Titel: | Lanolinum anhydricum, Adeps lanae und Wollfett, zugleich eine Kritik der Arbeiten von Lifschütz. |
Autor: | v. Cochenhausen |
Fundstelle: | Band 299, Jahrgang 1896, S. 233 |
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Lanolinum anhydricum, Adeps lanae und
Wollfett, zugleich eine Kritik der Arbeiten von Lifschütz.
Von Prof. Dr. v. Cochenhausen in
Chemnitz.
Lanolinum anhydricum, Adeps lanae und Wollfett, zugleich eine
Kritik der Arbeiten von Lifschütz.
Alle Arbeiten, welche bis jetzt zu dem Zwecke ausgeführt worden sind, die
Bestandtheile des Wollfettes und der daraus gewonnenen Körper, Lanolinum anhydricum
und Adeps lanae, und überhaupt aller pflanzlichen und thierischen Fette zu
ergründen, sind stets damit begonnen worden, dass die Fette mit wässeriger oder
alkoholischer Kalilauge von grösserer oder geringerer Concentration oder mit
Natriumalkoholat (Kossel-Obermüller) verseift wurden.
Nachdem nun LifschützPharmac. Zeitung, 1895 Bd. 40 S.
643 und 694. durch seine Verseifungsversuche
nachgewiesen zu haben behauptet, dass beim Erhitzen des Wollfettes nicht allein mit
doppeltnormaler Kalilauge unter Druck bei 105 bis 110° C., sondern schon beim Kochen
mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge eine weitergehende Zersetzung der Componenten
eintritt, dass also nach Beendigung dieses Versuches ganz andere Körper in dem
Reactionsproduct vorhanden sind als in dem ursprünglichen Fett, so könnte die
Absicht, auf Grundlage solcher Arbeiten, bei welchen die Zersetzung der Fette in
dieser Weise vorgenommen worden ist, die Zusammensetzung des Wollfettes und der
daraus gewonnenen Producte erklären zu wollen, als eine Vermessenheit erscheinen.
Wenn ich aber trotz der Entdeckung Lifschütz', welche
jeden, der einmal ein verantwortungsvolles Urtheil über irgend ein vegetabilisches
oder animalisches Fett oder Oel abgegeben hat, mindestens sehr interessiren musste,
im Anschlusse an meine frühere ArbeitD. p. J. 1894 292 91
und 112. und an die Arbeiten von HerbigD. p. J. 1894 292 42 und 66, 1895 297 135 und
160. über dasselbe Thema den Lesern dieser Zeitschrift
eine neue Arbeit biete, bei welcher der Verseifungsprocess mit Kalilauge nicht
vermieden worden ist, so geschieht dieses einfach deshalb, weil ich den Resultaten
der Verseifungsversuche Lifschütz' absolut keinen Werth
beimessen kann. Herbig hat bereitsD. p. J. 1895 298 118. gegen die Art der Lifschütz'schen Beweisführung sehr energisch Protest
eingelegt. Die Resultate der nachfolgend beschriebenen Versuche, welche ich dem
eigentlichen Thema vorausschicke, werden die Unrichtigkeiten der Lifschütz'schen Behauptungen und somit auch die
vollkommene Berechtigung für den Protest Herbig's
beweisen.
Die Behauptung, dass bei der Behandlung des Wollfettes mit alkoholischem Kali in der
Wärme auch der Alkohol in Mitleidenschaft gezogen wird, da 25 cc doppeltnormaler
Lauge 0,02 g KOH beim Erhitzen unter Druck verbraucht habe, ist bereits von Herbig (l. c.) widerlegt worden. Nach seinen Versuchen
hat sich die Menge der verbrauchten doppeltnormalen Kalilauge zu 0,0057 g KOH, das
sind bei Verwendung von 2,8 g KOH 0,17 Proc. des zur Verseifung verwendeten Kalis,
ergeben, und zwar ist dabei die Dauer der Erhitzung ohne Einfluss, wenn farblose
Kalilauge, welche bei allen Versuchen verwendet worden ist, und nicht gelb gefärbte
erhitzt wird. Um den Charakter des Glases zu zeigen, welches nicht nur bei den
früheren, sondern auch bei den jetzigen Versuchen verwendet wurde, führe ich
folgende Zahlen an:
½-normale Kalilauge.
Angewendet 50 cc
10 cc Lauge enthieltenKOH
Differenz
vor demKochen
nach demKochen
g
g
g
1 Stunde am Rückflusskühler gekocht
0,29336
0,29237
0,000996
3 Stunden am Rückflusskühler gekocht
0,29643
0,29326
0,003170
1/1-normale Natronlauge.
Angewendet 25 cc
10 cc Lauge enthieltenNaOH
Differenz
vorher
nachher
g
g
g
1 Stunde am Rückflusskühler gekocht
0,40063
0,40063
0
24 Stunden kalt mit Glas inBerührung, für die
Versuche von Henriques
0,405460,39463
0,405460,39486
00,00023
Lifschütz hat nun „gereinigtes Wollfett“ mit
Kalilauge von verschiedener Concentration bei 105 bis 110° C. unter Druck erhitzt.
Ueber die Dauer des Erhitzens fehlen die Angaben. Hierbei wurden von ihm folgende
Resultate erhalten:
Concentration derLangen
Temperatur
Ange-wandtesFett
AbsorbirtesKali, KOH
Kali-absorbtions-zahl für1000
Th.Fett
Grad
g
g
1) Zweifachnormal
105–106
2,4141
0,2090
86,5
2) Dreifachnormal
105
2,3062
0,2240
97,1
3) „
106
2,5355
0,3220
126,9
4) Halbnormal
108–110
2,0217
0,3150
155,8
5) Einfachnormal
108–110
2,1998
0,3927
178,5
6) Einundeinhalb- fachnormal
110
2,4436
0,5656
231,4
7) Zweifachnormal
108–110
2,1824
0,5274
241,2
8) Zweiundeinhalb- fachnormal 9)
Zweiundeinhalb- fachnormal
108–110110
2,36212,3967
0,58100,6020
245,9251,1
Mittel 248,5
10) Dreifachnormal
110
2,3011
0,5894
256,1
Wenn man voraussetzt, dass die Lifschütz'sche Behauptung
der Wahrheit entspricht, so wird bei diesen Processen, wie bei allen Processen
ähnlicher Art, der Grad der Zersetzung steigen mit Zunahme der Concentration der
Lauge, der Temperatur und der Dauer der Einwirkung. Ueber letztere fehlen alle
Angaben. Wenn die Erhöhung der Temperatur um 2 bis 4° C. einen solchen enormen
Einfluss ausübt, wie die vorstehenden Versuche zeigen, so hätte Lifschütz seine Versuche bei gleich hoher Temperatur
anstellen müssen; er hätte dann seine Versuche auf Grund einer rationellen Basis angestellt, deren Fehlen er den
Versuchen von Herbig vorwirft, welcher bei 105 bis 110°
C. erhitzt hat, weil er gefunden hatte, dass eine höhere Temperatur gleiche
Resultate wie diese ergab, und weil er die Verbindungen nicht unnützer Weise höher,
als nöthig ist, erhitzen wollte. Ich glaube nicht, dass man dieses als unrationell bezeichnen darf. Sehr unwahrscheinlich ist
es jedoch, dass eine ½-normale Lauge (Versuch 4 und 2), weil sie bei einer nur 2 bis
4° höheren Temperatur angewendet wurde, eine -weit stärkere Zersetzung bewirken soll
als eine sechsmal so starke Lauge, dass ferner doppeltnormale Lauge bei derselben
Temperaturerhöhung (Versuch 7 und 1) die dreifache Wirkung äussern soll, oder dass bei Anwendung
von dreifachnormaler Lauge schon durch die Steigerung der Temperatur um nur 1 ° C.
die Zersetzung in einer Weise wächst, wie die Versuche 2 und 3 zeigen.
Lifschütz ist gelegentlich der Veröffentlichung seiner
ersten Arbeit bereits durch HerbigD. p. J. 1895 298 119. daran erinnert worden, dass
bei analytischen Untersuchungsmethoden stets Controlversuche, und zwar mindestens
einer, ausgeführt werden müssen, dass erst mit deren Uebereinstimmung die Gewähr
einer fehlerfreien Untersuchung gesichert ist. Diese jedem Analytiker
selbstverständliche Regel ist auch bei der zweiten Arbeit vollkommen unbeachtet
geblieben. Wenn ich mich nun der Mühe unterzogen habe, diese Unterlassung von Lifschütz durch Wiederholung einiger Versuche
nachzuholen, so ist dieses nicht etwa deshalb geschehen, weil mir die von Herbig und mir bisher stets erhaltenen Resultate durch
die Lifschütz'sche Entdeckung doch in ein zweifelhaftes
Licht gerückt wären. In Folge meiner langjährigen Arbeiten auf dem Gebiete der
Untersuchung von Fetten der verschiedensten Art war ich im Stande, sofort die in
Frage stehenden Arbeiten in richtiger Weise zu würdigen. Ebenso wenig bin ich zu der
Widerholung veranlasst worden durch die weitere Behauptung von Lifschütz, dass auch die Oelsäure schon durch
1stündiges Kochen mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge über freiem Feuer in
ähnlicher Weise zersetzt würde, wie es nach den Arbeiten von BodensleinBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 27 S. 8397. die Fettsäuren
durch Schmelzen mit Aetzkali ohne Druck erleiden. Die Oelsäure zerfällt hierbei, wie
schon VarrentrappAnn. Chem., Bd. 35 S. 210.
nachgewiesen hat, in Palmitinsäure und Essigsäure,
C17H33COOH + 2KOH = C15H31COOK + CH3COOK +
H2,
so dass also doppelt so viel Kali verbraucht wird, als zum
einfachen Neutralisiren der Säure nöthig ist. Nach dem von Lifschütz constatirten Verbrauch an Kali musste etwa der dritte Theil der
angewendeten Oelsäure im Sinne der angegebenen Gleichung zersetzt worden sein, so
dass der Nachweis der dabei entstandenen Essigsäure nicht schwer gewesen wäre.
Dieser Nachweis ist jedoch von Lifschütz nicht erbracht
worden. Wenn diese Zersetzung bereits unter den angegebenen Bedingungen einträte, so
würden sämmtliche Untersuchungen, welche bisher über Fette und Oele mit Verwendung
von alkoholischer Kalilauge ausgeführt worden sind, falsch sein.
Ich bin vielmehr zu der Wiederholung einiger Versuche veranlasst worden durch die
Wahl des Materials, welches Lifschütz zu seinen
Versuchen verwendet hat, sowie durch die von HenriquesZeitschrift für
angewandte Chemie, 1895 S. 721. angestellten
Versuche über kalte Verseifung. Henriques löst 3 bis 4
g des zu verseifenden Fettes in 25 cc Petroleumäther, fügt 25 cc 1/1-normale
alkoholische Natronlauge hinzu, lässt über Nacht stehen und titrirt das nicht
verbrauchte Natron mit ½-normaler Salzsäure zurück. Für Leinöl, Rüböl, Ricinusöl,
Olivenöl, Cottonöl, Cocusöl, Margarin, Butter, Wollfett und Lanolinum anhydricum
wurden von ihm hierbei Zahlen erhalten, welche mit den Zahlen gut übereinstimmen,
die beim Kochen mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge am Rückflusskühler gefunden
wurden. Da bei diesen Versuchen von Henriques bei
den gewöhnlichen Fetten ein Erwärmen vollständig vermieden worden ist, so geht aus
der Uebereinstimmung der in der Kälte und durch Kochen gefundenen Resultate doch
mindestens hervor, dass die Bestandtheile der aufgeführten Fette und somit auch der
Oelsäure bei 1stündigem Kochen mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge nicht zersetzt
werden.
Lifschütz hat zu seinen Versuchen, die er selbst als fundamentale bezeichnet, als einfache Substanz eine technische Oelsäure von etwa 93 Proc.
Oelsäuregehalt verwendet; dieselbe ergab bei gewöhnlicher Temperatur die Säurezahl
185,1; über freier Flamme mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge 1 Stunde lang
erhitzt, stieg diese Zahl auf 204,6, bei Druck mit 2/1 -alkoholischer Lauge bei 108 bis 110°
gab sie die Zahl 252,2.
Zur Prüfung dieser Versuche wurde eine Oelsäure verwendet, welche durch Verseifen von
Olivenöl, vielmaliges Ausschütteln der alkoholischen Seifenlösung mit reinem
Petroleumäther, Zersetzen der wässerigen Seifenlösung durch Säure, Abscheiden der
festen Fettsäuren durch langes Stehen in einem kühlen Raume und fractionirte
Destillation des flüssig gebliebenen Theiles mit erhitztem Wasserdampf hergestellt
war. Die Oelsäure war farblos, hatte vor 1½ Jahren die Säurezahl 198,4 und die
Jodzahl 89,8. Reine Oelsäure (Mol.-Gew. 282) hat die Säurezahl 198,58 und die
Jodzahl 90,00. 3 bis 4 g dieser Oelsäure wurden in folgender Weise behandelt:
1) Die Säure wurde kalt neutralisirt mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge
(Indicator war bei allen Versuchen Phenolphtaleïn), hierauf mit einem geringen
Ueberschuss von Kali, 0,37 cc = 0,0106 g KOH, versetzt und 5 Minuten am
Rückflusskühler gekocht.
2) Zu derselben Probe wurde nochmals 1cc Lauge = 0,0287 g KOH gesetzt und nochmals 5
Minuten am Rückflusskühler gekocht.
3) Eine neue Probe Oelsäure wurde neutralisirt, mit 1,17 cc Lauge = 0,0336 g KOH
versetzt und 10 Minuten gekocht.
4) Die Säure wurde kalt mit ½-normaler Lauge neutralisirt und zu der Seifenlösung
noch 1,5 cc Lauge = 0,04283 g KOH zugefügt. Die Flüssigkeitsmenge betrug jetzt etwa
30 cc, so dass sie 0,14 Proc. freies KOH enthielt. Nach 1stündigem Kochen am
Rückflusskühler wurde mit ½-normaler Salzsäure das nichtverbrauchte Kali
zurückgemessen. Alsdann wurden 25 cc, also ein sehr grosser Ueberschuss ½-normale
alkoholische Kalilauge zugefügt, abermals 1 Stunde am Kühler gekocht und mit Säure
zurücktitrirt.
5) Die Oelsäure wurde 1 Stunde lang mit 1/1-Normal -natronlauge am Rückflusskühler
gekocht.
Die hierbei erhaltenen Resultate sind in Tabelle I zusammengestellt.
Die Resultate dieser Versuche zeigen deutlich, dass die verwendete Oelsäure, nachdem
ihre Neutralisation bei gewöhnlicher Temperatur stattgefunden hat, beim Behandeln
mit überschüssigem Kali in der Wärme immer noch kleine Mengen von Kali verbraucht
hat, durch welche die Kaliabsorptionszahl für 1000 Th. Oelsäure stets in gleicher
Weise erhöht wurde, nämlich um 4,5 bis 6,1, einerlei, ob sie mit Spuren oder sehr
grossen Mengen von überschüssigem Kali in sehr schwacher oder sehr starker
Concentration behandelt wurde. Der für diese Versuche verwendete Körper, welcher vor 1½
Jahren entsprechend der damals gefundenen Säurezahl 198,4 und Jodzahl 89,8 nur aus
Oelsäure bestanden hatte, war seitdem zu einem geringen Theil in einen Körper
übergegangen, welcher bei gewöhnlicher Temperatur kein Kali beanspruchte (daher
jetzt die niedrigere Säurezahl 196,5), sondern zur Aufnahme von Kali Wärme
beanspruchte. Sobald diese Menge von Kali, welche sich bei allen Versuchen unter den
verschiedensten Bedingungen als gleich gross ergeben hat, aufgenommen war, konnte,
wie die unter 4) aufgeführten Versuche zeigen, selbst beim Kochen mit einem sehr
grossen Ueberschuss von Kali, keine weitere Aufnahme von Kali mehr constatirt
werden.
Tabelle I.
Textabbildung Bd. 299, S. 235
Dauer des Kochens; Angewendete
Oelsäure; Verbrauch an KOH bei gewöhnlicher Temperatur; Säurezahl bei
gewöhnlicher Temperatur; KOH zum Kochen verwendet; KOH beim Kochen verbraucht;
Ueberschüssig angew. KOH; Säurezahl nach dem Kochen; Zunahme der Säurezahl beim
Kochen; 1) 5 Minuten am Kühler; 2) Probe 1 nochmals 5 Minuten; 3) 10 Minuten am
Kühler mit ½-norm.-alkoh. Kalilauge; 4) 1 Stunde mit kleinem Ueberschuss von
KOH; Die Proben 4 mit grossem Ueberschuss an KOH noch 1 Stunde gekocht; 5) 1
Stunde mit 1/1-Normal-Kali am Kühler
Eine Erklärung für diese nur in der Wärme eintretende Kaliabsorption, welche bei der
von mir verwendeten reinen Oelsäure 4,5 bis 6,1 Kali betragen hat, kann einstweilen
nur auf Vermuthungen oder Annahmen gegründet werden, für deren Richtigkeit noch der
experimentelle Beweis erbracht werden muss. Nach den Untersuchungen von GeitelJournal für praktische Chemie, [2] Bd. 37
S. 53. entsteht beim Vermischen von Oelsäure und
concentrirter Schwefelsäure ausser Stearinschwefelsäure auch Oxystearinsäure und
Stearolacton. Wenn man annimmt, dass nach längerer Zeit kleine Mengen von
Stearolacton aus der Oelsäure entstanden sind, so würde durch die Anwesenheit dieses
Körpers, welcher nur in der Wärme Kali aufnimmt und in Oxystearinsäure übergeht, die
Abnahme der Säurezahl von 198,4 auf 196,5, also um 1,9 erklärt werden. Wenn ferner
auch der Hydroxylwasserstoff der aus dem Stearolacton entstandenen Oxystearinsäure
durch Kalium ersetzt werden könnte, so würde dadurch auch die beim Kochen
entstandene Erhöhung der Säurezahl 198,4 eine Erklärung finden. Diese Erhöhung würde
dann ebenfalls etwa 1,9 betragen müssen, so dass die von mir verwendete Oelsäure
beim Kochen mit Kalilauge die Verseifungszahl 198,4 + 1,9 = 200,3 hätte ergeben
müssen. Wenngleich nach WislicenusAnn. Chem.,
Bd. 125 S. 49. der Hydroxylwasserstoff der
Milchsäure nur durch metallisches Natrium bei Abwesenheit von Wasser ersetzt werden
kann, so kann dieses nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass die Substituirung
dieses Wasserstoffes in den höheren Oxysäuren nicht unter den hier vorliegenden
Bedingungen möglich ist. Ausserdem ist bereits früher in Uebereinstimmung mit Tatlock, Fahrion, Lewkowitsch von mirD .p. J. 1894 292 94. nachgewiesen worden, dass die
Wollfettsäuren beim Titriren bei gewöhnlicher Temperatur um so weniger Kali
verbrauchen, je länger sie beim Trocknen erwärmt worden sind, da hierbei ein Theil
in Verbindungen übergeht, welche sich nur in der Wärme mit Alkali vereinigen. Wenn
man diese Fettsäuren jedoch mit überschüssigem Kali 1 Stunde lang am Rückflusskühler
kocht und mit Salzsäure das nichtgebrauchte Kali zurücktitrirt, so ergeben sich
stets übereinstimmende Säurezahlen auch bei öfterer Wiederholung der Abscheidung der
Fettsäuren und des Neutralisirens in derselben Weise. Letzteres ist aber auch wieder
ein deutlicher Beweis dafür, dass die Wollfettsäuren durch Kochen mit Kalilauge
nicht zersetzt werden.
Lifschütz gibt die Veranlassung dazu, dass er Kalilauge
auf Oelsäure unter verschiedenen Bedingungen habe einwirken lassen, mit folgenden
Worten an: „Ich habe diejenigen fundamentalen Versuche, die Dr. Herbig vor Beginn seiner Arbeit hätte machen
sollen, um sich zu überzeugen, ob irgend etwas von der Substanz zersetzt wird,
unternommen und die Versuche auf einfache
Substanzen ausgedehnt. Als typisches Beispiel dieser Art gebe ich die Zahlen,
die ich bei einer technischen Oelsäure von etwa 93 Proc. Oelsäuregehalt
erhielt.“ Diese von Lifschütz für seine
fundamentalen Versuche getroffene Wahl des typischen Beispieles muss als eine sehr
unglückliche bezeichnet werden; denn der Beweis ist sehr leicht zu führen, dass
diese technische Oelsäure mit 7 Proc. fremden Stoffen und 93 Proc. Oelsäure beim
Kochen mit überschüssigem Kali eine sehr viel grössere Säurezahl geben musste, als beim einfachen Neutralisiren bei gewöhnlicher Temperatur.
Ich brauche wohl die Thatsache, dass Lifschütz für
Fundamentalversuche nicht einen einfachen Körper verwendet hat, sondern eine
Mischung mehrerer Stoffe, deren Zusammensetzung ihm nur ungefähr bekannt war, nicht
weiter zu qualificiren. Jede technische Oelsäure enthält ausser Oelsäure auch noch
Palmitinsäure und Stearinsäure. Einen Gehalt von 93 Proc. Oelsäure hat Lifschütz in der Annahme, dass die in 1000 Th.
technischer Oelsäure enthaltenen Fettsäuren, welche durch 185,1 KOH neutralisirt
werden konnten, nur aus Oelsäure (Mol.-Gew. 282) bestehen, berechnet; denn 56 : 282
= 285,1 : x = 932,1 in 1000 Th. Um die 7 Proc. betragenden anderen Körper hat sich
Lifschütz gar nicht gekümmert. Nach BenediktAnalyse der Fette, II. Aufl. S.
190. enthält technische Oelsäure auch wechselnde Mengen
fester Fettsäuren, sogen. Destillatoleïn ausserdem noch Isoölsäure und auch
Kohlenwasserstoffe, die bei der Destillation der Fettsäuren als Zersetzungsproducte
auftreten. Ein nicht destillirtes Material, das sogen. Saponificatoleïn, kann
unverseiftes Fett und auch unverseifbare Stoffe enthalten, da Olivenöl nach Allen und ThomsenBenedikt, S. 34. nicht
frei von solchen Stoffen ist und von ihnen etwa 0,75 Proc. enthält. Ausserdem liegt
die Anwesenheit des vorher erwähnten Stearolactons nicht ausser dem Bereiche der
Möglichkeit. Je grösser die Menge dieser fremden Stoffe ist, desto grösser wird die
Differenz zwischen der in der Kälte gefundenen Säurezahl und der Säurezahl der
reinen Oelsäure, 198,58, sein; je grösser die Menge der durch Kali in der Wärme
verseifbaren Stoffe ist, desto grösser wird die Differenz der Säurezahlen sein,
welche beim Neutralisiren in der Kälte und beim Kochen erhalten werden.
Tabelle II.
Textabbildung Bd. 299, S. 236
Angewendete Oelsäure; KOH, zum
Neutralisiren verwendet; Säurezahl bei gewöhnlicher Temperatur; Zum Kochen
verwendetes überschüssiges KOH; KOH, beim Kochen verbraucht; Säurezahl nach dem
Kochen; Differenz zwischen 198,58 und der Säurezahl Colonne 3; Differenz der
Säurezahlen in Colonne 6 und 3; Unverseifbare und verseifbare Stoffe, durch
Petroleumäther ausgeschüttelt; g; Proc.; Oleïn von Spielhagen, sehr schwach gelb
gefärbt; Spuren; Olivenölfettsäure, sehr dunkel gefärbt, enthielt Wasser;
Patent-Oleïn; Saponificirtes Oleïn Ia; Französisches Oleïn; Technische Oelsäure,
stark gelb gefärbt; Destillirtes Walkfett, schmalzartig; Petroleumätherextract
des kalt neutralisirten destillirten Walkfettes
In Tabelle II sind die Resultate der Untersuchung mehrerer technischen Oelsäuren
zusammengestellt. Dieselben wurden kalt und hierauf durch 1stündiges Kochen mit
einem Ueberschuss von ½-normaler alkoholischer Kalilauge neutralisirt. Ausserdem
sind Proben, welche nur in der Kälte neutralisirt waren, mit Petroleumäther
quantitativ ausgeschüttelt worden; die Petroleumätherlösung wurde nach der
Vorschrift von Hönig und SpitzZeitschrift für angewandte Chemie, 1891 S.
565. mit 50procentigem Weingeist ausgeschüttelt, um die
gleichfalls gelöste Seife zu entfernen, und hierauf verdampft. Der Rückstand besteht
aus den im Petroleumäther löslichen, theils verseif baren, theils unverseifbaren
fremden Stoffen, welche in der technischen Oelsäure ausser reiner Oelsäure bezieh.
festen Fettsäuren enthalten waren. Der Verdampfungsrückstand konnte, ohne Rückstand
zu hinterlassen, verbrannt werden, er war also frei von Seife.
Bei dem unter Nr. 7 aufgeführten destillirten Walkfett, welches durch Destillation
von aus Walkwässern abgeschiedenen rohen Fettsäuren erhalten worden war und bei
gewöhnlicher Temperatur eine schmalzartige Consistenz hatte, wurden die durch
Petroleumäther gelösten Stoffe 1 Stunde lang mit ½-normaler alkoholischer Kalilauge
gekocht. Hierbei wurden nur geringe Mengen von Kali verbraucht (Versuch 8), welche
der beim Kochen des Fettes mit überschüssiger Kalilauge gefundenen geringen Erhöhung
der Säurezahl gut entsprachen. Das Walkfett enthielt demnach sehr grosse Mengen von
unverseifbaren Stoffen, Kohlenwasserstoffen, welche bei der Destillation entstanden
sind oder in den Rohfettsäuren enthalten waren und zugleich mit den Fettsäuren sich
verflüchtigt haben. Aus der von der Petroleumätherlösung getrennten Seifenlösung
wurden nach Verdampfung des Alkohols die Fettsäuren abgeschieden; dieselben ergaben
beim kalten Titriren die Säurezahlen 219,38 und 219,77, welche dem Mol.-Gew. 255
entsprechen. Aus diesem Molekulargewicht und der Säurezahl 175,37 des Walkfettes
ergibt sich (255 : 56 = x : 175,37) ein Gehalt von 80,0 Proc. Fettsäuren, während
die Menge des Petroleumätherextractes einen Gehalt von 80,82 Proc. Fettsäuren
ergibt. Da die Verseifungszahl der verseif baren Fette, welche in den technischen
Oelsäuren nur in geringer Menge vorhanden sind, nur wenig von der Säurezahl der
entsprechenden Fettsäuren abweicht, da durch Anwesenheit von Palmitinsäure die
Säurezahl etwas grösser und die Säurezahl der Stearinsäure nur um 1,4 kleiner ist
als die der Oelsäure, so wird man annehmen können, dass alle technischen Oelsäuren
um so grössere Mengen von unverseifbaren Stoffen enthalten, je weniger man beim
Kochen mit Kalilauge die Säurezahl der Oelsäure, 198,58, erreicht. Die durch Kochen
mit überschüssigem Kali ermittelte Säurezahl wird die Zahl 200 bis 202 nur dann
übersteigen können, wenn die Oelsäure wesentliche Mengen von Palmitinsäure oder
Fettsäuren mit noch kleinerem Molekulargewicht enthält.
Hiernach hätte man sich bei Betrachtung der von Lifschütz gefundenen Resultate nur wundern müssen, wenn durch Kochen mit
Kalilauge die Säurezahl nicht gestiegen wäre, denn die Erhöhung war bei einem so
unreinen Material unausbleiblich.
Die Controlversuche über die Einwirkung von 2/1-normaler alkoholischer Kalilauge unter Druck hatte
Dr. Herbig
auszuführen sich bereit erklärt. Derselbe theilt mir hierüber Folgendes mit.
Die angewendete Oelsäure war die von mir verwendete. Lifschütz hatte ausser der Oelsäure auch Cholesterin unter Druck mit
alkoholischer Kalilauge erhitzt und gefunden, dass 1000 Th. dieses Körpers nicht
weniger als 100 Th. Kali neutralisiren.
„Die Versuche sind genau so ausgeführt worden, wie in dieser Zeitschrift (l. c.)
beschrieben worden ist.
Ange-wendeteSubstanz
Ange-wendetesKOH
Ver-brauchtesKOH
Säurezahl
g
g
g
Oelsäure, 2 Stundenerhitzt unter
Druckbei 112° C.
1,84131,78941,7026
3,23293,254453,37915
0,379220,363810,35180
205,97203,32206,62
Cholesterin, 2 Stun-den erhitzt
unterDruck bei 112° C.
1,48381,02991,2329
3,27773,24863,3821
0,012010,008580,00572
8,09 8,30 4,64
Die Einwirkung der alkoholischen Kalilauge erfolgte bei 112°, also weit höher, als
bei den Versuchen von Lifschütz angegeben ist.
Trotzdem erlitt das Cholesterin, welches von Trommsdorff in Erfurt bezogen war und bei 144° C. (uncorr.) schmolz,
auch nicht die geringste Spur einer Zersetzung. Es schied sich aus der
alkoholischen Lösung als glänzendweisse Krystallmasse ab. Das Cholesterin,
welches aus der Reactionsmasse durch Extraction des bei 100° getrockneten
Verdampfungsrückstandes mit Aether wieder erhalten war, zeigte, ohne dass eine
Reinigung durch Umkrystallisiren vorhergegangen war, sofort den Schmelzpunkt
143,5° C. Wenn das Cholesterin wirklich, wie Lifschütz behauptet, 100 Th. Kali beim Erhitzen in Anspruch nimmt, so
würde es wohl unmöglich gewesen sein, aus dem Reactionsgemisch den Körper in
dieser Reinheit sofort wiederzugewinnen. Ebenso würden die Fettsäuren, welche
aus den durch die Behandlung mit Kali entstandenen Seifen wiedergewonnen werden
können, niemals dieselbe Säurezahl bei wiederholter Behandlung mit Kali ergeben.
Ich habe die Abscheidung der Fettsäuren und die Behandlung der Fettsäuren mit
Kali, ohne dass die Fettsäuren irgend einem Reinigungsprocess unterworfen
wurden, mit ein und derselben Probe von Wollfettsäuren und von Oelsäure oft
wiederholt, ohne eine Aenderung der Säurezahl constatiren zu können.
In Bezug auf das Verhalten der alkoholischen Kalilauge kann ich meine früheren
Angaben nur aufrecht erhalten. Selbst bei einer Temperatur von 115° C. zeigte
die von mir verwendete wasserhelle Kalilauge nach
2stündigem Erhitzen eine klare weingelbe Färbung und der Verlust an KOH betrug,
wie früher angegeben ist, 0,0058 g bei Verwendung von 3,3878 g, d.h. 0,17 Proc.
Allerdings verhalten sich gefärbte Laugen anders und der Verlust an Kali ist um
so grösser, je dunkler die Laugen vor der Anwendung gefärbt sind, wie folgende
Versuchsresultate zeigen:
Farbe der Lange
Ange-wendetesKOH
Ver-brauchtesKOH
Von100 KOHsind
ver-brauchtworden
g
g
Proc.
Farblos
3,38785
0,0058
0,17
Schwach gelblich
3,38655
0,0087
0,25
Gelb
3,26605
0,0174
0,54
Dunkelgelb
3,24860
0,0209
0,64
Ich habe bei allen Versuchen, die ich zur Verseifung unter Druck vorgenommen
habe, durch einen gleichzeitig ausgeführten blinden Versuch stets diesen
Verbrauch an Kali controlirt, der in der Einwirkung des Kupfers auf das Kali
seine Ursache zu haben scheint. Der Vorschlag von Schmitz-DumontD. p. J. 1895 296 234., das Kupferrohr im Inneren zu versilbern,
dürfte vielleicht diese Einwirkung beseitigen.
Wenn Cholesterin und Oelsäure, Körper mit doppelter Kohlenstoffbindung, unter
diesen Verhältnissen, wie aus den Resultaten ersichtlich ist (denn der
Mehrverbrauch an Kali beim Behandeln dieser Körper mit alkoholischer Kalilauge
unter Druck fällt nahezu in das Bereich der bei diesen Versuchen schwer zu
vermeidenden Versuchsfehler), intact bleiben, so darf entschieden gefolgert
werden, dass Körper mit einfacher Kohlenstoffbindung, wie die schwer
verseifbaren Wachsarten, ebenfalls keiner Zersetzung ihrer Componenten, sondern
nur eben der Spaltung in diese Componenten
unterliegen. Wenn überdies, wie aus den Arbeiten von BodensteinBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 27 S. 3397., MarasseIbid. Bd. 2
S. 359., Dumas und StassAnn. d. Pharm., Bd. 35 S.
139. hervorgeht, Palmitinsäure aus Oelsäure und aus
Cetylalkohol, Hypogäasäure und Myristinsäure aus Stearolsäure durch Schmelzen
mit Kali bei 250 bis 300° C. dargestellt werden können, so werden jedenfalls
diese und die ihnen ähnlichen Säuren, welche hier in Betracht kommen, auch eine
weniger energische Einwirkung, ohne Zersetzung zu erleiden, aushalten.
Cetylalkohol zeigte beim Erhitzen unter Druck auf 110° mit 2/1-alkoholischer Kalilauge keinen Verbrauch an Kali.
Da ich das Studium der quantitativen Verseifung unter Druck auch für Bienenwachs,
Carnaubawachs und chinesisches Wachs weiter verfolgen werde, so komme ich später
in einer Sonderabhandlung darauf zurück.“
Dieses alles zusammengefasst, zeigt die vollkommene Unrichtigkeit der Lifschütz'schen Behauptungen, dass nicht nur Kochen
unter Druck mit 2/1-normaler Kalilauge, sondern sogar schon ein 1stündiges Kochen mit
½-normaler Lauge über freiem Feuer für die Untersuchung des Wollfettes unbrauchbar
sei. Ich erkläre ferner die Behauptung Lifschütz' für
falsch, dass die Behandlung des Wollfettes mit alkoholischer Kalilauge in der Wärme
jeder Gesetzmässigkeit entbehrt, und bin nach wie vor im Gegensatz zu Lifschütz überzeugt, dass von der von Herbig zuerst versuchten fractionirten Verseifung des
Wollfettes sehr viel Brauchbares für die Werthbemessung und Untersuchung nicht nur
dieser Fettart, sondern auch aller übrigen Fette und Fettarten zu erwarten sein
wird. Warum Lifschütz die Anwendung dieses Verfahrens
nur für die Untersuchung des Wollfettes und nicht auch für die der sämmtlichen Fette
und Oele für unbrauchbar erklärt, vermag ich nicht zu entscheiden. Diese
Unterbrechung der Folgeziehung ist aber mindestens befremdenerregend, wenn man
bedenkt, dass Oelsäure in fast allen Oelen und Fetten, in vielen sogar als
Hauptbestandtheil vorkommt, während diese Säure in dem Secret der Schafe dem von
Seifenfettsäuren freien Wollschweiss, nur in sehr geringen Mengen, etwa 2 Proc.,
enthalten sein kann, da die daraus gewonnenen Fettsäuren, welche etwa 50 Proc.
des Wollschweisses betragen, nur sehr geringe Mengen von Jod aufnehmen (Hübl'sche Zahl = 4,6), also nur geringe Mengen
ungesättigter Säuren enthalten können. Noch mehr zu verwundern ist es aber, dass Lifschütz, obgleich er von der zersetzenden Wirkung des
Kalis überzeugt ist, wenige Wochen nachher eine zusammen mit L. DarmstädterBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 28 S. 3133. verfasste Arbeit
veröffentlicht, bei welcher die Verseifung des Wollfettes mit Alkali angewendet
worden ist, wie der Wortlaut ergibt: „Bei Gelegenheit der Nachprüfung der Herbig-Cochenhausen'schen Arbeiten, über die der
eine von uns berichtet hat, wurde die theilweise Verseifung des Wollfettes
studirt und dabei die nachfolgenden Producte in den alkalischen Abwässern
vorgefunden.“ Es ist hier mit keinem Worte erwähnt, dass die theilweise
Verseifung in anderer Weise, als von Herbig zuerst
vorgeschlagen worden ist, ausgeführt wurde. Wenn Lifschütz von der Richtigkeit seiner Behauptungen selbst überzeugt war, so
durfte auch er nicht die Möglichkeit ausser Acht lassen, dass die von ihm gefundenen
beiden neuen Alkohole nicht als ursprüngliche Substanzen in dem Wollfett enthalten
waren, sondern durch die zersetzende Wirkung des Kalis aus ursprünglichen Stoffen
entstanden sind. Man macht einen Unterschied zwischen Educt und Product. Als Educt
erscheint z.B. das ParaffinLehrbuch der chemischen Technologie von Wagner 11. Aufl. S. 1016. bei der
Verarbeitung des Erdöls, des Ozokerits u.s.w., als Product dagegen bei der trockenen
Destillation der Braunkohlen. Wenn Lifschütz und Darmstädter den Ausdruck „Product“ gewählt
haben, um damit auszudrücken, dass die von ihnen isolirten Alkohole durch die
eingreifende Wirkung des Kalis entstanden sind, so haben sie die Kenntniss der
Zusammensetzung des Wollfettes, wie sie in der Ueberschrift ihrer Arbeit sagen,
nicht bereichert; denn die neuen Alkohole sind keine Bestandtheile des Wollfettes,
weil sie bei dieser Annahme nicht als Educte, sondern als Producte aufgefunden
worden sind. Wenn dieses aber nicht der Fall ist, dann beweist Lifschütz selbst gerade durch diese Entdeckung der
beiden neuen Alkohole, welche er, wie er selbst sagt, bei dem Studium der
theilweisen Verseifung des Wollfettes gefunden hat, die Richtigkeit der von ihm
bestrittenen Ansicht, dass von der fractionirten Verseifung sehr viel Brauchbares
für die Untersuchung aller Fettarten zu erwarten ist.
Da von Anfang an keine einzige der Lifschütz'schen
Behauptungen, deren Unrichtigkeit wohl zur Genüge von mir nachgewiesen worden ist,
den geringsten Eindruck auf mich gemacht hat, so habe ich mich nicht beirren lassen,
die Untersuchung des Wollfettes und einiger daraus dargestellten Stoffe, welche
theils käuflich sind, wie Lanolin und Adeps lanae, theils von mir dargestellt
wurden, in der von Herbig vorgeschlagenen Weise
fortzusetzen. Durch die Resultate dieser Untersuchungen hat die von Herbig ausgesprochene Hoffnung nicht die von Lifschütz ausgesprochene herbe Enttäuschung, sondern eine vorzügliche Bestätigung gefunden.
Aus dem Wollfett des Handels, welches bei der Aufbereitung der beim Waschen der
Rohwollen mittels Waschmittel erhaltenen Wollwaschwässer gewonnen wird, und auch
direct aus diesen Wollwaschwässern wird seit mehreren Jahren ein Körper gewonnen,
welcher wegen seiner Widerstandsfähigkeit gegen die Einflüsse der Luft und der
Feuchtigkeit, sowie wegen seiner Fähigkeit, mit Wasser sehr leicht eine
gleichmässige Emulsion zu bilden und dabei grosse Mengen von Wasser aufzunehmen, als
vorzügliche Grundlage für medicinische Salben und kosmetische Mittel eine grosse
Verwendung findet. Die Fettart wird von Jaffé und Darmstädter in Martinikenfelde bei Berlin unter der
Bezeichnung Lanolinum anhydricum und von der Norddeutschen
Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei in Bremen unter der Bezeichnung Adeps
lanae in den Handel gebracht. Ausserdem findet sich im Handel noch ein gereinigtes
Wollfett. Da über den chemischen Charakter dieser Körper ausser den
Verseifungszahlen, welche überdies sehr verschieden gross gefunden worden sind,
nur wenig bis jetzt bekannt geworden ist, so erschien eine Untersuchung derselben in
der Weise, welche von Herbig und mir für den
Wollschweiss und das Wollfett des Handels angewendet wurde, nicht ohne Interesse.
Gleichzeitig habe ich drei durch ihre Consistenz sich sehr von einander
unterscheidende Wollfette, welche ich aus frischem Wollwaschwasser dargestellt habe,
der Untersuchung unterworfen. Hierbei wurde auch das von HenriquesZeitschrift für angewandte Chemie, 1895 S.
721. vorgeschlagene Verfahren der kalten Verseifung in
Anwendung gebracht.
(Schluss folgt.)