Titel: | Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in Sulfitstoffabriken. |
Autor: | August Harpf |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 21 |
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Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch
desselben in Sulfitstoffabriken.
Von Dr. August
Harpf.
Mit Abbildung.
Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in
Sulfitstoffabriken.
Unter diesem Titel veröffentlichte ich im Centralblatt für
die österreichisch-ungarische Papierindustrie, Wien, Jahrgang 1895 Nr. 10,
11, 12, 13, 15, 16, 17 und 18, eine längere Abhandlung, deren Gegenstand in der
Aufschrift gekennzeichnet ist. Nach Fertigstellung der Sonderabdrücke erlaubte ich
mir, da die Arbeit auch theilweise das Gebiet der Schwefelsäureindustrie streifte,
einen solchen Abdruck Prof. Dr. Georg Lunge in Zürich
mit der Bitte einzusenden, meine Abhandlung gelegentlich in irgend einem Fachblatt
zu besprechen. Der genannte Herr ist nun dieser Bitte in bereitwilligster Weise
nachgekommen und hat in der Zeitschrift für angewandte
Chemie, 1896 Heft 3, eine längere Kritik meiner Arbeit unter dem Titel: Darstellung von Schwefeldioxyd für
Sulfitstoffabrikation veröffentlicht und zu dieser Kritik im Heft 6
derselben Zeitschrift noch einen Nachtrag
geliefert.
Da die Kritik in einem der verbreitetsten technologischen Fachblätter Deutschlands
erfolgte, sehe ich mich genöthigt, meine Erwiderung auf dieselbe ebenfalls in einem
im Deutschen Reiche erscheinenden und ebenso viel gelesenen Organ zur
Veröffentlichung zu bringen.
Wenn man eine Besprechung in solcher Weise herausfordert, wie ich es hier gethan, so
muss man selbstverständlich darauf gefasst sein können, mehr oder weniger
Widerspruch zu erfahren, wobei es natürlich Sache des Widersprechenden ist,
seine Auseinandersetzungen genügend zu begründen. Prof. Lunge gesteht nun in seiner Kritik selbst zu, dass ihm „eigene
Kenntniss des Betriebes der Sulfitstoffabrikation abgehe, dass er sich
ausschliesslich auf mich stütze und daher mir die
Verantwortung für die ‚thatsächlichen‛ Grundlagen seiner Kritik zuschieben
müsse.“ Er wiederholt diese Erklärung auch in seinem Nachtrage, bedenkt
dabei aber nicht, dass dadurch schon seine Kritik,
soweit sie auf das Gebiet der Sulfitstofftechnik übergreift und hierbei Widerspruch
gegen meine Erörterungen erhebt, auf schwachen Füssen steht und dass ich
selbstverständlich die Verantwortung für jene Behauptungen Lunge's, welche ihre Veranlassung nur in seiner selbst zugegebenen
Unvertrautheit mit den Eigenthümlichkeiten des Sulfitstoffbetriebes finden,
keineswegs übernehmen kann. Nachdem ich die Kritik Prof. Lunge's zu Gesicht bekommen, kann ich ferner nicht umhin, zu bemerken,
dass der genannte Herr meine Arbeit nur sehr flüchtig durchgelesen haben kann – eine
Behauptung für welche ich im Laufe dieser Zeilen die Beweise erbringen werde.
Meine Abhandlung theilt sich in drei Abschnitte: a) Schwefeldioxyd aus Schwefel, b)
aus Eisenkies und c) aus einem zinkblendereichen Eisenkies unter Verwendung von
Malétra-Oefen. Es sei mir gestattet, in der gleichen Reihenfolge zu erwidern.
a) Schwefelöfen.
Nach Lunge hätte ich zwei
Ofenconstructionen als allgemein gebräuchlich in
Cellulosefabriken angegeben, erstens flache gusseiserne Pfannen mit gemauerten
Seitenwänden und zweitens halbrunde schmiedeeiserne „Tröge“. aus alten
Dampfkesseln hergestellt. Man müsste sonach glauben, dass die Cellulosefabrikanten
(meiner Ansicht nach) andere Constructionen überhaupt
nicht kennen, und Lunge bemerkt daher, dass es in
Cellulosefabriken doch auch andere bessere Schwefelöfen gibt, wobei er auf die Papierzeitung, 1894 S. 1480 und 1830, hinweist, wo
solche Oefen beschrieben sind. Prof. Lunge übersieht in
der Eile, dass ich ganz dieselben Citate auch angeführt habe, nämlich Centralblatt, 1895 Nr. 10 (Sonderabdruck S. 4 links
Zeile 20 bis 27), indem die dort angegebenen Citate: „Papierzeitung, 1894 Nr. 46 und 57“, sich mit den obigen Lunge's vollständig decken. Ausserdem citirte ich in meiner Arbeit aber auch noch andere
Beschreibungen von Schwefelöfen und zwar Papierzeitung,
1894 Nr. 35 und 83, in welchen der Leser gütigst nachsehen möge.
Ich betonte dann ausdrücklich, dass ich den einen Ofen aus Nr. 46 der genannten
Zeitung (1894) abgezeichnet habe und die Beschreibung wiedergebe, weil von diesem Betriebsresultate angegeben sind.
Letzteres war mir eben bei meiner Arbeit die Hauptsache, indem es für den
technischen Chemiker ja nicht bloss wichtig ist, Constructionen der gebräuchlichen
Apparate zu besitzen, sondern oft noch viel wichtiger sein wird, Betriebsergebnisse,
welche mit diesen Apparaten erzielt wurden, zu erfahren, um danach auf deren Werth
zu schliessen. Die anderen Oefen, von welchen keine Betriebsergebnisse angegeben
waren, ebenfalls abzuzeichnen und deren Beschreibung wiederzugeben, hatte für mich
nach meinem oben angegebenen Gesichtspunkte keinen Zweck, es genügte, deren
Beschreibung einfach
zu citiren. Dass Lunge dieses mein Citat so einfach
todtschweigt, beweist, wie flüchtig er meine Arbeit gelesen.
Was nun die „Tröge“ aus Schmiedeeisen von alten Dampfkesseln anbelangt, welche
nach Lunge's Kritik laut meiner Abhandlung allgemein in Sulfitstoffabriken gebräuchlich sein sollen, so kann ich eine solche Behauptung in meiner
Arbeit nirgends finden. Ich habe vielmehr nur erwähnt, dass in einer speciell beschriebenen österreichischen
Cellulosefabrik solche Schwefelöfen aufgestellt sind, und habe dieselben ausführlich
beschrieben, eben weil es mir wieder möglich war, davon Betriebsergebnisse mitzutheilen. (An authentischen Mittheilungen über
wirkliche Betriebsresultate ist nämlich unsere Sulfitcelluloselitteratur noch sehr
arm.) Ich gebe zu, dass ich in dem Lobe der Einrichtungen dieser Fabrik vielleicht etwas zu weit gegangen bin, was jedoch
menschlich begreiflich ist, weil der Besitzer mir in freundlichster Weise
gestattete, seine Fabrik eingehend zu studiren, mir alle verlangten Daten
überlieferte und deren Veröffentlichung erlaubte – eine Art des Entgegenkommens,
welche ja bekanntlich nicht bloss in Cellulosefabriken, sondern auch in anderen
Industrien ungemein selten ist und daher wohl des Dankes werth erachtet werden kann.
Die Oefen sind allerdings primitiv; das Gas, welches sie liefern, hatte nach meinen
damaligen Analysen nur 4,27, 4,00 und 4,57 Vol.-Proc. SO2, war also, wie ich übrigens selbst constatirte (vgl. Centralblatt, 1895 Nr. 10, Sonderabdruck S. 7) als arm
zu bezeichnen, indem ich hervorhob, „dass es vortheilhaft gewesen wäre, den
Gehalt des Gases an SO2 möglichst zu
erhöhen.“ Ursache dieser Armuth des Gases war erstens die schlechte
Regulirung der Luftzuströmung in den Oefen und zweitens der durch grosse
Wasserstrahlejectoren hervorgebrachte viel zu starke Zug. Uebrigens war die
Absorption trotz des schwachen Gases, wie ich durch Untersuchung des Abwassers der
Ejectoren nachwies und auch in meiner Arbeit angab, als nicht ungünstig zu
bezeichnen und war ja auch die erhaltene Sulfitlauge trotz der nach Lunge so „rohen
Ofenconstruction“, wie aus der mitgetheilten Tabelle (Centralblatt, Nr. 11, Sonderabdruck S, 10) hervorgeht, keine schlechte zu
nennen. Ebenso ist der Schwefelverbrauch in dieser Fabrik ein sehr geringer: 12,54 k
für 100 k Cellulose, und reicht daher fast bis auf das in dieser Beziehung bisher
erlangte Minimum herab.
Es geht hieraus hervor, dass die Fabrik, auch wenn sie andere, modernere Schwefelöfen
verwendet hätte, in Bezug auf Güte der Lauge keinen und in Bezug auf den Verbrauch
an Schwefel vielleicht nur einen geringen Vortheil erzielt hätte. Einen anderen
grösseren Vortheil hätte sie mit concentrirterem Gas allerdings erzielt: sie hätte
an Zeit gespart, indem sie mit reichem Gas die Füllung der Kalkmilchbottiche, in welche dasselbe
eingeleitet wurde, früher in fertige Sulfitlauge
verwandelt hätte. Ob eine solche Ersparniss an Zeit in der Fabrik von Vortheil
gewesen wäre, hängt natürlich davon ab, ob die anderen vorhandenen Einrichtungen:
Kocher und Wäsche, es gestatten, die rascher und folglich in grösserer Menge
erzeugte Lauge auch schneller aufzubrauchen.
Wenn Prof. Lunge behauptet, dass ich gesagt hätte, alle
Cellulosefabriken haben solche „schmiedeeisernen Tröge“ und alle
Cellulosefabriken haben nur so armes Gas (von 4 Vol.-Proc. SO2), so ist dies ein Irrthum, indem ich nur eine einzelne Cellulosefabrik hier beschrieben und
deren Betriebsergebnisse mitgetheilt habe und indem ich
von dieser nur drei, sage und schreibe drei Gasanalysen angegeben habe. Es geht wie ein rother
Faden durch die Kritik Lunge's, dass nach meiner Angabe
in Cellulosefabriken nur „höchst kläglich“ armes Gas erzeugt werde. Um dieses
zu beweisen, passirt meinem Kritiker der Irrthum, zu behaupten, ich hätte erklärt,
dass auch beim Verfahren Brüngger (vgl. Centralblatt, Nr. 11, Sonderabdruck S. 11 und 12) nur
mit Gasen gearbeitet werde, welche 4 Vol.-Proc. SO2
enthalten, und dabei steht doch dort (Zeile 12 von oben) deutlich zu lesen, die
Lauge (also die wässerige Lösung von saurem schwefligsaurem Kalk), welche Brüngger erzeugt, hat 4 Proc.
Gesammt-SO2, was selbstverständlich ein
grosser Unterschied ist und welcher Irrthum sich bei aufmerksamem Studium meiner
Arbeit leicht hätte vermeiden lassen können.
Dies gibt mir Gelegenheit, eine Mittheilung von Hermann
Brüngger, Director der Cellulosefabrik
Josephihütte in Böhmen, über dessen Schwefel verbrauch in den letzten
Monaten des Jahres 1895, welche Nachricht er mir zur freien Verwendung zukommen
liess, zu veröffentlichen. Die betreffende Fabrik verbrauchte bei Anwendung von
Schwefelöfen, Laugeneinrichtung nach H. Füllner in
Warmbrunn und Kochereinrichtung nach System Brüngger
auf 100 k erzeugten lufttrockenen Zellstoff (88 absolut trocken auf 100 lufttrocken
gerechnet) in den Monaten:
Mai
10,50 k
September
10,10 k
Juni
11,07 k
October
9,93 k
Juli
10,82 k
November
9,92 k
August
10,85 k
December
9,05 k
Schwefel, letzteren der Einfachheit halber als 100procentig
angenommen.
Ferner spreche ich, um auf unsere Kritik zurückzukommen, nach Prof. Lunge nirgends von einem grösseren Gehalt an SO2 in den Gasen von Schwefelöfen; das ist wahr, und
zwar einfach deshalb, weil ich erstens keine Gelegenheit hatte, derartige Studien in
anderen Fabriken fortzusetzen, mich gegenwärtig einem anderen Zweige der Chemie
widme und daher nur hier und da Cellulosefabriken besuche, und weil zweitens von anderer Seite derartige Veröffentlichungen leider nicht
erfolgen.
Aus dem Nachtrage Prof. Dr. Lunge's (Zeitschrift für angewandte Chemie, Heft 6) muss ich
entnehmen, dass es, wie derselbe aus verschiedenen Zusendungen von Dr. Adolf Frank in Charlottenburg erfahren hat, wohl
Ofenconstructionen in Cellulosefabriken gibt, welche mit bedeutend stärkeren Gasen
arbeiten als 4 Vol.-Proc. und welche 95 bis 98 Proc. Schwefel ausbeute gestatten; es
sind dies die Oefen und Laugenbereitungsapparate von Dr. Frank selbst. Wenn Prof. Lunge meine Arbeit
genauer durchstudirt hätte, so würde er ganz dieselben Angaben, welche er jetzt aus
den Zusendungen des Dr. Frank entnimmt, bereits dort
gefunden haben (siehe Centralblatt, 1895 Nr. 11,
Sonderabdruck S. 12 links Zeile 44, wo das Verfahren Dr. Frank's kurz skizzirt und fast alles, was im Nachtrage Lunge's steht, enthalten ist.). Nur die Angabe, dass
Dr. Frank in seinen Oefen Gase mit 15 bis 16 Vol.-Proc.
SO2 erzeuge, fehlt in meiner Arbeit; ich
erinnere mich nämlich nicht, eine solche früher irgendwo gelesen zu haben. Die
Veröffentlichungen Dr. Frank's über sein Verfahren (Papierzeitung und insbesondere Schubert's Buch: Die Cellulosefabrikation)
habe ich ebenfalls bereits in meiner Abhandlung citirt. Hofmann's Handbuch in dieser Hinsicht zu
citiren, war mir damals (Mai 1895) nicht möglich, da die betreffenden Lieferungen
noch nicht erschienen waren, als ich meine Abhandlung verfasste. Uebrigens habe ich
vor Abfassung meiner Arbeit Dr. Frank mit Brief vom 26. April 1895 persönlich um
ausführliche Mittheilung von Betriebsergebnissen
gebeten und erhielt von dem genannten Herrn auch am 5. Mai 1895 die Zusicherung,
dass er mir später die erbetenen Berichte senden werde; augenblicklich sei er
krankheitshalber nicht in der Lage; ich habe diesen Umstand auch in meiner
Abhandlung erwähnt, warte aber noch heute auf die Mittheilungen des Dr. Frank.
Dieser Streit gibt mir übrigens Gelegenheit, eine andere, und zwar moderne
Construction von Schwefelbrennern, wie ich dieselbe in Cellulosefabriken hier und da
bereits gesehen habe, hier in Zeichnung und Beschreibung niederzulegen. Ich bemerke
jedoch ausdrücklich, dass ich dieselbe hier nur bespreche, weil ich im Stande bin,
Betriebsergebnisse von diesen Oefen
mitzutheilen.
Textabbildung Bd. 301, S. 23
Nachstehend gezeichneter Ofen wird von der Firma Paschke und
Kaestner, Eisengiesserei in Freiberg i. S., geliefert und besteht aus einer
gusseisernen Pfanne p mit Vorschmelzkessel k, welcher durch ein Stellventil abgesperrt werden
kann; ferner besitzt derselbe eine Luftregulirklappe l,
welche mit einer Stellschraube versehen ist, und ein Glockenventil v, um ihn gänzlich absperren zu können. Alles Uebrige
ist aus der Zeichnung leicht zu verstehen. Der Ofen ist, wie man sieht, sehr ähnlich
demjenigen gebaut, welcher in der Papierzeitung, 1894
Nr. 83, beschrieben ist, nur mit dem Unterschiede, dass hier noch Wasserbehälter w und w1 angebracht sind, um das Gas schon im Ofen zu
kühlen. Jedenfalls wird es gerathen sein, diese Kühlung nicht zu weit zu treiben, da
sonst der gusseiserne Ofen in die Gefahr des Springens gerathen könnte. Die
Construction desselben entspricht allen Anforderungen des Sulfitstofftechnikers: Der Ofen ist leicht zu montiren und aus einander zu
nehmen, vollkommen abzusperren, der Luftzutritt vollständig genau regulirbar und die
Wärme des brennenden Schwefels wird endlich zum Vorschmelzen neuer Beschickungen
ausgenutzt. Die Brennfläche des Ofens (ein besserer
Ausdruck als Heizfläche, welches Wort ich in meiner
hier vertheidigten Abhandlung gebraucht habe) beträgt 1,2 qm. Man kann damit nach
Angabe der Firma je nach der Luftmenge, die man zuführt, 200 bis 500 k Schwefel in
24 Stunden verbrennen und es sollen sich angeblich nur 0,3 bis 0,4 Proc. des
verbrannten Schwefels zu Schwefeltrioxyd oxydiren. Es dürfte wohl erlaubt sein,
anzunehmen, dass mit diesen Oefen bei richtigem Betriebe leicht Gase erhalten werden
können, welche bedeutend mehr an Schwefeldioxyd als 4 Vol.-Proc. enthalten. Die
Fabrik hat nach den mir gemachten Mittheilungen an verschiedene Sulfitstoffabriken
in Oesterreich, Deutschland und Norwegen bisher 27 Stück solcher Oefen
geliefert.
(Schluss folgt.)