Titel: | Wirkungsweise und Berechnung der Turbinen. |
Autor: | A. Schulte |
Fundstelle: | Band 298, Jahrgang 1895, S. 211 |
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Wirkungsweise und Berechnung der
Turbinen.
(Schluss des Berichtes S. 180 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Wirkungsweise und Berechnung der Turbinen.
II. Abschnitt.
Einfluss der Reibung.
§ 10. Berücksichtigung der Wasserreibung im
Laufrade.
Der Reibungswiderstand verkleinert die Geschwindigkeit in Richtung der Bewegung. Wird
in einem Punkte des absoluten Wasserweges die Geschwindigkeit c durch Reibung um de
verkleinert (Fig. 9), so verringert sich sowohl die
arbeitsfähige wie die arbeitsunfähige Componente. Die Verkleinerung der ersteren ist
gleichbedeutend mit einem Arbeitsverluste, die Verminderung der letzteren bedingt in
Folge der geringeren Austrittsgeschwindigkeit grössere Austrittsquerschnitte, übt
jedoch auf die Arbeitsverhältnisse keinen Einfluss aus.
Textabbildung Bd. 298, S. 210
Fig. 9.
Der Reibungswiderstand ist unter anderem proportional der Länge des Weges und
proportional einer Potenz der Geschwindigkeit. Je nach der Form des absoluten
Wasserweges wird sich daher die Wirkung der Reibung in einem veränderlichen
Verhältniss auf die arbeitsfähige und die arbeitsunfähige Componente vertheilen.
Für die Reibungsverhältnisse sind schwierige Integrationen nicht am Platze, man wird
daher eine vereinfachende Annahme an der Hand von Versuchsergebnissen machen.
III. Abschnitt.
Einfluss der Höhe des Laufrades.
§ 11. Die Schwerkraftswirkung auf das
Wasser im Laufrade.
Durchfliesst das Wasser das Laufrad mit der Höhe H1, so sucht die Schwerkraft die Geschwindigkeit
desselben insgesammt um
c_1=\sqrt{2\,g\,H_1}
zu vergrössern. Die Geschwindigkeitsvergrösserung tritt
allmählich auf, und zwar in jedem Augenblicke in Richtung der Bewegung.
§ 12. Nutzbarmachung der Schwerkraftsarbeit
im Laufrade.
Wir denken uns den absoluten Wasserweg als unstetigen Linienzug, dessen einzelne
Strecken die Höhe \frac{H_1}{4}haben. In den Punkten 1 und 4 (Fig. 10) addiren wir zu den Geschwindigkeiten des
Wassers noch die Vergrösserungen cΔh entsprechend der durchfallenen Höhe
\frac{H_1}{4}.Wir erkennen, dass cΔh im Punkte 1 sowohl die arbeitsfähige wie die arbeitsunfähige Componente, im Punkte
4 dagegen nur die arbeitsunfähige Componente
vergrössert. (Die Vergrösserung der arbeitsfähigen Componente wird
selbstverständlich in statu nascendi als Arbeit an das Rad abgegeben, kommt also in
Wirklichkeit nicht zu Stande.)
Textabbildung Bd. 298, S. 211
Fig. 10.
In allen Punkten findet so eine mehr oder minder grosse Vermehrung der
arbeitsunfähigen Componente statt, daher kann nur ein Theil der Schwerkraftsarbeit
nützlich verwerthet werden.
Den von der Schwerkraftsarbeit an das Rad abgegebenen Theil können wir, wenn das
Gesetz des absoluten Wasserweges gegeben ist, durch Integration finden. Es ergibt
sich
1) für das Rad:
A_s=m\,v\,\int\limits_{\alpha=\alpha_e}^{\alpha=\alpha_a}d\,c_h\,.\,cos\,\alpha
2) für das Wasser:
A_s=\frac{m}{2}\,\int\limits_{\alpha=\alpha_e}^{\alpha=\alpha_a}d\,{c_h}^2\,.\,cos^2\,\alpha
Für eine günstige Ausnutzung der Schwerkraftsarbeit empfiehlt sich der parabolische
Wasserweg.
IV. Abschnitt.
Einfluss der Pressung im Laufrade.
§ 13. Die Arbeitsleistung der Pressung im
Laufrade.
In Presstrahlturbinen sucht die Pressung im Laufrade die Geschwindigkeit des Wassers
in jedem Augenblicke in Richtung des absoluten Wasserweges zu vergrössern. Die
Arbeitsleistung der Pressung folgt daher denselben Gesetzen, wie die der
Schwerkraft im III. Abschnitt. Ein Unterschied zwischen beiden besteht aber darin,
dass bei der Schwerkraft das Gesetz der (angestrebten) Geschwindigkeitsvermehrung
gegeben ist, bei der Pressung dagegen noch beliebig gewählt werden kann durch die
Wahl der Zellenquerschnitte.
Bezeichnet dcp die einer
Pressungsabnahme entsprechende Geschwindigkeitsvermehrung, so beträgt der von der
Pressungsarbeit an die Turbinenschaufel abgeführte Theil
1) für das Rad:
A_P=m\,v\,\int\limits_{\alpha=\alpha_e}^{\alpha=\alpha_a}d\,c_p\,.\,cos\,\alpha
2) für das Wasser:
A_P=\frac{m}{2}\,\int\limits_{\alpha=\alpha_e}^{\alpha=\alpha_a}d\,{c_p}^2\,.\,cos^2\,\alpha
Textabbildung Bd. 298, S. 211
Fig. 11.
Von der Form des absoluten Wasserweges einerseits und von dem Gesetze der
Pressungsänderung andererseits wird es abhängen, wie viel von der Pressungsarbeit
nützlich verwerthet wird und wie viel nur eine Vergrösserung der
Austrittsgeschwindigkeit bewirkt. In Rücksicht auf gute Ausnutzung des
Arbeitsvermögens des Wassers wird es sich im Allgemeinen empfehlen, die stärkste
Pressungsänderung an die Eintrittsstelle des Wassers in das Laufrad, die stärkste
Richtungsänderung des absoluten Wasserweges dagegen an die Austrittsstelle (Fig. 11) zu verlegen.
V. Abschnitt.
Einfluss der Centrifugalkraft.
§ 14. Wirkungsweise der Centrifugalkraft in
den Turbinen.
1) Axialturbinen.
Bei Axialturbinen bewirken die Laufradkränze (und bei axialen Presstrahlturbinen
eventuell auch die Schaufeln) eine Rotation des Wassers, welche jedoch von
untergeordneter Bedeutung ist.
2) Radialturbinen.
a) Freistrahlturbinen.
Das Wasser hat das Bestreben, nach dem Eintritte in das Laufrad die einmal
angenommene Eintrittsebene vermöge seiner Trägheit beizubehalten. Da diese bei den
Radialturbinen (im Gegensatz zu den Axialturbinen) mit der Rotationsebene
zusammenfällt, tritt keine Centrifugalkraftswirkung auf. Es soll jedoch näher
erörtert werden, warum bei Radialfreistrahlturbinen eine Rotation des Wassers
undenkbar ist.
Da das Wasser beim Austritte aus dem Leitrade noch keine Rotation besitzt, müsste ihm
dieselbe erst durch das Laufrad ertheilt werden. Die Schaufel, gegen welche das
Wasser drückt, vermag dasselbe nicht zur Rotation zu zwingen, denn einerseits treibt
das Wasser die Schaufel und nicht umgekehrt, und andererseits könnte sie das Wasser
nur durch Zug beeinflussen. Die nächstfolgende Schaufel kommt mit dem Wasser gar
nicht in Berührung. Sind nun die Laufradzellen breiter als die Leitradzellen, so kann das Wasser
(bei wagerechter Turbinenachse) auch nicht etwa vermöge der Reibung an den
Laufradwänden in Drehung versetzt werden.
b) Presstrahlturbinen.
Textabbildung Bd. 298, S. 212
Fig. 12.
In einer Presstrahlturbine ist die ganze Zelle mit Wasser gefüllt. Die Schaufeln
können daher das Wasser der vorhergehenden Zelle zur Rotation zwingen. Eine
Nothwendigkeit oder Zweckmässigkeit der Rotation liegt aber nicht vor. Das Wasser
kann nur unter Aufwendung von Arbeit in Drehung versetzt werden. Von dieser Arbeit
kann (analog den beiden vorhergehenden Abschnitten) nur ein Theil durch
Turbinenwirkung wiedergewonnen werden. Man wird daher zweckmässig die
Geschwindigkeit und die Form der Schaufel, sowie die Belastung der Turbine so
wählen, dass eine Rotation des Wassers (Kreiselpumpenwirkung) vermieden wird.
Das in den Grundgleichungen stehende v gilt für den
Angriffspunkt der Kraft. Die Lage desselben wird von der Form des absoluten
Wasserweges abhängen. Wenn für diesen Angriffspunkt (Fig.
12) v berechnet ist, so folgt
v_e=\frac{r_e}{r}\,.\,v
und
v_a=\frac{r_a}{r}\,.\,v
3) Kegelturbinen.
Bei den Kegelturbinen lässt sich eine Kreiselpumpenwirkung nicht vermeiden, von der
nur ein Theil durch Turbinen Wirkung wieder nützlich verwerthet werden kann. Es
ergeben sich für die von der Centrifugalkraft geleistete Arbeit die Beziehungen:
A_C=-\left(\frac{m}{2}\,\int\limits_{r=r_e}^{r=r_a}d\,{c_c}^2-\frac{m}{2}\int\limits_{r=r_e}^{r=r_a}d\,{c_c}^2\,cos^2\alpha\right)
für das Wasser und
A_C=-\left(m\,v\,\int\limits_{r=r_e}^{r=r_a}d\,c_c-m\,v\,\int\limits_{r=r_e}^{r=r_a}d\,c_c\,cos\alpha\right)
für das Rad.
VI. Abschnitt.
Zusammenfassung der einzelnen Arbeiten.
In den Abschnitten I bis V haben wir nach einander erforscht, in welcher Weise und in
welcher Grösse das mit der Geschwindigkeit ce in das Laufrad fliessende Wasser in demselben
Arbeit leistet, und wie diese vermehrt oder vermindert wird durch den Einfluss der
Laufradhöhe, der Pressung, der Reibung und endlich der Centrifugalkraft.
Allgemein können wir sagen: jede Geschwindigkeit zerlegt sich in die arbeitsfähige
und die arbeitsunfähige Componente. Wir streben danach, dem Wasser eine solche
Richtung zu geben, dass die arbeitsfähige Componente möglichst gross werde. Wir
wenden, wenn möglich, stets den senkrechten Austritt des Wassers und den höchsten
Grad der Arbeitsfähigkeit der Schaufel, d. i. die günstigste Belastung der Turbine,
an.
Für eine günstige Wasserführung sowohl, wie für gute Arbeitsleistung empfiehlt
sich die weitgehendste Anwendung des parabolischen absoluten Wasserweges (Fink'scher Wasserweg), für welchen dann auch genaue
Erfahrungscoefficienten in Bezug auf die Reibung u.s.w. gewonnen werden können.
In der Höhe des Laufrades, in der Pressung und in der Beschleunigung des Wassers
durch die Centrifugalkraft liegen principielle Nachtheile der Turbinen, welche nur
durch constructive oder andere technische Vortheile aufgewogen werden können.
Die Entwickelungen, welche für die einzelnen Einflüsse getrennt durchgeführt wurden,
haben allgemeine Gültigkeit. Da die Kräfte der Natur ihre Wirkung ausüben, ungestört
durch andere noch vorhandene Kräfte, können die in den verschiedenen Abschnitten
entwickelten Arbeiten der einzelnen Kräfte algebraisch zu einander addirt
werden.
A. Schulte.