Titel: | Ueber Wollfettuntersuchungen. |
Autor: | W. Herbig |
Fundstelle: | Band 298, Jahrgang 1895, S. 118 |
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Ueber Wollfettuntersuchungen.
Herrn J. Lifschütz
zur Entgegnung.
Von W.
Herbig.
Ueber Wollfettuntersuchungen.
In Nr. 79 der Pharmaceutischen Zeitung, 1895 S. 643,
findet sich eine von Dr. J. Lifschütz verfasste
vorläufige Mittheilung, betitelt: „Zur
Wollfettanalyse“, die namentlich meine in D. p. J. 1894 292 42 und 66 erschienene Arbeit:
„Beiträge zur Untersuchung des Wollfettes“,
ferner die S. 91 und 112 desselben Bandes von Prof. v.
Cochenhausen veröffentlichte Arbeit: „Zur
Werthbestimmung des Wollfettes“ angreift.
Der ganze Inhalt dieses Artikels, welcher lediglich aus Behauptungen besteht, aber
nicht die geringste Spur eines Beweises für dieselben bringt, würde kaum
Veranlassung zu einem Widerspruch bieten können. Da jedoch, wie in einem Artikel
über Kartellprofite in der Chemischen Industrie, 1891
S. 1, sehr richtig gesagt worden ist, derartige Behauptungen, wenn denselben nicht
widersprochen wird, unter Berufung hierauf, später als unanfechtbare Wahrheiten
hingestellt werden, so wird es gerechtfertigt erscheinen, wenn ich den Lesern dieser
Zeitschrift zumuthe, sich einige Augenblicke mit den Lifschütz'schen Angaben zu beschäftigen.
v. Cochenhausen, dessen Arbeit: „Die Werthbestimmung des Wollfettes“ (D. p. J. 1892 292 91 bis 96 und 112 bis 116) in
wenigen Zeilen durch Lifschütz abgethan wird, hat mich
ersucht, Folgendes in meine Erwiderung aufzunehmen:
„Da Lifschütz den Lesern der Pharmaceutischen Zeitung nur mittheilt, dass er bei seinen Untersuchungen auf verschiedene Fehlerquellen der von
mir angewendeten Methode gestossen sei, die so erheblich seien, dass ein genaues
Resultat von diesen Analysen nicht erwartet werden kann, und es für ganz
unnöthig hält, diese verschiedenen Fehlerquellen auch nur aufzuzählen,
geschweige denn einen Beweis für seine Behauptungen zu geben, so bin ich nicht
im Stande, mich mit Lifschütz weiter einlassen zu
können. Die Verseifung des Wollfettes unter Druck, gegen welche Lifschütz eifert, ist bei der von mir beschriebenen
Methode nicht angewendet worden. Da ich ausser der
angegebenen Arbeit über Wollfett nichts darüber veröffentlicht habe, so können
sich die Behauptungen von Lifschütz, so weit sie
mich betreffen, auch nur auf diese Arbeit beziehen, denn ich kann nicht
annehmen, dass Lifschütz auf ein von mir im Laufe
dieses Sommers abgegebenes gerichtliches Gutachten anspielt, bei welchem ich
allerdings die Arbeiten von Herbig benutzt habe.
Sollte dieses aber wider Erwarten doch der Fall sein, so muss Lifschütz sich gedulden, bis die betreffende
Gerichtsbehörde mein Gutachten der Oeffentlichkeit übergeben hat. Wenn dann Lifschütz die Fehler, welche ich begangen haben
soll, bezeichnet und die Gründe für die Richtigkeit seiner Behauptungen angibt,
so werde ich ihm antworten.“
Zunächst fasst Lifschütz die Resultate meiner Versuche
dahin zusammen: „dass durch Verseifung des Wollfettes unter ganz bestimmten
Bedingungen Zahlen erhalten werden, die angeblich einen Schluss auf die im
Wollfett enthaltenen Körpergruppen zulassen sollen.“ So weit wir zwischen
leicht und schwer verseifbaren Körpergruppen im Wollfett zu unterscheiden haben,
lässt allerdings die Verseifungszahl unter Druck erkennen, ob solche vorhanden
sind. Im Uebrigen ist aber das von Lifschütz
behauptete Resultat nirgends erwähnt worden.
In D. p. J. 1894 292 46 und
66 fasse ich die Ergebnisse jener Druckverseifungen unter I, II und III wie folgt
zusammen:
I. Dass bei allen Wollfetten die Verseifung am Rückflusskühler nach 1- bis 2stündigem
Erhitzen stehen bleibt.
II. Dass beim Verseifen unter Druck mit ½-normaler alkoholischer Lauge die Verseifung
weiter fortschreitet, aber stetigen Schwankungen ausgesetzt ist, so dass je nach der
Natur des Fettes, je nachdem es leichter oder schwerer verseif bar ist, die
Verseifung schliesslich mit der Länge der Zeit dem Endpunkt nahe gerückt wird oder
in der Mitte zwischen den Grenzen stehen bleibt. Beispiel: Australisches Wollfett
II.
III. Dass bei allen Wollfetten mit doppeltnormaler Lauge schon nach 1stündigem
Erhitzen die Grenze der Verseifbarkeit erreicht wird.
Aus diesen Worten kann doch unmöglich gefolgert werden, dass ich aus den erhaltenen
Verseifungszahlen auf die im Wollfett enthaltenen Körpergruppen einen Schluss hätte
ziehen wollen. Ich hebe vielmehr an einer anderen Stelle in D. p. J. 1894 292 67 hervor, „dass diese
Abhandlung als grundlegende Vorarbeit zu betrachten sei, um, auf den erhaltenen
Resultaten fussend, diese Fragen der Aufklärung entgegenzuführen.“ Am
Schlusse derselben weise ich ausdrücklich darauf hin, dass diese Arbeit noch nicht
abgeschlossen sei und dass weitere Untersuchungen folgen sollten, und Lifschütz würde, wenn er in D.
p. J. 1895 297 Heft 6 und 7 die Fortsetzung
meiner Untersuchungen gelesen hätte, sich manche seiner Auslassungen haben ersparen
können.
Der Hauptvorwurf, den er meiner Methode der Druckverseifung seiner Meinung nach zu
machen hat, ist der einer zu weit gehenden Zersetzung. Das ist der springende Punkt
in seiner sonst sehr dürftigen Kritik, und er führt dabei als besonders gravirend
an, dass ich selbst diese Zersetzung S. 66 mit den Worten zugebe: „.... dass ein
längeres Erhitzen des Wollfettes unter Druck schliesslich doch die Natur der
Fettsäuren, vielleicht im Sinne einer Oxydation, beeinflussen wird, so dass nach
Beendigung des Versuches möglicher Weise ganz andere Körper im
Verseifungsgemisch vorhanden sein können, als im ursprünglich verwendeten
Wollfett,“ – dabei wird aber sehr geschickt der Vordersatz weggelassen, in
welchem ich eben eine längere Erhitzung als durchaus schädlich ausschliesse,
nämlich: „.... da, wie die Versuche beweisen, schon nach 1 Stunde die Verseifung
vollendet ist, nach 10 Stunden dieselbe durchaus nicht weiter fortgeschritten
gefunden werden konnte, so durfte wohl angenommen werden, dass auch bei längerem
Erhitzen eine weitere Steigerung der Verseifung kaum zu erwarten war.
Thatsächlich ergaben die Versuche, die am australischen Wollfett II und am
südamerikanischen Wollfett zur Bestätigung dieser Vermuthung unternommen wurden,
die Verseifungszahlen 113,8 und 99,7 – Zahlen, die mit den sonst nach 1stündigem
Erhitzen erhaltenen so übereinstimmen, dass ein 20stündiges Erhitzen unter Druck
überflüssig erscheint. Es ist im Gegentheil eher anzunehmen, dass ein längeres
Erhitzen unter Druck u.s.w.....“ Es ist nun doch sehr bemerkenswerth, dass
nach 20stündigem Verseifen dieselbe Menge Kali verbraucht wird, wie nach 1stündigem.
Wenn hier nach Lifschütz weitergehende Zersetzungen stattfänden, so
müsste, wenn ich mich seinen Schlussfolgerungen anschliesse, die er später aus dem
Mehrverbrauch an Kali bei Verseifung mit dreifachnormalem Kali zieht, auch hier ein
Plus von Kali zu constatiren sein. Da bei 20stündigem
Erhitzen aber dieselbe Menge Kali wie bei 1stündigem verbraucht worden ist, so
ist die Zersetzung nach Lifschütz' Schlussfolgerungen dieselbe, wie nach
1stündigem Erhitzen.
Ein weiteres Argument für die von Lifschütz beobachtete
Zersetzung ist die Farbe des Verseifungsgemisches. Ich kann Lifschütz dazu nur bemerken, dass bei Verseifungen von Wollfett überhaupt
je nach der Menge des verwendeten Fettes auch auf dem Wasserbad nach Benedict das Verseifungsproduct stets dunkel gefärbt
ist, dass auch natürlich bei weiter fortschreitender Verseifung das Reactionsproduct
dunkler gefärbt erscheinen muss. Um diese Färbung zu erkennen, bedurfte ich der
Einladung Lifschütz' wirklich nicht; aber trotz meines
vorzüglichen Sehvermögens habe ich ein schmutzig
harziges Aussehen des Productes nicht finden können, ebenso wenig wie es
mir möglich war, mit dem Auge, wie es Lifschütz gethan,
trotz aller Anstrengung, zweifellos zu erkennen, ob eine Hydroxylirung der
Fettsäuren oder eine Spaltung bezieh. theilweise Zerstörung derselben eingetreten
war. Vielleicht werde ich versuchen, für die Zukunft dieses höchst einfache
Untersuchungsverfahren anzuwenden. Mit welchem Recht mir Lifschütz die Nichtbeachtung etwa auftretender Zersetzungen vorwirft,
weiss ich nicht. Die Möglichkeit von Complicationen ist allerdings sehr nahe gelegt,
wenn nicht absolut reine Materialien verwendet werden. Reine wasserhelle
doppeltnormale Kalilauge zeigt beim Erhitzen unter Druck nach Beendigung höchstens
eine weingelbe klare Färbung, ungefähr so wie es Benedict bei Verwendung von alkoholischer Lauge für Verseifungszwecke für
zulässig erklärt (2. Aufl. S. 101). Wenn daher Lifschütz von schmutzig gefärbten Lösungen spricht, die er beim Erhitzen
unter Druck erhalten habe, so darf eben die Reinheit seiner verwendeten
alkoholischen Lauge stark angezweifelt werden. Ich habe es nicht für nöthig
gehalten, besonders noch darauf hinzuweisen, dass bei quantitativen Versuchen,
welche namentlich nach einer neuen Richtung hin ausgedehnt werden, reinste
Materialien, genaueste Abmessungen, überhaupt ein gesteigertes Maass der
Aufmerksamkeit und Sorgfalt anzuwenden sei. Welche Breite und welchen schwulstigen
Umfang müssten dann derartige Publicationen annehmen? Ich meine, dass solche
Vorsichtsmaassregeln sich von selbst verstehen. Gewiss ist es von Wichtigkeit, den
Einfluss des alkoholischen Kalis auf die verwendeten Glaskölbchen kennen zu lernen
bei Ermittelung von Verseifungszahlen nach Benedict.
Auch ich habe, lange bevor Hefelmann seine Versuche
veröffentlicht hatte, diese Einwirkungen studirt. Diese waren aber bei den von mir
verwendeten Gläsern so gering, dass bei der Besprechung der Versuche diese
Untersuchungen füglich unerwähnt bleiben konnten, da ich nicht den Einfluss des
Kalis auf verschiedene Glassorten, was ja Mylius und
Förster in vorzüglicher Weise studirt haben, kennen
lernen wollte, sondern die Einwirkung des Kalis auf Wollfett. Gerade in dieser
Beziehung steht mir ausgiebiges Zahlenmaterial zur Verfügung, welches beweist, dass
das von mir verwendete Glas sich vorzüglich zu diesen Versuchen eignet. Die Angabe
von Lifschütz, dass 25 cc seiner alkoholischen 2/1-normalen Lauge
0,02 g Kali beim Erhitzen unter Druck verbraucht habe, ist in meiner zweiten Arbeit
(loc. cit.) widerlegt. Daselbst hat sich der Werth des verbrauchten 2/1-normalen Kalis
zu 0,0057 g KOH, das sind bei Verwendung von 2,8 g KOH 0,17 Proc. des zur Verseifung
verwendeten Kalis, ergeben und zwar ist dabei die Dauer der Erhitzung ohne Einfluss.
Diese Angaben über das Verhalten des alkoholischen Kalis bei der Druckerhitzung
waren eingehend schon im Manuscript der ersten Arbeit besprochen worden. Damals aber
habe ich, um die Darstellung nicht zu breit werden zu lassen, jene längeren
Ausführungen durch die Bemerkung ersetzt: „Bei der Verseifung des Wollfettes
werden zwar die kupfernen Röhren angegriffen, der hierdurch beim Zurücktitriren
des Kalis sich geltend machende Fehler konnte durch
jeweilige Durchfährung eines blinden Versuches corrigirt werden“
(D. p. J. 1894 292 46).
Hierdurch erledigt sich die Bemerkung von Lifschütz,
„dass aus der Arbeit nicht ersichtlich ist, ob Herbig weiter dem veränderlichen Titer der Kalilösung
u.s.w.....Rechnung getragen hat.“ Zugleich wird damit die von Lifschütz angestellte Rechnung, dass in Folge der
Nichtberücksichtigung des Kaliverbrauches beim blinden Versuch sich die
Verseifungszahl um 7 bis 9 Verseifungseinheiten, was also 6 bis 8 Proc. der
Verseifungszahl ausmacht, verschöbe, hinfällig.
Wenn schliesslich aber Lifschütz im Superlativ von einem
eclatanten Beweis der Unrichtigkeit meiner Versuche spricht, indem er je eine von
ihm mit 2/1- und
3/1-normaler
Lauge ausgeführte Verseifungszahl von Wollfett, die eine Differenz von 10,5
Verseifungseinheiten ergaben, anführt und dadurch auf das „Allerdeutlichste“,
wie er sich ausdrückt, bewiesen zu haben glaubt, dass hier weiter gehende
Zersetzungen eintreten, so muss gegen diese Art der Beweisführung sehr energisch
Protest eingelegt werden. Es ist doch selbstverständlich, dass bei analytischen
Untersuchungsmethoden stets Controlversuche, und zwar mindestens einer, ausgeführt werden müssen, dass erst mit deren
Uebereinstimmung die Gewähr einer fehlerfreien Untersuchung gesichert ist.
Bei ganz neuen Versuchsmethoden aber, deren Verlauf nach quantitativer Richtung hin
erst studirt werden soll, erscheint es aber doch äusserst bedenklich, einen einzigen
Versuch als ausschlaggebend hinzustellen. Hier dürfte es sich vielmehr empfehlen,
zwei übereinstimmende Versuche als nur zufällig zu betrachten und erst nach
Anstellung ganzer Versuchsreihen, deren Resultate gewisse Gesetzmässigkeiten
erkennen lassen, zu Schlussfolgerungen zu kommen, zumal da diese Versuche nach dem
Geständnisse von Lifschütz
„nicht geringe Anforderungen an die Geschicklichkeit der Arbeitenden
stellen“. Ich kann Lifschütz, der sich am Schlusse
seiner Controverse über die Schwierigkeit und Feinheit der Arbeiten mit
alkoholischem Kali ergeht und auf Grund der von ihm vermeintlich aufgedeckten
Fehlerquellen alle exacten Schlüsse, welche aus den Verseifungszahlen bis jetzt
gezogen worden sind, als illusorisch bezeichnet, nur anrathen, bei Titrirung und
Abmessungen so hoch concentrirter Verseifungslauge sich der peinlichsten
Genauigkeit, deren einzelne Momente er schon noch herausfinden wird, zu
befleissigen, da sonst seine eigenen Schlüsse das Schicksal der von ihm
abgeurtheilten theilen möchten. Zuletzt endlich muss ich meine Verwunderung darüber
aussprechen, dass jetzt, nachdem diese Arbeit bereits 1½ Jahre der Oeffentlichkeit
übergeben worden ist, Lifschütz mit im Ganzen zwei
Versuchen zur Kritik dieser Arbeit hervortritt. Das umfangreiche Beweismaterial,
welches ich zur Begründung eines gesetzmässigen Verseifungsprocesses, namentlich
aber zur Aufklärung der Verseifung mit Natriumalkoholat nach Kossel-Obermüller gegeben habe, müsste doch bei aufmerksamerer Betrachtung
dazu führen, dass durch Anstellung zweier Versuche, welche aus verschiedenen
Gründen, deren Studium ich Lifschütz überlasse, nicht
übereinstimmen können, die von mir aufgestellten Verseifungsgrenzen nicht verschoben
werden. Ich sehe es nicht für meine Obliegenheit an, derartig offen zu Tage tretende
und längst bekannte physikalische und chemische Eigenschaften der zu diesen
Untersuchungen verwendeten Agentien und Lösungen zum Gegenstand erweiterter
Erörterungen zu machen, zumal da ich schon in der zweiten Arbeit (loc. cit.)
verschiedene Hinweise gegeben habe, wirklich eintretende Zersetzungen zu vermeiden,
daselbst auch des Oefteren erwähnt habe, dass nicht ein Wollfett sich wie das andere
verhält und demgemäss auch behandelt werden muss. Schliesslich aber schicke ich
schon jetzt voraus, dass ich, allerdings ohne die Absicht eingetretene Zersetzungen
zu studiren, sondern zu anderen Zwecken, in der Fortsetzung meiner Arbeiten über
Wollfettuntersuchungen, die später in dieser Zeitschrift als Ganzes erscheinen
werden, genügend Beweismaterial anführen kann, welches die von Lifschütz gezogenen Schlüsse auf tiefer gehende
Zersetzungen bei der Verseifung mit 2/1-normalem Kali als wirklich illusorisch erscheinen
lässt.