Titel: | Glättung der See. |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 59 |
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Glättung der See.
Mit Abbildungen.
Glättung der See.
Die Hauptgefahr des aufgeregten Meeres stellen die Sturzseen dar, welche mit grosser
Gewalt über Deck brechen. Sie bilden sich in noch nicht ganz erklärter Weise aus den
eigentlichen Wellen heraus, und vor ihnen das Schiff zu schützen, ist die Aufgabe
der Glättungsmittel für die See.Vgl. 1888 267 * 113. 270 *
551.
Die Kenntniss, dass die eine oder die andere Oelsorte eine beruhigende Wirkung auf
das Meer äussere, muss weiter zurückreichen, als die Ausführung der ersten Seereise.
Es wird dies allerdings unter der Berücksichtigung nicht auffallen, dass gerade an
den Küsten sich die brechende See in einer ihrer gefährlichsten Formen, der
Brandung, zu erkennen gibt, und es ist nicht einzusehen, warum es den Alten nicht
gelungen sein sollte, die verderbliche Gewalt der Brandung, wenn auch nur bis zu
einem gewissen Grade, durch Oelen zu dämpfen. Aristoteles, Plinius der Aeltere,
Plutarch a. A. schildern die Wirkung des Oels auf die See. Es ist auch eine
altbekannte Sache, dass gebrechliche Walfischfänger, von denen der Thran in reichlichen Mengen
abläuft, Seen gut überwinden, welche intacten Fahrzeugen an sich schwer zu schaffen
machen. Zuerst soll Benjamin Franklin die Frage der
Oelung eingehender behandelt haben; seine Schrift: Of the
Stilling of Waves by the Means of Oil, London 1775, scheint denn auch die
erste Abhandlung dieser Art gewesen zu sein. Auch die weniger auffällige Arbeit des
Holländers Lelgreld (1775) behandelt den Gebrauch des
Oels zur Wellenberuhigung. Es hat seitdem nicht an Berichten und Beschreibungen von
Seeleuten gefehlt, welche theils von geglückten, theils von misslungenen
Glättungsversuchen Zeugniss ablegen. Dass man die Ursachen des Phänomens nicht
gekannt hat und nicht kennt, ist im Wesentlichen schuld daran, dass die
Aufzeichnungen aus der Praxis, die meist lückenhaft sind, eine klare Uebersicht über
die Natur der Mittel, deren Verwendungsweise und die beobachtete Wirkung
gleichzeitig selten enthalten.
Eine Sammlung auf See ausgeführter Oelungen enthalten die Schriften von Rottock und Karlowa. Von
neueren Fällen seien einige hier wiedergegeben.
Das deutsche Panzerschiff Deutschland hatte (1890) im
Hafen von Fiume vor Anker liegend an jeder Backspiere auf ⅓ und ⅔ ihrer Länge zwei
Säcke mit Maschinenöl angehängt; eine Einlage von Twist gestattete nur tropfenweises
Ausfliessen des Oeles. Es gelang, zu beiden Seiten des Achterschiffes einen 8 m
breiten Oelstreifen zu unterhalten, welcher Brecher abhielt und das Klarmachen von
Booten am Fallreep wesentlich erleichterte.
In nahezu begeisterter Weise bewundert der Capitän des deutschen Dreimastschoners Coquette den Einfluss des Oels: „Als gegen 10 Uhr
Vormittags die See eine so ungeheuerliche Höhe annahm, dass sie alles vom Deck
wegzuschlagen drohte und sowohl über das Heck als über die Seiten lief, liess
ich vorn an jedem Krahnbalken einen Oelsack aushängen. Die aus Segeltuch
angefertigten Säcke hatten die Form einer bauchigen Flasche, welche sich am
Halse stark verengte, waren mit einer dicken Segelnadel vielfach durchlöchert
und wurden zum Gebrauch mit Werg und Leinöl aufgefüllt. Die Wirkung, welche das
Oel auf die See ausübte, war geradezu überraschend und wunderbar. Die schwersten
Brecher fielen etwa eine halbe Schiffslänge und noch weiter hinter dem Schiffe
in sich zusammen und gingen in eine hohe Dünung über. Von diesem Augenblicke an
kam keine einzige See mehr über. Durch einige Liter Oel waren wir so im Stande,
uns gegen die hohe See, die alles an Deck zu zertrümmern drohte, zu schützen,
und konnten unsere Reise ungefährdet fortsetzen. Wir konnten bequem weiter
lenzen, während wir ohne das Oel der See zum Beidrehen gezwungen gewesen
wären.“
Der Capitän O. Kampehl vom Schiff Industrie berichtet von einer 1893 ausgeführten Reise
von Liverpool nach St. Francisco, auf welcher er am 14. März einen starken Orkan mit
heftigen Schnee- und Hagelböen angetroffen hatte. Um sich vor der stets über Deck
brechenden See zu schützen, wurden vorn und mittschiffs Oelbeutel ausgebracht,
wonach nur noch etwas Schöpfwasser über die Reeling übergenommen wurde. Als der am
Krahnbalken hängende Beutel aufgenommen wurde, brach wieder eine schwere See vorn,
gerade hinter dem Fockwant über Deck, welche rund 10 m Reeling wegriss, die
Nagelbank zersplitterte, eine eiserne Stütze brach und zwei Platten der
Verschanzung nach hinten bog. Das Wiedereinbringen des Oelbeutels hatte sofort
die Beruhigung der See zur Folge – ein praktischer Beweis dafür, dass hier
tatsächlich das Oel das schützende Mittel bildete. Leider ist im Bericht die Art des
verwendeten Oels nicht angegeben.
Auch das hydrographische Amt zu Washington hatte von 92 im J. 1889 eingeforderten
Berichten 89 erhalten, welche sich sehr befriedigend über den Erfolg des Oelens
geäussert hatten. Besondere Einrichtungen, wie Oeltanks, Ausflussröhren, wurden hier
als nicht erforderlich bezeichnet, indem das an Bord eines jeden Schiffes
befindliche Material als ausreichend erachtet wurde. Schon kleinere Mengen Oel
sollten den Zweck erfüllen, wenn man das letztere aus einem über die Luvseite
hängenden Sack oder aus vom Closet nach Aussenbord führenden Röhren langsam
austropfen lässt.
Dass die Wirkung des Oels an gewisse Bewegungsformen der See gebunden ist, erscheint
zweifellos. Capitän M. Haak hatte mit der Bark F. E. Hagemeyer sich des Oels in einem Falle vergeblich
zur Hilfeleistung bedient. Sein Bericht lautet: „10. November 1893 auf 40,3° n.
Br. und 54,3° w. Lg. morgens schwerer Sturm aus ESE. mit hoher, wilder See aus
derselben Richtung; heftige Böen, Luft dick bezogen. Von 10½ bis 11½ Uhr
Vormittags holt der Wind langsam durch SE. und Süd nach SSW. und wird zu einer
massigen Brise, worauf er sich noch weiter durch West nach Nord dreht. Luft oben
klar, in der Kimme überall drohend. Um 12½ Uhr fällt der Wind orkanartig von
Nord ein, Luft furchtbar aussehend und so dick, dass man keine Schiffslänge weit
sehen kann. Die See wird so wild, dass sie von allen Seiten über das Schiff
bricht. Die Boote oben auf der Kajüte und auf dem Vorderhaus schlagen fort,
Wassertanks und andere bewegliche Gegenstände treiben auf dem Deck herum, an
beiden Seiten gehen Verschanzungen verloren, ferner Ruderhaus, Compasshaus und
die Laternenbretter im Besanwant. Gebrauchen viel Oel, doch anscheinend ohne
Nutzen; die See ist zu wild. Nachts nimmt der Wind etwas ab, weht aber noch
immer als starker Sturm. Die See immer noch in gewaltiger Höhe laufend, ist
regelmässiger geworden und kommt nur noch aus Nord. Der Gebrauch von Oel hat
jetzt guten Erfolg, indem keine einzige Brechsee mehr überkommt.“ Nach
dieser Beschreibung hatten also die zwei unter stumpfem Winkel (ESE. und N.) gegen
einander stossenden Seen die Wirksamkeit des Oels zu nichte gemacht. Erst als die
eine See sich verloren hatte, trat die beruhigende Wirkung ein.
Das Panzerschiff Preussen hing (3. Februar 1890 am Cap
Matapan) bei Stärke des Seegangs gleich 6 und 10 Sm. Fahrt einen mit in Oel
getränktem Werg gefüllten Sack am Steuerbord Fisch-David so über Wasser auf, dass
ersterer beim Einsetzen in die See in das 15° warme Wasser tauchte. Der entstehende
ziemlich gleichmässige, verhältnissmässig breite Oelstreifen entlang der
Steuerbordseite hatte anscheinend die kurzen achterlich auflaufenden Seen vor dem
Ueberstürzen gehindert. Die Wirkung wurde wesentlich erhöht, nachdem man das
Steuerbord-Mannschaftscloset in Luv zum Oelen herangezogen hatte, indem durch
Verstopfen des Abflussrohres mit Werg dasselbe in bekannter Weise zur Aufnahme von
Oel geeignet gemacht wurde. Es machte sich jetzt achterlich ein 200 bis 300 m
breiter Streifen bemerkbar, innerhalb dessen sich ein Boot in Schlepp führen liess. In
7 Stunden wurden 75 k Oel verbraucht. Nach Ansicht des Commandos sollte das Resultat
nicht ganz den Erwartungen entsprochen haben, und dies wurde auf die hohe
Fahrgeschwindigkeit geschoben. Ein grosser Theil der Schuld dürfte aber auch auf die
Anordnung des Oelsackes geschoben werden, da es wohl feststeht, dass die Oelabgabe
stets zwischen Wind und Wasser vor sich gehen muss, aber nicht auch zeitweise unter
Wasser erfolgen kann.
Allerdings berichtet auch wieder der Capitän GarcinsMitth. Seew., 1892. vom Dampfer Dauphiné der Société générale
des Transports maritimes à vapeur, dass er am 24. August 1891 auf der Rhede
von Susa (Tunis) mit Erfolg durch Gewichte beschwerte Segelleinwandsäcke eingetaucht
gehalten habe. Die Wergfüllung der Säcke vermochte je 5 l Oel zu halten, welches
Quantum nach Ansicht Garcins' für etwa 5 Stunden
ausreichend gewesen wäre.
Von einem Falle des erfolglosen Oelens erzählt auch J.
Janssen von der Brigg Atlantic.
„Auf der Reise von La Plata nach Glasgow (1890) war am 3. März der Schiffsort um
Mittag 32° 55' n. Br. und 33° 8' w. Lg., der Wind SEzE. 9 bis 10 bei dicker Luft
mit Gewitter. Die See war viel höher, als man nach dem herrschenden Winde
annehmen sollte. Am 4. März in 33° 26' n. Br. und 33° 31' w. Lg. wehte es aus
derselben Richtung sehr schwer. Das Schiff lag unter Grossuntermarssegel und dem
Vorstängestegsegel beigedreht. Die fürchterliche See aus SE. bis NE. drohte alle
Gegenstände an Deck zu zerschmettern. Um 1hp schlug eine Sturzsee die vordere Kajütsthür
ein und füllte die Kajüte mit Wasser. Wir machten jetzt zwei Oelsäcke fertig,
füllten dieselben mit thrangetränktem Werg und hingen den einen am
St.-B.-Krahnbalken, den anderen mittschiffs über Bord. Der benutzte Thran war
von einem Schweinfisch (Delphin) gewonnen. Es liess sich wohl erkennen, dass der
Thran eine beruhigende Wirkung auf die Wellen ausübte, allein nicht in dem
Maasse, wie ich es nach den Berichten über die erzielten Erfolge erwartet hatte.
Um 4hp,
nachdem wir etwa 15 Minuten vorher die Säcke neu gefüllt wieder über Bord
gehängt hatten, nahm das Schiff eine Sturzsee über, welche an Gewalt alle
voraufgegangenen übertraf, indem sie das Grossboot losschlug und die
B.-B.-Verschanzungen zertrümmerte. Diese See nahm meiner Ansicht nach, nachdem
sie sich ausserhalb der Thranschicht bereits gebrochen hatte, in derselben
wieder an Mächtigkeit zu. Aus diesem Grunde und da ich von der Nutzlosigkeit
mich überzeugt hatte, liess ich die Oelsäcke überholen und das Oelen einstellen.
Wir haben dann freilich noch mehrere schwere Seen überbekommen, aber keine von
der Grösse und Gewalt der eben erwähnten.“
Der Capitän spricht hier, was immerhin bemerkenswerth ist, von einem Brechen der See
vor, aber auch einem Anwachsen derselben innerhalb der Thranfläche.
Uebrigens hatten auch die VersucheAnn. d. Hydr. d. hydr. Amtes u. d. deutsch.
Seew., 1888 S. 369., welche die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bei Norderney und Sylt
(1888) angestellt hatte, zu der Einsicht geführt, dass das Oelen wohl auf freier See
von Erfolg begleitet wäre, in der Brandung jedoch eine nur sehr geringfügige Wirkung
äussere. Es möge hier ferner auf das aus dem Jahre 1886 stammende
RundschreibenBoard of Trade Journ., 1886 S. 211.
der britischen Admiralität hingedeutet werden, welches darauf hinweist, dass die
Verwendung von Oel bei der Fahrt über eine Barre mit der Fluth nur bedingungsweise,
bei der Fahrt mit dem Ebbestrom hingegen gänzlich nutzlos sei.
In einigem Widerspruche hierzu stehen die von Admiral Cloné (1887) gemachten Mittheilungen, nach denen beispielsweise damals
schon das Passiren der australischen Riffe mittels Rettungsbooten bei schlechtem
Wetter gang und gäbe gewesen. Das Oel bildete in der Mitte der Brandung einen
breiten ruhigen Streifen, wogegen sich die Wogen zu beiden Seiten desselben heftig
überstürzten. Auch die Rettung der Mannschaft vieler in Noth befindlicher, ja
sinkender Schiffe hätte nur mit Hilfe des Oeles bewerkstelligt werden können.
Desgleichen glättete Shields (1882) schwere Barren des
North Harbour in Peterhead dadurch, dass er in die Brandung Oel in Röhren zuleitete.
In ähnlicher Weise vermochte man im Hafen von Montrose an der Ostküste von
Schottland die Gewalt der brechenden See zu dämpfen.
Ueber die Ursache der beruhigenden Wirkung des Oels auf
die brechende See ist man heutigen Tages noch im Unklaren; ja selbst die Entstehung
der Sturzwellen wird noch mit wenig stichhaltigen theoretischen Erörterungen in
Verbindung gebracht. Man sollte meinen, dass der Lösung der Glättungsfrage erst die
Aufklärung der Wellenkammbildung voraufgehen müsste. In welcher Weise Studien in
dieser Richtung zu machen wären, hat u.a. v.
HelmholtzSitzungsberichte der Berliner Akademie, 1888
bis 1890. angegeben, allerdings ohne dass es bis jetzt gelungen
wäre, eine Nutzanwendung der Helmholtz'schen Hinweise
auf hoher See zu machen. Es ist einleuchtend, dass es sich bei Glättung des Meeres
nicht um die Beseitigung der Wellenberge handeln kann – hierfür würden enorme Kräfte
in Anspruch zu nehmen sein –, sondern es ist lediglich das Bestreben vorhanden, die
aus den primären Wellen sich herausbildenden Kämme und stürzenden Seen, welche
allein die drohende Gefahr ausmachen, zu unterdrücken, sie in eine ungefährlichere
Form überzuführen.
Spielen beim „Uebernehmen von Seen“ die Beschaffenheit des Schiffsrumpfes,
Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung von Schiff und Wasser u. dgl. zweifellos
eine wesentliche Rolle, so steht es andererseits auch fest, dass die Bildung eines
Kammes mit dem Verhältniss der Wellenhöhe zur Wellenlänge in engster Beziehung
steht, dass der Gipfel einer hohen, kurzen Welle, vom Wind leicht übergeworfen, in
eine Sturzsee verwandelt werden kann. Hiermit stimmt die Erscheinung überein, dass
bei gegebener Windstärke die Sturzseen zu Anfang eines Sturmes häufiger auftreten,
als im weiteren Verlauf desselben, nachdem die Wellen eine grössere Länge erlangt
haben. Der Wellenberg ist nicht glatt, sondern weist kleinere, secundäre Wellen auf,
deren Geschwindigkeit geringer ist, so dass sie gegen die primären Wellen
rücklaufen. Nach dem Vorgang Culverwell'sNature, 1883 S.
605. besteht eine Ansicht, gemäss welcher der Kamm lediglich als
die oberste und grösste secundäre Welle auf der vom Wind abgekehrten Seite der
primären Welle aufzufassen wäre. Auch das allmähliche Anwachsen der secundären
Wellen nach jedem Sturz findet seine anscheinende Bestätigung in der Thatsache, dass
nicht eine jede primäre Welle die Kammbildung zeigt, dass vielmehr die letztere etwa
auf jeder dritten oder vierten Welle vor sich geht.
Franklin und die Gebrüder
Weber führen die glättende Wirkung der Oelschicht auf die verminderte
Reibung zwischen Luft und den Wellen zurück; indessen ist es erwiesen, dass ein
merklicher Unterschied zwischen Wasser und Oel hinsichtlich der Reibung an Luft
nicht besteht. Dieser Auffassung würde, worauf Grossmann treffend hinweist, die Erscheinung entgegenstehen, dass selbst
über eine grössere Wasserfläche vertheilte schwimmende Körper, wie Eis- und
Wrackstücke, eine Russchicht u. dgl., welche die erstere nur rauher gestalten
können, eine der hier in Betracht kommenden ähnliche Wirkung hervorbringen.
Gleichwohl ist es einleuchtend, dass, wenn die kleinen Wellen durch besondere Mittel
beseitigt oder abgerundet sind, die Fläche der primären Welle glatter wird, und
demgemäss auch der Wind an Angriffsfläche bezieh. an Einfluss auf die Wellen
verliert. Dass nicht von einer allmählichen Entziehung des Einflusses des Windes auf
die Bildung der secundären bezieh. die Vergrösserung der vorhandenen Wellen, einem
Sichtodtlaufen derselben unter der Oeldecke die Rede sein kann, davon legen alle
Berichte aus der Praxis Zeugniss ab, welche gerade die plötzliche Aenderung der
Wellen bei Eintritt in die mit Oel bedeckte Wasserfläche hervorheben.
Textabbildung Bd. 299, S. 61
Fig. 1.
Joseph GrossmannDie Bekämpfung der Sturzwellen durch Oel und ihre
Bedeutung für die Schiffahrt, Wien 1892. lässt lediglich
die Spannung der Oeldecke als die wirksame Ursache gelten; die anfangs kreisförmigen
Bahnen der Wassertheilchen in der Welle nähmen beim Eintritt der Welle in die geölte
Fläche die Gestalt langgestreckter Ellipsen an. Danach müsste auch die Form der
Welle eine Veränderung erleiden. Es sei W (Fig. 1) eine kleine Welle, welche in der Richtung des
Pfeiles s fortschreitet und beim Eintritt unter die
Oeldecke in Folge der angenommenen grösseren Spannung derselben unter einem
kleineren Winkel gegen das Wasserniveau ansteigt. Da nun wegen der vorhandenen
lebendigen Kraft die ganze, die Welle W bildende
Wassermasse unter die Oeldecke gezwängt würde, müsste die Welle W die langgestreckte Form ab
c annehmen. Dass bei grossen Wellen eine solche Formveränderung nicht
stattfinden könne, motivirt Grossmann mit der von dem
Wasser geleisteten enormen Arbeit, zu deren Umwandlung die Spannung der Oeldecke bei
weitem nicht ausreicht. Indessen wird die Grossmann'sche Theorie, welcher eine Vergrösserung der Oberflächenspannung zu
Grunde liegt, hinfällig, indem es feststeht, dass die Oberflächenspannung an der
Grenze von Wasser und Luft grösser ist als die Summe der Spannungen der Grenzflächen
Wasser-Oel plus Oel-Luft, dass also die Oelschicht keine Vergrösserung der
Spannung bedeutet, die Wassertheilchen vielmehr bei freier Wasseroberfläche
unter weit grösser er Spannung stehen.
Textabbildung Bd. 299, S. 61
Fig. 2.
Von Wesen für die Wirkung eines Oels ist zweifellos dessen Ausbreitungsfähigkeit auf
dem Wasser. Es befinde sich ein Oeltropfen 2 (Fig. 2) auf der Wasserfläche 1. Dann ist seine Oberflächenspannung gegen Wasser α12 gegen Luft 3 = α23,
während die Spannung der Wasserfläche 1 gegen Luft 3 α13 beträgt. Wird α13
> α12 + α23, so erfolgt
offenbar ein Auseinandergehen des Tropfens 2. Nach QuinckeWied. Ann., Bd. 35 S. 561.
beträgt für
a mit Luft
a mit Wasser
Summa
Quecksilber
46 bis 55
42,0
–
Wasser
8 „ 8,5
–
(8,25)
Erdöl (Steinöl)
3,23
3,83
7,06
Olivenöl
3,76
2,10
5,86
Mandelöl
3,52
2,07
5,59
Ricinusöl
3,83
1,62
5,45
Benzol
3,12
1,97
5,09
Rapsöl
3,34
1,70
5,04
Rüböl
3,35
1,56
4,91
Terpentinöl
3,03
1,18
4,21
Leberthran
3,39
0,79
4,18
Seifenwasser,(venet. Seife)
1/40001/4001/40
2,682,672,56
–––
2,682,672,56
Alkohol
2,35
–
2,35
Multiplicirt man die mit a bezeichneten Zahlen mit 9,81,
so erhält man die Energie im CGS.-System, welche erforderlich ist, um die
Grenzfläche der Flüssigkeit um 1 qc zu vergrössern. Es ist auffallend, dass
Seifenwasser fast unabhängig von der Stärke der Lösung wirkt. Andererseits hat Quincke auch darauf verwiesen, dass ranzig gewordene
fette Oele ein kleineres a mit Wasser zeigen, also
rascher aus einander gezogen werden, als gute Oele. Dass gereinigtes Erdöl keine
wellenberuhigende Wirkung äussert, während dies wohl Terpentinöl, Fischöl u.s.w.
thun, lässt vermuthen, dass die Brauchbarkeit der Oelsorten zum vorliegenden Zwecke
mit deren Ausbreitungsfähigkeit wächst.
Paul du Bois Reymond hatte im J. 1858 die Ansicht
geäussertPogg. Ann., Bd. 104 S. 209., dass
der Ausbreitungstoss der Oeldecke die scharfen Kanten der Wellen wegnehme. Diese
Erklärung der glättenden Wirkung ist natürlich nicht stichhaltig, wenn man in
Betracht zieht, dass auch die schon ausgebreitete Decke die Sturzseebildung
verhindert.
Dass für die Form der Wellenoberfläche das Verhalten der Wassertheilchen in der
obersten, wenige Centimeter dicken Schicht ausschlaggebend ist, lässt sich
vielleicht an der Wirkung von Eis, Holzstücken, Sargassotang begründen, welche die
Wellen ähnlich wie Oel runden, wenngleich beispielsweise Sargasso auch nur 0,3 bis
0,6 m tief unter Wasser reicht; auch steht es fest, dass Tangmassen den
freiliegenden Hafen von Kingston, S.-A., gegen die Nordweststürme schützen.Ann. d. Hydr. u. Marit.
Meteor., 1888 S. 22. Es könnte deshalb zulässig
erscheinen, wie es Dr. Köppen thutAnn. d. Hydr. u. Marit.
Meteor., 1893 Bd. 21 S. 144., die Oberflächenspannung
mit der Orbitalbewegung der Wassertheilchen in der Welle für die Bildung der spitzen
Wellen zu combiniren. Für diesen Fall würde die grösser werdende Oberflächenspannung
der Sturzwellenbildung Vorschub leisten und es wäre zur Verhinderung der letzteren
die Beseitigung bezieh. thunlichste Verminderung der Spannung ins Auge zu fassen.
Als ein solches Mittel ergibt sich aus der Tabelle nach Quincke allerdings Seifenwasser, und dieses wird deshalb von Koppen als allen Oelen überlegen bezeichnet. An Bord
müsste nach ihm die Seifenlösung mit frischem und nicht mit Salzwasser angerichtet
werden.
(Schluss folgt.)