Titel: | Neuerungen an Locomotiven. |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 50 |
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Neuerungen an Locomotiven.
(Fortsetzung des Berichtes S. 39 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuerungen an Locomotiven.
Ueber eine mit Oel und Kohlen geheizte, dreiachsige zweifach gekuppelte
Schnellzuglocomotive der Great Eastern Railway mit vorderer Laufachse, welche nach
Plänen des Maschinendirectors Holden der genannten
Eisenbahn in den Werkstätten zu Strattford für die 128 km lange Strecke Liverpool
Street-Harwich mit bedeutenden und anhaltenden Steigungen gebaut wurde, berichtet
Engineering vom 14. December 1894 bezieh. Le Génie Civil, 1895 S. 296.
Die Locomotive zeigt folgende Hauptabmessungen:
Durchmesser der Treibräder
2,132
m
„ „ Laufräder
1,219
m
Cylinderdurchmesser
457
mm
Kolbenhub
609
mm
Heizfläche
113,70
qm
Rostfläche
1,67
qm
Leergewicht der Locomotive
38
t
Dienstgewicht „ „
42
t
Leergewicht des dreiachsigen Tenders
16
t
Dienstgewicht „ „ „
30
t
Die mit ihren Mundstücken in cylindrischen, in Höhe der Plattform durch die beiden
Feuerbüchsthürwände geführten Büchsen liegenden Injectoren besitzen die Fig. 14 ersichtliche Gestalt. Die Büchsen bestehen aus
je zwei concentrischen Rohren, von denen das äussere, aus Rothkupfer, durch
umgebördelte Ränder in den Löchern der Feuerbüchswandungen gehalten, das andere
innere, aus Stahl gefertigte Rohr in das Kupferrohr eingetrieben ist.
Textabbildung Bd. 299, S. 49
Fig. 14.Holden's Injector.
Der Injector bewirkt ausser dem Einblasen des flüssigen Brennstoffes auch das
Absaugen von Luft aus einer Vacuumbremse, die gleichzeitig mit der
Westinghouse-Bremse angeordnet ist, da häufig mit Saugebremse ausgerüstete Wagen
anderer Verwaltungen befördert werden müssen; das in dem Luftreservoir herrschende
Vacuum kann bis zu 56 cm Quecksilbersäule betragen. Wenn eine Vacuumbremse nicht
vorhanden, saugt der Injector Luft an, welche bei ihrem Durchgange durch ein in der
Rauchkammer aufgestelltes Röhrenbündel erwärmt wird.
Hinter den Mundstücken sind die Injectoren von einem Ringbläser umgeben, der aus
einer ringförmigen Kammer mit Düsen besteht, durch welche der Dampf tritt; derselbe
trifft bei seinem Austreten aus den Bohrungen mit dem eingespritzten Oel
zusammen, zerstäubt dieses und mischt sich innig mit der eingesaugten Luft, so dass
eine schnelle und vollständige Verbrennung des Gemisches erreicht wird.
Die Locomotiven brauchten früher an Brennmaterial durchschnittlich etwa 10 k Kohle
für 1 km Fahrt, während ihr jetziger Verbrauch 3,34 k Kohle und 2,96 k Oel, zusammen
6,30 k an Brennmaterial für jedes durchlaufene Kilometer beträgt.
Im Verein deutscher Maschineningenieure hielt im April 1894 der Eisenbahnbauinspector
Troske einen höchst interessanten Vortrag über
„die vortheilhaftesten Abmessungen des Locomotivblasrohres und des
Locomotivschornsteines“, aus welchem wir die wichtigsten Punkte
herausheben.
Der aus dem Schornsteine der Locomotiven strömende Dampfstrahl reisst Luft aus dem
ersteren und auch einen Theil der Rauchkammergase mit sich fort. Letztere strömen
nach jedem Dampfauspuff durch den luftverdünnten Raum des Schornsteines nach und es
entsteht schliesslich in der Rauchkammer selbst eine Luftleere, welche auf das Feuer
anfachend wirkt und den zu einer lebhaften Verbrennung auf dem Roste erforderlichen
Zug hervorruft. Ist dieser zu schwach, so brennt das Feuer nicht hell genug und es
mangelt an dem nöthigen Dampf; ist er zu stark, so reisst er zu viel Kohlentheilchen
unverbrannt durch den Schornstein hinaus, vermehrt also den Funkenflug und
beeinträchtigt die Sparsamkeit der Verbrennung u.s.w. Hier heisst es demnach
sorgfältig Maass halten und dies geschieht dadurch, dass man der Mündung des Rohres
für den ausströmenden Dampf – dem Blasrohre – die richtige Weite gibt, die Mündung
dieses Rohres in dem richtigen Abstande von der Schornsteinunterkante anordnet und
ferner dem Schornsteine selbst die richtigen Abmessungen in Weite, Profilirung und
Höhe gibt.
Die zur Ermittelung dieser Grössen in einem gegebenen Falle von dem Vortragenden
anlässlich des Umstandes, dass eine neuartige Schnellzuglocomotive auffallend
schlecht Dampf machte und auf die sonst hierbei üblichen Mittel wenig reagirte,
angestellten Versuche fanden in der Hauptwerkstätte Leinhausen der königl.
Eisenbahndirection Hannover statt; sie wurden mit 5 Blasrohrweiten und 18
verschiedenen Schornsteinen von den bei Locomotiven gebräuchlichen Abmessungen
angestellt und finden sich nebst den zugehörigen Schaulinien bezieh. Tabellen,
welche die jedesmalige Grösse der Luftverdünnung in der Rauchkammer, auf die es hier
wesentlich ankommt und die mittels Apparates gemessen wurde, erkennen lassen, in Glaser's Annalen für Gewerbe
und Bauwesen, 1895, ausführlich beschrieben.
Die Ergebnisse der Versuche bringen die bezüglichen Fragen der endgültigen Lösung um
ein gutes Stück näher. So ist unter anderem erwiesen worden, dass richtig bemessene cylindrische
Schornsteine ebenso gut Zugwirkung äussern, wie die allgemein verbreiteten
konischen, nach ihrem Erfinder benannten Prüsmann'schen
Schornsteine. Ferner kann bei einer Locomotive mit gegebener Blasrohrweite dieselbe
Zugwirkung durch verschiedene Schornsteine erreicht werden. Das wichtigste Ergebniss
aber ist, dass nicht allein der Querschnitt der Siederohre, sondern auch die
Rostfläche den Schornsteinquerschnitt beeinflussten, was schon Clark richtig erkannt hat, nicht aber Zeuner und Grove, welch
letztere bekanntlich seiner Zeit umfassende und eingehende Untersuchungen über das
Blasrohr und den Schornstein der Locomotive anstellten.
Obgleich endlich die Versuche auch über den zweckmässigsten Abstand des Blasrohres
von dem unteren Schornsteinrand lehrreichen Aufschluss geben, lassen sie doch
erkennen, welchen grossen Einfluss stets der directe praktische Versuch an der
einzelnen Locomotivgattung für die Wahl der zweckmässigsten Schornsteinabmessungen
haben wird (vgl. 1890 277 114).
Textabbildung Bd. 299, S. 50
Geschwindigkeitsanzeiger der Maschinenfabrik Oerlikon.
Einen in der Maschinenfabrik Oerlikon angefertigten
Apparat zum Anzeigen und Aufzeichnen der Geschwindigkeit bei Locomotiven, System A. Klose, verwendet die französische Ostbahn seit
Kurzem auf einer ihrer Locomotiven. Der in der Neuzeit bedeutend verbesserte Apparat
(die ältere Construction des Apparates findet sich in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1879 S. 223, beschrieben)
zeigt die Geschwindigkeit der Locomotive in jedem Augenblicke an und liefert ferner
Schaulinien, aus denen alle Vorfälle während der Fahrt, wie die Geschwindigkeiten an
den verschiedenen Punkten der durchfahrenen Strecke, die Aufenthalte und das
Rangiren von Wagen auf den Stationen u.s.w. zu ersehen sind. Die Wirkungsweise des
Apparates stützt sich nach Mittheilungen in Revue
industrielle vom 15. Juni 1895 S. 233 auf das Messen der bei verschiedenen
Geschwindigkeiten erzeugten Centrifugalkräfte in einem astatisch aufgehangenen
Körpersysteme. Die Wirkungen werden durch einen Zwischenmechanismus derart auf eine
Feder übertragen, dass jede Geschwindigkeit einer bestimmten Spannung und Lage der
Feder entspricht; letztere wirkt dann auf den Indicator und das Schreibzeug des
Apparates, indem sie diese Theile veranlasst, der jedesmaligen Geschwindigkeit
entsprechende Stellungen einzunehmen. Da die Uebertragung der Bewegung auf das
astatische System durch eine der Locomotivachsen erfolgt, gestattet eine Scala,
deren Eintheilung mit Rücksicht auf den Durchmesser der Räder gewählt ist, die
durchlaufenen Wege direct abzulesen.
Fig. 15 und 16 veranschaulichen zwei
Verticalschnitte des Apparates. Um die senkrechte Achse xx1 dreht sich das astatisch aufgehangene
Körpersystem ss1
ll1 mitsammt der
Spiralfeder ff1.
Die Achse xx1 auf ihrem
oberen Ende eine Art Gabel, in welche mittels Bolzen oo1 die Körper ss1 meist in Gestalt einer Scheibe,
astatisch aufgehängt sind. Die Scheibe hat in der Mitte einen Schlitz, in welchem
der Gelenkbolzen d einer kleinen Stange ll1 liegt, deren eines
Ende durch eine Stange eg mit einem auf der Gabelstange
vernieteten Träger verbunden ist. Durch diese Verbindung soll das andere Ende l1 der Stange gezwungen
werden, sich stets in der Rotationsachse zu bewegen, in deren Durchschnittspunkt sie
mit einem Muff h1
verbolzt ist, der sich in senkrechter Richtung ungezwungen hin und her bewegen
kann.
Der Muff unterliegt der Einwirkung der Feder ff1, deren unterste
Spirale durch das Ohr n1 einer der Gabelarme und schliesslich durch das Ohr n des dem ersteren diametral gegenüber liegenden
Gabelarmes geht. Auf diese Weise müssen sich Feder und schwingende Masse mit der
Rotationsachse drehen. Dasselbe gilt für den Muff h1, der das Spurlager für eine Stange h bildet, welche sich nicht mitdreht, jedoch an den Verticalbewegungen des Muffes theilnimmt,
und zwar selbst an der Abwärtsbewegung des letzteren, zufolge der Anordnung eines in
einer Hohlkehle dieser Stange eingelassenen Ringes.
Bei den verschiedenen Geschwindigkeiten der Locomotive nimmt das astatisch
aufgehängte Körpersystem eine mehr oder weniger geneigte Lage zur Achse xx1 ein; das Maass
dieser Neigung wird durch die Feder bezieh. deren Spannkraft bestimmt. Hieraus
ergeben sich für das Ende der Stange ll1 verschiedene Stellungen in der Verticalen, so dass
auch die Stange h sich mehr oder weniger hebt; diese
Höhenänderungen werden benutzt, um die Geschwindigkeit der Locomotive anzuzeigen und
aufzuzeichnen.
Eine nothwendige Bedingung für diesen Apparat ist jedoch, dass das System ss1ll1 (Scheibe und
Stange) vollständig astatisch aufgehängt ist, derart, dass die von der Achse
ausgeführten Bewegungen, mit Ausnahme ihrer Drehbewegung, keinen merklichen Einfluss
auf das System ausüben. Zu dem Zwecke sind Form und Stärke der Stange ll1 in jedem Falle so
bestimmt, dass ihre Wirkung im Punkte d genau dieselbe
bleibt, wenn auch der Spalt der Scheibe ss1 in Wegfall käme. Deshalb ist das astatische System
gegen Stösse und parallele Kräfte vollständig unempfindlich.
Der Mechanismus zum Antreiben des Apparates befindet sich gewöhnlich in einer unter
der Plattform angebrachten Trommel in Nähe der Hinterachse der Locomotive, während
Geschwindigkeitsanzeiger und Schreibzeug zum Aufzeichnen der Geschwindigkeitscurven
im Schutzhause unmittelbar vor den Augen des Führers angeordnet sind. In der Regel
trägt der Kopf der Kuppelstange einen starren Arm, welcher mittels einer kleinen
Kurbel und konischer Zahnräder eine kurze wagerechte Achse y (Fig. 15)
bewegt; letztere
treibt durch ein anderes konisches Rädervorgelege z1z2 die Achse des astatischen Systems. Der
Geschwindigkeitsanzeiger ist in einem festen Gehäuse untergebracht, in welches von
unten die zum Betreiben desselben dienende hohle Stange h (Fig. 17)
tritt; in das obere Ende dieser Stange ist ein gabelförmiges Stück p geschraubt, dessen rechtsseitiger Schenkel eine
Zahnstange für das eingreifende, mit einem Zeiger auf gemeinschaftlicher Achse
sitzende Getriebe m bildet. Der Zeiger bewegt sich auf
einem mit Theilstrichen versehenen Zifferblatt, so dass jeden Augenblick die
Geschwindigkeit der Locomotive in Kilometern auf die Stunde abgelesen werden kann.
Es ist selbstverständlich, dass die Theilung auf dem Zifferblatte dem Durchmesser
der Treibräder entsprechend gewählt ist.
Was den Schreibapparat betrifft, so ist dieser in einem bequem zugänglichen Gehäuse
untergebracht; sein Mechanismus besteht im Wesentlichen aus einem Uhrwerk a (Fig. 17), welches mit
Hilfe von Stirngetrieben eine Walze b derart bewegt,
dass sie sich einmal in der Stunde umdreht; über die Walze b und andererseits die Walze b1 läuft ein Papierstreifen ohne Ende. Vor diesem in
Bewegung befindlichen Papierstreifen lässt sich ein Bleistift c im Sinne der Breite des Streifens bewegen und auf
einen den Stellungen
der Stange h entsprechenden Punkt einstellen. Zu dem
Zwecke trägt letztere ein Querstück t mit Rolle g am hinteren Ende, welche auf Führungsleisten gleitet
und das Querstück veranlasst, sich mit der Stange h
genau in senkrechter Richtung zu bewegen. Vorn ist das Querstück mit einem
gekrümmten Hebel t1
verbunden, der selbst auf der festliegenden Platte P in
t2 drehbar und
ferner mit dem Hebel u gelenkig verbunden ist, dessen
unteres Ende den Schreibstift c trägt, während sein
oberes Ende mit der in v1 auf der Platte P drehbaren kleinen Stange
v verbunden ist. Durch diese Einrichtung werden die
senkrechten Bewegungen der Stange h in wagerechte
Ortsveränderungen des Bleistiftes umgewandelt; die voll ausgezogenen und punktirten
Stellungen des Bleistiftträgers entsprechen der kleinsten (Null) bezieh. grössten
Geschwindigkeit der Locomotive.
Textabbildung Bd. 299, S. 51
Schreibapparat zum Geschwindigkeitsmesser.
Ein Millimeter Länge des Streifens entspricht einem Zeitraum von einer Minute. Man
kann demnach am Ende einer Fahrt auf dem Papier direct Aufenthalte und Fahrzeiten
abmessen und es ist ferner möglich, die tägliche Arbeit der Locomotive auf demselben
Streifen einzutragen. Auf dem Streifen in der Längsrichtung angebrachte
parallele Linien geben die Geschwindigkeiten von 10 zu 10 km an.
Der verschliessbare Schreibapparat ist am Gestell des Geschwindigkeitsanzeigers so
aufgehangen, dass er leicht abgenommen werden kann. Zu dem Zwecke dreht man mittels
des Handgriffes e (Fig. 18) die Platte P um ihre Achse K und hebt
den Apparat mit dem gesammten Bewegungsmechanismus aus dem Schutzgehäuse heraus;
beim Arbeiten des Apparates ist die Platte P mittels
einer Feder K1
festgestellt.
Seit dem Jahre 1892 sind mehr als 100 Geschwindigkeitsmesser, System Klose, auf den Locomotiven der Schweizer Nordostbahn,
angebracht worden; auch die Gotthardbahn hat bereits 50 derartige Controlapparate
bezogen.