Titel: | Rettungswesen auf See. |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 1 |
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Rettungswesen auf See.
Mit Abbildungen.
Rettungswesen auf See.
Die statistischen Aufzeichnungen aller seefahrenden Nationen lehren, dass der Verkehr
auf den Meeren die relativ meisten Unglücksfälle nach sich zieht, eine
unverhältnissmässig hohe Zahl von Opfern Jahr aus, Jahr ein fordert. Und wenn noch
im J. 1798 ein von Robert Crane an die Humane Society gesandter Apparat zur Rettung
Schiffbrüchiger verheimlicht wurde, damit den gepressten Matrosen keine Gelegenheit
zum Entspringen gegeben würde, die ersten derartigen Vorrichtungen vielmehr 1820
bekannt gegeben wurden, so haben sich doch vereinzelte Bestrebungen zur Einführung
von Rettungsmitteln schon damals bemerkbar gemacht. Mit der Steigerung in der
Benutzung der Wasserstrassen, mit lebhafter werdendem Betriebe haben sich die Völker
veranlasst gesehen, besondere Vorkehrungen zu treffen und im internationalen
Austausch Bestimmungen zu erlassen, um die Vergrösserung der natürlichen Gefahren
durch solche, welche dem Verkehr entsprungen, thunlichst hintanzuhalten,
andererseits aber auch gefahrdrohenden Ereignissen durch rechtzeitige Hilfe die
Spitze abzubrechen. So hat man Nothsignale eingeführt, man hat den Seeschiffen eine
Reihe Rettungsvorrichtungen vorgeschrieben, welche sie zu eigenem Nutzen, wie zur
Hilfeleistung auf See verwenden müssen; und wo früher Strandräuber die Wracks zu
plündern pflegten, da haben jetzt Rettungsgesellschaften ihre Sitze
aufgeschlagen.
1) Nothsignale.
Um eine Zeichensprache einzuführen, welche die Nothlage eines Schiffes einem
Uneingeweihten in unzweifelhafter Weise zu erkennen geben könnte, hatte sich im J.
1872 das englische Handelsamt mit der Admiralität und dem Trinity-House über einige
Signale geeinigt, die lediglich für den Zweck der Verständigung im Nothfall
vorbehalten bleiben sollten. In dieses Uebereinkommen, welches die Grundlage für die
Nothsignale der ganzen seefahrenden Welt zu bilden bestimmt war, hatten sich jedoch
Unbestimmtheiten eingeschlichen, denen man eine Beeinträchtigung der Wirkung solcher
Zeichen zusprechen musste, und die deshalb auszumerzen waren.
Im J. 1873 hatten die Vorschläge zu der Aufnahme der Signale in die englischen
Handelsschiffahrtsacte (Merchant Shipping Acts, Amendment
Act, 1873) geführt und zwar in folgender FassungMitth. Seew., 1874
S. 96.:
Schiffe in Noth. Bei Tage:
Die folgenden Signale Nr. 1, 2 und 3, wenn zusammen oder einzeln gebraucht, sollen
als Nothsignale bei Tage angewendet werden:
1) Kanonenschüsse in Intervallen von etwa 1 Minute abgefeuert;
2) das Nothsignal des internationalen Signalbuchs N. C.;
3) das Fernsignal, bestehend aus einer viereckigen Flagge, über oder unter welcher
sich eine Kugel befindet, oder etwas, was einer Kugel ähnlich sieht.
Bei Nacht: Die folgenden Signale Nr. 1, 2 und 3, wenn
zusammen oder einzeln gebraucht, sollen als Nothsignale bei Nacht angesehen
werden.
1) Kanonenschüsse in Intervallen von etwa 1 Minute abgefeuert;
2) Flammen auf dem Schiffe (wie von einer brennenden Theer- oder Oeltonne o.
dgl.);
3) Raketen oder Leuchtballen jeder Gattung und Farbe, je eine zur Zeit in kurzen
Intervallen abgefeuert.
Im gleichen Jahre ist auch Dänemark zur Annahme obiger Signale geschrittenTimes vom 24. Juni
1874., während sich Deutschland durch die Noth- und
Lootsensignalordnung vom 14. August 1876 anschloss.
Die See-Berufsgenossenschaft setzt in ihren
Unfallverhütungsvorschriften vom 14. Juni 1890 fest, dass ein jedes Schiff zur
Abgabe von Noth- und Lootsensignalen ausserhalb der räumlichen Grenzen der kleinen
Fahrt mindestens 12 Raketen oder entsprechende Anzahl Leuchtkugeln, 12 Blaulichter,
sowie 12 Kanonenschläge oder einen gleichwertigen Apparat mit genügender Munition
für Signalschüsse an Bord führe.
Zu Ungewissheiten und Zweideutigkeiten geben jedoch auch die so revidirten
Anweisungen Veranlassung, da ja Roth- und Blaulichter, Raketen einzelnen Linien als
Erkennungszeichen in der Nacht dienen. Dieser Umstand erschwert natürlich die
gesetzliche Einführung bestimmter Nothsignale sehr. Man hatte auch Blickfeuer zum
vorliegenden Zwecke in Vorschlag gebracht, diesen Vorschlag aber mit Rücksicht auf
die vielfache Verwendung dieser Signalart auf Anregung Frankreichs
ausgeschieden.
Bei Erzeugung der Blitzfeuer fiel dem Magnesium die wesentlichste Rolle zu. Im J.
1873 hatte man in London das von Capitän Colomb
angegebene Verfahren, welches darin bestand, dass Magnesiumpulver in die Flamme
einer Spirituslampe eingeblasen wurde, als vorzüglich befunden; es liessen sich auf
die Colomb'sche Weise Feuer erzielen, welche bei klarem
Wetter 20 Seemeilen sichtbar waren. Noch auffälliger hat sich aber das Paire'sche Nothsignal erwiesen, welches sich durch
Reibung entzündet, ein paar Secunden ruhig brennt, sodann 200 bis 300 m hoch steigt
und explodirt, also in der Wirkung einer Rakete gleichkommt. In St. Leonards machte
(1890) die Nothsignalrakete der Cotton Powder Company
viel Eindruck. Die Rakete wurde aus einem 178 mm hohen Sockel aus Phosphorbronze abgefeuert; sie stieg
150 bis 180 m hoch, in welcher Höhe sie mit hellem, bei klarem Wetter 12 Seemeilen
sichtbar gewesenem Feuerschein explodirte und dabei farbige Sterne ausstreute. Von
einem Chemiker Jaksch rührt ein besonderes Recept für
ein Magnesiumpulver her; es soll bestehen aus 30 Th. salpetersaurem Baryt, 20 Th.
Magnesiumpulver, 4 Th. Schwefelblüthe und 7 Th. Rindstalg. Das letztere wird in
geschmolzenem Zustande zugesetzt, worauf die Mischung durch ein Sieb geschlagen
wird. Man füllt die Masse in starke Zinkblechbüchsen von 10 cm Höhe und 8 cm
Durchmesser, deren Inhalt ein Licht von 20000 Kerzen und von 100 km Sichtweite 20
Secunden lang geben soll. Für Raketen würde der Mischung Talg nicht zugesetzt
werden.
Textabbildung Bd. 301, S. 2
Fig. 1.Holmes'sches Licht.
Als ein im Wasser selbst entzündliches Mittel hatte natürlich auch das
Phosphorcalcium eine ausgedehnte Verwendung zum vorliegenden Zwecke gefunden. Man
entsinnt sich noch des Patent Storm and Danger Light von Nathaniel J. Holmes, welches in der Hauptsache aus einem mit
Phosphorcalciumstücken gefüllten Blechcylinder bestand. Es brannte im Wasser 30 bis
40 Minuten lang mit der hellen weissen Phosphorwasserstofflamme, entzündete sich
aber schwer durch Schlag und Reibung, war also ohne Gefahr an Bord zu führen. Der
Dampfer Woolwich machte mit dem Holmes'schen Licht 1872 die ersten eingehenden Versuche, welche das
Marinebureau des Board of Trade in London damals
veranlassten, eine Anzahl Blaufeuer denjenigen Schiffen zu erlassen, die das Licht
mitführten. Auf dem englischen Kriegsschiffe Bosphorus
hatte man sich des Hohnes'schen Lichtes mit Erfolg zur
Auffindung eines ins Wasser gefallenen Matrosen bedient. Auch vom Bord des Challenger sind sehr befriedigende Versuche angestellt
worden. Als Nothlampe (Fig. 1)D. p. J. 1871 201 203. wird ein zinnernes Gefäss
verwandt, welches mit dem Phosphorcalcium gefüllt und dann verlöthet wird. Ein
hölzerner Schwimmer macht die Vorrichtung schwimmfähig. Bei Gebrauch wird die Spitze
abgeschnitten und unten eine Oeffnung eingestossen, durch welche nach Einwurf der
Lampe in das Wasser letzteres eindringt, so die Bildung von Phosphorwasserstoff
veranlassend, welcher oben austritt und sich an der Luft entzündet. Auch auf der
Themse seinerzeit angestellte Tauchversuche hatten gezeigt, dass überstürzende
Wellen ohne Einfluss auf die Flamme sind.
Eine Nothbeleuchtung für Schiffe, die auch als Nothsignal wirken kann, ist von C. Wiese (Pöseldorf vor Hamburg) angegeben worden (Fig. 2). An den Topmasten des Schiffes sind mehrere
Magnesiumbandlampen mit selbsthätigem Nachschub angeordnet. Zu denselben führen vom
Maschinenraum ausgehende, über die Commandobrücke geführte elektrische Leitungen,
welche das Entzünden der Magnesiumlampen bewirken sollen. Wird die vorhandene
elektrische Beleuchtung gestört, so wird von der Commandobrücke aus die
Nothbeleuchtung in Betrieb gesetzt. Dies kann auch geschehen, wenn Nothsignale
abzugeben sind. Selbsthätig tritt die Anlage in Wirksamkeit, wenn eindringendes
Wasser einen im Kielraum eingesetzten Schwimmer hebt, der den Strom schliesst. Eine
allzu grosse praktische Bedeutung kann dieser Einrichtung allerdings kaum
beigemessen werden.
Textabbildung Bd. 301, S. 2
Fig. 2.Nothbeleuchtung für Schiffe.
2) Rettungsgürtel, -westen, -bojen.
Ist eine Gefahr im Verzüge, welche zum Verlassen des Schiffes zwingt, so tritt die
Nothwendigkeit heran, jeden einzelnen Insassen vor dem Versinken zu sichern um ihn
zu einer späteren Gelegenheit bergen zu können, wenn die sofortige Aufnahme in einem
Boot nicht angängig gewesen oder das rettende Boot selbst ein Raub der Wellen
geworden. Die Frage, ob der Mensch an sich schwimmfähig, d.h. specifisch leichter
als Wasser ist, kann bei der Auswahl geeigneter Rettungsmittel unerörtert bleiben.
Denn selbst wenn ein geringer Auftrieb für den nackten Körper zugelassen würde –
nach Ansicht einiger Beobachter nimmt er bei luftgefülltem Brustkorb im Durchschnitt
eine solche Grösse an, dass Mund und Nase über Wasser gehalten werden können – hätte
derselbe eine praktische Bedeutung für den vorliegenden Fall nicht zu beanspruchen;
einmal hat man es hier mit einem sehr bewegten Element zu thun, welches an dem
schwimmenden Körper die Beschleunigung der Schwere in einem dem Auftrieb stets
schädlichen Sinne zur Wirkung kommen lässt, dann sind die Kleidungsstücke
beschwerend, endlich soll man in der Lage bleiben, die Arme frei bewegen bezieh.
über Wasser heben zu können. Es machen sich demnach besondere Hilfsmittel
erforderlich, welche den menschlichen Körper in gewünschtem Maasse über Wasser zu
halten vermögen.
Die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft vom 14. Juni 1890 sehen (§ 15) für jede an Bord
befindliche Person einen Rettungsgürtel (Schwimmweste, Korkjacke) von mindestens 8 k
Tragfähigkeit vor. Die Gürtel müssen an jederzeit und für Jedermann erreichbaren
Orten aufbewahrt und mindestens einmal jährlich auf ihre Beschaffenheit untersucht
werden. Es ist zur Zeit wohl allgemein bei Seefahrern eingeführt, die Schwimmwesten
o. dgl. für jeden Passagier in dessen Schlafraum bezieh. unter die Kopfkissen zu
legen.
Eine von der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger insbesondere für
Passagierschiffe empfohlene Westenconstruction zeigen Fig. 3 und 4; es sind schmale
Korkstreifen auf Segeltuch genäht. Die Jacken müssen 10 k Eisen 24 Stunden lang im
Wasser tragen können und dürfen in dieser Zeit nicht über 500 g Wasser ziehen. Die
Gebrauchsanweisung ist auf den Tragbändern aufgedruckt und die Anlegung der Jacke
ist ohne fremde Hilfe leicht zu bewerkstelligen. Für die Rettungsmannschaften werden
die Bänder mit Schnallen versehen, um die Jacke besser dem Körper anpassen zu
können.
Textabbildung Bd. 301, S. 3
Rettungsgürtel.
Die am 24. Februar 1879 in Gegenwart des Marineministers v.
Stosch vorgenommenen Proben einer Reihe von Schwimmgürteln mit
Tragfähigkeiten von 14 bis 35 Pfund hatten die Prüfungscommission zu der Erkenntniss
geführt, dass
die sogen. Ward'schen Korkjacken, wie
sie von der englischen Nationale life-boat Institution und der Deutschen
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger für ihre Bootsmannschaften geliefert
werden, als die zur Anschaffung auf deutschen Handelsschiffen am
zweckentsprechendsten den Rhedern zu empfehlen wären. Die aus schmalen, auf
Segeltuch genähten Korkstücken bestehenden Korkjacken erfüllten die an gute
Vorrichtungen zu stellenden Anforderungen, nämlich: 1) genügende Tragfähigkeit, 2)
leichtes und schnelles Anlegen ohne fremde Hilfe, 3) Dauerhaftigkeit, 4)
Billigkeit.Mitth. Seew., 1879 Bd. 7 S. 303.
Als Bedingungen wurden abgeleitet:
1) Das Gewicht der trockenen Korkjacke soll 2,5 k nicht übersteigen; dabei soll
letztere 10 k Eisen 24 Stunden im Wasser tragen und während dieser Zeit nicht über
0,5 k Wasser ziehen. (Die oben genannten Gesellschaften schreiben als 24stündige
Belastung 23 k Eisen vor.) Dass unter diesen Umständen nur feines Korkholz
Verwendung finden kann, zeigen die von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger mit gleichen Stücken Kork verschiedener Qualität angestellten
Proben; nach diesen betrug
Gewicht,trocken
Gewicht,nass nach24 Stunden
Gewichts-zunahme
g
g
g
für feines Holz
600
750
150
„ weniger gut
700
950
250
„ ordinär
1000
1375
375
2) Vorn geschlossenen Jacken soll der Vorzug gegeben werden, schon wegen deren
Tendenz, den Körper etwas nach hinten zu neigen.
3) Guttaperchagürtel werden wegen umständlicher Handhabung (Aufblasens) und
leichter Verletzlichkeit ebenso wenig empfohlen, wie mit Segeltuch überzogener Kork,
welcher bezüglich seiner Beschaffenheit nicht controlirbar ist.
Kork ist ein altes Hilfsmittel des Seemanns.
Egerton SmithMechanics Magazine, 1826 S. 273.
hatte ein aus Kork gefertigtes Halsband benutzt, welches mittels Riemen am Brustkorb
festgemacht wurde. Für eine 170 bis 180 Pfund schwere Person besass der Ring 16 Zoll
Durchmesser, innen 3 Zoll, aussen ½ Zoll Dicke, und wog 3 Pfund.
Vertrauenerweckender war die Schwimmjacke, welche aus einem leinenen Brust- und
Rückenblatt sich zusammensetzte, über den Kopf gezogen und mit Bändern am Leib
verschnürt wurde. Die Leinwand war mit Korkstücken von 4 bis 7 Zoll Breite und 6 bis
9 Zoll Länge bedeckt; diejenigen der Vorderseite hatten etwas mehr als 1 Zoll Dicke
und wogen 2 Pfund, während der Korkbelag der Rückseite nur 1½ Pfund schwer war.
Ausserdem befand sich vorn noch ein 5 Zoll vorstehender Korkkragen von ½ Pfund
Gewicht. Auch hier war die Absicht erkenntlich, den Vorderkörper des Schwimmers
höher zu heben, als die Rückseite.
Man verwirft mit Recht jene Mittel, welche erst vor Gebrauch wirksam gemacht werden
müssen. Eine Gummijacke, welche erst aufzublasen ist, besitzt schon deshalb einen
illusorischen Werth, und die Möglichkeit einer allzu leichten Betriebsstörung machen
sie nicht empfehlen. Es sei nur beiläufig auf den Merriman'schen Rettungsanzug hingewiesen, welcher, aus Kautschuk
hergestellt, Jacke, Hut und Beinkleid einbegriff und mit Luft aufgeblasen wurde. Mit
diesem führte der bekannte amerikanische Schwimmer Paul
Boyton (1875)Times, 1875. anfangs an der irischen
Küste mehrere Fahrten aus, unternahm auch am 10. April 1875 eine Schwimmtour von
Dover nach Boulogne, freilich, nachdem ihn Kanallootsen einer günstigen Witterung
versichert hatten. Boyton hatte in 15 Stunden 40 bis 50
Seemeilen zurückgelegt, wurde aber bei Eintritt starken Sturmes vom Begleitdampfer
aufgenommen. Man vermochte festzustellen, dass der Schwimmer noch gut 6 Stunden
hätte rudernd im Wasser verweilen können.
In neuerer Zeit sind Rennthierhaare als Tragemittel in Aufnahme gekommen. Die Gürtel
werden dann aus gewöhnlichem oder wasserdicht präparirtem, doppeltgelegtem
Baumwollsegeltuch mit Rennthierhaarfüllung angefertigt und zwar je nach Vorschrift
3- bis 12theilig, so dass ein bequemes Umlegen erfolgen kann. Die Tragfähigkeit
eines 1 k schweren Gürtels wird mit 11 k, diejenige eines solchen von 1,3 k
Eigengewicht zu 11 k Eisen gewährleistet und zwar nachdem die Gürtel 24 Stunden im
Wasser gelegen haben.
Die Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft bestimmen
weiterVgl. § 16 der
Vorschriften. für jedes Schiff bis zu 700 cbm Bruttogehalt
mindestens eine, für jedes grössere Schiff mindestens zwei Rettungsbojen (Ringe) von weisser oder rother Farbe und 12 k
Mindesttragkraft. Passagierschiffe werden eine erheblich grössere Anzahl Ringe
mitführen, deren Anordnung an Bord so erfolgt, dass sie leicht zu erreichen und
abzuwerfen sind. Demgemäss haben alle Fahrzeuge Rettungsringe an Bord, welche aus Kork
oder Rennthierhaaren mit geeigneter Hülle bestehen. Der Dampfer des Norddeutschen Lloyds Kaiser Wilhelm II beispielsweise
führt 12 Ringe mit.
Auch Ball- und Kissenform unter dieser Art Rettungsvorrichtungen sind lange bekannt.
MacintoshGlasgow Mechanics Magazine, Nr. 128 S.
212. hatte aus einer Doppellage Leinwand, welche mit einer
Kautschukcomposition luftdicht gemacht war, ein cylindrisches Kissen hergestellt;
dasselbe wurde bei Gebrauch aufgeblasen. Schnüre dienten zum Anfassen an dem 24 bis
26 Loth schweren Schwimmkörper.
Von einer Reihe italienischer Schiffahrtsgesellschaften ist vor Jahren der Frattini-Ingaramo'sche Rettungsgürtel eingeführt
worden, welcher aus einem hohlen, aus elastischem Material erzeugten Gürtel von 15
cm Breite besteht. Derselbe enthält in getrennten Abtheilungen verschiedene
Chemikalien – Säuren und Basen –, welche, durch Zug an zwei Schnüren mit einander in
Berührung gebracht, den Ring aufblähende Gase entwickeln. Die Einrichtung ist wohl
auch dahin abgeändert worden, dass die Chemikalien ohne weiteres zusammen kommen,
wenn eine in Wasser lösliche Sperrvorrichtung die Scheidewand freigibt.
Eine Unzahl solcher theils mit Luft, theils mit besonders präparirten Gasen
abblähbaren Bojen ist in die Welt geschleudert worden, ohne dass der Schiffsbetrieb
ihnen grossen Werth beigemessen hätte. Denn in der That hat sich die stete
Bereitschaft mit wachsendem Verkehr zu einer der wichtigsten Eigenschaften der
Rettungsmittel entwickelt. So sind specifisch leichte, massive Medien bei
Herstellung auch der Bojen herrschend geblieben. Von dem englischen Admiral Ryder rührt der Vorschlag her, die Hängematten aus
Netzwerk mit Korkmatratzen zu versehen, so dass die Schlaflager selbst zu
Rettungsmitteln werden. Ueberhaupt wird man ja danach streben, soviel wie thunlich
Gebrauchsgegenstände, insbesondere leicht transportable, wie Kissen, Stühle, aber
auch Schiffstheile, wie Reelings u. dgl., zum gleichen Zweck geeignet zu machen.
Rotationskörper, deren Rotationsachse im Wasser wagerecht zu liegen kommt, wie es bei
Bällen und Cylindern der Fall ist, werden gern gemieden, weil sie stets das
Bestreben haben, sich zu drehen, wenn eine Person sich einseitig anzuklammern
versucht. Man müsste denn geeignete Mittel benutzen, um diesem Uebelstande zu
steuern, und eines davon besteht darin, dass man die Körper unten beschwert, d.h.
ihre Schwerachse nicht mit der Drehachse zusammenfallen lässt. Ein österreichischer
Officier hatte im J. 1871 als Boje einen hohlen Balken mit excentrischer
Bohrung und einer Metallschiene als Kiel vorgeführt. Als Stütze für zwei bis drei
Personen musste der Balken 9 Fuss Länge und 9 Zoll Durchmesser haben; in seinem
Inneren waren Blechbehälter für Nahrungsmittel vorgesehen. Er sollte auf Deck an den
Reelingen oder hinter der Schanzverkleidung aufbewahrt werden.
Um den Werth der Rettungsbojen, die ja vom Bord aus zugeworfen werden, nicht
illusorisch zu machen, ist es erforderlich, dass dieselben auch sichtbar sind, dass
ihr Standort im Wasser bezieh. der Weg, den sie nehmen, sowohl für den Rettung
Suchenden, wie für das Schiff erkennbar bleibt. Am Tage wird ja die gegen das
Meerwasser abstechende Farbe der Schwimmkörper diesen zu erkennen geben; in der
Dunkelheit dagegen muss man zum künstlichen Licht seine Zuflucht nehmen, man muss
die Boje beleuchten. Die Schwierigkeit einer solchen Beleuchtung liegt aber darin,
dass Wind und überstürzende Wellen gleich störend einwirken.
Textabbildung Bd. 301, S. 4
Rettungsobjekte von Meller.
Soweit feststellbar die älteste, in Anwendung gekommene Rettungsboje mit
Leuchtapparat ist wohl die vom Engländer Cook,
vermuthlich 1822 construirte. Dieselbe bestand in der Hauptsache aus einem hölzernen
Kreuz, dessen unteres Ende beschwert war und dessen wagerechte Arme zwei kupferne
Schwimmkugeln aufnahmen. An dem oberen aus dem Wasser ragenden Ende befand sich eine Lunte
(fuse) nebst Flintenschloss und Zündschnur, welch ersteres unter dem Einfluss einer
Feder stand. Unter Spannung dieser Feder wurde die Boje am Spiegel des Segelschiffes
derart aufgehängt, dass ein etwa vom Steuermann ausgeübter Zug an einer Leine
genügte, um den Apparat abzuwerfen und gleichzeitig die Feder des Flintenschlosses
auszulösen, so dass die Zündung der Lunte erfolgte. Die letztere brannte ¼ bis ½
Stunde und wurde selbst durch öfteres Untertauchen nicht gelöscht. Abwerfen und
Entzünden nahmen nach den zu Neufahrwasser bei Danzig angestellten Versuchen etwa 10
Secunden in Anspruch.
Trotzdem hatte die damalige Prüfungscommission die allgemeine Einführung der Cook'schen Boje auf Kauffahrteischiffen nicht empfehlen
können. In der britischen, russischen, holsteinischen und dänischen Flotte bildete
sie aber einen vorschriftsmässigen Ausrüstungsgegenstand und soll dort vielfach in
Anwendung gekommen sein.
Dass bei den weiteren Constructionen insbesondere auch solcher Mittel gedacht worden
war, welche sich im Wasser selbst entzünden und darin brennen, wie Phosphorcalcium,
ist naheliegend; indessen haben alle derartigen Apparate trotz der Wichtigkeit der
in ihnen zum Ausdruck gebrachten Bestrebungen eine lange Lebensfähigkeit nicht
gezeigt, zum Theil auch eine solche überhaupt nicht erhalten. Erst die Neuzeit, in
welcher der Sicherheit im Seeverkehr ein vollberechtigtes Interesse geschenkt wird,
scheint unter Verwendung der elektrischen Glühlampe eine annehmbare Lösung der
Aufgabe gefunden zu haben. Es seien hierzu folgende Beispiele angeführt.
Die Einrichtung der vom Capitän Meller in Kiel
entworfenen elektrisch beleuchteten Rettungsboje ist aus den Fig. 5 bis 11 ersichtlich. Der
Constructeur ist von der richtigen Ansicht ausgegangen, dass nur ein sicher und
sofort wirkender Apparat von Nutzen sein könne. Die Wirksamkeit soll sich aber nicht
allein auf die Tragfähigkeit, sondern auch auf die Kenntlichmachung des Standortes
der Boje erstrecken; was sowohl für die hilfsbedürftige Person, als auch für die
Rettungsmannschaft von Wichtigkeit ist. Meiler
verbindet deshalb den Signalträger mittels cardanischen Gehänges oder eines
Universalgelenkes so mit dem Schwimmer, dass ersterer unabhängig von der Lage des
letzteren stets senkrecht stehen bleibt. Der aus beliebigem, schwimmfähigem Material
– wie Kork, allenfalls mit innerer Holz- oder Metallversteifung, oder Papier,
Holzfasern, Blechrohr – hergestellte Ring A trägt
mittels der Streben a einen Ring b und dieser einen Reifen c, in welchem die senkrechte hohle Stange C
pendeln kann. Ein Netz e und Rettungsbälle d können die Armatur des Gürtels vervollständigen. Die
Stange C trägt an ihrem oberen Ende die Laterne B; sie wird durch den Batteriebehälter D aufrecht erhalten und durch ihr Inneres gehen die
Leitungsdrähte von den Elementen zur Lampe. Wie Fig. 10 erkennen lässt,
sind die Enden F der Drähte durch Schutzrohre G geführt; die Einführung könnte jedoch auch central
erfolgen. In der Laterne a1 bekannter Construction hängt die Glühlampe e1 an einem Ausschalter D1, welcher an der
Isolationsplatte A1
befestigt ist. Eine Ueberwurfklappe d1 sichert das Ganze gegen die Decke der Laterne.
Liegt der von der Feder I nach oben gedrückte Ring H an der Platte E an, so
geht der elektrische Strom durch die Klemme C1, Platte E, Ring H
in die Lampe und dann zur Klemme B1. Wird aber der Ring H
von aussen durch den Stift L niedergedrückt, so ist der
Strom unterbrochen. Die Boje hängt nun in der in Fig. 11 angedeuteten
Weise mittels der Gabel m so aussenbords, dass ein
Hebel h den Stift L der
Lampe niedergedrückt, d.h. den Strom offen hält. Ein am Schiff festes Gehänge
sichert die Vorrichtung in ihrer Lage am Bootskörper. Im Falle der Noth wird der
Hebel h zurückgeschoben, wodurch die Boje abgeworfen
und der Strom für die Lampe geschlossen wird. Ein Handausschalter N soll es ermöglichen, die Lampe ausschalten zu können,
wenn ein längerer Aufenthalt im Wasser zu erwarten steht und ein dementsprechend
sparsamer Verbrauch der elektrischen Energie angezeigt erscheint.
Wohl die ersten Prüfungen hatte im J. 1894 das Panzerschiff Wörth in Kiel an dem Meller'schen Apparat
vollzogen.Electrical Eng., 17. l. S. 276. Er
wurde bei 16 Knoten Fahrt abgeworfen, verlor sich auf etwa 12 Secunden im
Heckwasser, erschien dann aber wieder und blieb gut sichtbar. Einer allgemeinen
Einführung in die Marine hatten die glücklichen Versuche nur das Wort reden können.
Die Grösse und die Leistung lassen sich natürlich den Bedürfnissen anpassen.
Beispielsweise würde eine Vorrichtung von 1,5 m äusserem, 0,90 m innerem
Bojenringdurchmesser für 12 bis 15 Personen Tragfähigkeit besitzen; bei einer
Laternenhöhe von 1 m ist eine Sichtweite des Lichtes zu 2,5 Seemeilen
anzunehmen.
Textabbildung Bd. 301, S. 5
Fig. 12.Nachtrettungsapparat der Allgemeinen
Elektricitätsgesellschaft.
Der Nachtrettungsapparat mit elektrischem Licht der Allgemeinen Elektricitätsgesellschaft in Berlin ist in Fig. 12 verständlich. Der Bojenring trägt nach unten
einen Kasten, in welchem die Sammlerbatterie untergebracht ist, und oberhalb auf
einem starken Drahtgerüst eine mit Glühlicht versehene Laterne; die Verbindungen der
einzelnen Theile sind hier starr. Der Schwimmkörper besteht aus einer doppelten Lage
wasserdichter Leinwand mit Rennthierhaarfüllung; seine Abmessungen sind so
getroffen, dass er drei Personen sicher trägt. In einer mit Holz ausgekleideten
Kammer des Schwimmkörpers ist in doppeltem Kasten eine Sammelbatterie untergebracht,
welche die Glühlampe 6 Stunden lang speisen und an jeder Gleichstromdynamomaschine
geladen werden kann. Die elektrische Energie wird 2 Monate sicher gehalten, so dass
eine Füllung an Bord nicht nothwendig wird. Die Glühlampe ist 16kerzig, ihre
Sichtweite beträgt 2000 m. Hängt der Apparat mit Hilfe der über der Laterne
angeordneten Oese am Bord, so ist der Strom geöffnet; fällt die Boje ab, so
schliessen vier starke Federn den Strom. Das Abwerfen lässt sich entweder an Ort und Stelle von Hand
bewirken, oder die Einrichtung wird so getroffen, dass dasselbe elektrisch von jeder
Stelle des Schiffes stattfinden kann. Greifringe oder grosse Rettungsringe mit Sack
lassen sich natürlich an der Boje anordnen; die letzteren werden da angebracht sein,
wo ein Angriff von Seiten der Haie zu erwarten steht. Die Rettungsvorrichtung hat
sich bereits seit ein paar Jahren praktisch bewährt.
Textabbildung Bd. 301, S. 6
Rettungsbojen von Meller.
Zur Aufnahme einzelner Personen werden die Bojen auch so eingerichtet, dass sich die
betreffende Person setzen kann. Capitän Meller benutzt
hierzu einen Rahmen A (Fig. 13 und 14), an dem die
Schwimmkörper BC befestigt sind. Unter dem Polster F, auf dem man rittlings sitzt, ist der Batteriekasten
E angeordnet; die Leitungen gehen durch die
Rahmenrohre zur Lampe D. An Bord hängt die Boje, stets
zum Gebrauch bereit, in einem besonderen Gestell, an welchem zugleich eine Talje zum
Aufholen des Apparates aus dem Wasser angeordnet ist.
(Fortsetzung folgt.)