Titel: | Ventildampfmaschine mit seitlicher Anordnung der Ventile und Steuerung (System Sondermann). |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 37 |
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Ventildampfmaschine mit seitlicher Anordnung der
Ventile und Steuerung (System Sondermann).
Mit Abbildungen.
Ventildampfmaschine mit seitlicher Anordnung der Ventile und
Steuerung.
Der neuere Dampfmaschinenbau strebte hauptsächlich dahin, durch höhere
Kolbengeschwindigkeiten leistungsfähigere Maschinen zu erhalten. Nicht zufrieden mit
dieser Errungenschaft – mit den gleichen Hauptdimensionen von Cylinderdurchmesser
und Hub und nahezu gleichen Kosten einen wesentlich stärkeren Motor geschaffen zu
haben –, ist man noch weiter gegangen und hat den Kolbenhub mit Erhöhung der
Tourenzahl der Maschine verkürzt, um deren Wohlfeilheit noch günstiger zu
erhalten.
Die naturgemässe Folge ist besonders bei den Ventilmaschinen eine bedeutende
Vermehrung des schädlichen Raumes hinter dem Kolben. Während nämlich die im Anfang
der 70er Jahre gebauten, meist einfach expandirenden und verhältnissmässig
langhubigen langsam laufenden Ventilmaschinen schädliche Räume von 3 bis 4 Proc.
hatten, werden bei den Niederdruckcylindern jetziger, zweifach und dreifach
expandirender, relativ kurzhubiger Ventilmaschinen mit verdoppelter und höherer
Umdrehungszahl 10 bis 12 Proc. erforderlich.
Textabbildung Bd. 299, S. 36
Fig. 1.Ventildampfmaschine mit seitlicher Anordnung der Ventile und
Steuerung (System Sondermann).
Zur nothwendigen Ausgleichung dieser unvermeidlichen Vergrösserung des schädlichen
Raumes dient eine längere Compression; doch ist die erzielte ökonomische
Wiedergewinnung in der Hauptsache nur scheinbar erreicht, da bei gleichbleibendem
Dampfverbrauch die Leistung der Maschine durch die – wegen der allgemein benutzten
höheren Betriebsdrucke – ganz wesentlich längere Compression wieder mehr oder
weniger vermindert wird, wie sich an jedem Diagramm leicht nachweisen lässt. Diese
Verminderung der Leistung zeigt sich sowohl bei Einfach- als auch Zweifach- und
Dreifach-Expansionsmaschinen.
Dass man trotzdem so erheblich günstigere Resultate betreffs Dampfverbrauchs gegen
früher erreicht, hat seine Begründung nicht nur in der Wahl höherer Betriebsdrucke,
sondern auch in der besseren Ausbildung und Ausführung der unmittelbar
betheiligten Maschinentheile und besonders in den vollendeteren Steuerungen.
Bei dem durch Fig. 1 und 2 dargestellten Maschinensystem wird zunächst eine möglichste
Verringerung des schädlichen Raumes angestrebt. Die ältere seitliche Ventilanordnung
mit neben einander liegenden Ventilen wird besonders bei Gebläse-, Förder- und
Wasserhaltungsmaschinen angewendet, bei denen eine leichte Zugänglichkeit bei etwa
eintretender Störung Bedingung ist. Gegenüber der sonst üblichen schwer zugänglichen
Ventilanordnung sind aber die schädlichen Räume durch aussergewöhnlich lange
Dampfkanäle noch weiter vermehrt.
Textabbildung Bd. 299, S. 37
Fig. 2.Ventildampfmaschine mit seitlicher Anordnung der Ventile und
Steuerung (System Sondermann).
Mit der seitlichen Anordnung der über einander liegenden Ventile nach D. R. P. Nr.
45164 werden gegenüber der sonst für normale Betriebsmaschinen dienenden oberen
und unteren Anordnung die schädlichen Räume thatsächlich auf nahezu die Hälfte
gebracht und gegenüber der gebräuchlichen Ausführung oben genannter
Bergwerksmaschinen sogar auf ungefähr ein Drittel. – Bei dieser neueren Construction
dient für die Zu- und Ableitung des Dampfes nur ein kurzer gerader Kanal; ebenfalls
ist der Dampfsammelraum unter dem Einlass- bezieh. über dem Auslassventil für beide
gemeinsam. Auch die Räume zwischen den Stegen der sogen. Laterne bei Anwendung von
Rohrventilen für die Einströmung werden hier bei den Glockenventilen wesentlich
kleiner. Das vollständig cylindrische Auslassventil füllt den im Grundriss eiförmig
gestalteten Dampfsammelraum derartig aus, dass nur noch der für die Dampf-Zu- und
Ableitung unbedingt nothwendige Querschnitt übrig bleibt. Gegen die Dampfströmung
ist das
Auslassventil durch einen eingebauten, im Querschnitt dreieckigen Steg – die Basis
dem Ventile zugekehrt – geschützt, welcher ausserdem eine sichernde Verbindung der
oberen und unteren Kanalwand bildet.
Mit diesen Ventilen ist auch die leichte Zugänglichkeit wie bei der älteren
seitlichen Ventilanordnung erreicht. Bei Bergwerksmaschinen mit durchgehendem Rahmen
wird der Dampfsammelraum so hoch gelegt, dass für die Lösung der Deckelschrauben der
unteren Ventilhebelsupports genügend Raum über dem Rahmen ist.
Die Constructionen beziehen sich auf eine Betriebsmaschine mit Condensation von 650
mm und 1040 mm Cylinderdurchmesser, 1200 mm Kolbenhub und 75 minutlichen
Umdrehungen; bei 8 at Anfangsdruck und 20 Proc. Füllung des Hochdruckcylinders ist
die Leistung rund 750 und der Dampfverbrauch inclusive Mantelwasser 6,12 k
für die Pferdekraft-Stunde. Zwar werden über Dampfverbrauche von Ventilmaschinen mit
oberer und unterer Anordnung verhältnissmässig günstigere Zahlen angegeben, doch
haben sich solche Veröffentlichungen nachträglich durch die Mittheilungen der
Versuche von unparteiischen Fachleuten als zu günstige Werthe ergeben.
Beide Cylinder haben Frischdampfheizung; beim Niederdruckcylinder sind die Zu- und
Ableitungen seitlich eintretend. Auf Ausdehnung der Cylinder ist Rücksicht genommen,
d.h. deren Füsse sind gleitbar auf den im Fundament eingelassenen Platten
befestigt.
Absperr- und Anlassventil sind ohne Besteigung der Cylinder zugänglich. Letzteres ist
am Niederdruckcylinder wagerecht angeordnet und gibt die Zeichnung nur den
Ventilsitz. Bei den reichlich bemessenen Sicherheitsventilen ist betreffs der Federn
Rechnung getragen, dass einer relativ grossen Ventilerhebung eine nur geringe
Druckzunahme entspricht.
Die Sitzflächen sämmtlicher Ventile sind eben. Gegenüber kegelförmigen Sitzflächen
ist damit bei den Steuerungsventilen erreicht, dass die Ventilerhebung auch als
freier Querschnitt gilt. Ausserdem ist ein Unrundwerden ohne Einfluss, während bei
kegelförmiger Sitzfläche das Ventil dann undicht wird. Dieses Unrundwerden im
heissen Zustande – durch ungleiche Wandstärke oder äusserlich nicht bemerkbare
sogen. Blasen in der Ventilwandung – ist die Ursache, dass manche bestconstruirte
und tadellos ausgeführte Ventilmaschine nicht den berechtigten Erwartungen
entspricht. Nur bei abgenommenen Cylinderdeckeln und Dampfbelastung der Ventile kann
ein Undichtsein constatirt werden, denn im kalten Zustande ist das Ventil wieder
völlig cylindrisch.
Bei der Steuerung des Hochdruckcylinders ist wie bei ähnlichen Constructionen als
regulirendes Organ eine Coulisse benutzt, deren äussere Anordnung an dem gestreckten
zweiarmigen Ventilhebel vortheilhafter ist, als wenn sie – wie bei den Steuerungen
von Hachworth bezieh. Härtung
und Radovanovič – in der Mitte liegt. Die Belastung der aussen liegenden
Coulisse ist nur halb so gross als bei der innen liegenden genannter Steuerungen.
Ausserdem kann das Coulissengleitstück hier sehr gross ausgebildet werden. Die
Gesammtbelastung bei der dargestellten Ausführung durch das Gewicht des Ventiles
u.s.w. und den grössten Federdruck bei der Maximalerhebung, sowie eine reichlich
berechnete Stopfbüchsenreibung beträgt nach Abzug der Entlastung durch den
Querschnitt der Ventilstange bei 6 at Betriebsdruck nicht mehr als 35 k, bei 12 at
Betriebsdruck nur 22 k. Das Coulissengleitstück hat eine Länge von 200 mm und eine
Breite von 36 mm, so dass die Fläche 72 qc beträgt. Die Maximalbelastung bei
grösster Füllung und dann auch nur im Momente der grössten Ventilerhebung ist also
bei 6 at Betriebsdruck 0,5 at, bei 12 at nur 0,3 at. Für die Normalfüllungen sind
diese Beanspruchungen noch bedeutend kleiner. Trotzdem ist die Coulisse noch mit
einer Stelleiste ausgerüstet, damit auch die geringste Abnützung jederzeit leicht
behoben werden kann. Die Lagerung der Coulisse – bei den grösseren Ausführungen
Stahlguss, sonst Gusstahl – ist ebenfalls eine möglichst grosse und auf die ganze
Breite des Lagers für die Steuerung. Bei dieser Maschine hat die Coulissenlagerung
200 mm Durchmesser und 100 mm Breite. Durch solch grosse Lagerflächen wird eine
Rückwirkung auf den Regulator sehr vermindert.
Die Construction der Steuerung ist so getroffen, dass die Verdrehung der Coulisse
nach beiden Seiten der gezeichneten Mittellage – in welcher die Achse mit jener der
Steuerwelle zusammenfällt – nahezu gleich ist und im Ganzen nicht mehr als 76°
beträgt für die vordere Steuerung und 68° für die hintere Steuerung; als
beiderseitige Maximalfüllung ist 60 Proc. angenommen, das Voreinströmen ist
constant. Während bei den kleinen Füllungen die Verschiebung in der Coulisse den
Ventilschluss herbeiführt, wird dieser bei den grossen Füllungen ebenfalls durch die
Excenterbewegung bewirkt, nachdem durch die Stellung der Coulisse die vom Excenter
eingeleitete Ventilerhebung anfangs vergrössert wurde. Durch diese Wechselwirkung
von Coulisse und Excenter werden beste Ventilerhebungen für alle Füllungsgrade
erreicht, was bisher nur bei den wenigsten, dabei complicirteren Steuerungen sich
ergibt. Diese Ventilerhebungen sind nahezu stetig wachsend mit der Füllung, während
viele solche zwangläufige Mechanismen meist nur in bestimmten Grenzen befriedigende
Resultate geben. Der grösste nothwendige Ventilhub für eine Dampfgeschwindigkeit von
30 m in der Secunde beträgt bei dieser Maschine 24 mm, doch wird dieses Maass schon
bei einer Füllung von 25 Proc. erreicht, bei der Maximalfüllung von 60 Proc. beträgt
die grösste Ventilerhebung 58 mm, während sie bei 10 Proc. Füllung 12 mm ist. Aus
diesen wenigen Angaben ist schon erkennbar, dass die Steuerung gleich vorzüglich für
einfach wie für mehrfach expandirende Maschinen geeignet ist, so dass in Vereinigung
mit den Vortheilen der bedeutend reducirten schädlichen Räume die bisher wohl
günstigsten Resultate erreicht wurden bei den zahlreichen Ausführungen
verschiedenster Grösse wagerechter und senkrechter Maschinen.
Für die Auslassteuerungen ist die bekannte unrunde Scheibe verwendet, welche
ebenfalls für die Einlassteuerung des Niederdruckcylinders dient.
Die Steuerwelle der Hochdruckseite hätte wesentlich näher an den Cylinder gelegt
werden können, doch ist die gleiche Entfernung wie beim Niederdruckcylinder gewählt,
um ohne Aenderung der Steuerungen diese auch für Woolf-Maschinen benutzen zu
können.