Titel: | Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in Sulfitstoffabriken. |
Autor: | August Harpf |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 41 |
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Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch
desselben in Sulfitstoffabriken.
Von Dr. August
Harpf.
(Schluss der Abhandlung S. 21 d. Bd.)
Schwefeldioxyd, Darstellung und Verbrauch desselben in
Sulfitstoffabriken.
b) Stückkiesöfen.
Bezüglich dieser ist unsere Uneinigkeit nicht gross. Prof. Lunge findet, dass meine Gasanalysen bei diesen Oefen zu schwankenden
Gasgehalt ergäben. Ich fand nämlich an verschiedenen
Tagen 5,54, 8,92, 7,70, 5,4, 10,36, 10,71 und 9,28 Vol.-Proc. SO2 im Röstgas.
In seinem Werke: Handbuch der Sodafabrikation, 2. Aufl.
Bd. I, sagt Prof. Lunge selbst, dass der Gasstrom bei
diesen Oefen nicht gleichmässig ist und dass man zum Beispiel an einem Tage Gehalte von 6,5, 6,5, 6,0, 8,0, 9,0 und
8,7 Vol.-Proc. SO2 erhalten könne.
Der Gehalt an Schwefel im Abbrand ist nach meiner eigenen Erfahrung und Angabe in den
Cellulosefabriken leider oft viel zu hoch, wovon sich
jeder durch einfaches Zerschlagen von Abbrandstücken leicht überzeugen kann. Nicht
um etwas Neues zu bieten, sondern um die Cellulosefabrikanten recht eindringlich auf
diese Quelle von Verlusten aufmerksam zu machen, brachte ich in meiner Abhandlung
sogar zwei Zeichnungen von Durchschnitten solcher schlecht gerösteter Abbrandstücke.
Man fand in einzelnen Fällen bei monatlichen Durchschnittsmustern einmal 6,570 Proc.
S (bei zinkreichem norddeutschem Kies), das andere Mal 7,71 und 10,1 Proc. (bei
wenig zerkleinertem Schmöllnitzer Kies). Ich habe diese Fälle keineswegs als
richtigen Betrieb bezeichnet, sondern streng getadelt; die Schwefelsäurefabrikanten
können übrigens in dieser Beziehung den Cellulosemachern die Hände reichen, denn
nach Lunge selbst enthält der Abbrand bei
Schwefelsäurefabriken oft mehr, als er haben sollte,
und zwar bis 6 und 8 Proc. Schwefel.
Wie eine solche mangelhafte Abröstung in Cellulosefabriken hintanzuhalten ist, habe
ich in meiner Arbeit deutlich angegeben. Der Hauptgrund dafür ist meiner
Ueberzeugung nach in der ungenügenden Zerkleinerung des Kieses zu suchen, welche
Arbeit in vielen Fabriken noch immer nur mit der Hand vorgenommen wird. Ich kann
daher nur nochmals empfehlen, zu dieser Zerkleinerung Steinbrechmaschinen, sogen. „Backenquetschen“, zu benutzen und
dieselbe auf eine Korngrösse von etwa 30 bis 40 mm im Durchmesser zu führen.
c) Malétra's Plattenofen mit Anwendung
von Kiesblende.
Die Hauptursache der Lebhaftigkeit unseres Streites scheint mir von dem verschiedenen
Urtheil über diese Oefen herzustammen. Prof. Lunge
betont in seinem Werke über die Schwefelsäurefabrikation, dass dieselben sich in der
genannten Industrie sehr gut bewährt haben. Diesem
Urtheil Lunge's kann ich, nicht etwa in blindem
Autoritätenglauben, sondern aus eigener Erwägung
vollkommen beistimmen, selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Oefen in einer Schwefelsäurefabrik zur Anwendung kommen. Aber was den
Schwefelsäurefabriken recht ist, braucht darum den Sulfitstoffwerken noch lange
nicht billig zu sein. Obwohl Prof. Hoyer in seinem
Werke über Die Fabrikation des Papiers, S. 198, diese
Oefen auch für letztere Industrie empfiehlt und Carl
Hofmann in seinem Handbuch der
Papierfabrikation dieselben beim Kapitel „Sulfitstoff“ ebenfalls,
wie wenn sie hier oder dort gebräuchlich wären, erwähnt, so kann ich mich doch aus
Gründen, die theils in meiner Abhandlung schon dargelegt sind, theils hier noch
Besprechung finden sollen, nicht dafür erwärmen.
In meiner Arbeit (vgl. Centralblatt, 1895 Nr. 15 ff.,
Sonderabdruck S. 29) beschrieb ich nämlich zum Schlusse einen ausgedehnten Versuch,
welcher mit diesen Malétra'schen Plattenöfen (in
Verbindung mit Mitscherlich-Thürmen) in einer deutschen Sulfitstoffabrik angestellt
wurde. Indem ich auf die dort niedergelegte ausführliche Beschreibung der Oefen und
ihres Betriebes einfach verweise, sei hier nur wiederholt, dass in denselben ein
eigenthümliches Erz: Eisenkies, welcher von Zinkblende schalenförmig umgeben war,
sogen. Kiesblende zur Abröstung gelangte. Dabei
oxydirte sich zuerst das Schwefeleisen, und der Arbeiter musste das Erz aus dem Ofen
ziehen, sobald diese Oxydation vollendet war, während das Schwefelzink noch roh
gelassen wurde; das halb geröstete Erz kam dann nochmals zur Aufbereitung, um
Eisenoxyd und Schwefelzink von einander zu trennen und letzteres auf Zink weiter zu
verarbeiten.
Prof. Dr. Lunge hebt nun hervor, dass dieses Material,
von welchem meiner Berechnung nach nur etwa 30 Proc. Schwefel abgeröstet, also für
die Zwecke der Sulfitlaugendarstellung zu gute gemacht werden konnten, als durchaus
ungenügend anzusehen sei, indem es erfahrungsgemäss bekannt sei, dass bei solch
unvollständigem Abrösten von Schwefelerzen nur „arme Gase
von sehr unregelmässiger Zusammensetzung entstehen“. Mit diesen
Erfahrungen Lunge's stimmen denn auch meine
Gasanalysen, welche ich in meiner Arbeit veröffentlichte, überein. Ferner darf hier
nicht unerwähnt bleiben, dass die ersten Gasanalysen (bei einem Ofen) aus der Zeit der Inbetriebsetzung mit allen ihren
Unregelmässigkeiten stammen und dass die späteren Analysen bei einem System von drei an einander geschlossenen Malétra-Oefen gemacht
wurden, welche bei der Verbindung mit dem Mitscherlich-Thurm kaum genügend Zug
hatten; hierauf komme ich jedoch später noch zurück.
Die Verantwortung für den ganzen Versuch muss ich selbstverständlich ablehnen, indem
derselbe von Seiten der Fabrikdirection unternommen wurde; ich übernahm nur
später den Betrieb der fertigen Oefen und verfolgte denselben nach Maassgabe der mir
zur Verfügung stehenden Zeit mit Analysen, zu deren Veröffentlichung ich jetzt erst
(nach 6 Jahren) Gelegenheit fand. Nebenbei sei übrigens bemerkt, dass das vollkommen
gleiche Erz bei gleicher Betriebsart auch in einer Schwefelsäurefabrik der
betreffenden Gegend benutzt wird, oder wenigstens damals benutzt wurde; mit welchem
pecuniären Erfolg, bin ich nicht im Stande anzugeben.
Die Kritik Prof. Lunge's veranlasste mich, in meinen
Notizen nach weiterem Material zur Beurtheilung des Erfolges dieser Oefen,
allerdings in der von mir angegebenen Betriebsart und mit dem beschriebenen Erz, zu
suchen, und ich bin im Stande, über die dabei erzielte Ausbeute an Schwefel mit folgenden interessanten Daten zu dienen.
Ich verfolgte nämlich die Zusammensetzung der Kochlaugen bei jeder Kochung, indem
ich eine Probe der Lauge vor dem Einlassen in den Kocher nach dem von Dr. Adolf Frank in der Papierzeitung, 1887 Nr. 5, veröffentlichten Verfahren titrirte. Die Fabrik
hatte grosse liegende Mitscherlich-Kocher von etwa 120 cbm Inhalt, und die
durchschnittliche Menge der Lauge, welche in den mit Holz gefüllten Kocher
hineingelassen wurde, betrug nach zahlreichen Messungen 85 cbm. Diese Beobachtungen
sind in der nun folgenden Tabelle I beispielsweise für den Monat Juli 1889
zusammengestellt.
Tabelle I.
Kochung
Bezeich-nung desKochers
Gelangtam
Zusammensetzung der Lange
Gesammt-SO2
FreieSO2
GebundeneSO2
Proc.
Proc.
Proc.
Nr. 1
B
12. 7. 89
1,856
1,120
0,736
„ 2
B
16. 7. 89
1,744
0,960
0,784
„ 3
A
19. 7. 89
2,304
1,280
1,024
„ 4
B
22. 7. 89
2,528
1,504
1,024
„ 5
A
25. 7. 89
2,288
nicht bestimmt
„ 6
B
28. 7. 89
2,432
1,312
1,120
„ 7
A
31. 7. 89
2,224
1,280
0,944
Danach hatte die Lauge im Durchschnitt des ganzen Monats 2,197 Proc. Gesammt-SO2 oder es wurden, da 7 Kochungen à 85 cbm Lauge
durchgeführt wurden, im ganzen Monat gebraucht: 13072,15 k SO2 oder 6536,08 k Schwefel.
Hierzu kommt noch diejenige Menge Schwefel, welche in der Kochlauge in Form von
Schwefelsäure enthalten ist; das Mittel aus meinen Analysen (vgl. Centralblatt, 1895 Nr. 18, Sonderabdruck S. 46) beträgt
0,176 Proc. SO3, das sind also 0,0704 Proc.
Schwefel, oder in den Laugen des ganzen Monats Juli 1889 waren 418,88 k S in Form
von SO3 und 6954,96 k Schwefel überhaupt enthalten.
Wenn ich nun eine ähnliche Berechnung für die Zeit, während welcher die Plattenöfen
in der Cellulosefabrik allein in Betrieb waren, anstelle und dieselbe mit den in
meiner Abhandlung bereits angegebenen Daten über die wirklich in der Fabrik
abgerösteten Schwefelmengen vergleiche, so erhalte ich nachfolgende
Zusammenstellung:
Tabelle II.
Monat und Jahr
VerbrauchteKocher-füllungen (je85
cbm Lauge)
Durchschnitt-licher Gehaltder Lauge
anGesammt-SO2
DementsprechendeMenge Schwefel in denin dem
genanntenMonat verbrauchtenKochlaugen in Formvon SO2
Gehalt an Schwefelin diesen Laugen
inForm von SO3
Gesammtgehaltan Schwefel in
denKochlaugen desbetreffenden Monats
In demselben Moantaus der Kiesblende
ab-gerösteter Schwefel*
1889
Proc.
k
k
k
k
Mai
7
2,436
7247,10
418,88
7665,98
10723
Juni
10
2,153
9150,25
598,40
9748,65
17735
Juli
7
2,197
6536,08
418,88
6954,96
15473
August
12
2,183
11133,30
718,08
11851,38
19080
September
8
2,402
8166,80
478,72
8645,52
17819
October
10
2,498
10616,50
598,40
11214,90
18034
November
8
2,857
9713,80
478,72
10192,52
16783
December
8
2,592
8812,80
478,72
9291,52
16033
1890
Januar
9
2,630
10059,75
538,56
10598,31
17091
Februar
10
2,803
11912,75
598,40
12511,15
19753
März
10
2,664
11322,00
598,40
11920,40
17361
* Laut Centralblatt f. d. ö.-u. P.
J., 1895 Nr. 16; Sonderabdruck S. 38.
Aus obiger Tabelle ergibt sich Folgendes: In der Zeit vom 1. Mai 1889 bis letzten
März 1890 wurden
185885,00 k
Schwefel aus der Kiesblendeabgeröstet, d. s.
100,0 Proc.
104671,13 k
S waren in Form von SO2 inder Lauge
enthalten, d. s.
56,3 „
5924,16 k
S waren in Form von SO3 inder Lauge
enthalten, d. s.
3,2 „
110595,29 k
S waren überhaupt in derLauge enthalten, d. s.
59,5 „
–––––––––
Folglich Verlust an Schwefel
40,5 Proc.
Für den sulfitstoff-technischen Betrieb waren eigentlich nur die 56,3 Proc. Schwefel,
welche als SO2 in der Lauge vorhanden waren,
werthvoll; da aber alle Sulfitlaugen zugleich gesättigte Gypslösungen sind,
gleichgültig, welche Oefen man benutzt und ob man Schwefel oder Kies brennt, so wäre
es gegen die Malétra-Oefen ungerecht, wenn man den in Form von Gyps vorhandenen
Schwefel nicht als in der Lauge verwendet berechnen würde. Daher habe ich diesen
dazu gerechnet und es ergab sich sonach eine faktische Ausbeute von 59,5 Proc.
Wo blieben nun die 40,5 Proc. Schwefel, welche verloren gingen? Soweit sie nicht in
Folge der Schwäche des Gases und des stärkeren Zuges, welchen die Malétra-Oefen
erfordern, unabsorbirt durch den Thurm hindurchstrichen, blieben sie theils im
Flugstaub als condensirte Schwefelsäure, theils im Thurm in Form ganzer Haufen von
Kalkkrusten, welche aus Gyps und Calciummonosulfit bestanden, zurück. Diese
Kalkkrusten verstopften sehr häufig den Thurm, störten empfindlich den Betrieb,
indem die Oefen ausstiessen und dunkel wurden, wodurch die Laugenbereitung manchmal
vollständig ins Stocken gerieth, und waren in Folge dessen die ärgste Sorge des
Betriebschemikers.
Prof. Lunge wird nun sagen, diese Erfahrungen seien doch
nur „einseitig“, indem die Plattenöfen mit einem sehr ungünstigen Schwefelerz
arbeiten mussten; dieser Einwand entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung, aber
ich verfolge seit 10 Jahren die sulfitstoff-technische Litteratur, soweit sie in
deutscher Sprache erscheint, und es ist mir kein Fall bekannt, dass irgend
anderwärts ein derartiger oder auch nur ähnlicher, wirklich
angestellter Versuch beschrieben worden wäre. Dass die papier-technischen
Werke von Hoyer und Hofmann auch Beschreibungen von Malétra-Oefen enthalten, ist bekanntlich
noch lange kein Beweis, dass solche Oefen in Zellstoffabriken auch wirklich in
Betrieb sind. Erfahrungen mit reichem Schwefelkies,
welcher vollständig todt geröstet worden wäre, wären sicher werthvoller; diese
liegen jedoch bis heute nicht vor (sind wenigstens von keiner Seite veröffentlicht
worden) und die Cellulosefabrik, von der ich hier spreche, ist sonach wohl überhaupt
die einzige, welche einen Malétra-Ofen mit einem Mitscherlich-Thurm zusammengespannt
hat, und diese eine Fabrik verwendete eben, wie gesagt, nur Kiesblende. Prof. Lunge betont wiederholt in etwas eigenthümlicher Weise,
dass ich von meinen „praktischen Erfahrungen“ in dieser Sache gesprochen
habe; nun, wenn ein Chemiker, der an einer österreichischen technischen Hochschule
studirt hat, wo bekanntlich die von Lunge mit Recht so
hervorgehobenen technologischen Studien in ausgedehntem
Maasse getrieben werden, solche Oefen 1½ Jahre unter den Augen hat, so wird er sich
wohl selbst ein Urtheil darüber bilden können. Ich habe
also diese „praktischen Erfahrungen“ mit Malétra-Oefen im Sulfitcellulosebetriebe und Prof. Lunge hat dieselben, wie er ja selbst zugesteht (in Cellulosefabriken!),
nicht, und diese Erfahrungen sprechen sich entschieden ungünstig aus.
Was ferner die Bildung von Schwefeltrioxyd in den Malétra-Oefen anbelangt, so muss
ich bei meiner bereits im Centralblatt, 1895 Nr. 17,
Sonderabdruck S. 42, ausgesprochenen Meinung bleiben. Dass ich keine Bestimmungen
desselben angestellt habe, ist richtig; Fabrikslaboratorien sind bekanntlich oft
sehr mangelhaft eingerichtet und der Betriebsbeamte hat nur wenig Zeit für eigene
Untersuchungen übrig. Scheurer-Kestner fand in dem Gase
allerdings im Durchschnitt 3,5 SO3 in Procenten des
Gesammtschwefels ausgedrückt, aber seine Zahlen liegen weit aus einander: er fand
nämlich 0,0 bis 9,3; es hängt dies eben davon ab, wie heiss der Ofen geht, wie gross
die Oberfläche der Contactsubstanzen ist, wie viel Luft überschüssig zugeführt wird
u.s.w. Dass er im Stückkiesofen 3,1 Proc. des gesammten Schwefels zu SO3 oxydirt fand, habe ich übrigens auf S. 19 meiner
Abhandlung genau citirt.
Nach allen Versuchen Lunge's stieg der SO3-Gehalt im Gase, gleichgültig, ob dasselbe aus Schwefel oder
Pyrit gewonnen war, beim Durchlesen durch glühenden Abbrand auf das Drei- und
Mehrfache. Unser Plattenofen hatte nun fünf Platten, welche ich der Reihe nach von
unten mit p1, p2, p3, p4 und p5 bezeichnen will; p4 glühte am stärksten,
dort war der Ofen hellroth, p5 und p3
waren etwas dunkler, p2
noch dunkler und die unterste Platte p1 meistens ganz dunkel. In der chemischen Technik
ist es nun etwas ganz Gewöhnliches, Gase über auf Etagen ausgebreitete feste Körper
streichen zu lassen, und so ist es auch hier. Die Gase der unteren Platten müssen
über die stark glühenden oberen Platten streichen und kommen hier in genügend innige
Berührung mit dem glühenden Erz. Luft wird genügend zugeführt, um SO2 in SO3 zu
verwandeln, da der Ofen eine Menge Thüren hat, durch deren Ritzen dieselbe
einströmen kann, und da man ja überdies noch die halbe Zeit bei offenen Thüren im
Ofen herumschürt. Ja, um die Gase gleichsam in noch innigere Berührung mit dem Erze
zu bringen, rührt man dasselbe beim jedesmaligen Rangiren tüchtig auf, wodurch
glühender Flugstaub aufgewirbelt wird, welchen die Gase mit sich forttragen. Endlich
ist es ja bekannt, dass nicht bloss Eisenoxyd, sondern auch gebrannter Thon und nach
Meister Plattner sogar Quarz als Contactsubstanzen
wirken und SO2 mit Sauerstoff vereinigen. Und woraus
besteht denn unser Ofen? Aus Chamotteplatten, welche in den oberen Etagen ebenfalls
heftig glühen! Und durch den engen Zwischenraum zwischen glühendem Erz und glühenden
Chamotteplatten streicht das Gas, geschwängert mit glühenden Flugstaubtheilehen, und
soll da nicht Gelegenheit genug haben, die Contactwirkung dieser Körper zur
Oxydation auszunutzen?! Diese Oxydation zu SO3 ist
in Schwefelsäurefabriken ja nicht schädlich, wohl aber in Cellulosefabriken, und so
erklärt sich denn auch die massenhafte Bildung von Gypskrusten im
Mitscherlich-Thurm.
Es ist also kein „Irrthum“, in dem ich mich befunden habe. Um mir einen
solchen nachzuweisen, spricht Prof. Lunge von meinen
eigenen Analysen der Sulfitlaugen und weist darauf hin, dass dieselben immer, gleichgültig, ob Schwefel oder Stückkies oder
Kiesblende gebrannt wurde, dieselbe Menge SO3, im
Mittel 0,176 Proc. enthalten (vgl. Centralblatt, Nr.
18, Sonderabdruck S. 46). Diese Uebereinstimmung des SO3-Gehaltes in den Laugen beweist gar nichts,
denn es ist doch eine bekannte Thatsache und wurde von mir schon vor Jahren
veröffentlicht (vgl. Papierzeitung, 1891 Nr. 66 bis
74), dass die Sulfitlaugen gesättigte oder schwach
übersättigte Gypslösungen sind und entsprechend obigem
Gehalt an SO3: 0,299 Proc. CaSO4 enthalten. Sie können davon beim besten Willen
nicht mehr enthalten und wenn das Gas noch so reich an SO3 ist. Der Ueberschuss desselben bleibt eben in Form von Gyps in den
Laugenbottichen oder im Thurme zurück und kann natürlich nicht in der Lauge
nachgewiesen werden.
Zum Schlusse muss ich noch folgender Erwägung Raum geben: Die Staubkiesöfen erfordern
nach Lunge selbst (vgl. dessen Handbuch) bedeutend mehr Zug als
Stückkiesöfen. Es ist nun ein bedeutender Unterschied, ob ein solcher
Staubkies- oder Plattenofen in einer Schwefelsäurefabrik oder in einer Sulfitcellulosefabrik angewendet wird; in der Schwefelsäurefabrik gibt man
demselben ohnedies bedeutend mehr Luft, als zur Abröstung nöthig ist. Ferner
schliesst sich dort an den Ofen ein senkrecht aufsteigendes Rohr an, welches in
eine Reihe weiter Räume, in die Bleikammern führt, in welchen die Gase fortwährend
zu Flüssigkeiten condensirt werden, so dass diese Bleikammern stets saugend auf den Ofen wirken. Hinter denselben steht
endlich noch die Esse, in welcher die warmen Gase aufsteigen und im ganzen System
einen kräftigen Zug erzeugen. Gay-Lussac- und Glover-Thurm bereiten demselben ja
wohl Hindernisse, welche jedoch durch die saugende Wirkung der Kammern und der Esse
gewiss leicht überwunden werden können.
In der nach Mitscherlich eingerichteten Sulfitstoffabrik
schliesst sich an den Ofen allerdings auch ein senkrecht aufsteigendes Rohr an, um
den nöthigen Zug zu erzeugen, aber auch um die Gase abzukühlen. Nun aber folgt ein
ebenso hohes absteigendes Rohr, um die Gase
herunterzuleiten und vollständig abzukühlen, und endlich ein etwa 30 m hoher Thurm,
dessen freier Querschnitt, da derselbe mit Kalktuffstücken gefüllt ist, bedeutend
verengt erscheint, und in welchem Wasser herunterrieselt. Dieser Thurm wirkt nun
keineswegs ebenso wie die Esse in der Schwefelsäurefabrik, denn das Gasgemenge ist
darin kalt und das Schwefeldioxyd ist bekanntlich bedeutend schwerer als das aus dem Kalke frei gemachte
Kohlendioxyd; es herrscht darin auch nicht Depression wie in einer Esse, sondern
schwacher Ueberdruck. Die beiden Theile, das herabsteigende Rohr und der Thurm,
bilden vielmehr zusammen ein Communicationsgefass, in welchem durch den Druck der
schwereren SO2 die im Thurm entwickelte Kohlensäure
oben zum Ueberfliessen gebracht wird. Ausführlicher habe ich diese Ansicht von der
Wirkung des Mitscherlich-Thurmes übrigens in D. p. J.
1892 286 * 84 niedergelegt und bewiesen (vgl. auch Hofmann's Handbuch, 2. Aufl. S. 1488 ff.).
Es dürfte also für den Malétra-Ofen durchaus nicht gleichgültig sein, ob er sein Gas
in ein gut ziehendes Bleikammersystem oder in einen unter schwachem Ueberdruck
stehenden Mitscherlich-Thurm abgibt. Nehmen wir statt des Thurm es ein Bottichsystem
nach Karl Kellner, so stünden die Verhältnisse für den
Ofen ja deshalb etwas günstiger, weil hier der nöthige Zug durch einen Dampf- oder
Wasserstrahlejector hervorgerufen wird, aber doch sind sie auch hier nicht so günstig wie in einem Schwefelsäurewerk, weil der
Widerstand der Füllung der Kalkmilchbottiche zu überwinden ist; darüber liegen
jedoch bis heute keinerlei Erfahrungen vor.
Dass der Plattenofen für reichhaltigen (französischen) Feinkies und
Schwefelsäurefabriken die beste Einrichtung ist, habe ich schon oben zugegeben;
halte ich aber obige Erwägungen mit meinen Erfahrungen zusammen, so kann ich den Sulfitstoffabrikanten keinesfalls anrathen, denselben
in ihrem Betriebe anzuwenden; ihren verhältnissmässig geringen Bedarf an
Schwefeldioxyd werden sie sich gewiss immer leicht in Form von Stückkies oder in
Form von gediegenem Schwefel, wobei der Betrieb ja, wie Prof. Lunge sehr richtig hervorhebt, selbstverständlich viel
einfacher ist, beschaffen können.
Zum Schlusse kann ich nicht umhin, Prof. Lunge für die
Mühe, welche er sich mit meiner Arbeit gegeben, meinen Dank öffentlich
auszusprechen. War ich auch gezwungen, mich in diesen Zeilen gegen einige seiner
kritischen Ausführungen zu vertheidigen, so sehe ich dennoch aus den einleitenden
Worten Lunge's zu seiner Kritik, worin er meine Arbeit
jedem Interessenten zum Studium empfiehlt, dass er meinem Streben Anerkennung zollt
und es daher auch einem jüngeren Fachgenossen nicht übel nehmen wird, wenn derselbe
nicht in allen Stücken mit ihm einer Meinung ist.
Przibram in Böhmen, Mai 1896.