Titel: | Neue Beiträge zur Rauchfrage. |
Autor: | v.Schroeder, W. Schmitz-Dumont |
Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 111 |
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Neue Beiträge zur Rauchfrage.
Von † Prof. Dr. v.Schroeder und Dr. W.
Schmitz-Dumont.
(Fortsetzung des Berichtes S. 65 d.
Bd.)
Mit Abbildung.
Neue Beiträge zur Rauchfrage.
II. Wirkt die schweflige Säure des Rauches lediglich deswegen
schädlich, weil sie in der Luft mit den Blattorganen in Berührung kommt, oder findet
zugleich auch auf die Wurzeln eine schädliche Säurewirkung statt, die durch den
Boden vermittelt wird?
Die sauren Gase und Dämpfe, wie sie gemengt mit den Producten der Verbrennung aus den
Essen und Rauchfängen bei Hütten und Fabriken entweichen, können entweder direct mit
den in der Luft ausgebreiteten Blattorganen in Berührung kommen, oder sie können in
den meteorischen Niederschlägen gelöst auf die Pflanzen selbst und auf den Boden
gelangen. Dass die schweflige Säure direct aus der Luft von den Blattorganen
aufgenommen wird und dass dadurch ein Erkranken und Absterben der Pflanzen
veranlasst werden kann, wird nach den zahlreichen darüber vorliegenden Versuchen
wohl Niemand bezweifeln. Die Voraussetzung einer Beschädigung, die dadurch bewirkt
wird, dass die sauren Gase in den meteorischen Niederschlägen gelöst auf die
Pflanzen gelangen, und dass das auf diese Art entstandene „saure Wasser“ die
Blätter und überhaupt alle oberirdischen Pflanzentheile benachtheiligt, ist nicht
ganz von der Hand zu weisen, es muss aber entschieden in Abrede gestellt werden,
dass solche Wirkungen bei den Rauchschäden irgend eine Rolle spielen. Derartig
vermittelte Beschädigungen könnten nur ganz ausnahmsweise und beim Zusammentreffen
besonders ungünstiger Umstände vorkommen. Dafür sprechen sowohl die vorliegenden
Regen Wasseruntersuchungen aus Rauchgegenden, sowie auch die direct nach dieser
Richtung hin von Freytag angestellten Versuche.
Freytagv. Schroeder und Reuss, S. 65.
begoss und besprühte während einer ganzen Vegetationsperiode im freien Lande
stehende Hafer-, Erbsen- und Weizenpflanzen täglich mehrmals mit Wasser, welches in
einer Versuchsreihe 0,02 bis 0,04 Proc. schweflige Säure, in einer anderen
Versuchsreihe 0,025 bis 0,05 Proc. Schwefelsäure enthielt, – ein nachtheiliger
Einfluss konnte dabei aber nicht constatirt werden. Bei einem zweiten Versuche
behandelte Freytag im Juni ausgesäte Pflanzen von
Sommerweizen, Hafer und Erbsen in derselben Weise, nur begann er hier mit Wasser,
das 0,04 Proc. schweflige Säure und 0,05 Proc. Schwefelsäure enthielt. Von Woche zu
Woche wurde der Gehalt an Säure um 0,01 Proc. gesteigert, so dass im August die noch
grüne Saat täglich 2mal mit 0,08 Proc. schwefliger Säure und 0,10 Proc.
Schwefelsäure begossen wurde. Auch hier konnte bis zum 12. August keine nachtheilige
Veränderung der Pflanzen wahrgenommen werden. Am 12. August Abends, kurz nach dem
Begiessen, erhob sich nach einer drückenden Gewitterschwüle plötzlich ein sehr
starker heisser Wind, dem die Versuchspflanzen ausgesetzt waren. Am folgenden Morgen
waren alle Pflanzen stark beschädigt und die gekrümmten, aufgerollten Blätter
zeigten vielfache gelbe und braune Flecken. Diese Erscheinung zeigte sich bei den
mit Schwefelsäure begossenen Pflanzen weit stärker, als bei den mit schwefliger
Säure begossenen, und Freytag erklärt dieselbe dadurch,
dass durch den
heissen trockenen Wind das Wasser sehr rasch zur Verdunstung gelangte und so die
Säure auf den Blättern so concentrirt wurde, dass jetzt eine Corrosion und
Substanzveränderung der Chlorophyllmassen die nothwendige Folge war. Mit dieser
Erklärung wird man gewiss einverstanden sein, wenn aber eine entsprechende Wirkung
in der Natur vorausgesetzt werden soll, wird man danach zu fragen haben, welche
Säuremengen in den meteorischen Niederschlägen in Rauchgegenden überhaupt vorkommen.
Aus den zahlreichen darauf bezüglichen Analysen ist zu ersehen, dass die
Regenwässerv. Schroeder und Reuss, S. 59, 60; vgl. auch S. 21, 130, 285 bis 287. in
Rauchgegenden niemals sehr erhebliche Säuremengen mit sich führen, und dass ein
Theil der Säure sich zudem in denselben im gebundenen Zustande befindet. Als Maximum
des Gehaltes an freier Säure kann, nach den
Untersuchungen in den grossen englischen Industriebezirken, auf Schwefelsäure
berechnet, die Zahl 0,0015 Proc. gelten. Freytag hat
mit der 33fachen Concentration (0,05 Proc.) gar keinen Effect erzielt, und erst bei
der 66fachen Concentration (0,10 Proc.) zeigten sich unter ungünstigen begleitenden
Umständen Beschädigungen an den Versuchspflanzen. Freytag leugnet daraufhin überhaupt die Möglichkeit einer Beschädigung der
Vegetation durch schweflige Säure bei Regenwetter. Das ist natürlich zu weit
gegangen, denn die Säure wird bei Regenwetter nie vollständig aus der Luft
ausgefällt, – wohl aber leuchtet ein, dass die Benachtheiligung der oberirdischen
Pflanzentheile durch saures Wasser bei Rauchschäden
keine Rolle spielen kann.
Ebenso wenig wird man auf Grund des vorliegenden Materials geneigt sein, die
Möglichkeit einer Beschädigung durch Vermittelung des Bodens anzunehmen, indem man
voraussetzt, dass das saure Wasser der meteorischen Niederschläge in den Boden
eindringt und hier mit den Wurzeln in Berührung kommt.v. Schroeder und
Reuss, S. 59, 60; vgl. auch S. 51, 52, 53,
57. Schweflige Säure ist im Boden niemals und im Regenwasser nur
ganz kurze Zeit nach dem Aufsammeln in Spuren aufgefunden worden. Selbst wenn kleine
Mengen schwefliger Säure durch Regenwasser in den Boden kommen sollten, müssen sie
hier sehr schnell zu Schwefelsäure oxydirt und gebunden werden. Die Mengen an freier
Säure im Regenwasser sind viel zu gering, um schaden zu können, und beim Eindringen
in den Boden müssen diese sehr schnell gebunden werden. Freie Schwefelsäure konnte
daher von Freytag und Stöckhardt in allen von ihnen untersuchten Bodenproben aus Rauchgegenden
nicht aufgefunden werden. Endlich sprechen auch die angeführten Freytag'schen Begiessungsversuche, bei welchen sehr
viel höhere Säureconcentrationen, als sie im Regenwasser gefunden werden, zur
Verwendung kamen, direct dafür, dass eine schädliche Wirkung auf die Wurzeln nicht
anzunehmen ist. Wir selbst haben früher in Töpfen eingewurzelte Fichtenbäumchen
längere Zeit hindurch statt mit Wasser, mit ganz verdünnter schwefliger Säure
begossen, ohne dass nachtheilige Wirkungen zu beobachten waren.
Unserem Dafürhalten nach spricht, wie in Vorstehendem begründet worden ist, die
Gesammtheit aller von früher her vorliegenden Versuche mit Bestimmtheit dafür, dass
die schädliche Wirkung der schwefligen Säure, und dasselbe gilt für alle
anderen sauren Gase, in der grossen Hauptsache durch eine directe Berührung mit den
Blattorganen in der Luft zu Stande kommt. Eine Verletzung der oberirdischen
Pflanzentheile durch Säure, die denselben mit den meteorischen Niederschlägen
zugeführt wird, mag hin und wieder vorkommen, spielt aber sicher bei den
Rauchschäden keine Rolle. Die Beschädigung der Wurzeln durch Säuren des Rauches,
durch Vermittelung der meteorischen Niederschläge und des Bodens erscheint
vollständig ausgeschlossen. Obgleich diese Verhältnisse, wie uns scheint, ganz klar
liegen, so haben wir in Anbetracht der grossen Wichtigkeit der betreffenden Fragen
doch noch eine Anzahl weiterer Versuche angestellt, welche so angeordnet waren, dass
durch dieselben gleichzeitig die alleinige Beschädigung durch die Luft, sowie die
Unschädlichkeit der in den Boden eindringenden Säure bewiesen wird. Was den
letzteren Punkt anbetrifft, so muss man sich bei Versuchen natürlich an die durch
die Verhältnisse in der Natur gegebenen Concentrationen halten, denn dass man mit
grösseren Mengen concentrirterer Lösungen aller Säuren und jedes beliebigen Salzes
jede Pflanze schliesslich todtgiessen kann, liegt ebenso auf der Hand, wie es nichts
beweist.
1) Versuche mit 5jährigen
Fichten.
Textabbildung Bd. 300, S. 112
Zu diesem und den folgenden Versuchen wurden immer vier möglichst gleich entwickelte
Pflanzen ausgewählt, die in Töpfen eingewurzelt waren. Die Räucherungen geschahen
unter Glaskästen und wurde bei der einen Pflanze (a) die Räucherung derart
ausgeführt, dass die schweflige Säure nur den oberirdischen Theil, nicht aber den
Boden treffen konnte. Der Ausschluss des Bodens wurde durch Anwendung eines in zwei
Theile zerlegbaren niedrigen Tischchens erreicht, welches nach der Zusammenstellung
in der Mitte eine Oeffnung liess, um den Stamm der Pflanze aufzunehmen. Die beiden
Hälften des Tischchens fügten sich durch zwei Zapfen an einander, sie waren auf den
Berührungsflächen mit Filz belegt und konnten durch Haken fest mit einander
verbunden werden. Dieses Tischchen wurde unmittelbar über dem Rande des Topfes, in
dem die Pflanze wurzelte, derart fest zusammengesetzt, dass der Topf mit dem Boden
unter der Tischplatte sich befand, während der oberirdische Theil sich über
derselben ausbreitete. An der Stelle, wo der Stamm durch die Tischplatte
hindurchging, wurde der Zwischenraum zwischen Stamm und Tisch mit Watte fest
verstopft. Auf den Tisch über den oberirdischen Theil der Pflanze wurde dann das
Glasgehäuse gestellt. Zur Räucherung wurde das den mit Alkohol verdünnten
Schwefelkohlenstoff enthaltende kleine Porzellanschälchen durch die untere Thür in das Glasgehäuse
gebracht und nach Entzündung der Flüssigkeit die Thür sofort geschlossen. Die
Zusammenstellung ist aus Fig. 1 zu ersehen.
Eine zweite Pflanze (b) wurde mit dem Topfe unter ein gleich grosses Glasgehäuse
gesetzt und bei den Räucherungen immer dieselbe Menge schwefliger Säure verwendet, –
hier konnte die Säure also nicht nur den oberirdischen Theil der Pflanze, sondern
zugleich auch den Boden treffen. In beiden Fällen wurde zwischen das die brennende
Flüssigkeit enthaltende Porzellanschälchen und die Versuchspflanze ein dünnes
Brettchen gestellt, und so verhindert, dass die Verbrennungsgase direct, noch ehe
sie sich mit der Gehäuseluft vermischt hatten, einzelne Theile der Pflanze treffen
konnten. Von einem störenden Einfluss erhöhter Temperatur kann bei diesen Versuchen,
wo ja immer nur sehr kleine Mengen des verdünnten Schwefelkohlenstoffes in dem
Gehäuse verbrannt wurden, nicht die Rede sein. Durch Abbrennen von 2,5 cc der
Flüssigkeit wurde die Temperatur in der Luft unserer Glasgehäuse um nicht mehr als
2° C. gesteigert, und das war das Maximum, das überhaupt bei einer Räucherung zur
Anwendung kam. Bei jeder Räucherung blieben die Pflanzen 1 bis 2 Stunden unter den
Glasgehäusen, dann wurden sie herausgenommen und die Töpfe auf ein Fenster gesetzt.
Das Volumen der zu diesen Versuchen verwendeten Glasgehäuse betrug 174,93 l.
Eine dritte Pflanze (c) erhielt jedes Mal dieselbe Menge schwefliger Säure, welche
bei den Pflanzen a und b zu einer Räucherung verwendet wurde, in Form einer
verdünnten wässerigen Lösung, mit welcher der Boden begossen wurde, zugeführt. Die
Concentration wurde hier so gewählt, dass dieselbe das bei den Regenwasseranalysen
beobachtete Maximum noch ziemlich stark übertraf. Es wurde zunächst eine
concentrirte wässerige Lösung schwefliger Säure hergestellt und diese in kleinen, 50
cc fassenden, vollständig gefüllten, gut verschlossenen Fläschchen vorräthig
gehalten. Zum sofortigen Gebrauch wurde jedes Mal durch Mischen mit Wasser eine
verdünnte Lösung hergestellt und der Titer controlirt. Nach einer alkalimetrischen
und jodometrischen Bestimmung enthielt die concentrirte Vorrathslösung zu Anfang in
1 cc 0,0384 bezieh. 0,0396 g schweflige Säure, im Mittel 0,0390 g. Dieser Gehalt
erhielt sich in den kleinen Vorrathsflaschen sehr lange unverändert. Beim ersten
Versuch wurden 10 cc dieser concentrirten Lösung mit Wasser auf 1 l verdünnt, die
jedes Mal zum Begiessen frisch hergestellte verdünnte Lösung enthielt demnach 0,039
Proc. schweflige Säure, das ist etwa das 26fache des beim Regenwasser in
Rauchgegenden beobachteten Maximalgehaltes an freier Säure.
Eine vierte Pflanze (d) diente als Controlpflanze.
Zu dem ersten der hier zu beschreibenden Versuche dienten vier Stück 5jährige Fichten
aus dem Forstgarten, die Mitte Mai mit Erde ihres Standortes in Töpfe von 4 l
Wurzelraum umgesetzt waren. Die Pflanzen waren vollkommen gesund, aber etwas
kleinnadelig. Die Höhe der Pflanzen betrug etwa 50 cm und hatten dieselben zu Beginn
des Versuches Triebe von etwa 2 bis 6 cm Länge. Der Versuch begann den 3. Juni und
wurden die Räucherungen und das Begiessen mit schwefliger Säure bis zum 7. Juni
fortgesetzt. Während dieser Zeit standen die Pflanzen alle vier an einem
Südfenster und wurden nur die beiden zu räuchernden Exemplare für die Dauer der
Räucherung jeden Tag von dem Fenster fortgenommen und in der beschriebenen Weise
unter die Glasgehäuse gebracht, dann aber nach Beendigung der Räucherung wieder auf
das Fenster zurückgestellt. Die Bezeichnung der Pflanzen war, wie vorher
angegeben:
a) Nur der oberirdische Theil wird von der schwefligen Säure
getroffen.
b) Die schweflige Säure trifft den oberirdischen Theil der
Pflanze und den Boden.
c) Dieselbe Menge schwefliger Säure wie bei a und b wird dem
Wurzelraume in verdünnter wässeriger Lösung zugeführt.
d) Controlpflanze.
Die zugeführten Mengen schwefliger Säure und die bei den Räucherungen angewendeten
Concentrationen stellten sich folgendermaassen:
Am 3. Juni: Beginn des Versuches. Vormittags von 8 bis 10 Uhr werden a und b zu 1/20000
geräuchert, entsprechend 8,75 cc oder 0,0237 g schwefliger Säure.
Den 4. Juni: a und b Vormittags von 9 bis 11 Uhr zu 1/10000 geräuchert, entsprechend 0,0474 g
schwefliger Säure. Die Pflanze c wird mit 200 cc der verdünnten Lösung (0,039 Proc.)
begossen, entsprechend 0,0780 g schwefliger Säure.
Den 5. Juni: Vormittags von ½9 bis ½11 Uhr a und b zu 1/5000 geräuchert, entsprechend 0,0948 g
schwefliger Säure. Pflanze c mit 244 cc verdünnter Lösung oder 0,0952 g schwefliger
Säure begossen.
Den 6. Juni: Genau wie am 5. Juni.
Den 7. Juni: Letzter Versuchstag. Räucherung Vormittags von 8 bis 10 Uhr wie am 5.
und 6. Juni. Pflanze c wird mit 223 cc verdünnter Lösung, entsprechend 0,0871 g
schwefliger Säure, begossen.
Jede der Versuchspflanzen a, b und c hat demnach vom 3. bis 7. Juni im Ganzen 0,3555
g schweflige Säure zugeführt erhalten, – der Effect war aber ein sehr verschiedener.
Bis zum 5. Juni Abends war eine Wirkung überhaupt nicht zu constatiren. Am 6. früh
sind einige Triebe bei a und b mehr oder weniger fahl geworden und sehen wie welk
aus. Die Wirkung ist im Allgemeinen aber noch gering. Bis zum Abend haben die
Krankheitssymptome besonders bei a stark zugenommen. Viele Triebe hängen wie welk
herab, die Nadeln sind fahl, gelblich und weisslichgrau. Auch ein Theil der
überjährigen Nadeln hat den Glanz verloren und sieht mattgrün aus, was ganz deutlich
beim Vergleich mit c und d hervortritt. Die Pflanze b zeigt im Allgemeinen dieselben
Erscheinungen wie a, nur ist sie weniger stark afficirt. Die Pflanze c ist
vollkommen gesund. Am 7. Abends sind die Krankheitssymptome dieselben wie am 6., nur
hat die Zahl der beschädigten Nadeln bei a und b zugenommen. Von einer Röthung der
kranken und abgestorbenen Nadeln ist noch nichts wahrzunehmen. Die Pflanzen bleiben
nach Beendigung der letzten Räucherungen vom 7. bis 12. Juni auf dem Fenster stehen,
um das Krankheitsbild noch weiter beobachten zu können. Ein Theil der abgestorbenen
Nadeln fällt im Laufe der Zeit bei a und b ab. Ein grosser Theil der todten Nadeln
bleibt aber auch an den Bäumchen sitzen, und bei diesen, sowie bei den kranken, nur
an den Spitzen verletzten Nadeln verändert sich die ursprüngliche Missfärbung mehr und mehr,
indem zuerst röthliche Farbentöne auftreten, die zuletzt in ein ausgesprochenes Roth
übergehen. Am 12. Juni ist dieses für stark rauchbeschädigte Fichten so überaus
charakteristische Krankheitsbild vollständig ausgebildet. Am stärksten beschädigt
sind die Triebe mit den heurigen Nadeln. Einzelne Triebe sind fast ganz roth, andere
haben rothe, rothspitzige und grüne Nadeln, einige wenige Triebe sind aber auch ganz
grün geblieben. Die überjährigen Nadeln haben weniger gelitten, doch finden sich
unter ihnen auch viele, die ihren Glanz verloren haben, die fahl und braunspitzig
sind, – theilweise fangen auch alte Nadeln an, abzufallen. In Folge des
stattgehabten Nadelabfalles ist die ganze Benadelung von a und b jetzt dünner und
spärlicher als bei einer gesunden Pflanze. Beim Vergleich von a und b geht ganz
deutlich hervor, dass a stärker gelitten hat. Die Pflanze c dagegen, die die
schweflige Säure nur durch Begiessen des Bodens mit dem schwach sauren Wasser
erhalten hat, ist bis zuletzt vollständig gesund geblieben, – sie sieht ebenso
frischgrün und normal aus wie die Controlpflanze d.
Am 12. Juni wurden die vier Bäumchen abgeschnitten und zur chemischen Untersuchung
entnadelt. Die Menge der auf diese Art erhaltenen Nadeln betrug in Gramm auf
Trockensubstanz berechnet:
a
60,89
c
95,90
b
78,47
d
92,80
Das geringere Nadelgewicht bei a und b im Vergleich zu den beiden gesunden Pflanzen c
und d ist auf Rechnung des stattgehabten Nadelfalles zu setzen, und es drückt sich
auch in diesen Zahlen aus, dass der Nadelverlust dabei bei a grösser gewesen ist als
bei b.
Wie in den Nadeln, so wurde der Schwefelsäuregehalt auch in den Böden der vier
Pflanzen bestimmt. Die Resultate dieser Untersuchung sind, auf Trockensubstanz
berechnet, aus folgender Zusammenstellung zu ersehen:
Für die Nadeln wurden gefunden
Im
BodengefundeneSchwefelsäure
Schwefel-säure
Asche
Schwefel-säure auf100
Th.Ascheberechnet
Proc.
Proc.
Proc.
Proc.
a
0,5820,580
Mittel
0,581
5,72
10,16
0,0199
b
0,4370,439
Mittel
0,438
5,47
8,01
0,0186
c
0,4370,437
Mittel
0,437
5,67
7,71
0,0242
d
0,4060,408
Mittel
0,407
5,60
7,27
0,0184
Das Hauptresultat dieses Versuches ist einerseits die starke Beschädigung der Pflanze
a, bei welcher die schweflige Säure nur mit dem oberirdischen Theil, d.h. mit den
Blattorganen in Berührung gekommen war, und andererseits das vollständige
Gesundbleiben der Pflanze c, welcher dieselbe Menge schweflige Säure als verdünnte
wässerige Lösung durch Begiessen des Bodens zugeführt war. Die Steigerung des
Schwefelsäuregehaltes der Nadeln ist bei der ersteren Pflanze eine sehr starke, bei
der letzteren ist dagegen, wie zu vermuthen war, eine merkbare Erhöhung der
Schwefelsäuremenge im Boden nachzuweisen und dementsprechend eine wenn auch
geringere Zunahme des Schwefelsäuregehaltes der Nadeln. Der Grund, warum die Pflanze
b weniger beschädigt erschien als die Pflanze a, ist unserer Ansicht nach darin zu
suchen, dass hier ein Theil der in der Luft verbreiteten Säure von den oberen
Schichten des Bodens absorbirt und dadurch unschädlich gemacht worden ist. Dasselbe
Resultat zeigt sich auch bei allen folgenden Versuchen. Eine Steigerung des
Schwefelsäuregehaltes der Nadeln ist bei der Pflanze b nachzuweisen, dieselbe ist
aber verhältnissmässig gering.
2) Versuche mit 3jährigen
Fichten.
Diese Versuche sind in der Hauptsache nur eine Wiederholung des vorigen Versuches, um
das dort erhaltene Resultat zu bestätigen. Verwendet wurden 3jährige Fichten aus dem
Pflanzgarten beim Laboratorium, die in Töpfe von 2 1 Wurzelraum umgesetzt waren. Die
Pflanzen waren gesund und sehr kräftig. Die Anordnung der Versuche und die
Bezeichnung der Pflanzen a bis d war ganz dieselbe wie beim ersten Versuch. Mit 12
Stück dieser 3jährigen Pflanzen wurde der vergleichende Versuch 3mal wiederholt.
Erste Reihe.
Die Höhe der vier Pflanzen betrug zu Beginn des Versuches 55 bis 58 cm, die Länge der
Triebe 17 bis 25 cm. Am 11. Juni Vormittags wurden die Pflanzen a und b einmal in
der beschriebenen Weise zu 1/20000 geräuchert, entsprechend 0,0237 g schwefliger
Säure, die in den Glasgehäusen zur Wirkung kamen. Gleichzeitig wurde der Boden der
Pflanze c mit 240 cc einer verdünnten Lösung schwefliger Säure von 0,00985 Proc.
begossen, entsprechend 0,0236 g Säure.
Schon etwa 4 Stunden nach der Räucherung tritt bei Pflanze a eine Wirkung hervor,
indem an einer Anzahl Nadeln der Triebe sich ein beginnendes Verbleichen zeigt.
Dieselbe Erscheinung, aber in viel geringerem Maasse, ist am Abend dieses Tages auch
an der Pflanze b wahrzunehmen. Weitere Räucherungen werden nicht vorgenommen, die
Pflanzen aber zur Beobachtung stehen gelassen. Am 12. Juni haben die
Krankheitserscheinungen bei beiden geräucherten Pflanzen, besonders aber bei a,
stark zugenommen, erstrecken sich aber vorläufig nur auf die heurigen Nadeln. Die
vollständig und an den Spitzen verletzten Nadeln sind fahl, hell, weisslichgrau. Im
Laufe der Zeit fällt ein Theil der letzteren ab, bei den an den Bäumchen sitzen
bleibenden tritt ein Farbenwechsel ein, so dass am 19. schon sich ein deutlicher
Stich ins Rothe zeigt. Obgleich die meisten alten Nadeln grün bleiben, ist bei
einigen derselben die Spitzenverfärbung nicht zu verkennen. Am 24. Juni ist das
charakteristische Bild stark rauchkranker Fichten bei a und b vollständig
ausgebildet. An den Trieben finden sich neben grünen Nadeln mehr oder weniger rothe
und rothspitzige, von den alten Nadeln ist eine ganze Anzahl braun und bis zur
Hälfte braunspitzig. Die Pflanze b sieht wesentlich besser als a aus, indem bei
derselben die Anzahl grün und anscheinend unverletzt gebliebener Nadeln viel grösser
ist. Die Pflanze c ist vollständig gesund geblieben und unterscheidet sich in nichts von
der Controlpflanze d.
Zweite Reihe.
Die Höhe der vier Fichten betrug 49 bis 57,5 cm, die Länge der Triebe 15 bis 20 cm.
Am 11. Juni Vormittags wird mit den Pflanzen a und b eine Räucherung zu 1/20000
vorgenommen und Pflanze c erhält 240 cc verdünnte schweflige Säure genau wie in der
ersten Reihe. Auch hier ist die erste Einwirkung am Fahlwerden einiger Nadeln der
Triebe schon am ersten Tage zu sehen. Am folgenden Tage tritt die Beschädigung der
Triebe aber viel stärker hervor, und auch an den alten Nadeln macht sich theilweise
Missfärbung geltend. Es erfolgt dann das allmähliche Rothwerden der verletzten
Nadeln der Triebe und das Hervortreten der Braunfärbung an den alten Nadeln, bis zur
vollständigen Ausbildung des definitiven Krankheitsbildes am 24. Juni. Als
Unterschied kann hervorgehoben werden, dass die beiden geräucherten Pflanzen hier
noch viel stärker beschädigt aussehen als bei der ersten Reihe, und dass sich hier
auch ein wesentlicher Unterschied im Grade der Erkrankung bei den Pflanzen a und b
nicht geltend machte. Die mit Säure begossene Pflanze c ist vollständig gesund
geblieben.
Dritte Reihe.
Die zu diesem Versuche verwendeten Fichten hatten eine Höhe von 42,5 bis 49,5 cm, die
Länge der Triebe betrug 15,5 bis 20 cm. Zu der Räucherung wird hier eine noch
stärkere Verdünnung genommen als in den beiden vorigen Reihen. Am 11. Juni werden
die Pflanzen a und b zu 1/40000 geräuchert, entsprechend 0,0119 g schwefliger
Säure. Die Pflanze c wird mit 120 cc Wasser, enthaltend 0,0119 g schweflige Säure,
begossen. Eine Wirkung ist an diesem Tage nicht zu constatiren. Am 12. Juni Morgens
zeigt Pflanze a das Fahlwerden einiger heurigen Nadeln an den Trieben, bei Pflanze b
ist nichts zu sehen. Die Räucherungen und das Begiessen werden Vormittags wie am
Tage vorher wiederholt. Den 13. Juni hat die Zahl der beschädigten Nadeln bei a
zugenommen und eine entsprechende, aber schwächere Wirkung ist auch bei b
hervorgetreten. Den 14. Juni erscheint a stark beschädigt, während die Beschädigung
bei b auch zugenommen hat, aber entschieden schwächer als bei a ist. Die Pflanze c
ist gesund. Es erfolgt nun das allmähliche Roth werden der zuerst hellen,
beschädigten heurigen Nadeln und das Hervortreten der Bräunung an einer Anzahl der
alten Nadeln. Am 24. Juni ist das definitive Krankheitsbild bei a und b entwickelt,
während c gesund bleibt.
Das Ergebniss dieser drei Versuchsreihen ist dem Ergebnisse des ersten Versuches also
vollständig entsprechend. Die Rauchkrankheit tritt ein, wenn die schweflige Säure
den oberirdischen Theil der Pflanze mit den Blattorganen trifft, – die Pflanzen
bleiben aber gesund, wenn dieselbe Menge schwefliger Säure in verdünnter wässeriger
Lösung dem Boden zugeführt wird. Das Aussehen dieser Fichten war so charakteristisch
und das Resultat der Versuche so schlagend, dass drei Stück der Pflanzen (a bis c
der ersten Reihe) zum 1. Juli 1895 nach Löbau mitgenommen wurden, um dort bei der
Besprechung der Rauchfrage auf dem sächsischen Forstverein als
Demonstrationsmaterial zu dienen.Vgl.
den citirten Löbauer Vortrag S. 66. Als Unterschied der Resultate
des ersten Versuches mit den 5jährigen Fichten und der folgenden Versuche mit den
3jährigen Fichten ergibt sich die sehr viel grössere Empfindlichkeit der letzteren.
Bei den 3jährigen Fichten bedurfte es einer viel geringeren Säuremenge bei den
Räucherungen, um denselben Grad der Erkrankung hervorzurufen. Es erklärt sich das
jedenfalls daraus, dass bei diesen jüngeren, zarteren Pflanzen mit ihren langen,
stark entwickelten Trieben die heurigen Nadeln einen sehr viel grösseren Theil der
ganzen Benadelung ausmachten als bei den älteren Pflanzen, die viel überjährige
Nadeln und nur kurze, schwächer entwickelte Triebe hatten. Zum Theil mag das aber
auch damit zusammenhängen, dass die Massenentwickelung der Pflanzen eine sehr
verschiedene war. Die gesammte Nadelmenge einer der 5jährigen Pflanzen war sehr viel
grösser als die Nadelmenge der 3jährigen. Bringt man Pflanzen mit so ungleicher
Nadelmenge in die gleich grossen Glasgehäuse und verbreitet in denselben die gleiche
Menge schwefliger Säure, so wird auf jede einzelne Nadel bei der grösseren Pflanze
eine geringere Menge Säure als bei der kleineren entfallen. Man wird daher auch
unter diesen Verhältnissen bei grösseren Pflanzen mehr Räucherungen oder stärkere
Concentrationen brauchen als bei kleineren Pflanzen. Dieses bezüglich der
Empfindlichkeit verschiedene Verhalten der ungleichaltrigen Fichten in den beiden
Versuchen ändert natürlich an der ganzen Sache nichts, denn das Hauptergebniss ist
ein vollkommen übereinstimmendes.
3) Versuche mit 3jährigen
Kiefern.
Zu diesem Versuche dienten 3jährige Kiefern von demselben Beet des Pflanzgartens beim
Laboratorium, von welchem die Kiefern zum Versuche Nr. 2 des ersten Abschnittes
dieser Abhandlung (S. 68) hergenommen worden waren. Von diesen Kiefern war ein Theil
schon zu Anfang des Mai in Töpfe von 4 l Wurzelraum umgepflanzt. Ein anderer Theil
war zu derselben Zeit für Versuchszwecke auf ein besonderes Beet in Abständen von
0,5 m versetzt worden. Zum Räuchern (Pflanzen a und b) sowohl wie als
Controlpflanzen (d) dienten die auf diesem Beete im freien Lande stehenden Pflanzen,
während zum Begiessen dos Bodens mit verdünnter Säure (c) eine Topfpflanze genommen
wurde. Die Kiefern waren alle kräftig und gesund, hatten aber ausser den heurigen
Nadeln nur vorjährige Nadeln. Die Höhe der Pflanzen betrug 53 bis 64 cm, die Länge
des Endtriebes 21 bis 29 cm. Der Ausschluss des Bodens beim Räuchern (a) wurde bei
den im freien Lande stehenden Pflanzen in ganz ähnlicher Weise wie bei den
Topfpflanzen (vgl. die Abbildung S. 112) erreicht durch ein aus zwei Theilen fest
zusammenfügbares Brett, das hier direct auf die Erde gelegt wurde und welches das
Stämmchen der Pflanze umschloss. Auf das Brett kam dann das Glasgehäuse zu stehen.
Beim Räuchern ohne Ausschluss des Bodens (b) wurde das Glasgehäuse über die Pflanze
auf die Erde gestellt. Bei diesem Versuche sind zwei Kiefern jedes Mal auf erstere
und zwei Stück auf letztere Art mit schwefliger Säure behandelt.
In der Zeit vom 11. Juli bis 18. Juli wurden die Pflanzen a und b im Ganzen 6mal zu
1/20000
geräuchert, entsprechend 0,0237 g schwefliger Säure. Die Topfpflanze c ist gleichzeitig
jedes Mal mit 200 cc verdünnter schwefliger Säure, enthaltend 0,0474 g, begossen.
Dem Boden wurde demnach bei diesem Versuche die doppelte Menge schwefliger Säure
durch Begiessen zugeführt, wie beim Räuchern zur Anwendung kam. Im Ganzen erhielten
die geräucherten Pflanzen je 0,1422 g und die begossenen Pflanzen 0,2844 g
schweflige Säure.
Nach den beiden ersten Räucherungen am 11. und 13. Juli ist zunächst eine Einwirkung
nicht wahrzunehmen. Erst am 15. Vormittags traten bei den Pflanzen a an einigen der
unteren Triebe ziemlich starke fahle, gelbliche Verfärbungen der Nadeln, bis zu zwei
Drittel von der Spitze aus, auf, während die übrigen Triebe nur geringe
Spitzenverletzungen zeigten. Das eine Bäumchen b lässt nur an einem der oberen
Triebe geringe Spitzenverfärbung erkennen, das andere Bäumchen b ist anscheinend
unverletzt. Am 15. Nachmittags, am 16. und 17. Juli werden drei weitere Räucherungen
vorgenommen, und an letzterem Tage stellt sich auch bei dem zweiten Bäumchen b an
einem der oberen Triebe Verfärbung der Nadelspitzen ein. Am 18. Juli fand die letzte
Räucherung statt, und konnte an diesem Tage beobachtet werden, dass die am 15. Juli
zuerst beschädigten Nadeln von a eine röthliche Färbung anzunehmen begannen. In den
folgenden Tagen mehren sich die Beschädigungen bei den geräucherten Pflanzen, die
ursprünglich fahlgelbliche Färbung der beschädigten Nadeln geht nach und nach in
Roth über, bis das charakteristische Krankheitsbild am 29. Juli vollständig
ausgebildet ist. Bei den Pflanzen a zeigen nun fast sämmtliche heurige und auch ein
grosser Theil der vorjährigen Nadeln starke Rothfärbung, die bei den ersteren meist
fast bis zur Nadelbasis, bei den letzteren häufig bis zur Mitte von der Spitze aus
herabgeht. Die Pflanzen b haben hauptsächlich nur an den Trieben und auch hier in
weit geringerem Grade gelitten. Bei den alten Nadeln beschränkt sich der Schaden
hier auf geringe Rothfärbung der Spitzen, die nur ganz ausnahmsweise bei einigen
wenigen Nadeln bis zur Mitte herabreicht.
Die Topfpflanze c, die mit verdünnter schwefliger Säure begossen war, ist bis zuletzt
gesund geblieben und unterscheidet sich in nichts von den auf dem Beete stehenden
Controlpflanzen.
Am 30. Juli wurden die beiden Pflanzen a, die beiden Pflanzen b, die Topfpflanze c
und ebenso am 7. August zwei Controlpflanzen d abgeschnitten und die chemische
Analyse der Nadeln ausgeführt. Mit Ausnahme von c, wo das Material nicht ausreichend
genug war, sind bei allen übrigen Pflanzen die heurigen und vorigjährigen Nadeln
getrennt untersucht. Was das Verhältniss der Nadelmenge beider Jahrgänge anbetrifft,
so ergab sich zunächst auf Trockensubstanz berechnet:
a
b
c
Heurige NadelnVorjährige Nadeln
66,034,0
61,138,9
62,437,6
100,0
100,0
100,0
Die Resultate der Schwefelsäure- und Aschebestimmungen ergeben sich für 100 Th.
Trockensubstanz aus Folgendem:
Schwefel-säure
Asche
Schwefel-säure auf100
Th.Ascheberechnet
Proc.
Proc.
Proc.
DiePflanzen a
Heurige NadelnVorjährige NadelnGesammte Benadelung
0,3720,3530,366
3,333,983,55
11,17 8,8710,31
DiePflanzen b
Heurige NadelnVorjährige NadelnGesammte Benadelung
0,2440,2380,242
3,053,823,35
8,00 6,23 7,22
DiePflanze c
Gesammte Benadelung
0,314
–
–
DiePflanzen d
Heurige NadelnVorjährige NadelnGesammte Benadelung
0,2290,2660,238
3,393,523,44
6,76 7,56 6,92
Als Controlpflanzen können hier, ausser den in Vorstehendem angeführten Pflanzen, die
am 7. August vom Versuchsbeet entnommen waren, noch die Topfpflanzen des Versuches
Nr. 2 im ersten Abschnitt (S. 68) dienen. Diese stammten von demselben Beet im
Pflanzgarten, – sie waren den 19. Juli abgeschnitten und hatten für die gesammte
Benadelung 0,229 Proc. Schwefelsäure und 3,49 Proc. Asche ergeben, was mit den hier
für die Controlpflanzen gefundenen Zahlen sehr gut übereinstimmt. Ferner kann hier
noch die Untersuchung zweier weiterer gesunder Kiefern herangezogen werden, die von
demselben Beet am 21. August entnommen wurden, und die, mit den bereits angeführten
Resultaten ebenfalls gut übereinstimmend, für die gesammte Benadelung 0,226 Proc.
Schwefelsäure und 2,82 Proc. Asche ergaben. Nehmen wir für die Controlpflanzen das
Mittel aus diesen drei Bestimmungen, so erhalten wir für die gesammte Benadelung der
Kiefern unseres Versuches folgendes Resultat:
Schwefel-säure
Asche
Schwefel-säure auf100
Th.Ascheberechnet
Proc.
Proc.
Proc.
a) Sehr stark beschädigte
Kiefern. Nur die Nadeln sind von der schwefligen
Säure betroffen
0,366
3,55
10,31
b) Schwächer beschädigte
Kiefern. Dieselbe Menge
schwefliger Säure wie bei a hat auf die Nadeln und zugleich
auf den Boden eingewirkt
0,242
3,35
7,22
c) Gesunde Kiefer. Die
doppelte Menge schwefliger Säure wie bei a und b ist dem
Boden in verdünnter wässeriger Lösung zugeführt
0,314
–
–
d) Gesunde Kiefern.
Control- pflanzen
0,231
3,25
7,11
Dieses Resultat stimmt mit dem Ergebniss des ersten Versuches mit den 5jährigen
Fichten vollständig überein und spricht ebenfalls ganz bestimmt dafür, dass von
einer Vermittelung der Beschädigung durch den Boden nicht die Rede sein kann.
Obgleich die Pflanze, bei welcher der Boden begossen wurde, hier die doppelte Menge
schwefliger Säure wie die geräucherten Pflanzen erhalten hat, so ist sie doch
vollständig gesund geblieben. Die mit Ausschluss des Bodens geräucherten Pflanzen
zeigen eine sehr starke Beschädigung und zugleich eine sehr starke Zunahme des
Schwefelsäuregehaltes der Nadeln, – es kann also hier kein Zweifel sein, dass die Aufnahme des
sauren Gases aus der Luft erfolgte und dass das Absterben und Erkranken der Nadeln
hierauf zurückzuführen ist. Bei den Pflanzen, bei welchen dieselbe Menge schwefliger
Säure zugleich auf die Blattorgane und auf den Boden eingewirkt hat, kann daher auch
nur ersteres als Ursache der hervorgetretenen Beschädigung angesprochen werden. Dass
diese Beschädigung eine wesentlich geringere gewesen ist, kann im Gegentheil nur
dadurch erklärt werden, dass der Boden einen Theil der schwefligen Säure absorbirt
und unschädlich gemacht hat. Wie bei den 5jährigen Fichten, so zeigen diese Pflanzen
auch hier eine nur sehr geringe nachweisbare Steigerung des Schwefelsäuregehaltes
der Nadeln. Da nun hier über die Ursache der Beschädigung gar kein Zweifel aufkommen
kann, so wird man schliessen müssen, dass bisweilen schon sehr geringe Mengen von
den Blattorganen aufgenommener saurer Gase genügen müssen, um sichtbare
Krankheitserscheinungen hervorzubringen, und dass die Pflanzen a in diesem Falle
einen grossen Ueberschuss durch die Nadeln absorbirt haben. Allerdings ist dabei
auch nicht zu vergessen, dass selbst bei solchen Versuchen, wo man den
ursprünglichen Schwefelsäuregehalt der Blattorgane doch ziemlich annähernd kennt,
die Differenz zwischen dem Gehalte bei den Controlpflanzen und Versuchspflanzen die
Menge der wirklich aufgenommenen Säure nicht genau angeben kann. Bei den drei
Untersuchungen der Controlpflanzen ergab sich der Schwefelsäuregehalt der gesammten
Benadelung hier zu 0,226 bis 0,238 Proc. Es wäre sehr gut denkbar, dass in Folge der
in dieser Beziehung auch auf demselben Standorte immer vorkommenden individuellen
Verschiedenheiten der ursprüngliche Schwefelsäuregehalt bei den Pflanzen b noch
etwas geringer als 0,226 Proc. und bei den Pflanzen a noch höher als 0,238 Proc.
gewesen sein könnte, wonach dann die wirklich erfolgte Aufnahme an schwefliger Säure
bei den ersteren thatsächlich etwas grösser, bei den letzteren dagegen thatsächlich
kleiner gewesen sein würde, als es nach den Resultaten dieses Versuches den Anschein
hat. Diese Möglichkeit stellt indessen nichts Wesentliches im Ergebniss des
Versuches in Frage. Die mit Ausschluss des Bodens geräucherten Pflanzen haben sehr
viel schweflige Säure aufgenommen, bei den anderen hat der Boden dagegen den
grössten Theil der gebotenen Säure unwirksam gemacht und die Erkrankung ist erfolgt
bei einer verhältnissmässig sehr geringen Säureaufnahme durch die Blattorgane.
Während die begossenen, gesund gebliebenen Fichten eine nur geringe Steigerung der
Schwefelsäure der Nadeln zeigten, ist die Zunahme bei der begossenen Kiefer hier
sehr merkbar. Darin liegt natürlich nichts Auffallendes. Wie aus den früheren
Fichtenversuchen hervorgeht und wie von vornherein klar ist, kann der
Schwefelsäuregehalt des Bodens sowohl durch Zufuhr von in Wasser gelöster
schwefliger Säure wie auch durch Absorption aus der Luft vergrössert werden. Findet
nun auf diese Art eine Erhöhung des Schwefelsäuregehaltes des Bodens statt, so wird
eine gewisse Zunahme des Schwefelsäuregehaltes in allen Theilen einer Pflanze, die
auf dem betreffenden Boden wächst, die natürliche Folge sein. In Rauchgegenden, wo
die Säuren des Rauches nicht nur auf die oberirdischen Theile der Pflanzen, sondern
zugleich auch auf den Boden einwirken, kann man daher immer mit der Möglichkeit
rechnen, dass nachgewiesene höhere Schwefelsäuregehalte der Blattorgane zum Theil
auch von dem Boden herrühren. Der aus dem Boden aufgenommene Antheil ist aber
jedenfalls unschädlich, während selbst kleine Mengen, die von den Blattorganen
direct aus der Luft absorbirt werden, sehr nachtheilig auf den Gesundheitszustand
der Pflanzen einwirken können. Im Allgemeinen erscheint es aber nicht sehr
wahrscheinlich, dass der Boden bei der Erhöhung der Schwefelsäuregehalte der
Blattorgane eine bedeutende Rolle spielt. Die Schwefelsäuremengen, welche dem Boden
bei Hütten und Fabriken durch die schweflige Säure des Rauches zugeführt wird,
bedingt meist nicht einmal eine merkbare Steigerung des Gesammtschwefelsäuregehaltes
des Bodens, denn die von Stöckhardt, Freytag und uns
bei Mansfeld, Freiberg und im Oberharze gefundenen Zahlen bewegen sich innerhalb
ziemlich normaler Grenzen.Vgl. v. Schroeder und Reuss, S. 51, 52, 53, 57, 60. Es ist daher auch eine
Schädigung des Acker- und Waldbodens durch die Säuren des Rauches ganz entschieden
in Abrede zu stellen.
4) Versuche mit
Laubhölzern.
Zu diesen Versuchen dienten 3jährige Linden- und 4jährige Spitzahornbäumchen, die aus
dem Pflanzgarten beim Laboratorium in Töpfe von 2 l Wurzelraum umgesetzt waren. Die
Ausführung geschah genau in der Weise, wie das früher bei dem Versuche mit den
5jährigen Fichten beschrieben worden ist. Die Bezeichnung der je vier Pflanzen ist
ebenfalls dieselbe wie bei den ersten Versuchen.
Die jungen Linden, die alle gesund und kräftig entwickelt waren, zeigten bezüglich
der Höhe und Anzahl der Blätter nachstehenden Befund:
a
b
c
d
Gesammthöhe in cm
43
43
41
47
Anzahl der Blätter
43
108
28
67
Geräuchert wurden die Pflanzen a und b nur ein einziges Mal, am 20. Juni, und zwar
bei der Verdünnung von 1/10000, entsprechend 0,0474 g schwefliger Säure für
eine Pflanze. Dieselbe Menge schwefliger Säure in 200 cc Wasser gelöst wurde
gleichzeitig dem Boden der Pflanze c zugeführt. Schon am folgenden Tage, den 21.
Juni, zeigte sich die Pflanze a ziemlich stark beschädigt, indem bei sämmtlichen
Blättern mehr oder weniger umfangreiche Verfärbungen hervortraten. Die am meisten
verletzten Blätter waren fast ganz fahl geworden, während bei den weniger
beschädigten eine grössere oder geringere Anzahl über die Blattfläche verbreitete
Flecken vorhanden war. Die Pflanze b zeigte nur an sieben Blättern meist kleinere
randständige Flecken. Innerhalb einiger Zeit veränderte sich das Aussehen der
beschädigten Blätter insofern, als der zuerst fahle Ton der Verfärbungen in ein
ausgesprochenes helles bis dunkles Rothbraun überging. Die Pflanzen boten zuletzt
genau dasselbe Krankheitsbild dar, wie wir es bei rauchbeschädigten Linden vielfach
auch in der Natur gefunden haben. Die Pflanze c war vollständig grün geblieben und
erhielt sich auch weiterhin gesund wie die Controlpflanze d.
Die zum Versuche verwendeten vier Ahornbäumchen hatten folgende Höhe und
Blätteranzahl:
a
b
c
d
Gesammthöhe in cm
45
57
49
52
Anzahl der Blätter
34
30
43
36
Bei den Räucherungen wurde hier 1/20000 Verdünnung, entsprechend 0,0237 g schwefliger
Säure für eine Pflanze, angewendet. Dieselbe Menge schwefliger Säure, in 200 cc
Wasser gelöst, wurde gleichzeitig mit jeder Räucherung dem Boden der Pflanze c
zugeführt. Mit den vorgenommenen fünf Räucherungen von a und b hat jede Pflanze im
Ganzen 0,1185 g schweflige Säure bekommen und dieselbe Menge hat der Boden der
Pflanze c durch Begiessen erhalten.
Nach der ersten Räucherung am 22. Juni war eine Einwirkung zunächst noch nicht zu
constatiren, am 24. Juni Morgens traten aber auf einigen Blättern randständige,
fahle, helle Flecken hervor. Die zweite Räucherung wird an demselben Tage und die
dritte am 25. Juni vorgenommen. Am 26. Juni hat die Anzahl und Grösse der hellen
Flecken auf den Blättern der Pflanze a sehr zugenommen und ein Theil derselben
beginnt zugleich eine gelbliche Färbung anzunehmen. Die Blätter der Pflanze b sind
weniger fleckig. Die allerjüngsten zarten Blättchen an der Spitze beider Pflanzen
fangen an zu verwelken. Die vierte Räucherung findet noch am 26. und die fünfte,
letzte Räucherung am 27. Juni statt. Am 27. sind alle Blätter von a stark
beschädigt, über und über mit Flecken besetzt. Bei b breitet sich die Beschädigung
noch bis zum 28. Abends weiter aus, ist aber auch zuletzt nicht so stark und
umfangreich wie bei a. Die ursprünglich fahle, helle, dann schmutziggelbliche
Färbung der Flecken geht im Laufe der folgenden Woche allmählich in Rothbraun über
und am 4. Juli ist das charakteristische Krankheitsbild stark verletzter
Ahornblätter, wie man es in der Natur bei Rauchschäden findet, vollständig
entwickelt. Die begossene Pflanze c zeigt bis zuletzt nicht die geringste
Beschädigung, sie ist gesund und grün wie die Controlpflanze d.
Die vollständige Uebereinstimmung aller hier beschriebenen Versuche ist in die Augen
springend. Die Beschädigung der Vegetation durch die schweflige Säure des Rauches
ist nach denselben darauf zurückzuführen, dass das Gas, mit den Blattorganen der
Pflanzen in der Luft in Berührung kommend, von denselben aus der Luft absorbirt
wird. Eine Vermittelung der Beschädigung durch den Boden, indem von den meteorischen
Niederschlägen gelöste schweflige Säure oder Schwefelsäure auf das Wurzelsystem der
Pflanzen nachtheilig einwirkt, ist vollkommen ausgeschlossen. Es muss im Gegentheil
angenommen werden, dass die schweflige Säure, soweit sie von dem Boden absorbirt
oder demselben gelöst mit den meteorischen Niederschlägen zugeführt wird, für die
Vegetation unschädlich gemacht ist. Eine Steigerung des Schwefelsäuregehaltes der
Blattorgane kann ebenso wohl durch die Absorption von schwefliger Säure aus der
Luft, wie auch durch eine Mehraufnahme aus dem Boden veranlasst werden. Es ist aber
nur die durch die Blattorgane absorbirte schweflige Säure (oder Schwefelsäure) als
schädlich zu betrachten, während derjenige Antheil der Säure des Rauches, der mit
den meteorischen Niederschlägen gelöst in den Boden kommt, auch wenn dadurch
der Schwefelsäuregehalt der ganzen Pflanze und der Blattorgane gesteigert werden
sollte, eine nachtheilige Wirkung auf den Gesundheitszustand nicht haben kann.
Dieselben Schlüsse haben wir alle schon aus unseren früheren Untersuchungen gezogen,
und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass dieselben nicht nur für die schweflige
Säure, sondern auch für andere saure Gase, wie namentlich für die Salzsäure, Geltung
haben werden.
(Schluss folgt.)