Titel: | Blankglühen des Drahtes auf elektrischem Wege. |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 19 |
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Blankglühen des Drahtes auf elektrischem
Wege.
Mit Abbildungen.
Blankglühen des Drahtes auf elektrischem Wege.
Unter dem 18. Juli 1893 ist der Firma H. A. und W.
Dresler in Creuzthal (Westfalen) unter D. R. P. Nr. 77986 ein Verfahren zum
Blankglühen des Drahtes patentirt worden, welches die Beseitigung des für den
Drahtfabrikanten kostspieligen und für seine Nachbarn lästigen Beizverfahrens
ermöglicht.
Das Dresler'sche Verfahren wird nach der Mittheilung von
Dr. H.
Wedding in Stahl und
Eisen folgendermaassen ausgeführt:
Der ungeglühte Draht wird von einem Haspel a (Fig. 1 und 2) abgewickelt, der
geglühte Draht auf den Haspel g aufgewickelt. Er
erleidet auf diesem Wege in dem Bade e die Glühung,
nach welcher er, bevor er auf den Haspel g gelangt, der
Regel nach bereits eine Verjüngung des Querschnitts durch ein Zieheisen erfährt.
Textabbildung Bd. 299, S. 18
Blankglühen des Drahtes auf elektrischem Wege.
Die Drahtader geht auf ihrem Wege zwischen beiden Haspeln durch einen die leitende
Flüssigkeit, meist Kochsalzlauge, enthaltenden Trog, an dessen Boden sich die Anode,
am besten eine Bleiplatte, befindet. Die Führung erhält die Drahtader durch isolirte
Rollen (c und d), welche
am einfachsten aus Porzellan bestehen und leicht laufend auf festliegenden Achsen
angebracht sind. Vor dem Eintauchen in das Bad steht die Drahtader (in der Zeichnung
bei h) in leitender Verbindung mit dem negativen Pole
der Dynamomaschine. Diese Verbindung ist durch eine leicht lösbare Rolle
hervorgerufen. Sobald die Verbindung hergestellt ist, beginnt das Erglühen des in
die Flüssigkeit eingetauchten Drahtstückes, wobei die Höhe der Temperatur leicht
durch die elektromotorische Kraft einerseits, durch die Schnelligkeit der Bewegung
andererseits beliebig geregelt werden kann. Es scheint nicht gut zu sein, über
sanfte Rothglut hinauszugehen.
Der Draht würde nach dem Glühen auf diese Weise zwar ganz wie beim Glühen in Töpfen
seiner Sprödigkeit beraubt werden, aber auch wie dort beim Heraustreten aus der
Flüssigkeit an die Luft einer Oxydation ausgesetzt und deshalb ungeeignet zum
Ziehen sein, wenn er nicht vorher in einer ihn vor Oxydation schützenden Hülle
abgekühlt würde. Hierzu dient eine specifisch leichtere Flüssigkeit f, als das Salzwasser, welche in jeder Art von Oel
bestehen kann, in der Praxis aber Erdöl oder Talg ist.
Bei langsamem Gange der Drahtader genügt vollkommen die flache Bedeckung des
Salzbades, wie das in Fig.
1 gezeichnet ist, namentlich, wenn die Anodenplatte nicht, wie in der
Abbildung, bis unter das ansteigende Stück der Drahtader fortgeführt wird, wenn also
der Widerstand zwischen der Anode und den letzten Theilen des eingetauchten Drahtes
sehr gross ist. Bei schnellerer Bewegung der Drahtader indessen findet so eine
ausreichend schnelle Erkaltung nicht statt und die Erdölschicht geräth sogar leicht
in Brand. Dann ist es zweckmässiger, die Anordnung zu wählen, welche in Fig. 2 gezeichnet ist,
nämlich die Benutzung eines mit der Kühlflüssigkeit gefüllten und nach Maassgabe der
Differenz der specifischen Gewichte in das Salzbad eintauchenden Rohres.
Der Draht bleibt, wie die von Prof. W. Wedding auf
Wunsch der Patentinhaber ausgeführten Versuche bewiesen haben, vollkommen blank, und
die Festigkeitseigenschaften, welche er annimmt, hängen lediglich von der
Geschwindigkeit der Bewegung ab.
Ein bereits mit Glühspan bedeckter Draht, also z.B. Walzdraht, verliert seine
Glühspankruste, nicht etwa wegen der Reduction, welche die Wasserstoffhülle bewirken
könnte, sondern durch die verschiedene Ausdehnung, welche Eisen und Glühspan beim
Erhitzen erleiden. Der Glühspan springt daher ab und fällt zu Boden. In diesem Falle
ist es besser, die Anodenplatte nicht an dem Boden der Wanne, sondern an deren
Seitenwandung anzubringen, damit der abfallende Glühspan bequem gesammelt und
entfernt werden kann.
Die Patentansprüche lauten:
1) Verfahren des Blankglühens von Draht, darin bestehend, dass der Draht in stetiger
Bewegung durch zwei sich berührende Flüssigkeiten geführt und während seiner
Bewegung in der einen Flüssigkeit geglüht und mittels der anderen Flüssigkeit
gekühlt wird.
2) Zum Zwecke der Ausführung des unter 1 bezeichneten Verfahrens:
a) Die Anordnung der Kühlflüssigkeit in einer die ganze Oberfläche der Flüssigkeit,
in welcher das Glühen stattfindet, bedeckenden Schicht oder in einem Hohlkörper,
derart, dass die letztere Flüssigkeit nur in einem Theile ihrer Oberfläche von der
Kühlflüssigkeit berührt wird.
b) Die Anordnung der Kühlflüssigkeit im Ruhezustand oder, um ihre Temperatur zu
reguliren, bezieh. constant erhalten zu können, in stetigem Kreislauf.
c) Die Anordnung von zur Führung des Drahtes geeigneten Vorrichtungen oder Körpern,
wie Stangen, Rollen u.s.w. innerhalb der einen oder anderen Flüssigkeit oder in
beiden Flüssigkeiten.
d) Die Erzeugung der zum Glühen erforderlichen Temperatur nach dem durch Patent Nr.
72802 geschützten Verfahren.
Das unter 1 benannte Verfahren und die unter 2 a und b angegebenen Ansprüche sind im
Vorhergehenden beschrieben. Die Einrichtung unter 2 b gibt die Mittel an, bei
Anwendung sehr hoher Temperaturen und bei Behandlung eines sehr starken Drahts die
dann vielleicht zu
hohe Wärmemenge durch Bewegung der Kühlflüssigkeit im Kreisstrome oder Erneuerung
derselben zu beseitigen, ehe die Drahtader das Kühlbad verlässt.
Wenn es auch wahrscheinlich oft ökonomisch sein wird, sich, wie 2d der
Patentansprüche angibt, des Verfahrens von Lagrange und
Hoho zu bedienen, d.h. hochgespannte Ströme, also etwa solche von 200 Volt
und mehr, zu benutzen und dabei sehr grosse Bleiplatten als Anoden anzuwenden, so
ist doch das Dresler'sche Verfahren sehr wohl auch mit
niedrig gespannten Strömen von noch nicht 100 Volt und kleineren Anoden auszuführen,
ja, man kann die besondere Anode sogar ganz sparen und das Gefäss selbst aus Metall
herstellen und als Anode benutzen, indem man es mit dem positiven Pole der
Dynamomaschine verbindet.
Wenn das Verfahren, dessen praktische Durchführbarkeit ausreichend bewiesen ist, sich
auch ökonomisch als brauchbar herausstellen wird, wie vermuthet werden darf, so wäre
damit eine Frage aus der Welt geschafft, welche den Drahtziehern schon unendlich
viel Verdruss und Kosten verursacht hat, nämlich die der Fortschaffung der sauren
Beizwässer. Namentlich in Gegenden, wo Wasserkraft vorhanden ist, werden sich die
Kosten voraussichtlich weit niedriger stellen, als die des Glühens in Töpfen, des
nachfolgenden Beizens, Waschens und Kalkens.