Titel: | Neuerungen an Cylinderschermaschinen. |
Autor: | Aug. Braulik |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 1 |
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Neuerungen an
Cylinderschermaschinen.
Von Ing. Aug. Braulik.
Mit Abbildungen.
Neuerungen an Cylinderschermaschinen.
Unter den zahlreichen, öfters sehr interessant construirten Appreturmaschinen sind
die Cylinderschermaschinen durch ihre besondere Bauart, so auch durch die bedingte
Vorzüglichkeit der technischen Bearbeitung und des Materials besonders geeignet, das
Interesse bei allen Factoren der Textilindustrie rege zu erhalten. In der jüngsten
Zeit wurden an den Cylinderschermaschinen Neuerungen angebracht, welche dem Principe
„Time is money“ in vollendeter Weise entsprechen und nach zwei Klassen
gesondert werden können. Diese Neuerungen bezwecken entweder nur eine erhöhte
Leistungsfähigkeit der Maschine oder eine erhöhte Leistungsfähigkeit in Verbindung
mit Kraftersparniss. Gewiss muss man den letzteren den Vorzug geben dann, wenn die
gelieferte Arbeit dieselbe Qualität erreicht.
Die Verbesserungen, welche der ersten Richtung entsprechen, bestehen in der Anordnung
von bis vier Schercylindern und je einer Umdrehungszahl von 1200 in der Minute und
darüber. Die Verbesserungen, welche der anderen Richtung entsprechen, bestehen in
der Anordnung von zwei oder mehr Gegenmessern an einem und demselben Schercylinder.
Dadurch erscheint die Schermaschine wirklich verbessert, indem die grosse Differenz
zwischen Kraftaufwand für die wirkliche Scherarbeit und dem zur Bewegung der
Maschine benöthigten bereits um 50 Proc. und entsprechend mehr reducirt erscheint.
Für den Zweck der vorliegenden Besprechung ist es weniger von Interesse, zu
constatiren, dass mit dem amerikanischen Patente des Samuel
Grissould Dorr 1792 bis 1793 die Cylinderschermaschine der Hauptsache nach
erfunden und in Amerika schnell Verbesserung und Verbreitung gefunden, dass die viel
verbreitete Ansicht verfehlt genannt werden darf, der Engländer John Lewis aus Briscomb hätte 1815 zuerst den Messern
die Spiralform gegeben, vielmehr man aus englischen Quellen erfahren kann, dass die
Constructionen von J. Lewis, St. Price, W. Dawis u.a.
in der That nur Nachahmungen amerikanischer und in England eingeführter Maschinen
waren.
Der Zweck der vorliegenden Besprechung ist der, die Neuerungen und
Verbesserungen, mit denen die modernen Schermaschinen ausgerüstet sind und von
deutschen, englischen, französischen und belgischen Maschinenfabriken auf den Markt
gebracht werden, vollkommen objectiv und, wo es möglich war, mit Zuhilfenahme leicht
fasslicher Zeichnungen zu besprechen, um dadurch das Interesse für diese
Maschinenart in allgemeiner Richtung fördern zu können.
Die Maschinenfabrik Ernst Gessner in Aue in Sachsen (D.
R. P. Kl. 8 Nr. 71718) hat an den Schermaschinen am Cylinder zwei oder mehr
Schermesser angebracht. Die Ausstattung des Schercylinders ist derart, dass jedes
Gegenmesser mit einem und demselben Cylinder ein Schneidzeug bildet. Bei diesen an
einem Cylinder angewendeten Gegenmessern macht es sich nöthig, die verschiedene
Anstellung an die Schnittfläche der Cylindermesser in einfacher Weise zu bewirken,
und sind zu diesem Zwecke Doppelmesser angewendet, und zwar ist je ein zweites
Messer unterhalb eines jeden Gegenmessers so angebracht, dass diese gewissermaassen
die Schermesser verstärken, so dass die Waare durch die verstärkten Messer von der
Schnittlinie entsprechend abgehalten wird. Dieses zweite Messer wird nun durch
Verstellung der Schnittfläche ab- und zugeführt, um auf der Waare eine gewisse
gewünschte Haarlänge zu erzeugen. Durch die Anwendung dieser verstellbaren
Untermesser fällt der bisherige Schertisch weg und somit
auch das nothwendige Verstellen des Schertisches nach der Breite bin für
Leistenwaare. Durch diese neue Einrichtung ist gleichzeitig ein Verletzen der Waare
aufgehoben, denn selbst die die einzelnen Waarenstücke zusammenhaftende Naht geht,
wenn der Nahtsaum auf die Rückseite der Waare zu stehen kommt, ohne Störung über die
Schnittfläche der Gegenmesser und deshalb ist ein jedesmaliges Abheben des Cylinders
beim Durchgang der Naht, wie es sonst nöthig ist, nicht erforderlich.
Textabbildung Bd. 299, S. 1
Fig. 1.Gessner's neupatentirte Schermaschine mit zwei Schermessern am
Cylinder.
In Fig. 1 ist C der
Cylinder mit Stahlfedern F belegt, an welche zwei
Gegenmesser MM1
angestellt sind. Das Messer M befindet sich unterhalb
des Cylinders C wie gebräuchlich. Das andere Messer M1 ist oberhalb des
Cylinders C angebracht. Beide Messer sind sowohl in
tangentialer als auch in radialer Richtung zum Cylinder C verstellbar und zwar mittels der Schrauben 1 und 2.
Die Waare geht über die Leitwelle W, die
Aufstreichbürste B zur Stell welle W1, über welche sie dem
unteren Schneidzeug, dem Gegenmesser M zugeführt
wird.
Von diesem wird die Waare mittels Leitwelle W2 zu dem oberen Schneidzeug, dem Gegenmesser M1 transportirt. In der
Nähe der Leitwelle W2
sind zwei Bürsten B1B2 montirt zum
Zustreichen und Aufstreichen der Waare.
Von dem Gegenmesser M1
wird die Waare über die Welle W3 weitergeführt zu weiteren Schneidzeugen oder zu
einer Zugwalze und einem Ableger.
Das eine Untermesser M2
ist mittels einer Feder F1 und Schrauben in Führung unterseits an das Messer (Schermesser) M angedrückt und das andere Messer M3 ist mittels
Schrauben in Führung auf dem Gegenmesser M1 aufliegend gehalten, so dass sich beide
Untermesser M2M3 mit den Gegenmessern
MM1 zu je einem
verstärkten Gegenmesser vereinigen.
An den Stirnseiten des Untermessers M2 befindet sich je ein Zapfen Z, welcher in einem gabelförmigen Hebel H ruht.
Dieser Hebel H ist auf der festen Welle W4 montirt. Diese
erhält durch Schneckenantrieb s eine beliebig zu
regulirende Hin- und Herbewegung, wodurch das Untermesser M2 der Schnittfläche des Gegenmessers M nach Bedarf ab- und zugeführt werden kann.
Die Zeichnung stellt den Zustand dar, in welchem das Untermesser M2 mit der Vorderkante
die Schnittfläche des Gegenmessers M deckt und in
welchem Zustande die längste Faser- oder Haarhöhe erzeugt wird.
Je weiter das Untermesser M2 von der Schnittfläche M zurückgestellt
wird, desto langhaariger wird die Schur. Das andere Untermesser M3 befindet sich am
weitesten von der Schnittfläche des Messers M1 zurückgestellt, so dass die Waare direct auf dem
Gegenmesser M1 zur
Auflage kommt und die kürzeste Schur erzeugt wird.
Dieses Untermesser M3
wird durch den auf der Welle W5 befindlichen Hebel H1 gehalten und durch den
Schneckenmechanismus s1
eingestellt.
Die Untermesser M2M3 können je nach
Bedürfniss beliebige Stärke haben, sie können auch eingerichtet sein zum
Verstellen in radialer Richtung von der Schnittfläche der Gegenmesser MM1, wodurch jede beliebig grössere Haarlänge auf der
Waare erzeugt werden kann.
Die Gegenmesser MM1 sind
hier in wagerechter Lage befindlich dargestellt, sie können aber auch in jeder
beliebigen anderen Lage am Cylinder C eingestellt
werden. Es können ferner auch mehr als zwei Gegenmesser MM1 für jeden Schercylinder C in Anwendung kommen.
Die beiden Untermesser M2M3 können
auch in Wegfall kommen und dafür kann je nach Bedürfniss der Schertisch in der
bisher gebräuchlichen Stellung in Anwendung gebracht werden.
Eine solche Zusammenstellung ist aus der Fig. 2
ersichtlich.
Textabbildung Bd. 299, S. 2
Fig. 2.Gessner's neupatentirte Schermaschine mit zwei Schermessern am
Cylinder.
Die Waare geht vom Drehriegel a zur Leitwelle b, wird von der Linksseitbürste B gereinigt, gelangt zur Aufsatzbürste B1, geht über die
Leitwelle c zum Schertisch, wird dort über Kante
gebogen und geschoren, ferner über Leitwalzen d und e zum zweiten Schneidzeug mittels Welle g gestellt und zum zweiten Mal geschoren und gelangt
über die Leitwellen f, h und i zur Zugsvorrichtung kl und von da in den
Fachapparat m und fällt gefaltet in den Waarenkasten
K, um von da, wenn nöthig, nochmals den
beschriebenen Weg zu machen.
Das untere Schneidzeug besitzt kein Untermesser, sondern nur das Gegenmesser, indem
ein Schertisch vorhanden ist. Das zweite Schneidzeug ist, wie in Fig. 1, mit Gegenmesser und Untermesser
ausgerüstet.
B2B3 dienen zum
Aufstreichen und Zustreichen der Waare; die Leitwelle h
kann mittels Schneckenradvorrichtung zur Bürste B3 richtig gestellt werden. Durch den Tritt T erfolgt die Abhebung des Schercylinders.
Die nach Fig. 1 ausgeführte Maschine, bei welcher der
Schertisch fehlt, vereinfacht die Bedienung ausserordentlich, deshalb lassen sich
mehr Cylinder mit doppeltem Schneidzeug in einer Maschine zu grösserer Production
vereinigen, ohne dabei eine vermehrte Arbeitskraft in Anspruch zu nehmen. Es werden
demnach Maschinen mit ein- und mehrfachen Schercylindern mit je zwei Schneidzeugen
ausgeführt.
Die Anordnung mit drei Schercylindern und sechs Schneidzeugen ist dafür construirt,
gewisse Waaren, die mit etwa sechs Schnitten geschoren werden, in einer einzigen
Passage fertig zu scheren. Es verbindet diese Maschine den Vorzug einer grossen
Production mit der einfachen Bedienung, Ersparniss an Platz, Kraft und Arbeitslohn.
Eine solche Maschine mit drei Schercylindern und sechs Schneidzeugen war auf der
Weltausstellung in Chicago ausgestellt.
Das Abheben des Schneidzeuges bei den früheren Ausführungen hat den Uebelstand
gehabt, dass das Schneidzeug in gehobener Stellung nur in der Hand des Arbeiters ruht, wodurch beim
Herunterlassen sehr häufig die Stellschraube einen heftigen Stoss erleiden muss, und
auch ebenso oft die Federn des Cylinders oder das Untermesser Sprünge erhalten oder
sonst eine Unregelmässigkeit eintreffen konnte. Um diese Nachtheile zu beseitigen,
hat die Maschinenbauanstalt Rudolph und Kühne in Berlin
(D. R. P. Nr. 23324) bei ihrer Längenschermaschine eine Excenterstellvorrichtung des
Schneidzeuges gebaut.
Textabbildung Bd. 299, S. 3
Fig. 3.Longitudinalschermaschine von Rudolph und Kühne in Berlin.
Die neuen Cylinderschermaschinen dieser Firma sind niedriger gebaut als die früheren,
um die Bedienung für Mädchen zu erleichtern, gleichzeitig indessen auch tiefer, und
die Anordnung des Schneidzeuges ist derartig getroffen, dass hinter demselben dem
Arbeiter noch Gelegenheit geboten ist, die Schur zu sehen.
Die vordere Seite der Maschine ist für die Waare ganz frei, da die
Schneidzeughebevorrichtung seitlich gelegt worden ist. Das Heben des Schneidzeuges
erfolgt nach Fig. 3 durch ein Handrad mittels der
skizzirten Excenterhebevorrichtung. Dieses Handrad a
sitzt auf einer Welle mit zwei Excentern c, die
eine Vertiefung (Kimme) c1 haben und auf Rollen d drücken, welche in
einem an jeder Seite der Messerachse angebrachten Hebelarm gelagert sind, so dass
jede Bewegung des Handrades hierdurch auf das Schneidzeug übertragen wird.
Wird das Handrad so weit herumgedreht, dass die Rolle d
in die Vertiefung c1
des Excenters c fällt, so ist die Ruhestellung des
gehobenen Schneidzeuges erreicht; für den gewöhnlichen Betrieb genügt indessen zum
Hub des Schneidzeuges bereits eine nur theilweise Umdrehung.
Das Handrad ruht auf dem Kolben eines an dem Rahmen der Maschine angebrachten
Luftbuffers, der jeden gewaltsamen Stoss auffängt, so dass selbst bei einem
unvorhergesehenen, plötzlichen Herabfallen des Schneidzeuges eine Beschädigung
desselben nicht zu befürchten ist.
Ausser zum Heben des Schneidzeuges ist das Handrad indessen noch dazu bestimmt, die
Schnitthöhe zu stellen. Zu dem Zweck liegt in demselben ein Schneckengehäuse g mit Schnecke s, um das
ein Hebelarm e greift, der gleichfalls auf der
Excenterwelle befestigt ist und durch eine Flügelmutter h in einem Schlitz des Handrades festgestellt wird. Soll die Schnitthöhe
geändert werden, so wird die Flügelmutter h gelüftet
und die Schnecke entsprechend aufwärts oder abwärts gedreht.
Textabbildung Bd. 299, S. 3
Fig. 4.Longitudinalschermaschine von Rudolph und Kühne in Berlin.
Hierdurch ändert sich die Lage des Handrades zum Hebel, die Excenter werden bewegt
und durch diese das Schneidzeug, so dass durch eine Bewegung der Schnecke eine
Aenderung der Schnitthöhe auf beiden Seiten der Maschine gleichzeitig geschieht.
Die Bewegung der Schnecke bezieh. hierdurch die Stellung der Schnitthöhe wird nach
einer auf dem Handrade angebrachten Maasscala geregelt.
Das Schneidzeug selbst ist mit eingestemmten Federn versehen, die in Folge einer
eigenartigen Herstellung auch glashart gemacht werden können. Das Untermesser ist
nicht wie früher
durch eine Messerdecke befestigt, sondern gleichfalls durch einen Kupferstreifen in
einer Nuthe der Messerachse festgestemmt. Dasselbe wird auch auf der unteren Seite
eingeschliffen, um auch die kleinsten Unebenheiten zu beseitigen und eine vollkommen
gerade Schnittkante herzustellen.
In Fig. 4 ist die neue Ausführung der
Longitudinalschermaschine von Rudolph und Kühne in
Berlin skizzirt.
Die Waare geht zur Leitwelle a, von da zu der ersten
Bremswalze B, über Leitwelle b zur zweiten Bremswalze C, die, durch Klinke
K(K1) und Zackenrad l(l1) verdreht, der Waare
jede erforderliche Spannung ertheilen kann; die Reinigung der Linksseite der Waare
erfolgt durch eine Flügelwalze F, geht weiter über die
Leitschiene c, welche die Vibrationen der Waare
aufnimmt, und wird von der excentrisch gelagerten hohlen Welle d gegen die darüberliegende Aufsatzbürstenwalze B2 gestellt.
Unter dem Staubkasten heraus tritt die Waare dann auf den Tisch T, wird dort scharf über eine Kante gebogen und von
einer unteren Leitwalze e nach der oberen in einem auf
einer drehbaren Welle befestigten Halterpaar gelagerten Anstelleitwalze f für die Zustreichbürstenwalze B3 geführt. Von da geht die Waare nach
einer Zug- und Druck walze gh, welche durch Welle und
Schneckenradtrieb bewegt werden – oder wird der Betrieb durch eine Streichenzugwalze
gemacht mit geriffelter Abnehmwalze.
Textabbildung Bd. 299, S. 4
Fig. 5.Schneidzeug der Flockenschneidemaschine.
Um beide herum sind Gummibänder in bestimmten Abständen gelegt, welche die Waare aus
den Streichen oder Kratzen herausheben.
Die Waare fällt dann auf das Waarenbrett K.
Die zwei Bremswalzen B und C werden statt des früher üblichen Holzspannriegels angebracht. Dieselben
sind mit Tuch bezogene, mit durchgehender eiserner Welle versehene Holzwalzen,
welche in zwei am Rahmen befestigten Haltern gelagert sind und an einer Seite auf
dem Wellenzapfen ausserhalb zwei Scheiben tragen, von denen die eine fest auf der
Welle und glatt ist, während die andere lose auf der Welle drehbar und mit einem
Sperrzahnkranz ll1
versehen ist.
Zwischen diesen beiden Scheiben liegt eine trockene Lederscheibe und eine Schraube
presst durch einen zwischengelegten Gummiring diese drei Scheiben elastisch
zusammen. Während nun die Walze von der Waare gedreht wird, hält eine Sperrklinke
kk1 die lose
Scheibe fest, es wird dadurch eine ganz gleichmässige Reibung erzeugt, welche die
Waare spannt und ein ruckweises Durchgehen derselben unter dem Schneidzeug
verhindert.
Der Tisch T besteht aus einem doppelwangigen Untertisch,
der an beiden Enden fest mit dem Rahmen verbunden ist, sonst die frühere Ausführung
besitzt. Der Schlüssel mit Handgriff dient dazu, um das eingepresste Prisma durch
Seitenverschiebung so zu stellen, dass bei Waaren mit starken Leisten, die zwischen
Tisch und Gegenmesser nicht durchgehen, die eine Leiste neben der Schnittbahn, die
andere neben dem Tische ohne Auflage ziehen zu lassen.
Der Cylinder ist ein hohler, gusseiserner Walzenkörper mit eingesetzten Stahlzapfen,
die es gestatten, dass der Cylinder in dem Lager umgelegt werden kann. Der
Schwerpunkt liegt genau in der Achse – eine Hauptbedingung für runden Lauf. Die zur
Aufnahme der Federn bestimmten Nuthen werden in den Cylinder etwa um 2 mm breiter
eingehobelt, als die Feder stark ist. Das Messer, welches vorher dieselbe Spirale
und Windung erhält, wird mit weichem Kupfer in diese Nuth fest eingestemmt; –
dieselbe Befestigung ist auch beim Gegenmesser. Die Ganghöhe ist etwa 1 m.
Die sonstige Ausführung der eben beschriebenen Maschine ist die der Thomas'schen Langschere.
Von derselben Maschinenfabrik in Berlin wird eine Flockenschneidemaschine gebaut.
Dieselbe ist dazu bestimmt, Wollabfälle jeglicher Art, als: Scherflocken,
Rauhflocken, Bürsthaare u.s.w. beliebig fein zu zerschneiden, und eignet sich
ausserdem noch dazu, selbst Lumpen und Filzabfälle ebenso fein zu zerschneiden und
zu verarbeiten, dass sie gleichfalls noch zu weiteren Appreturzwecken verwendbar
sind.
Der Haupttheil der Maschine ist das Schneidzeug, das aus einem Schercylinder und
einem Untertisch mit sieben Messern besteht. Der Cylinder ist nach dem System der
Thomas'schen Schermaschinen mit zehn Federn garnirt
– mit Kupfer in Nuthen verstemmt – und rotirt über dem gusseisernen Untertisch, in
dem sich sieben Gusstahlmesser befinden, die gleichfalls mit Kupfer verstemmt und zu
dem Cylinder centrisch gelagert sind. Die Federn sowohl als die Messer sind aus
feinstem Gusstahl mit einer Eiseneinlage gefertigt, wodurch sowohl die
Schnittfähigkeit, als auch die Haltbarkeit wesentlich gewinnt. Der Raum zwischen den
Federn des Cylinders ist durch Holzstreifen ausgefüllt, um zu verhindern, dass sich
theilweise geschnittenes Material durch die Zwischenräume schieben kann, und
ausserdem auch, um die Federn gegen Beschädigung durch feste Bestandtheile zu
schützen. Ausser der rotirenden Bewegung macht der Cylinder noch eine changirende
von links nach rechts, die veranlasst, dass sich beim Scheren einzelne Flocken nicht
festsetzen können.
Das gesammte Schneidzeug ist mit einem gusseisernen Mantel umgeben, der auf der
oberen Seite eine trichterförmige Oeffnung hat, in welche das zu zerschneidende
Material hineingeworfen wird und bei einem einmaligen Gange durch die Maschine fein
zerschnitten auf der entgegengesetzten Seite unten herausfällt. Auf der unteren
Seite dieses Mantels ist eine Stellvorrichtung angebracht, mittels deren auf eine
sehr bequeme Weise der Untertisch dem Cylinder näher gerückt oder von ihm
abgestellt' werden kann, so dass man es vollkommen in der Gewalt hat, das Material
beliebig feiner oder gröber zu zerschneiden; es lässt sich bei dicht angestelltem
Tisch zu ganz feinem Staub verarbeiten.
Um das für eine gleichmässige Abnutzung der Cylinderfedern erforderliche Umlegen des
Cylinders zu verhindern, ist die Maschine noch mit einer zweiten Trichteröffnung auf
der anderen Seite versehen, so dass der Cylinder abwechselnd mit offenen und
gekreuzten Riemen betrieben werden kann.
Die Maschinenfabrik von Friedrich Haas in Lennep
(Rheinland) baut Cylinderschermaschinen, die mit sechs Kahlschurscherwerken nicht
gesengte rohe Baumwollwaare reinigt und in einer Passage fertig schiert, desgleichen
mit vier Kahlschurscherwerken für nicht gesengte in einer Passage fertig zum Druck
geschorene Waare liefert. Dieses System (D. R. P. Nr. 67569 und Nr. 34724) ist eine
combinirte Doppelscher-, Bürst-, Reinigungs- und Wickelmaschine; dieselbe schneidet
alle Knoten, Flüsen, Fasern, Flaum u.s.w. von der Waare absolut kahl ab, entfernt
vollständig alle, auch die kleinsten Falten in derselben, gleichgültig ob die Falten
nach oben oder nach unten umgebogen sind, macht die Waare durchaus augenrein und
wickelt sie ganz genau egal und fest zu einer klingenden harten Rolle, welche sofort
auf die Druckmaschine zum Bedrucken gegeben wird. Es werden daher folgende Maschinen
überflüssig: Bürst- und Reinigungsmaschine, Klopfmaschine, Wickel- und
Faltenglättungsmaschine – und alle Sengmaschinen, also vier Maschinen und ebenso
viel Arbeitskräfte. Die Schneidmesser sind aus dem feinsten decarbonisirten Stahl
gefertigt, der hohle Schercylinder ist aus Mannesmann'schen gezogenen Gusstahlröhren mit eingeschweissten
Gusstahllaufzapfen, welche Cylinder ihrer grossen Leichtigkeit und ihres ruhigen
geräuschlosen Ganges wegen eine Geschwindigkeit von 1200 Touren in der Minute
gestatten. Es kann daher die Leistung solcher Maschinen auf 25000 m für den
Arbeitstag gebracht werden.
Die nach System Lennep gebauten Schermaschinen werden
bis 3 m Schnittbreite geliefert, mit verstellbaren Tischen während des Betriebes,
eingerichtet mit selbsthätiger Scherflocken- und Staubabsaugung gleich hinter dem
Schnitt an den umschlossenen Scherwerken.
Textabbildung Bd. 299, S. 5
Fig. 6.Cylinderschermaschine von Friedrich Haas in Lennep.
Auf der neuen Doppelschermaschine können alle Stoffe, hochflorige Decken, Plüsche,
Sammete u.s.w., wie auch halbwollene feine glatte Stoffe, Wollwaaren, Zanella,
Cachemire, Buckskin und Kammgarnstoffe geschoren werden und zwar mit zwei Schnitt
die vollkommene Kahlschur. Die Scher- und Reinigungsmaschine für nicht gesengte
Baumwollstoffe erhält nachgiebige Untertische, damit beim Passiren der Naht einem
Durchschneiden des Stoffes und somit auch einer Beschädigung der Messer ohne Anheben
des schweren Schneidzeuges vorgebeugt werden könne.
Die Ausführung der Maschinen mit sechs und mit vier Kahlschurscherwerken wurde in
Fig. 6 leicht skizzirt. Die von der Maschine
aufgenommene Rohwaare wird über eine Reihe von Walzen bezieh. sich drehenden
Metallbreithaltern b geleitet, wodurch sie eine gewisse
Spannung erhält. Die Waare gelangt zum Putzscherwerk, welches aus zwei mit
schraubenförmig gewundenen Messern versehenen Walzen c
besteht und einen nachgiebigen, einstellbaren Tisch besitzt.
Das Einstellen dieses Tisches mit Bezug auf dessen Entfernung von den
Schneidkanten der Messer geschieht mittels eines Lineals, welches drehbar gelagert
und mit einem Hebel verbunden ist, welcher durch Klemmschrauben und Schlitzleiste
festgelegt werden kann. Der z.B. aus Gummi bestehende nachgiebige Tisch ist mit
seinen Enden an einen festen Stab und an einer drehbaren Walze befestigt, und kann
durch einen Hebel gespannt oder nachgelassen werden. Die Scherwalzen c entfernen die gröberen und längeren Fasern. Von
diesen Walzen gelangt die Waare über dbd zur Bürste B, welche die Waare vollends reinigt und den
niedergedruckten Flaum aufrichtet, so dass die Waare nunmehr von den Kahlschurwerken
I, II, III und IV
(bezieh. bis VI) leicht bearbeitet werden kann. Die aus
der Putz- und Bürstabtheilung kommenden Scherflocken u.s.w. werden von einem
Exhaustor G1
abgesaugt.
Unmittelbar hinter einem jeden Kahlschurwerk mündet ein Saugrohr E, welches, aus der Rohrleitung D kommend, die Scherflocken durch Rohre F dem
Exhaustor G2 bezieh.
G3 zuführt. Es
werden durch diese Absaugung die Messer stets rein und scharf gehalten. Es haben
nämlich die Scher- und Staubflocken auf die Scherwerkzeuge einen sehr nachtheiligen
Einfluss(stumpfmachenden), und die Schwierigkeit, die Messer genügend scharf zu
erhalten, hat dazu beigetragen, dass es früher nicht gelingen konnte, das Sengen der
Gewebe durch ein Scheren zu ersetzen. Die Tische sind drehbar gelagert, besitzen
Lenkstangen, die an einen Hebel, auf 8 drehbar
gelagert, verbunden sind. Dieser Hebel ist derartig durch ein Gewicht belastet, dass
die Tische sich selbsthätig in die Arbeitsstellung einstellen. Das Abheben der
Schercylinder erfolgt durch Hebel 4, 5, 6 und 7. Aus dem letzten Kahlschurwerk geht die Waare zur
Spann- und Ziehvorrichtung g und h, über Leitwalzen i durch
Bürsten B3, wodurch es
an beiden Seiten gründlich gebürstet wird, geht über und unter die Walzen 1 2 3, durch welche alle Falten geglättet werden, und
gelangt im gespannten und glatten Zustande zur Wickel Vorrichtung PW, wo sie unter Belastung zu einer festen Rolle
aufgewickelt wird. Der Staub von den Bürsten B3 wird von einem Exhaustor G4 entfernt.
Aus den Exhaustoren gelangen der Staub und die Scherflocken in einen
Staubsammelkasten Z.
Es liefert daher diese Maschine in einer Passage druckfertige Waare, ohne dass ein
Sengen nothwendig gewesen. Bei den Maschinen mit sechs Kahlschurwerken, die zum
Fertigmachen von Rohbaumwollgeweben hauptsächlichst Verwendung finden, ist die
Wickelvorrichtung, eventuell mit einer Fachvorrichtung combinirt, angebracht, um
entweder das fertige Gewebe auf eine Walze zu wickeln – oder in zusammengelegtem
Zustande von der Maschine zu bekommen.
Die Werkstätte für Maschinenbau vorm. Ducommun in Mülhausen im Elsass
baut Maschinen mit zwei Schercylindern, wie in Fig. 7
gezeichnet erscheint. Der Stoff wird bei A abgerollt
und passirt einige Lineale, welche das Gewebe ausbreiten und Falten entfernen.
Mittels der Circularbürste B1 wird der Flaum aufgerichtet und dieser vom Messer I genommen. Die Waare geht nach unten an der Bürste B2 vorbei. Diese
reinigt einerseits das Gewebe von dem bei I
abgeschorenen Flaum, während sie andererseits den noch stehen gebliebenen
aufrichtet. Das Gewebe geht dann zum zweiten Schneidzeug II, wird von einer Bürste B3 nochmals gereinigt und kommt zur Ablage bezieh.
Aufrollvorrichtung.
Textabbildung Bd. 299, S. 6
Fig. 7.Cylinderschermaschine der Maschinenfabrik vormals Ducommun in
Mülhausen, Elsass.
In dem Augenblick, wo die Nähte in die Maschine einlaufen,
hebt der Arbeiter mittels eines zu diesem Zwecke angebrachten Hebels HH1 das Schneidzeug.
Ebenso kann der Arbeiter den „dos d'âne“ mit Hilfe der Hebel K1 bezieh. K2 niedriger stellen,
über welchen das Gewebe unter das Gegenmesser läuft. Der Antrieb erfolgt durch Fest-
und Losscheibe; die Maschine hat eine Abstellvorrichtung. Die Hauptwelle macht
200 bis 250 Umdrehungen in der Minute, die Schercylinder 1200 bis 1500. Die ganze
Leistung der Maschine ist 1100 bis 1200 m in der Stunde.
(Schluss folgt.)