetzung der möglichst reinen, aschefreien Substanz war:
C
H
N
S
42,18 Proc.
7,10 Proc.
4,93 Proc.
0,74 Proc.;
diejenige der aschehaltigen:
C
H
N
S
P
Asche
40,24 Proc.
6,78 Proc.
4,70 Proc.
0,70 Proc.
1,45 Proc.
4,50 Proc.
Das Präparat stellte ein gelblich weisses Pulver dar, dessen Lösung in Wasser mit
Guyaktinctur und Wasserstoffsuperoxyd eine intensiv blaue Färbung gab und schwach
alkalisch reagirte. Die Asche des unreineren Productes zeigte eine schwach saure
Reaction und enthielt Kali, Magnesia, Kalk und Phosphorsäure. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 48 S. 1540.)
Den Einfluss des Lichtes auf die Diastase stellte R. Green (Annals of
Botany, 1894 8 S. 370) fest. Verfasser operirte mit directem Sonnenlichte,
wie mit elektrischem Bogenlichte und kommt auf Grund seiner Versuche zu der Ansicht,
dass nur das violette Licht Diastaselösungen zersetzt, und dass der in den
Gerstenspelzen vorhandene Farbstoff die Diastase vor dieser zersetzenden Wirkung des
Lichtes schützt. (Chemiker-Zeitung, 1894 Nr. 90, Rep.
26 S. 285.)
Ausscheidung von Invertase durch die Bierhefe, Die
Frage, ob die bekannte Inversion des Rohrzuckers durch die Hefe eine Folge blosser
Berührung mit den Zellen oder die Wirkung eines von der Hefe ausgeschiedenen
Fermentes ist, hat Onimus (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 39 S. 1213) auf die Weise gelöst,
dass er in Wasser vertheilte Hefe auf eine sterilisirte Rohrzuckerlösung durch
Vermittelung einer Membran einwirken liess. Nach Verlauf von 15 bis 20 Minuten war
die Rohrzuckerlösung invertirt, obwohl in derselben keine Hefezellen nachzuweisen
waren. Verfasser schliesst aus seinen Versuchen, dass die Hefe eine diffusible
Substanz, die Invertase oder Zymase, ausscheidet, und dass die Inversion vor der
Zellenbildung stattfindet.
Das Vorkommen und die Bedeutung eines eiweisslösenden Enzymes
in jugendlichen Pflanzen bespricht Neumeister
in der Zeitschrift für Biologie, 12 S. 447 bis 463. Die
Angaben von Gorup-Besanez, dass die Wickensamen ein
durch Glycerin extrahirbares Ferment enthalten, welches Stärke in Traubenzucker und
Fibrin in Peptone verwandelt, standen mit den Ergebnissen von Krauch's Arbeiten im Widerspruch, und Verfasser
unternahm aus diesem Grunde neue Versuche zur Klärung dieser Frage.
Zur Extraction der eiweissverdauenden Fermente bediente er sich des frischen Fibrins.
In den ungekeimten Samen und auch in den jungen Keimlingen von Lupinen, Wicken,
Erbsen, Roggen und Hafer konnte er kein derartiges Enzym nachweisen, fand aber ein
solches in einem nicht zu frühen Vegetationsstadium in den Keimlingen von Gerste,
Mohn, Rüben, Mais und Weizen. Die Menge des nur in sauren Flüssigkeiten wirksamen
Fermentes nimmt in den Pflanzen deutlich zu, bis dieselben eine Höhe von 15 bis 20
cm erreicht haben, und in diesen Vegetationsstadien finden sich in allen Peptone,
die in den ungekeimten Körnern nicht enthalten sind, also während des Wachsthums
wahrscheinlich durch Einwirkung der Enzyme auf Eiweisstoffe entstehen. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 19 S. 586.)
Die Gewöhnung der Fermente (Milchsäure-, Buttersäure- und Essigsäureferment) an antiseptische Stoffe von Effront (Comptes rendus, 119 S. 169 bis 172). In seiner früheren
Arbeit über die Anpassung der Hefe an flussäurehaltige Flüssigkeiten hatte Effront den Nachweis geliefert, dass bei der Spaltung
des Zuckers durch Flussäurehefe die sonst immer beobachteten, nicht unwesentlichen
Mengen von Nebenproducten, Glycerin und Bernsteinsäure, in um so geringerem Grade
auftreten, an je grössere Quantitäten Flussäure die Hefe gewöhnt worden war.
Derartige Hefen zerlegen den Zucker fast ausschliesslich in Alkohol und Kohlensäure.
Verfasser hat nun das Anpassungsvermögen des Milchsäure-, des Buttersäure- und des
Essigsäurefermentes an Flussäure geprüft und dieselben Thatsachen beobachtet, wie
bei den Bierhefen, nämlich eine bedeutende Verminderung des Vermehrungs- neben einer
beträchtlichen Steigerung des Gährvermögens. Da die Nebenproducte bei der Milch- und
Buttersäuregährung bisher noch nicht bekannt sind, so konnte Effront eine Aenderung in der chemischen Arbeit dieser beiden
acclimatisirten Fermente nicht feststellen, wohl aber liess sich eine solche bei
Mycoderma aceti leicht verfolgen. Die Versuche zeigten, dass mit der zunehmenden
Widerstandsfähigkeit dieses Fermentes gegen Flussäure die Oxydation des Alkohols
sich mehr und mehr nach der Gleichung CH3 . CH2OH + 6O = 2CO2 +
3H2O vollzieht. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 30 S. 938.)
Ueber die butylalkoholische Gährung und das Butylferment
hat Beijerinck (Verhandle der
Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam, Sect. II, Deel I Nr.
10 S. 51) sehr umfangreiche, interessante Untersuchungen ausgeführt, auf welche hier
nur verwiesen werden kann. (Wochenschrift für Brauerei,
1894 Nr. 24 S. 770.)
Zwei Butter säure producirende anaerobe Bakterienarten
sind von Kedrowski (Zeitschrift
für Hygiene, 1894 16 S. 445) in verschiedenen, zur Erzeugung von
Buttersäuregährung gebräuchlichen Gemischen gezüchtet. Der eine Bacillus ist dem Pasteur'schen Buttersäurebacillus ähnlich; der zweite
Anaerobe ist länger und dicker. Biologisch unterscheiden sich beide durch ihr
Verhalten in Milch. (Chemisches Centralblatt, 1894 Bd.
2 Nr. 1 S. 48.)
Einen weiteren anaeroben Buttersäurebacillus hat Grimbert (Journal de Pharmacie
et de Chimie, 29 S. 281 bis 288) im Boden
aufgefunden, denselben als Bacillus orthobutylicus bezeichnet und seine
Form, seine Stoffwechselproducte und sein Verhalten gegen verschiedene Zuckerarten,
Glycerin und Inulin beschrieben. (Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 20 S. 614.)
Untersuchungen über Essigsäurebakterien von Hansen (Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 41 S. 1272 bis 1283), von Windisch ins Deutsche übertragen. Auf diese interessante Arbeit, deren
hauptsächlichste Ergebnisse bereits im letzten Bericht dieser Zeitschrift, 1895 Nr.
6 S. 139, kurz wiedergegeben sind, mag hier nochmals aufmerksam gemacht werden.
Eine Beschreibung mehrerer auf Gerste und Hopfen häufiger
vorkommenden Schimmelpilzarten gibt Lintner mit besonderer Berücksichtigung der
Erscheinungen, die diese Pilze bei der Cultur im hängenden Tropfen oder auf den
gebräuchlichen Nähr Substraten hervorrufen (Mittheilung aus dem Laboratorium des Vereins der Spiritusfabrikanten in
Berlin):
1) Das Oidium lactis. Der Pilz siedelt sich oft auf Grünmalz, in den
Gährungsbetrieben an den Wandungen der Gefässe, auf Würze und auf Milch in Form
einer zarten, rein weissen oder unter besonderen Verhältnissen auch wohl gelblichen
Wolle an. Auf Gelatineschichten entstehen Riesencolonien von strahligem Bau mit
mehliger, trockener Oberfläche. Die Beobachtung der Keimung einer Oidiumspore im
hängenden Tropfen zeigt, dass der junge Keimschlauch zunächst ausserordentlich
schnell wächst und sich reichlich verzweigt, dass dann eine Periode reichlicher
Querwandbildung eintritt und später eine solche des allgemeinen Zerfalls der Fäden.
Das Oidium lactis bildet nach Hansen eine Spur Alkohol
in Würze, dagegen im Widerspruch mit den früheren Annahmen keine Milchsäure.
2) Das Oidium lupuli steht in der Sporenbildung dem Oidium lactis nahe, erzeugt auf
feuchtem Hopfen einen röthlichen Staub und im Gegensatz zu der bereits besprochenen
Art ein sehr üppiges, schnell heranwachsendes Luftmycel. Die Lufthyphen stellen an
der Spitze ein zierliches Geäst dar, das durch Querwände in lauter oidiumartige
Zellen zerfällt. Die Sporen sind in grösserer Menge orangeroth bis lachsfarben und
nehmen unter starker Quellung leicht Wasser auf.
3) Fusisporium moschatum (Kitasato) oder Fusarium hordei
(Matthews), Die
Gegenwart dieses Schimmelpilzes auf den Tennen oder der Schwelche deutet die rothe
Farbe vieler Malzkörner an. Von ihm befallene Gerste keimt nur schwach oder gar
nicht. Der Pilz ist an der Färbung und sichelförmigen Gestalt seiner Sporen und auch
daran leicht zu erkennen, dass er in Würze oder in Würzegelatine einen intensiven
Moschusgeruch hervorruft. Im Würzetröpfchen kann man beobachten, dass die spitzen
Endzellen häufig steril bleiben, während die mittleren Sporenabschnitte unter
Anschwellung Keimschläuche bilden, die mit denen benachbarter Sporen zuweilen
verwachsen. Eine Abschnürung der Sporen ist nur selten bemerkbar.
4) Das Penicillium cladosporioides (Cladosporium herbarum Link) ist auf Malz, auf Blättern des Hopfens, an feuchten Wänden,
Holzthüren und Fensterscheiben häufig anzutreffen und verursacht nach Zoebl die Braunspitzigkeit der Gerste. Im
Würzetröpfchen bildet es ein verzweigtes Mycel, dessen Wände sich frühzeitig
gelbbraun färben und dessen Inhalt reich an Fettröpfchen ist. Die Conidienträger
sprossen an der Spitze zu einem zierlichen Geäst aus und zerfallen leicht in
meist etwas langgestreckte, von scharfen Ecken begrenzte Gliederzellen, deren
Zellwand grünlich bis braun gefärbt ist. (Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 42 S. 1321.)
Einige interessante Schimmelpilze und Hefen haben Went und Prinsen Geerligs
gelegentlich einer Arbeit „Ueber Zucker- und
Alkoholbildung durch Organismen bei Verarbeitung der Nebenproducte der
Bohrzuckerfabrikation“ beobachtet. (Archiv
für Java-Zuckerindustrie, 1894.)
Die zur Arrakbereitung erforderlichen, invertirenden und gährungerregenden Organismen
züchten die Chinesen auf einem kuchenförmigen Hefenmaterial, Raggis genannt, welches
aus feingeschnittenem Zuckerrohr, verschiedenen Kräutern und Wurzeln und Reismehl
oder Reisstroh zusammengeknetet wird. Dem letzteren entstammen die dem Raggis
eigenthümlichen Schimmelpilze: Chlamydomucor Oryzae, seltener Rhizopus Orizae, und
zwei Hefenarten: Monilia javanica und Saccharomyces Vordermannii.
Die nahe verwandten Schimmelpilze können Amylodextrin und Dextrin in Dextrose
umwandeln und aus Klebereis 64 Proc., aus Kartoffel- oder Maismehl jedoch nur etwa 8
Proc. Dextrose, aus letzterer aber keinen Alkohol erzeugen.
Von den beiden Hefenarten ist Saccharomyces Vordermannii die wichtigste, und diese
Hefe wird aus dem Grunde, weil sie bei einer ziemlich stürmischen Gährung 19 Proc.
Traubenzucker vollständig in Alkohol und Kohlensäure zu spalten vermag und ein
reines, angenehm riechendes und schmeckendes Product liefert, in grösserem
Maassstabe in der „Proefstation Westjava“ in Reinculturen hergestellt; sie
bedarf zu ihrer Ernährung Calcium- und Magnesiumsalze, Phosphate, Sulfate und
Stickstoffverbindungen, die in Form von 0,5 Proc. schwefelsaurem Ammoniak gegeben
werden können. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 41
S. 1284.)
Unter dem Titel „Der Sammelbegriff Saccharomyces
cerevisiae“ veröffentlicht Arminius
Bau in der Wochenschrift für Brauerei, 1894
Nr. 43 S. 1366, eine Abhandlung über die Systematik der Hefen, die hier in
thunlichster Kürze wiedergegeben werden mag.
In Folge der früheren Anschauung, dass die Hefe durch geeignete Gährungsführung
beliebig in die obergährige oder untergährige Form umgewandelt werden könne, führt
die Botanik noch immer eine Reihe von Typen und eine grosse Anzahl von Heferassen
unter dem Begriff Saccharomyces cerevisiae als eine einzige Art auf, obwohl durch
Einführung der absoluten Reincultur von Hansen und
durch die Arbeiten Jörgensens und der Berliner
Lehranstalt für Brauerei längst der Nachweis erbracht ist, dass Unter- und Oberhefe
zwei vollständig getrennte Rassen sind, welche nie in einander übergehen können.
Ausser diesen beiden typischen, einen und denselben hohen Endvergährungsgrad in
Bierwürzen erzeugenden Formen der gewöhnlichen Culturhefen, welche von der Berliner
Schule als Frohberg-Hefen bezeichnet wurden, hat die erwähnte Anstalt noch eine
andere untergährige Hefe entdeckt und dieselbe Hefe Saaz genannt. Grosse und
kritische Arbeiten verschiedener Forscher haben erwiesen, dass die letztere Hefe,
welche im gebräuchlichen, botanischen Sinne ebenfalls unter den Sammelbegriff
Saccharomyces cerevisiae fällt, thatsächlich eine mit ganz charakteristischen,
bleibenden Eigenschaften ausgestattete, untergährige Art darstellt, deren obergährige Form
später von Bau aufgefunden worden ist. In ihrem
Verhalten gegen Bierwürzen unterscheiden sich die Hefen vom Typus Saaz von den
Frohberg-Hefen dadurch, dass beide erstere Formen in diesem Medium nur einen
ungleich niedrigeren Endvergährungsgrad herbeiführen können.
Nach diesen Ausführungen umfasst die Bezeichnung Saccharomyces cerevisiae also vier
Typen, von denen zwei dem Frohberg- und zwei dem Saaz-Typus angehören.
Da Ober- und Unterhefe Frohberg einerseits und Ober- und Unterhefe Saaz andererseits
den gleichen Endvergährungsgrad erzeugen, so lassen sich Ober- und Unterhefe des
gleichen Typus auf diesem Wege nicht erkennen; auch das makroskopische Gährungsbild
ist hierzu nicht in allen Fällen, besonders bei Versuchen im Kleinen, ausreichend,
denn es finden sich Oberhefen, die sich bei derartigen Prüfungen wie Unterhefen
verhalten und ihren obergährigen Charakter erst im Grossbetriebe geltend machen.
Morphologisch zeigen jedoch die Oberhefen von den Unterhefen in Bezug auf die Zeit
der Askosporenbildung so wesentliche Abweichungen, dass man sie als
Unterscheidungsmerkmale der ober- und untergährigen Typen benutzen und unter
weiterer Beobachtung der Art der Sprossung, der Askosporenbildung, des Wachsthums in
flüssigen und auf festen Nährböden die vier verschiedenen Typen recht wohl von
einander unterscheiden kann.
Verfasser beabsichtigt jedoch nicht auf Grund dieser Unterschiede eine Trennung des
Sammelbegriffs Saccharomyces cerevisiae vorzunehmen, sondern will eine solche auf
das physiologische Verhalten der erwähnten Typen gegenüber den verschiedenen
Zuckerarten und anderen Kohlehydraten gründen. Um die Zulässigkeit eines solchen
Vorgehens zu beweisen, citirt Bau die hervorragenden
Arbeiten Delbrück's und seiner Mitarbeiter über die
Unterhefe Frohberg und die Unterhefe Saaz, deren Ergebnisse er bei einer
Wiederholung dieser Arbeiten mit Ausnahme einer einzigen Angabe von Irmisch bezüglich der Gährwirkung der Hefe Saaz in
Rohrzuckerlösungen vollständig bestätigen konnte, erwähnt ferner die Untersuchungen
Hansen's, Amthor's und
auch seine eigenen Versuche über Saccharomyces apiculatus und ausserdem Hansen's einschlägige Studien über andere Hefearten,
durch welche mit absoluter Sicherheit der Nachweis geführt ist, dass das
physiologische Verhalten der Hefen gegen Zuckerarten selbst dann noch nicht
verändert wird, wenn dieselben unter den wechselndsten Bedingungen in den
verschiedensten Nährlösungen gezüchtet werden, dass also dies Verhalten eine
constante Eigenschaft der Hefen bildet, welche durch Gewöhnung und Zuchtwahl nicht
beeinflusst werden kann. In Berücksichtigung dieser Thatsache führte der Verfasser
mit den vier in Betracht kommenden, typischen Hefen und geeigneten Zuckerarten
Gährversuche durch, deren Resultate zwar nicht zur Charakterisirung der
Saccharomyces-Species, wohl aber zu derjenigen der Saccharomyces cerevisiae Arten
den sichersten Anhalt bieten, und theilt auf Grund dieser Befunde die Arten des
Sammelbegriffs Saccharomyces cerevisiae folgendermaassen ein:
Genus: Saccharomyces.
I. Artengruppe: Saccharomyces cerevisiae.
Die dieser Gruppe angehörigen Arten zeigen morphologisch die Hauptmerkmale der
bisherigen Sammelart Saccharomyces cerevisiae.
Vergährbare Zuckerarten: Glukose, Fructose,
Saccharose und Maltose.
Unvergährbar sind: Die Dextrine
Lintner's und die Lactose.
1. Species: Saccharomyces cerevisiae, Typus Frohberg,
obergährig.
Vergährbar sind ausser den unter der Artengruppe
Saccharomyces cerevisiae aufgeführten, also für sämmtliche Species dieser Gruppe
vergährbaren Zuckerarten:
α- und β-Isomaltose
Melitriose wird zerlegt in
Fructose (vergährbar)Melibiose (unvergährbar)
Diese Species umfasst alle Bier- und Brennereihefen dieses Typus und kommt in
zahlreichen Rassen oder Varietäten vor, welche zwar geringere Unterschiede in
morphologischer und physiologischer Beziehung aufweisen, aber dennoch sämmtlich die
gleichen Artmerkmale an sich tragen. Untersucht sind bisher acht Rassen, welche zum
Theil aus obergähriger Brauereihefe, zum Theil aus Brennerei- und Presshefe rein
gezüchtet wurden.
2. Species: Saccharomyces cerevisiae, Typus Saaz,
obergährig.
Vergährbar sind:
α-Isomaltose
Melitriose zerfallt in
Fructose (vergährbar)(Melibiose (unvergährbar)
Unvergährbar: β-Isomaltose.
Bekannt ist nur eine bisher in der Praxis nicht verwendete Rasse.
3. Species: Saccharomyces cerevisiae, Typus Saaz,
untergährig.
Vergährbar sind:
α-Isomaltose
Melitriose zerfällt in
Fructose (vergährbar)Melibiose (vergährbar)
Unvergährbar; β-Isomaltose.
Bekannt ist nur eine Rasse, welche die echte Saazer Hefe darstellt und zur Erzeugung
niedrig vergohrener Biere Anwendung findet.
4. Species: Saccharomyces cerevisiae, Typus Frohberg,
untergährig.
Vergährbar sind:
α- und β-Isomaltose
Melitriose zerfällt in
Fructose (vergährbar)Melibiose (vergährbar)
Diese Hefe, die charakteristische Frohberg-Hefe, wird von den meisten untergährigen
Brauereien benutzt und kommt in vielen Varietäten vor. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 43 S. 1366 bis 1371.)
(Schluss folgt.)