Titel: | Anwendung des Glases in der Elektrotechnik. |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 88 |
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Anwendung des Glases in der
Elektrotechnik.
Anwendung des Glases in der Elektrotechnik.
In einer Sitzung des Vereins der Civilingenieure hat Eugen
Sartieaux, Chef des elektrotechnischen Dienstes der französischen Nordbahn,
am 22. November 1895 in Paris einen umfänglichen Vortrag über die im Bereiche der
elektrotechnischen Industrie vorkommenden Verwendung des Glases gehalten, aus
welchem wir nach dem Novemberhefte der Mémoires et compte
rendu des traveaux de la société des ingénieurs civils de France, 1895 S.
434, Folgendes wiedergeben:
Zu den für Isolirzwecke an elektrischen Instrumenten, Apparaten und Maschinen
gewöhnlich in Verwendung kommenden, nicht leitenden Stoffen zählen bekanntlich in
erster Reihe Kautschuk, Guttapercha, vulcanisirte Fiber, Ebonit, Glimmer, trockenes
oder ölgetränktes Holz, künstliches Holz aus Presspänen, Compositionen aus
Kautschuk, Theer und Gyps o. dgl., natürliches und künstliches Elfenbein, Gummi- und
andere Harze, sowie Lacke u.s.w.; in zweiter Reihe Porzellan, Marmor, Speckstein,
Schiefer u.s.w. Von diesen Materialien stehen jene der ersten Gruppe im Allgemeinen
ziemlich hoch im Preise; sie lassen sich mehr oder minder schwer bearbeiten und
verderben leicht, wenn sie längere Zeit hindurch der atmosphärischen Luft oder hohen
Temperaturen oder heissen Wasserdämpfen ausgesetzt sind, oder wenn sie sich
andauernd unter der Einwirkung von Verbrennungsgasen oder sauren Dämpfen o. dgl.
befinden. Was hingegen die Stoffe der zweiten Gruppe anbelangt, so haben dieselben
allerdings einen annehmbaren Preis und den soeben angeführten üblen äusseren
Einflüssen gegenüber in der Regel auch ein befriedigendes Widerstandsvermögen;
allein auch ihre Bearbeitung bietet Schwierigkeiten, da die Structur des natürlichen
Gesteins selten eine gleichmässige ist, und dieses daher auch die Bearbeitung mit
Bohrer und Meissel schlecht verträgt, dabei leicht Sprünge erhält oder abbröckelt
und sich gegen Stoss oder ungleich vertheilten Druck sehr empfindlich erweist.
Porzellan aber lässt sich überhaupt nicht bearbeiten und zeigt stets gewisse, durch
das Verziehen beim Brennen hervorgerufene Formenungleichheiten, weshalb es von Seite
der elektrotechnischen Industrie lediglich für Leitungsauflager (Isolatoren) –
allerdings im weitgehendsten Maasse – verwendet, für sonstige Anwendungen jedoch
fast durchgängig zurückgewiesen wird.
Unter den angeführten Nichtleitern hat nur das Glas
absichtlich deshalb keine Erwähnung gefunden, weil dieses Material trotz seines
bedeutenden specifischen Leitungswiderstandes, trotz seiner ausserordentlichen
Beständigkeit gegen äussere Einflüsse und trotz seiner grossen, bei der Erzeugung
durch ein geeignetes Abkühlverfahren leicht erzielbaren Unzerbrechlichkeit noch bis
vor kurzem verhältnissmässig wenig verwendet wurde, obwohl dasselbe eben der
bezeichneten Eigenschaften halber vorzüglich geeignet wäre, der elektrotechnischen
Industrie werthvolle Dienste zu leisten und insbesondere die oben in Betracht
gezogenen Isolirmittel in vielen Fällen höchst vortheilhaft zu ersetzen. Viele
dieser Isolirmittel, vor allen die der ersten Gruppe, enthalten nicht selten
Beimengungen, welche im Laufe der Zeit durch die chemische Einwirkung der äusseren
Umgebung nachtheilige Aenderungen, nämlich eine unzuträgliche Verminderung des
Leitungswiderstandes mit sich bringen, oder auch umgekehrt auf die mit ihnen in
Berührung stehenden Stoffe zerstörenden Einfluss ausüben; es sind das Uebelstände,
welche bei Glas nie vorkommen können, selbst dann nicht, wenn nur gewöhnliches
Krystallglas zur Verwendung gebracht würde. Wohl hätte man in früheren Zeiten
einwenden dürfen, dass das Glas sich ebenso schwierig bearbeiten lässt, wie das
Porzellan; allein heutzutage, wo man im Glasgiessen eine solche Vollkommenheit erreicht hat, ist es
möglich, diesem Stoffe jede gewünschte Form zu geben und daraus Werkstücke mit allen
möglichen Erhöhungen oder Vertiefungen herzustellen, welche zum Festmachen an andere
Theile beliebig mit glatten Achsen- oder Bolzenlöchern oder mit Hohlgewinden für
Schraubenbolzen o. dgl. versehen werden können. Wenn diese Vortheile
nichtsdestoweniger selbst jetzt noch in der Praxis bloss in sehr unzureichendem
Maasse ausgenützt werden, so scheint dies zumeist nur von dem geringen Interesse der
Glasfabrikanten verschuldet zu sein, welches sie bisher dem Gegenstände zugewendet
haben; ganz zweifellos lässt sich jedoch für die Zukunft in dieser Richtung eine
günstige Aenderung, nämlich ein nennenswerther Aufschwung vorhersagen.
Das Glas hat doch schon von altersher für die elektrostatischen Maschinen eine
wichtige Rolle gespielt, und zwar in doppelter Eigenschaft, nämlich sowohl als
Elektricitätserreger wie als Isolator. Als im Jahre 1785 der Physiker van Marum für das Teyler'sche Museum in Harlem eine kräftige elektrostatische Maschine
anfertigen liess, welche die berühmte Elektrisirmaschine des englischen Gelehrten
Nairme überflügeln sollte, und deshalb mit einer 45
cm im Durchmesser haltenden Glasscheibe versehen wurde, galt diese Reibplatte als
die grösste, welche man zu dieser Zeit überhaupt herzustellen verstand. Die zur
Isolirung der Maschine dienenden Füsse bestanden aus starken, 152 cm hohen
Glasstangen und, wie van Marum in seinem 1785 zu Harlem
herausgegebenen Berichte anführt, stammten die sämmtlichen Glastheile der
Elektrisirmaschine aus einer nächst Paris gelegenen Glashütte, deren Namen oder
Eigenthümer jedoch leider nicht genannt erscheinen. Meinen Nachforschungen nach habe
ich jedoch alle Ursache, anzunehmen, dass es sich vorliegenden Falles um eine in
Saint-Cloud bestandene Glashütte handelt, wo durch deren Besitzer Lambert die Fabrikation von Krystallglas, dem Flintglas
der Engländer, zuerst in Frankreich eingeführt worden ist. Van Marum bemerkt ausdrücklich, die Scheibe sei Flintglas und die
Herstellung einer so grossen Platte sehr schwierig gewesen; er habe das französische
Fabrikat dem englischen deshalb vorgezogen, weil sich das erstere zu dem Zwecke,
elektrisirt zu werden, als ganz besonders geeignet erweise. Derselbe Physiker
stellte sich 1786 zu seinen Versuchen auch eine aus 35 grossen Leydener Flaschen
bestehende Batterie zusammen, welche im Ganzen eine Glasoberfläche von 225
Quadratfuss engl. (21,3 qm) besass. Die Flaschen waren aus böhmischem Glase, weil van Marum diese Sorte
als diejenige ansah, welche den grössten Leitungswiderstand besitzt und daher gegen
das Durchschlagen der Elektricität die grössere Sicherheit darbietet. Allein diese
Anschauung war offenbar eine irrthümliche, denn gerade das böhmische Glas weist bei
denselben Temperaturen einen weit geringeren specifischen Widerstand auf, als selbst
die gewöhnlichen Gattungen. Seither hat man für alle physikalischen Cabinete der
Welt, für alle möglichen wissenschaftlichen Institute, höhere Lehranstalten, Mittel-
und Volksschulen ähnliche Apparate nach den gleichen Principien und mit demselben
Material angefertigt: das heisst die Leydener Flasche, die Stützen und
Reibungsscheiben der elektrostatischen Maschinen, die Isolirstühle, die
Condensatortafeln, die Handhaben der Entlader u.s.w. u.s.w., alle diese zahllosen
Dinge sind lediglich aus Glas hergestellt.
Der von Charlotte Cordey hingerichtete berüchtigte
Demagoge Maral, Doctor der Medicin und Arzt des
Garde-du-Corps-Regimentes Graf Artois, war gleichzeitig aber auch ein hervorragender
Physiker. Er publicirte im Jahre 1782 eine sehr interessante Arbeit über die
Elektricität, in welcher er in Schrift und Bild von zahlreichen Versuchen
Mittheilung macht, die er mit Hilfe von eigenthümlichen, theils plattenförmigen,
theils becher- oder röhrenförmig gestalteten, hellen und gefärbten Gläsern
angestellt hatte. Er bemerkte unter anderem, dass sich gewisse elektrische
Erscheinungen deutlicher mit farbigen als mit farblosen Glassorten hervorrufen
lassen, und schrieb diesen Umstand den Metallsalzen zu, welche die ersteren
enthalten. Ueberhaupt behandelt Marat bei der
Erörterung der Verschiedenheit des elektrischen Verhaltens ungleicher Glasarten die
betreffenden Schmelzmischungen sehr eingehend und stellt fest, dass für ersteres
einzig und allein nur die Zusammensetzung und die Herstellungsweise, vorerst das
Kühlverfahren maassgebend sei. Einige Jahre später, nämlich 1785, war es der
französische Physiker Sigaud de la fond, welcher die
Classification der Körper in elektrisirbare (idioelektrische) und in nicht
elektrisirbare (anelektrische) einführte und der feststellte, dass das Glas in die
erstgenannte Klasse gehört; jedoch haben auch schon lange früher Benjamin Franklin (1752) und Joseph Priestly (1761) in ihren Arbeiten über Elektricität des Glases
dasselbe als Idioelektrikon, sowie als Isolator gekannt.
In unserer Zeit haben sich selbstverständlich die Anwendungsformen des Glases auf dem
elektrotechnischen Gebiete erweitert und neben den zahllosen verschiedenen
Messinstrumenten und den mannigfachen, in riesigen Mengen erzeugten galvanischen
Elementen sind es insbesondere die elektrischen Lampen, welche einen grossen, immer
ansteigenden Verbrauch nachweisen. Für Bogenlampen haben die gewöhnlich aus
Krystallglas geblasenen Kugeln die verschiedensten Durchmesser bis zu 0,5 m; in der
Regel sind sie leicht weiss gefärbt, um ein Minimum der Lichtstrahlen zu absorbiren.
Die zumeist benutzte Materialsorte ist eine Mischung von gewöhnlichem
Krystallglasgemenge mit einem geringen Zusatz von phosphorsaurem Kalk oder von
phosphorsaurem und fluorsaurem Kalk, wodurch die Masse eine gewisse
Undurchsichtigkeit erhält. Die tulpen-, becher- oder röhrenförmigen äusseren
Glashüllen der Glühlichtlampen werden aus weissem oder gefärbtem Krystallglas
hergestellt, dem gleichfalls ein ganz bestimmter Zusatz von fluorsaurem Kalk
beigemengt ist, welche Zusammensetzung das sogen. Albatrin gibt; die Farben werden, wie immer, lediglich durch zugesetzte
Metallsalze erhalten. Nicht selten wirkt das elektrische Licht auf die Glaskugeln
der Bogenlampen derart ein, dass sich dieselben nach einigen Monaten des Gebrauches
verfärben.
Eine eigenthümliche Anwendung findet das Glas bei elektrischen Dynamomaschinen in der
Form von Zwischenstücken, welche den Ring von den Felgen und von der Nabe zu
isoliren haben und daher denselben Druck und alle Stösse ebenso schadlos aushalten
müssen wie die Metallbestandtheile; die Isolirstücke sind deshalb aus sehr hartem,
äusserst vorsichtig und langsam abgekühltem Glase herzustellen. Wieder eine andere
Verwendung ist jene für treppen förmige Linsen in elektrisch beleuchteten
Leuchtthürmen und für Scheinwerfer nach dem Mangin'schen oder Schuckert'schen System, wozu
man in Frankreich ausschliesslich ein Fabrikat der Glashütte von Saint-Gobain benutzt, das aus 72,1 Proc. Kieselerde,
15,7 Proc. Kalk und 12 Proc. Natron besteht, eine grosse Härte besitzt und sich
gegen die Einflüsse der Atmosphäre ganz unempfindlich erweist. Hier anschliessend
möge auch ein interessanter Versuch Erwähnung finden, welcher 1894 von dem Ingenieur
Cabirau in der Absicht ausgeführt wurde, ein Mittel
zu entdecken, durch welches der Verbrauch an Leuchtkohle bei Bogenlampen sich
vermindern und zugleich eine grössere Gleichmässigkeit der Lichtstärke im Voltabogen
sich bewirken liesse. Es gelang ihm, diesen Zweck zu erreichen, indem er die
Leuchtkohlen in der Lampe mit einer cylindrischen Hülle aus sehr dünnem, hochgradig
diathermanem Glase umgibt und nur so viel atmosphärische Luft zutreten lässt, als
unbedingt erforderlich ist. Die Gebrüder Appert, welche
derlei Gläser anfertigen, haben die bemerkenswerthe Thatsache festgestellt, dass, je
nachdem man dem Glasflusse bestimmte Mengen Eisen als Protoxyd (Eisenoxydul) oder
als Sesquioxyd (Eisenoxyd) beimischt, das erhaltene Product ein geringes oder hohes
Wärmeausstrahlungsvermögen besitzt und ersterenfalls bis auf 30° C. herabgedrückt,
letzterenfalls hingegen bis auf 200, oft sogar bis 300° C. erhöht werden kann.
Zwischendrein möchte ich, ein wenig abschweifend, einer noch im Entstehen begriffenen
Verwendung des Glases Erwähnung thun, die allerdings nicht unmittelbar, aber doch
mittelbar mit der Elektrotechnik zusammenhängt. Es besteht nämlich heutzutage in den
betreffenden Fachkreisen vielfach die Ueberzeugung, dass die Elektricität einen
unbestreitbar günstigen Einfluss auf die Vegetation ausübe. Allerdings ist diese
Anschauung keineswegs neu, denn schon im verflossenen Jahrhundert haben der Abbe Nollet, Jallabert von Genf und mehrere andere, sowohl
französische wie nichtfranzösische Physiker die sogen. elektrische Begiessung oder Bewässerung angewendet und die Sämereien
elektrisirt, in der Ueberzeugung, dass die Elektricität das Gedeihen und Wachsen der
Pflanzen etwa ebenso fördere, als eine reichliche Düngung. In unserer Zeit hat man
diese Idee wieder aufgegriffen und so sind beispielsweise von dem unter der Leitung
des Pater Paulus stehenden, landwirthschaftlichen
Institut in Beauvais zahlreiche einschlägige Versuche
vorgenommen worden, wobei sich in der That staunenswerthe Erfahrungen über den
Einfluss der Elektricität auf das Wachsthum der Pflanzen ergeben haben. Im gleichen
Sinne hat auch Baron Thenard experimentirt; er wie
andere benutzen nun Becher, Platten oder auch Röhren von Glas, um darin die
Samenkörner vor der Aussaat zu elektrisiren. Auch benutzen sie Glasstangen als
Isolatoren und zugleich zum Befestigen von Leitungsdrähten, mit welchen die bestellten Beete überspannt werden, und
die entweder durch eiserne Auffangstangen zur Aufsaugung der atmosphärischen
Elektricität eingerichtet sind, oder mit einer künstlichen Elektricitätsquelle in
Verbindung stehen, so dass sie dauernd oder auch nur zeitweilig von einem
elektrischen Strome durchflössen werden.
Nunmehr wieder in das engere Gebiet der Elektrotechnik zurückkehrend, will ich auf
jene Art gläserner Isolirstühle hinweisen, welche häufig von meteorologischen
Anstalten als Sammler der atmosphärischen Elektricität gebraucht werden, ferner auf
die grosse Zahl von Condensatoren, in welchen das Glas sowohl seines Isolirvermögens
als seiner Capacität wegen verwendet wird, weiters auf die Glaswolle, welche
man als Ersatz des Asbest in Trockenelementen und auch als Isolirmaterial mit Erfolg
einzuführen sucht u.s.w. u.s.w. Eine besondere Glassorte erfordern die eiförmigen
Hohlkörper der Glühlampen; das betreffende Material muss nämlich sehr leicht
schmelzbar sein und soll zugleich denselben Ausdehnungscoefficienten besitzen, wie
das Platin, damit nach dem Einschmelzen der Drahtanschlüsse keine Risse entstehen,
durch welche mit der Zeit Luft eindringen könnte. Bemerkenswerth ist auch die Art
und Weise, in welcher man sich bei der City and South London
Railway des Glases bedient. Auf dieser elektrisch betriebenen Eisenbahn ist
das Hauptgleis als Stromzuleiter benutzt und daher seiner ganzen Ausdehnung nach
durch unterlegte Schienenstühle aus Rohglas isolirt. In Amerika benutzt man durchaus
das Glas auch als Isolator für alle Arten oberirdischer Leitungsanlagen, wogegen man
bekanntlich in Europa aus berechtigten Gründen, deren Darlegung aber hier zuweit
führen würde, für diesen Zweck Porzellan vorzieht.
(Schluss folgt.)