Titel: | Ueber Compensationsplanimeter. |
Autor: | Ernst Fischer |
Fundstelle: | Band 300, Jahrgang 1896, S. 135 |
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Ueber Compensationsplanimeter.
Ueber Compensationsplanimeter.
Die Verbesserung an dem Planimeter ist die vereinigte Erfindung der Patentinhaber W. F. Stanley in Great-Turnstile und Dr. A. Amsler (Sohn des Erfinders des wohlbekannten [Amsler'schen] Polarplanimeters). Die Verbesserung
besteht darin, dass das Instrument auf den Maasstab einer militärischen oder
überhaupt topographischen Karte einstellbar gemacht ist, welche sich verzogen hat;
der erreichte Vortheil gilt natürlich auch für andere Pläne, z.B. für Katasterpläne,
wenn sich dieselben beim Aufziehen oder Aufspannen verzogen haben sollten, indem am
Planimeter Mechanismen vorgesehen sind, die eine Correction ermöglichen,
entsprechend der Differenz zwischen dem ursprünglichen (genauen) und dem verzogenen
(zusammengezogenen) Maasstab der Karte oder des Planes.
Die Correction für die Zusammenziehung wird erreicht mit Hilfe einer kurzen Scala auf
dem Planimeter, welche in Hundertstel getheilt ist und von der man mittels eines
Nonius bis auf Tausendstel der Länge des Fahrarmes ablesen kann. Die Procente der
Zusammenziehung findet man, indem man die Scala mittels eines richtigen Maasstabes
misst und indem man die doppelte Procentdifferenz auf der Noniusscala vom Nullpunkt
aus abträgt. Der auf diese Weise adjustirte Planimeter ergibt den Flächeninhalt auf
der verzogenen Karte, wenn man vorsichtig mit dem Fahrstift die zu berechnende
Fläche bezieh. deren Umfang nachfährt, wie dies ja auch beim normalen Maasstab zu
geschehen hat.
Es bezeichne A den Flächeninhalt eines Quadrats, dessen
Seite a in irgend einer Maasseinheit ausgedrückt werden
kann. Also A = a2.
Angenommen, das Quadrat habe sich so verzogen, dass eine Seite die Länge a – α und die andere Seite die Länge a – β hat. Dann wird der Flächeninhalt A1 des verzogenen
Quadrats ausgedrückt durch
A^1=(a-\alpha)\,(a-\beta)=a^2\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}+\frac{\alpha\,\beta}{a^2}\right).
Da α und β kleine Grössen
sind im Verhältniss zu a, so ist der Ausdruck
\frac{\alpha\,\beta}{a^2} im Verhältniss zur Einheit von der
2. Ordnung und kann vernachlässigt werden, so dass
A^1=a^2\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right)=A\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right).
Bekanntlich ist die Fläche einer mit dem Planimeter gemessenen Figur: P = r . y, wenn r die
Länge des Fahrarmes und y der vom Rollenumfang
abgewickelte Bogen ist. Bezeichnet man nämlich mit p den Rollenhalbmesser, so ist
P = r . 2ρπ . u und
P = K . u, worin jetzt u die an der Rolle abgelesene Umdrehungszahl und K
= (2ρπ) . r die
sogen. Planimeterconstante bedeutet.
Die Fläche derselben Parzelle mittels desselben Planimeters gemessen, jedoch nachdem
der Fahrarm auf die reducirte Länge
r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right) eingestellt ist,
wäre ausgedrückt durch
P=r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right)\,.\,y^1 wobei y1 den neuen
Rollenweg bedeutet.
Man lasse nun die Parzelle, auf welche sich P bezieht,
mit dem verzogenen Quadrat identisch sein, dann ist P =
A1 und
A^1=r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right)y^1=A\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right),
also
A=r\,.\,y^1.
Diese Formel zeigt, dass der wahre Flächeninhalt A, von
dem verzogenen Quadrat ausgehend, bestimmt wird, indem man den Fahrarm auf die Länge
r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right) genau in derselben
Weise einstellt, als wenn man den Fahr arm auf die Länge r einstellt, und das wirkliche Quadrat misst. Dieselbe Betrachtung gilt
auch für eine beliebige Figur bezieh. Parzelle.
Wenn α und β in Procenten
von a ausgedrückt sind, dann ist
r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{a}\right)=r\,\left(1-\frac{\alpha+\beta}{100}\right)=r-\frac{r\,(\alpha+\beta)}{100}.
Das von Stanley und A.
Amsler sogen. neue Planimeter ist mit der gewöhnlichen Form desselben mit
beweglichem Arm identisch. Eine verschiebbare Hülse befindet sich an dem Fahrarm, an
dieser ist eine kurze Oeffnung ausgespart, deren abgeschrägte Flächen je einen
Nonius tragen.
Die Benutzung des verbesserten Planimeters auf verzogenen Karten oder Plänen ist
sehr einfach. Es sei z.B. auf einer Karte 1 engl. Meile durch 6 Zoll ausgedrückt.
Man messe nun auf der verzogenen Karte mittels eines richtigen Maasstabes die Länge
von 100 Theilen des Kartenmaasstabes, welcher am unteren Rande der Karte gezeichnet
ist. Es sei diese Länge z.B. 98,6 auf dem richtigen Maasstab, so dass der Fehler 1,4
ist, Man multiplicire diesen Fehler mit 2, also 2 × 1,4 = 2,8; dann stelle man den
Nullpunkt des Nonius auf 2,8 der Theilung oben auf dem Prisma ein. Dieser Nonius und
die Theilung correspondiren mit der Marke.
05
ac.
10'
=
1 Meile
50
ac.
12''
=
1 Meile
2
ac.
5'
=
1 Meile
200
ac.
6''
=
1 Meile.
Die Ablesung auf der Rolle, multiplicirt mit 200, wird dann gleich dem wahren
Flächeninhalt sein.
Indem wir hier annähernd den Wortlaut englischer Stimmen wiedergegeben haben, halten
wir uns für verpflichtet, zunächst darauf hinzuweisen, dass es bei uns längst üblich
ist, die Verzerrungsconstante durch exactes Umfahren des betreffenden
Kartennetzquadrats zu bestimmen und danach die in jenem Quadrat liegende, zu
berechnende Fläche mit ebenso grosser Genauigkeit erhalten, wie Stanley und Amsler
jun.
Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die Präcisionskugelplanimeter
von G. Coradi in
Zürich-Unterstrass, Schweiz, deren ausführliche Beschreibung und Anleitung zum
Gebrauch auf Verlangen gratis übersandt wird. – Hier vollzieht sich die Bewegung der
Messrolle auf einer metallenen, leicht rein zu haltenden Kugelfläche, wodurch
dieselbe von der Beschaffenheit des Plan-Materials
unabhängig wird. Dann ist der Flächenwerth der Noniuseinheit 10 bis 20mal kleiner als beim Polarplanimeter, wodurch
eine genauere Flächenbestimmung ermöglicht und die
Ablesung erleichtert wird! Endlich ist die auf einmal mit dem Fahrstift umziehbare
Fläche viel grösser, indem lange Flächenstreifen von der Breite der Fahrarmlänge
gestattet sind; lauter Vorzüge gegenüber den gewöhnlichen Polarplanimetern. Es sind
seit dem Jahre 1888 über 450 Stück dieser Kugelplanimeter bei vielen
Vermessungsbehörden des In- und Auslandes im Gebrauch und haben sich vorzüglich
bewährt.
Die freischwebenden Kugelplanimeter und Scheibenpolarplanimeter derselben Firma seien hier nur
namhaft gemacht.
Was dann endlich die Coradi'schen Planimeter
System Hohmann-Coradi und Lang-Coradi
betrifft, so sei hiermit auf die Schrift von Coradi hingewiesen: „Beschreibung und Anleitung zum
Gebrauch und zur Prüfung“ dieser Planimeter „mit einer elementaren,
allgemeinen Erklärung ihrer Wirkungsweise.“ Preis 1 Frc. Zürich,
Buchdruckerei C. Aschmann, Stüssihofstatt 7, 1895. – Eine grosse Reihe von Kapiteln
dieser Schrift sind abgedruckt in: „W. Caville,
Lehr- und Handbuch der Landmesskunst“, Ernst'scher Verlag, Halberstadt und
Leipzig, in welchem Werke auch geschichtliche Notizen über die Erfindung des
Planimeters, sowie die Beschreibung älterer Planimeterconstructionen enthalten
sind.
Da uns Caville geschrieben, dass er unsere grössere
Abhandlung: „Zur Geschichte der mechanischen Planimetrie“ (mit grossen
lithographirten Tafeln), 1867 in der damaligen Schweizerischen polytechn, Zeitschrift erschienen, theils in seinem
genannten Werke, ganz aber in den Jahresberichten der Topogr. geodät. Commission zu
Moskau zu veröffentlichen gedenkt, so würden wir durch Bekanntwerden der Coradi'schen Schriften und Kataloge im Verbände mit
unsern eigenen Arbeiten ein für den Fachmann gewiss erwünschtes Ganzes erzielen.
Schliesslich erübrigt es uns noch, aus der Zeitschrift für
Instrumentenkunde, Juli 1895 S. 263, folgende Mittheilung von Prof. Hammer anzufügen:
„In einem auf dem 94er Meeting der British Association gehaltenen Vortrag theilt
Prof. Henrici die Planimeterconstructionen in
folgende drei Typen: Orthogonalplanimeter, Polarcoordinatenplanimeter,
Planimeter des Amsler'schen Typus. In jeder der
drei Klassen kann die Integrationsrolle u.s.f. gleitende Reibung haben oder
nicht, wonach sich Unterabtheilungen bilden Hessen. Nach einem Ueberblick über
die verschiedenen Arten der geometrisch mechanischen Entstehung der Planimeter
werden insbesondere die Constructionen von Amsler,
Hohmann-Coradi, Lang-Coradi, Hine Robertson und Prytz besprochen; eine Notiz über Gelenkintegratoren, mit Amsler's „Flächenreductor“ (1856) beginnend
und der Anwendung des Peaucellier'schen Princips
zur Herstellung eines Planimeters für kleine Flächen von Amsler endigend, macht den Schluss.“
Allen Lesern dieser Zeilen sei noch das Schriftchen empfohlen: „Der harmonische
Analisator“, construirt von G. Coradi in
Zürich, mit einer Theorie desselben von Prof. O.
Henrici in London. Zürich, Druck von C. Aschmann, Stüssihofstatt 7,
1894.
Ernst Fischer.