Titel: | Die Schutzvorrichtungen an Erdöltanks. |
Autor: | Richard Kissling |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 119 |
Download: | XML |
Die Schutzvorrichtungen an
Erdöltanks.
Von Dr. Richard Kissling.
Die Schutzvorrichtungen an Erdöltanks.
Die grosse Feuersbrunst, welcher am 31. Mai vorigen Jahres die Tankanlagen der Bremen-Trading-Co. zu Harburg an der
Elbe zum Opfer gefallen sindVgl.
M. Albrecht, Der Erdölbrand zu
Harburg 1895 297 *
17., hat die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Gefährlichkeit von
grossen Erdölbehältern gelenkt. Der Verlauf jenes riesenhaften Brandunglücks war
allerdings ein derartiger, dass von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen
wurde, ob in Zukunft Erdöltanks nicht wie Pulverthürme behandelt werden müssten,
also weitab von Wohnungen und von menschlichem Verkehr anzulegen seien.
Nachdem jedoch der erste Schrecken, den die – bekanntermaassen durch Blitzschlag
herbeigeführte – Katastrophe hervorgerufen hatte, überwunden war, und besonders,
nachdem man bezüglich der für die Beurtheilung von Ursache und Folgen in Betracht
kommenden Verhältnisse, wenn nicht völlige, so doch hinreichende Klarheit gewonnen
hatte, machte sich die Ueberzeugung geltend, dass der Harburger Brandfall nicht auf
eine specifische Gefährlichkeit der Tanks im Allgemeinen, sondern nur auf eine
fehlerhafte Einrichtung und Behandlung, bezieh. Wartung der in Rede stehenden
Anlagen im Besonderen zurückzuführen sei.
Man nimmt an, dass sich über dem Dache der Tanks reichliche Mengen von Erdölgasen
angesammelt haben – der 31. Mai war ein sehr heisser, fast windstiller Tag – und
dass bei der Ausgleichung der irdischen mit der atmosphärischen Elektricität trotz
der anscheinend vorzüglichen Fangstangenanlage die Entflammung derselben durch den
elektrischen Funken erfolgt ist. Ob, wie einerseits behauptet, andererseits
bestritten wird, das Mannloch des zuerst in Brand gerathenen Tanks unbedeckt gewesen
ist, erscheint nicht von ausschlaggebender Bedeutung, denn die Uebertragung des
Feuers von den aussen brennenden Erdölgasen auf das im Innern befindliche
Knallgasgemenge hätte (durch die Entgasungsvorrichtung) vermuthlich auch erfolgen
können, wenn der Mannlochdeckel geschlossen gewesen wäre. Bei den anderen drei Tanks
scheint ja auch
der Verlauf der Zündung ein derartiger gewesen zu sein.
Bei der Beantwortung der Frage, welche Schutzmaassregeln bei der Einrichtung und
Wartung derartiger Tankanlagen angewendet werden sollen, ist es im Interesse der
Klarheit jedenfalls zweckmässig, folgende drei Gesichtspunkte getrennt zu behandeln:
Wie sollen die Tanks geschützt werden gegen Zündung 1) durch Blitzschlag, 2) durch
ein nahes Feuer, und wie soll 3) der Explosionsgefahr begegnet werden?
Um die letztere hinreichend zu würdigen, muss man sich vergegenwärtigen, dass in der
Regel der Luftraum des zum Theil gefüllten Erdöltanks von einem
Kohlenwasserstoff-Luftgemische, also einem Knallgasgemenge gefüllt ist, da bei
Abkühlung Luft eingesogen, bei Erwärmung Knallgas ausgestossen und neues
Kohlenwasserstoffgas entwickelt wird. Demnach wird die Zusammensetzung des
Knallgases stetem Wechsel unterworfen sein.
Was nun zunächst die erste Frage betrifft, wie die Erdöltanks gegen Zündung durch
Blitzschlag zu schützen seien, so wird deren Beantwortung folgende Erwägung zu
Grunde gelegt werden müssen. Ein Tank von der gewöhnlichen Grösse stellt in Folge
seiner grossen Oberflache einen vorzüglichen Conductor der irdischen Elektricität
dar, er muss also, soll er nicht vom Blitz getroffen werden, mit Blitzableitern
ausgiebig versehen werden.
Es scheint am zweckmässigsten zu sein, auf dem Tank vier Fangstangen von etwa 10 m
Länge anzubringen und dieselben in einer Höhe von etwa 5 m über dem Tank kreuzweise
durch ein Kupferkabel von geeigneter Dicke zu verbinden. Hierdurch soll verhindert
werden, dass ein etwa zwischen den Fangstangen niedergehender Blitzstrahl den Tank
trifft. Die von den Fangstangen zur Erde führenden Kupferkabel soll man entweder mit
einem weit verzweigten Rohrnetz (Wasser- oder Gasleitung) oder mit einer ständig im
Grundwasser befindlichen Kupferplatte von hinreichender Grösse verbinden. Besondere
Sorgfalt ist natürlich auf die Verbindung der Kabel mit den Fangstangen einerseits
und den Röhren oder der Kupferplatte andererseits zu verwenden. Mag man Schellen
umlegen oder Stifte, bezieh. Kloben einschrauben, in jedem Falle ist es zweckmässig,
die Verbindungsstellen mit einem geeigneten elastischen Kitt zu überstreichen, damit
die zerstörende Einwirkung feuchter Luft ausgeschlossen bleibe.
Ein in dieser Weise armirter Tank kann als ein gegen Blitzschlag völlig geschütztes
Object angesehen werden, vorausgesetzt, dass die Verbindung der Fangstangen mit dem
Grundwasser bezieh. den Erdleitungen auch den höchsten Anforderungen, die an sie
gestellt werden können, genügt. Wie hoch die letzteren steigen können, weiss man
allerdings nicht, doch wird man sich bei der Einführung eines grossen
Sicherheitscoëfficienten in die Rechnung beruhigen können.
Noch sei bemerkt, dass man sich nicht damit begnügen darf, von Zeit zu Zeit mit Hilfe
eines der gebräuchlichen Apparate den Widerstand zu messen, welcher in der die
Fangstangen mit der Erde verbindenden Leitung vorhanden ist, sondern dass es auch
erforderlich ist, in gewissen Zeitabständen die in Betracht kommenden
Verbindungsstellen eingehend zu besichtigen, denn die Prüfungsapparate zeigen nur
sehr grobe Leitungsfehler an.
Ist somit die Gefahr, dass der mit den oben beschriebenen Vorrichtungen
versehene Tank vom Blitz getroffen werde, auf ein sehr geringes, zu
vernachlässigendes Maass beschränkt, so bleibt die zweite Frage zu beantworten, in
welcher Weise der Inhalt eines Petroleumtanks gegen die durch ein nahes Feuer
hervorgerufene Zündungsgefahr geschützt werden könne und solle.
Die unmittelbare zerstörende Einwirkung von Flammen auf die Wandungen des Tanks
bleibt natürlich ausser Acht. Hier handelt es sich in erster Linie um die ja
unbedingt zu schaffende Verbindung des Gasraumes im Tank mit der Aussenluft. Es ist
nahezu selbstverständlich, dass man eine Anordnung trifft, gemäss deren die ein-
oder ausströmenden Gase ein oder mehrere Davy'sche
Sicherheitsdrahtnetze passiren müssen. Am zweckmässigsten ist wohl ein am Rande der
Tankdecke austretendes, ∪-förmig gekrümmtes,
ungleichschenkliges Rohr, dessen längerer Schenkel aussen an der Wandung bis einige
Fuss unterhalb der Decke herabgeführt und in passenden Abständen mit drei
Querscheidewänden von Sicherheitsdrahtnetz (120 Maschen auf 1 qc) versehen ist.
Durch diese Abwärtsführung des Ventilationsrohres soll verhütet werden, dass sich
über der Decke Erdölgase lagern, deren specifisches Gewicht bekanntlich erheblich
grösser als dasjenige der Luft ist.
Da beim Füllen der Tanks durch die meistens sehr leistungsfähigen Pumpen in der
Zeiteinheit grosse Oelmengen zugeführt werden, so muss man dem Ventilationsrohr
einen entsprechend grossen Querschnitt geben, wobei zu berücksichtigen ist, dass der
Berechnung zunächst der Luftraum des Drahtnetzes zu Grunde zu legen ist, dass man
aber noch einen Zuschlag für die Reibung des Gases beim Durchströmen des Netzes in
Rechnung stellen muss. Daher wird es unter Umständen zweckmässig sein, um nicht
Röhren von unhandlich grossem Querschnitt einbauen zu müssen, an den Stellen, wo das
Drahtnetz zwischengelegt werden soll, Ausbauchungen vorzusehen, etwa in Form von
halbkugelig sich erweiternden Flanschenstücken.
Um über die Wirksamkeit dieser Schutznetze einige Klarheit zu erlangen, habe ich mit
einem geeigneten Apparat verschiedene Versuche angestellt, wobei die hier in
Betracht kommenden Bedingungen auf folgende Weise nachgeahmt wurden. Eine mit einem
doppelt durchbohrten Kork versehene geräumige Blechflasche wurde mit etwa 300 g
Roherdöl beschickt und in ein durch Dampfzuleitung erwärmbares Wasserbad gestellt.
Die eine Durchbohrung diente zur Aufnahme des Gasableitungsrohres, durch die andere
wurde eine mit einem Wassertrommelgebläse in Verbindung stehende, bis auf den Boden
der Flasche reichende Glasröhre eingeführt. Das Ableitungsrohr war mit einem etwa 1
m langen Eisenrohr verbunden, das auf halber Länge mit einer Querscheidewand aus
Sicherheitsdrahtnetz versehen war. Vor der Mündung dieses Rohres wurde ein
Gasflämmchen angebracht. Wie man sieht, liess sich mit Hilfe dieser Vorrichtung
selbstthätig (da im Verlauf des Versuches das entwickelte Gasgemisch immer ärmer an
Kohlenwasserstoffen, immer reicher an Luft wurde) ein Gasstrom von sehr wechselnder
Explosionsfähigkeit erzeugen. Durch allmähliche Erwärmung des Wasserbades, ferner
durch Steigerung oder Beschränkung der Luftzufuhr konnte man das
Mischungsverhältniss zwischen Kohlenwasserstoffgas und Luft noch weiter beliebig
variiren.
Die mit diesem Apparate angestellten Versuche verliefen nun stets folgendermaassen:
War das Gasgemisch reich an Kohlenwasserstoffen, so brannte dasselbe mit schwach
leuchtender Flamme an der Mündung des Rohres. Dann kam ein Zeitpunkt, von dem an ein
fortwährendes Zurückschlagen der Flamme bis zum Drahtnetz, also ein Explodiren des
in der vorderen Rohrhälfte befindlichen Gasgemisches stattfand. Und schliesslich
verbrannte das letztere mit nicht leuchtender, continuirlicher Flamme vor dem
Drahtnetz, bis in Folge des abnehmenden Kohlenwasserstoffgehalts des Gases das
Verlöschen eintrat. Bei einem Versuche erhielt sich die Flamme mehr als drei Stunden
lang vor dem Drahtnetz, wobei die Töne der sogen. chemischen Harmonika in
vorzüglicher Weise zu Gehör kamen. Das Eisenrohr wurde hierbei natürlich sowohl vor
als auch hinter dem Drahtnetz sehr heiss, aber eine Entzündung des in der Flasche
befindlichen Gasgemisches trat trotzdem nicht ein.
Jedenfalls geht aus diesen Versuchen hervor, dass das Davy'sche Sicherheitsdrahtnetz unter den vorliegenden Verhältnissen einen
sehr wirksamen Schutz gegen die Entzündung explosibler Gasgemische bildet, und dass
man einen mit der oben angegebenen Vorrichtung ausgerüsteten Erdöltank als gegen
diese Gefahr ausreichend geschützt ansehen darf.
Was endlich den dritten Punkt betrifft, nämlich die Frage, welche Maassregeln
ergriffen werden sollen, um die Wirkung einer dennoch eintretenden Explosion
möglichst abzuschwächen, so ist das Nächstliegende, die Anbringung eines
verhältnissmässig leichten, hinreichend grossen Deckels, dessen Abdichtung eine
Flüssigkeitsschicht (Glycerin o. dgl.) bildet, jedenfalls auch das Zweckmässigste.
Natürlich muss der Deckel durch ein Kupferkabel mit der Tankwandung in gut leitende
Verbindung gebracht werden, und ferner hat man Vorsorge zu treffen, dass derselbe
nicht bei heftigem Winde fortgeschleudert werde.
Die Zweckmässigkeit sonstiger Sicherheitsmaassregeln, wie die Einführung eines
Dampfleitungsrohres in das Tankinnere – von anderer Seite wird statt des nicht immer
zur Verfügung stehenden Dampfes Kohlensäure vorgeschlagen – zur schnellen Dämpfung
eines ausgebrochenen Feuers u. dgl. m., soll hier nicht näher erörtert werden.Der Verzicht auf näheres Eingehen fällt um so
leichter, als der Werth dieses Mittelchens doch wohl ein recht
problematischer ist. Nur auf eines sei noch hingewiesen, nämlich
auf die Wegführung des ausfliessenden Erdöls durch zweckentsprechend angelegte
Kanäle.
Bekanntlich soll laut feuerpolizeilicher Vorschrift jede Tankanlage mit einer
Umwallung (Mauern haben sich nicht bewährt) umgeben sein.Bei der vernichteten Tankanlage in Harburg
waren die Erdwälle fehlerhafter Weise mit Durchlässen zur Abführung des
Regenwassers versehen und letztere noch dazu mit Holzverschlüssen
abgedichtet. Gestatten es nun die örtlichen Verhältnisse, durch
Anlage einer Reihe von Kanalschächten und eines Sammelkanals einen grossen Theil des
etwa ausfliessenden Erdöls nach einem etwas entfernt gelegenen geräumigen Erdbassin
abzuführen, so wird man vorkommenden Falles nicht nur die Intensität des Feuers ganz
wesentlich beschränken, sondern auch einen grossen Theil des Erdöls wiedergewinnen
können.