Titel: | Hattemer's Annäherungssignal (Ueberwegläutewerk). |
Fundstelle: | Band 298, Jahrgang 1895, S. 110 |
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Hattemer's Annäherungssignal
(Ueberwegläutewerk).
Mit Abbildungen.
Hattemer's Annäherungssignal (Ueberwegläutewerk).
Gelegentlich der Berichterstattung über die Frankfurter elektrische Ausstellung wurde 1892 283 * 169
das Hattemer'sche Ueberwegläutewerk, welches auf
Nebenbahnen, wo
keine ständige Bahnbewachung vorhanden ist, als Annäherungssignal dienen, d.h. an
Bahnüberwegen dem Publikum das Herannahen jedes einzelnen Eisenbahnzuges selbsthätig
ankündigen soll, einer ausführlichen Schilderung unterzogen. Das betreffende
Glockenwerk arbeitet so kräftig und laut, wie die gewöhnlichen, zum Vorläuten der
Züge auf Vollbahnen benutzten Läutewerke, hat aber kein Laufwerk und gewährt daher
den grossen Vorzug, dass die sonstige Nothwendigkeit des regelmässigen Aufziehens
entfällt. Nahezu seit einem Decennium ist das Hattemer'sche Annäherungssignal bereits auf preussischen Staatsbahnlinien und
insbesondere im Directionsbezirke Berlin in fortwährend zunehmender Verwendung;
durch die Anpassung an die aus der Praxis hervorgegangenen Erfahrungen und
Bedürfnisse erfuhr dasselbe aber mancherlei Wandlungen und Verbesserungen, über
welche an dieser Stelle schon einmal (1893 290 * 89)
berichtet worden ist. Die jüngste Anordnung dieses elektrisch betriebenen Signals
geht nun lediglich von der Bedingung aus, dass von der Aufstellung von Batterien auf
der offenen Strecke abgesehen werde, und dass die Dauer des Läutens, mit welchem an
einem Bahnüberwege das Herannahen eines Zuges angekündigt wird, nicht ein für
allemal auf eine gleichbleibende Anzahl von Secunden bemessen, sondern von der
Fahrgeschwindigkeit des Zuges abhängig sein soll, derart, dass der Zug in einer den
Orts- und Gefällsverhältnissen entsprechenden Entfernung vor dem Bahnüberweg das
Läutewerk durch die Beeinflussung eines ins Gleis eingelegten Stromschliessers
thätig macht und ebenso durch das Befahren eines zweiten, zunächst der
Bahnübersetzung im Gleise vorhandenen Stromschliessers wieder abstellt. Auf diesen
Grundlagen ist auch schon eine Abart des Signals aufgebaut gewesen, welche an der
obengedachten Stelle beschrieben wurde und die nunmehr nachfolgende Fortbildung
erfahren hat: Fürs erste konnten an dem eisernen Signalständer (Fig. 1 und 2), der zur
Unterbringung einer Batterie erforderlich gewesene, geräumige Sockel erspart werden
und die Tragsäule eine leichtere, schlankere Form erhalten.
Textabbildung Bd. 298, S. 111
Fig. 1.Ständer zu Hattemer's Signalapparat.
Um den erfahrungsmässig vorgekommenen Beschädigungen der
Zuleitungen vorzubeugen, wird nunmehr von der äusseren Zuführung der Leitungsdrähte
direct zum Läutewerke ganz abgesehen; die Drähte werden vielmehr von einer in
der Nähe aufzustellenden Kabelstange aus mittels kurzer Erdkabel durch den
Bahnkörper und im Säuleninneren des Signalständers bis zu den Anschlussklemmen des
Läutewerkes zugeführt. Eine sehr handsame Neuerung an dem Signalständer besteht
darin, dass der wetterdichte Schutzdeckel des Werkes, welcher bei den älteren
Apparaten jedesmal, wenn man zum Werke kommen wollte, ganz abgenommen und
weggestellt werden musste, nun mit Führungsstäben versehen ist und sich durch das
Emporspreizen der beiden scharnierartig angeordneten Henkel (Fig. 2) genügend hochheben, sowie in dieser Lage
feststellen lässt, um zum Werke zu gelangen. Das Oelen, Einstellen oder Reinigen
kann also ganz gut vorgenommen werden, ohne die Schutzhaube des Läutewerkes
wegzunehmen. Die Anordnung des Läutewerkes selbst zeigt Fig. 3; dasselbe ist gegen früher gleichfalls vereinfacht und schon mit
Rücksicht auf die Abweichungen, welche am Säulenschafte und an der Schutzhaube
platzgegriffen haben, mehrfach abgeändert worden. Hauptneuerungen liegen in der
später zu schildernden, in Fig. 3 nicht sichtbaren
Unterbrechungsvorrichtung und in der Vermehrung der Schenkel an dem festen und
schwingenden Elektromagnet des Läutewerkes von je drei auf je vier, wodurch die
Wirkung des Läutehammers angemessen gesteigert wurde. Uebereinstimmend mit der
ursprünglichen Einrichtung ist der obere vierpolige Elektromagnet zwischen zwei
gusseisernen Gestellswänden in einer etwas geneigten Lage festgeschraubt, und
ebendaselbst hängt der zweite, dem oberen ganz ähnliche, durch einen Stiel mit dem
nahezu 1,75 k schweren Glockenhammer verbundene Elektromagnet auf zwei
Achsenschrauben, so dass er sich wie ein Pendel bewegen kann.
Textabbildung Bd. 298, S. 111
Fig. 2.Ständer zu Hattemer's Signalapparat.
Die Polschuhe der beiden, in der schematischen Darstellung der
Gesammteinrichtung eines Signalpostens (Fig. 4) mit
M und M1 bezeichneten Elektromagnete bestehen für
die vier Schenkel aus je einem gemeinsamen Stück, das sehr breit gestaltet und so abgedreht ist,
dass die beiden Polschuhe beim Ausschwingen von M1 mit den zugekehrten concentrischen Flächen ganz
nahe an einander gelangen, selbstverständlich ohne sich zu berühren. Die Spulen
sämmtlicher acht Elektromagnetschenkel von M und M1 sind parallel in die
angeschlossene Leitung geschaltet und werden sonach, sobald in letzterer Strom
auftritt, alle gleichzeitig und gleichmässig erregt. In einem solchen Falle ziehen
sich M und M1 lebhaft an und der um X drehbare Elektromagnet M1 bewegt sich rasch gegen M, was einen kräftigen Schlag des Hammers auf die Innenseite der Glocke
G zur Folge hat. Hört hernach der gedachte Strom
und also auch die magnetische Anziehung zwischen M und
M1 wieder auf, so
schwingt H in die zweite gestrichelte Lage nach links
zurück und dann abermals nach rechts, um schliesslich, wenn nicht rechtzeitig eine
neuerliche Stromgebung erfolgt, in der normalen Ruhelage, wie sie Fig. 4 mit vollen Linien darstellt, stehen zu bleiben.
Wird jedoch im richtigen Momente immer wieder eine neue Stromschliessung veranlasst,
so folgen sich auch die Glocken schlage so lange, als diese Stromgebungen andauern,
und sie bilden dann jenes regelmässige Geläute, durch welches die Annäherung der
Züge verkündet werden soll. Eine solche für die Hervorrufung des Läutesignals
erforderliche wiederholte rechtzeitige Erregung von M
und M1 wird am Apparate
in ähnlicher Weise wie bei gewöhnlichen, als Selbstunterbrecher eingerichteten
Läutewerken vom bewegten Anker bewirkt, dessen Stelle hier der Elektromagnet M1 vertritt. Die
betreffende Vorrichtung besteht aus einem auf der Achse y drehbaren metallenen Winkelhebel PQ, den
der daneben vorbei schwingende Hammerstiel durch einen seitlich vorstehenden, unter
den Arm P reichenden Stift b hebt oder niedergehen lässt. Nach jeder Erregung der Elektromagnete,
kurz vor dem dadurch bewirkten Anschlagen des Hammers an die Glocke, fällt der
Arm P bezieh. das an demselben auf einer Drehachse
angebrachte Stahlläppchen i vom Hebestifte b ab, so weit, als dies eine in Fig. 4 bei s2 angedeutete verstellbare Schraube gestattet; in
dieser Lage verharrt PQ auch während des Rückschwingens
des Hammers, weil i diesmal – unbehindert vom
Anschlagstifte s – dem Hebestift b seitlich ausweichen kann. Erst bis der Hammer von
links wieder nach rechts zurückschwingt und nahezu die gewöhnliche Ruhelage erreicht
hat, wird der Arm P durch b wieder in die gewöhnliche Lage emporgehoben, weil jetzt ein Ausweichen
des Läppchens i wegen s
unmöglich ist.Diese Anordnung
stimmt allerdings mit der Wirklichkeit hinsichtlich der Ausführung nicht
ganz überein, wohl aber hinsichtlich des Principes, und ist in der
schematischen Darstellung so gewählt worden, um den Vorgang bei der
Selbstunterbrechung klar und einfach zu verdeutlichen. Um die
Wirkung dieses Hebens und Senkens von PQ auf die
Elektromagneterregung verfolgen zu können, braucht man nur vorauszusetzen, dass ein
um z drehbarer Contactarm zp so weit gehoben sei, als es erforderlich ist, damit der in der
Zeichnung als geschlossen dargestellte Ruhecontact bei n gelöst und dafür derjenige zwischen p und
der im Arm Q angebrachten Schraube q hergestellt wird. Unter dieser Voraussetzung kommt
ein Strom von der in der nächsten Eisenbahnstation aufgestellten Batterie B über den ebendaselbst befindlichen Controlwecker und
den Umschalter U in die Leitung LL – an welche sämmtliche Annäherungssignale der Strecke angeschlossen
sind – und gelangt bei 7 über 1, l in die Spulen der Elektromagnete M und
M1, ferner über l1, z, p, q, Q, y, 8, Erde E
und E0 zum zweiten
Batteriepol wieder zurück.
Textabbildung Bd. 298, S. 112
Fig. 3.Läutewerk von Hattemer.
Es erfolgt also ein Glockenschlag, wobei der Arm P abgefallen ist, also der Contact bei q gelöst wurde; der Hammer schwingt zurück nach links
und dann nach rechts, wobei er P wieder hochhebt,
mithin den Contact
bei q neuerlich schliesst, bis im Weiterschwingen des
Hammers Q das zweite Mal abfällt u.s.w. u.s.w. Der
Apparat arbeitet mithin ganz ähnlich wie ein Selbstunterbrecher, so lange der
Contactarm zp sich in der gehobenen Lage (Arbeitslage)
befindet, bei welcher die Contactfeder p mit der
Schraube q stets in Berührung steht bezieh. gelangt,
wenn und so lange PQ seine Normallage einnimmt;
dementsprechend ist also auch ein Thätigwerden des Läutewerkes unmöglich, so lange
zp die in Fig. 4
dargestellte Ruhelage besitzt, wobei sich der Contact n
im Schlusse befindet. Es ist also die Aufgabe jedes Zuges, bei der Annäherung an den
Bahnüberweg die normale Ruhelage des Contactarmes zp
rechtzeitig in die oben betrachtete Arbeitslage zu versetzen und umgekehrt beim
Eintreffen an dem Bahnüberwege die Arbeitslage des Armes zp wieder in die Ruhelage zurückzubringen. Zu diesem Behufe sind erstens
beim Glocken werke die zwei kleinen zweipoligen Elektromagnete m und m1 vorhanden, deren Ankerhebel a und a1 eine gemeinsame Abreissfeder haben, zweitens die
Stromschliesser T1 für
die eine, T2 für die
andere und T für beide Zugsrichtungen ins Gleis
eingelegt. So lange keiner der Läutetaster T1 oder T2 geschlossen ist, kann die Batterie B in keiner Weise Strom an das zugehörige Läutewerk
abgeben; gelangt jedoch ein beispielsweise von der Station her eintreffender Zug auf
den Taster T1, so wird
die Leitung L1 bei 10 mit der Erdleitung E in
Verbindung gebracht und ein Strom findet von B aus
nunmehr einen geschlossenen Weg über W, 4, U, 6, L, 7, 1, l,
M und M1, l1, z, n, m, 3, L1, 10, E1 und E0.
Textabbildung Bd. 298, S. 113
Fig. 4.Hattemer's Läutewerk.
Durch diesen Strom werden ersichtlichermaassen sowohl die
Elektromagnete M und M1 als der Elektromagnet m erregt; während demzufolge der Hammer zu einem Glockenschlaff auszuholen
beginnt, wird gleichzeitig der Anker a
von m angezogen und auf diese Art der Ankerhebel
a1 frei gemacht, so
dass der letztere abreisst und den sich mit einem isolirenden Stück auf ihn
stützenden Contactarm zp in die Arbeitslage emporhebt.
Damit ist die Vorbedingung für die Thätigkeit des Läutewerkes erfüllt und dieses
läutet denn auch von diesem Augenblicke an gleichmässig weiter, bis der Zug den
Bahnüberweg erreicht hat und daselbst durch Ueberfahren des Tasters T die leitende Verbindung von 2 über 8 zur Erde E herstellt. Nunmehr findet der Strom von B
einen Nebenweg über W, 4, U, 6, L, 7, 1, über die
Spulen von m1 und über
2, T, 8, E und E0 zum zweiten Batteriepol zurück; der erregte
Elektromagnet m1 zieht
seinen Ankerhebel a1
an, wobei derselbe wieder unter der Hakennase des Ankerhebels a gelangt und hier festgehalten bleibt. Dem
niedergehenden a folgt auch der Hebel zp, und nachdem dieser seine normale Ruhelage wieder
gewonnen hat, kann auch das Läutewerk nicht mehr weiter arbeiten, das Glockengeläute
verstummt. Ganz der gleiche Vorgang, sowohl was die Ingangsetzung als das Abstellen
des Läutewerkes anbelangt, vollzieht sich, wenn ein aus entgegengesetzter Richtung
eintreffender Zug den entsprechend weit von dem Bahnüberwege befindlichen
Läutetaster T2 und
später den Abstelltaster T erreicht und thätig
macht.
Selbstverständlich eignen sich für die Annäherungssignale auf eingleisigen
Bahnstrecken, welche übrigens vorliegendenfalls die Regel bilden, als Läutetaster
T1 und T2 nur einseitig ansprechende Stromschliesser, während als
Abstelltaster T, da derselbe für beide Fahrrichtungen
ansprechen muss, jeder der gewöhnlichen, z.B. für die Controle der
Fahrgeschwindigkeiten benutzten Streckencontacte verwendet werden kann, wenn nur
seine Stromschliessungen genügend lange andauern, um die Erregung des
Elektromagnetes m1
gehörig zu bewirken. Bei den bisherigen Ausführungen der vorstehend geschilderten
Annäherungssignale, welche aus der Berliner Telegraphenbauanstalt C. Lorenz stammen, sind als Läutetaster durchwegs die
in D. p. J. 1894 294 * 184
beschriebenen Hattemer'schen, einseitig ansprechenden
Streckenstrom schliesser und als Abstelltaster Siemens und
Halske'sche Quecksilbercontacte mit bestem Erfolge in Verwendung gebracht
worden.
Textabbildung Bd. 298, S. 113
Fig. 5.Hattemer's Wecker.
Was den in der Station vorhandenen, in die Leitung LL
(Fig. 4) geschalteten Wecker W anbelangt, so spielt derselbe ersichtlichermaassen
jedes Läuten der sämmtlichen an diese Leitung angeschlossenen Signalläutewerke mit,
und gewährt demnach eine genaue Kenntniss hinsichtlich des richtigen oder nicht
richtigen Arbeitens der Apparate und der guten, entsprechenden Betriebsfähigkeit der Einrichtung
überhaupt; ausserdem ermöglicht der Wecker eine gewisse Controle über die von den
Zügen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit. Die wirkliche Anordnung dieses Apparates,
der bestimmt ist, seinen Platz an der Wand des Stationszimmers zu erhalten, und der
gleich mit dem Umschalter vereinigt ist, zeigt Fig.
5; als eigenthümlich daran darf die Art der Anbringung des Ankers gelten, Der
Umschalter, dessen Anschlüsse in Fig. 4 ersichtlich
sind, ist für gewöhnlich der Gebrauchsnahme durch Plombirung entzogen, da er
lediglich den Zweck hat, die Ausschaltung der Batterie aus der Leitung LL in ganz besonderen Ausnahmsfällen zu ermöglichen,
nämlich wenn etwa durch atmosphärische Entladungen oder durch Beschädigung eines
Radtasters dauernde Erdschlüsse eintreten würden.
Als Stromquelle lassen sich alle für Arbeitsstrombetrieb geeignete Batteriegattungen
in Verwendung nehmen; ganz vortrefflich haben sich übrigens grössere
Zink-Kohleelemente nach Fleischer'scher Anordnung von
1,20 Volt mittlerer Klemmenspannung bewährt. Der gesammte Nutzwiderstand eines
Läutewerkes beläuft sich annäherungsweise auf 20 Ohm, und zum Antriebe des Werkes
ist ein Strom von 0,30 Ampère erforderlich; ausserdem kommt für die Bemessung der
Elementezahl der Betriebsbatterie selbstverständlich auch der Widerstand der
Zuleitung in Rechnung. Bei den bestehenden Anlagen beträgt die Entfernung der
letzten Signalposten von der Station selten mehr als 6 km und genügt innerhalb
dieser Grenzen eine Batterie von 25 hinter einander geschalteten Elementen der
obgedachten Gattung. Hinsichtlich der natürlich zur Zahl der anzutreibenden
Läutewerke und zur Zahl der täglich verkehrenden Züge im umgekehrten Verhältniss
stehenden Arbeitsdauer der Batterie liegt die Erfahrung vor, dass beim acht- bis
zehnmaligen täglichen Antrieb nur eines einzelnen Annäherungssignales die oben
bezeichnete Stromquelle mindestens ein volles Jahr arbeitsfähig bleibt.