Titel: | Rettungswesen auf See. |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 97 |
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Rettungswesen auf See.
(Schluss des Berichtes S. 73 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Rettungswesen auf See.
Rettungsboote an Land.
Die Rettungsboote; welche man vom Strand aus dem in Nothlage befindlichen Schiffe
zusenden kann, lassen sich seetüchtig herstellen, da man hinsichtlich ihrer Grösse
an keine allzu kleinen Abmessungen gebunden ist. Ihr Gewicht ist allerdings nur so
weit steigerungsfähig, als der Transport am Ufer eine Behinderung dadurch nicht
erfahren darf. Die Bauart ist abhängig von der Gestaltung des Gestades, da man für
seichtes Fahrwasser nach anderen Principien verfahren muss, als wenn steile Ufer
einen grösseren Tiefgang zulassen. Unter Benutzung von Luftkasten und specifisch
leichten Stoffen ist man in der Lage, das Boot so weit tragfähig zu gestalten, dass
es selbst nach Uebernahme von Wasser nicht untersinkt, andererseits aber den
Innenboden so hoch zu legen, dass das Wasser durch geeignet angeordnete Löcher
ablaufen kann. Wichtig ist auch die Fähigkeit eines Bootes, sich selbst aufrichten
zu können, wenn es gekentert ist. In diesem Falle wird das gekenterte Boot von
Luftkasten o. dgl. so getragen, dass sein Schwerpunkt in labilem Gleichgewicht über
Wasser sich befindet; die geringste, auf See ja stets vorhandene Bewegung stört das
Gleichgewicht, so dass das Boot wieder zurückschlägt. Die Möglichkeit einer guten
Handhabung mittels Ruders, zuweilen auch mit dem Segel, zuverlässige Steuerfähigkeit
sind selbstverständliche Bedingungen eines brauchbaren Fahrzeuges.
Die Construction der Rettungsböte hat mit den Ansichten und Erkenntnissen natürlich
sehr gewechselt und nur die Erfahrung hat die heutige Vervollkommnung bewirken
können.
Häufige, mit grossen Verlusten an Menschenleben verbundene Schiffbrüche in den
zwanziger Jahren hatten den Capitän GordonTransactions of the
Society for the Encouragement of Arts etc. January 1824 S.
92. 1823 veranlasst, die in Bristol und Rye befindlich gewesenen
Rettungsboote zu prüfen, welche er zu schwer fand. Gordon hatte deshalb durch einfache, seitlich anzubindende Korbpanzer
gewöhnliche Boote gebrauchsfähig gemacht. Er bildete aus 1' langen, 6'' breiten und
5/4'' dicken
Korkstücken, welche er zu je Dreien über einander legte, durch Aneinanderreihen
Leisten, die durch aufgenähte Schienen aus gespaltenem spanischem Rohr der Länge
nach zusammen gehalten wurden. Etwa acht solcher Leisten wurden der Breite nach
neben einander gelegt und mittels Seile durchflochten. Die Längen der Leisten waren
nach unten um je 1' abnehmend, diejenige der obersten Leiste betrug 9'. Die Seile
wurden unter dem Boote weggeholt und an Bord festgemacht. Zwei solcher Panzer
(oder Bojen) wogen 226 Pfund 20 Loth und hatten einen Auftrieb von 717 Pfund 28
Loth.
Andrew HennessyVerhdlg. d. V. z. Bef. d. Gew., 1826 Bd. 5 S.
119. in Cork (Irland) fuhr am 7. November 1825 von Cork nach
England bei schwerem Wetter mit fünf Mann in einem Boot, welches aus elastischem
Gerippe mit einem wasserdichten Zeugüberzug bestand und, in Walfischfängerform
ausgeführt, 40' lang, 8' breit und 20 t schwer war. Kiel, Vor- und Hintersteven
bildete ein in Dampf gebogenes Stück Holz, während die Spanten aus Bogen von weissem
Eichenholz (white oak) gemacht und aussen mit Fischbein belegt waren. Das aus losen
Brettern zusammengesetzte Verdeck besass denselben wasserdichten Ueberzug, eine Art
¼'' starken Zwillich aus einem Gemenge von Hanf und Wolle. Versuchsweise hatte Hennessy einen kupfernen Belag des Bodens in der Weise
ausgeführt, dass er fischschuppenartige Stücke in das Zeug verwebte.
Hatte man zu Anfang des Jahrhunderts im Bau der Rettungsboote ziemlich ziellos
verfahren, so gab das vom Herzog von Northumberland, Algernon, im J. 1850 erlassene Preisausschreiben Veranlassung zu
ausgedehnten Versuchen, welche eine festere Grundlage lieferten. Der ausgesetzte
Preis von 100 Guineen für das beste Boot hatte die Einsendung von 280 Modellen zur
Folge gehabt. Für alle Zeiten interessant geblieben sind die Normen, nach denen die
Beurtheilung der Güte der einzelnen Fahrzeuge stattfand. Jede von diesen geforderte
Eigenschaft wurde nach Points bemessen, deren Anzahl der Wichtigkeit der
betreffenden Eigenschaft entsprach. Es wurden folgende Werthe festgesetzt:
Fähigkeit als ein Ruderboot in jedem Wetter
20
„ „ „ Segelboot
18
„ „ „ Seeboot (Stabilität,
Sicher- heit, Ueberwindung der Brandung) u.s.w.
10
Geringster Fassungsraum für Wasser
9
Mittel zur Wasserentleerung
8
Extraauftrieb (Natur, Betrag,
Vertheilung, Anwendung)
7
Stärke der Selbstaufrichtung
6
Brauchbarkeit für den Strand
4
Platz und Tragfähigkeit für Passagiere
3
Geringes Gewicht zum Transport am Ufer
3
Schutz gegen Beschädigung des Bodens
3
Ballast (Eisen 1, Wasser 2, Kork 3)
3
Zugänglichkeit zürn Vorder- oder Hintersteven
3
Blöcke zum Befestigen der Wurfleine
2
Gürtel, Rettungsleinen u.s.w.
1
–––
100
Als bestes Boot wurde das von James Beeching (Yarmouth)
gebaute anerkannt (Fig.
100 bis 103); es erhielt 84 Points. Die Commission hielt das Boot seiner Form nach
gleich geeignet zum Segeln und Rudern in jedem Wetter; bei grosser Stabilität sollte
es ein gutes Seeboot sein. Bei geringer Fähigkeit, Wasser unter den Duchten zu halten, besass es
genügende Mittel, uni das eingeschlagene Wasser rasch ablaufen zu lassen. Der
Wasserballast wurde in dem Kielraum eingenommen, nachdem das Fahrzeug in See
ausgesetzt worden war. Daraus, dass an den Enden sich hohe Luftkasten befanden, dass
ein leichter eiserner Kiel vorgesehen war und in der Mitte seitliche Luftbehälter
fehlten, folgerte man die Eigenschaft des Bootes, dass es sich nach erfolgtem
Kentern leicht selbsthätig wieder aufrichtete. Die Form lehnte an die Walfischboote
an. Das Material war Eichenholz mit Eisenbeschlag. Ein 6'' dicker und 8'' hoher
Korkgürtel zog sich in einem Abstande von 7'' unter dem Schandeckel rings um das
Boot, welches für 70 Personen bestimmt war.
Textabbildung Bd. 301, S. 98
Beeching's Boot.
a Luft; b Kork; c Wasser.
Textabbildung Bd. 301, S. 98
Hink'sches Rettungsboot.
a Luft; b Kork.
Etwas geringwerthiger, nämlich zu 78 Points, wurde das Henry
Hinks'sche (Appledore) Rettungsboot veranschlagt (Fig. 104 bis 107). Dieses besass im
mittleren Theil die Formen eines Kutters, an den Enden dagegen diejenigen eines
Walfischbootes; es bestand aus Mahagoniholz mit Kupferbeschlag. Ein Korkgürtel von
5'' Dicke und 5'' Höhe lief aussen herum 12'' unter der Reeling.
In hiervon abweichender Weise war das schon seit 1826 an der holländischen Küste
verbreitet gewesene Boot ausgeführt, als dessen Urheber man Willem van Houten (Rotterdam) nannte (Fig. 108 bis 111). Es besass einen
sehr flachen Boden, der es zum Dienst an seichter Küste befähigte, und einen Rumpf
aus Eichenholz mit Kupferbeschlag.
Das mitvorgeführte Boot des Amerikaners Francis (New
York) wurde zu Folge seiner damaligen Eigenschaften, welche es zum Gebrauch an den
britischen Küsten nicht befähigten, von der Preiszutheilung ausgeschlossen. Der
gleichzeitige Bericht erwähnte aber, dass die amerikanische Regierung die Francis'schen Fahrzeuge bereits in mehreren Exemplaren
an der Küste von New Jersey vertheilt hatte.
Ausser Ruder und Segel waren auch Projecte für Schaufelrad und Schraube gemacht
worden; anstatt Menschen- und Windkraft hatte man auch Dampf und Druckluft
einzuführen versucht, indessen ohne Erfolg.
Unter den 280 in Somerset House eingereichten Modellen konnte eine reiche Auswahl in
Constructionseinzelheiten getroffen werden, und man hatte sich dahin geeinigt, dem
englischen Constructeur James Peake (Woolwich) die
Ausführung eines neuen Bootes aufzugeben, in welchem die mit den Modellen gemachten
Beobachtungen zu verwerthen seien. Peake schuf
demgemäss das in Fig.
112 bis 116
skizzirte Fahrzeug aus einer doppelten Lage Ulmenholz in Diagonalbau, mit
Kupfernietung. Die Form war wiederum die eines Walfischbootes mit einem langen
flachen Boden in der Mitte. Der grösste Theil der Schwimmfähigkeit wurde durch Kork
erreicht. Die Luftbehälter wurden durch mit dünnen Latten versteifte
Guttaperchawände in einzelne wasserdichte Räume geschieden.
Textabbildung Bd. 301, S. 98
Boot von van Houten.
Beeching
Hinks
van Houten
Peake
Ganze Länge
36'
30'
25'
30'
Länge des Kiels
31'
27'
19'
24'
Breite
9' 6“
9'
8'
8' 9''
Tiefe
3' 6“
3'
3'
3' 6''
Krümmung des Schandeckels
3'
2'
1'
2' 1''
Extraschwimmfähigkeit (Luft)
300 Cubikfuss= 8½ t
Kork und Luft,105 Quadratfuss= 3 t
175 Cubikfuss= 5 t
Kork und Luft3 t
Innerer Fassungsraum bis zu den Dachten
5 t
3⅓ t
2⅓ t
4 t
Querschnitt der Abflussrohre
276 Quadratzoll
72 Quadratzoll
45 Quadratfuss
300 Quadratfuss
Verhältniss desselben zum Fassungsraum
1 : 0,64
1 : 1,6
1 : 1,8
1 : 0,5
Gewicht des Bootes
3 ½ t
35 Cwt.
20 Cwt.
38 Cwt.
Ballast
2 t Wasser + ½ tEisenkiel= 2½ t
keiner
keiner
Bandeisen= 3 Cwt.
Tiefgang bei 30 Mann Besatzung
2' 2''
18''
18''
16''
Anzahl der Ruder
12 (doppelsitzig)
12 (doppelsitzig)
6 (einfach)
(10 doppelsitzig)
Takelwerk
2 Luggersegel
–
1 Luggersegel
1 vorderes und1 Besan-Lugger-segel
Kosten
250 £
110 £
90 £
100 £
Ueber die hauptsächlichsten Daten der hier angeführten Rettungsboote gibt die
vorstehende Tabelle Aufschluss.
Die Peake'schen Rettungsboote wurden in England fast
allgemein eingeführt. In Deutschland konnten sie nur an Flussmündungen oder
Hafeneinfahrten Verwendung finden, weil hier das erhebliche Gewicht und der
bedeutende Tiefgang untergeordnete Rollen spielten. Man hatte nach den Berichten der
Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger die Aufmerksamkeit fast
ausschliesslich dem aus cannelirtem Eisen hergestellten Francis-Boot zugewandt, welches bei gleicher Grösse und
Widerstandsfähigkeit wie das Peake'sche Boot nur etwa
halb so schwer wie dieses war. Vermöge ihres geringen Tiefganges und der breiten
Kielsohle waren die Francis-Boote leicht vom Strande
abzubringen und wieder auf den Strand zu holen; sie bewährten sich in der Brandung.
Indessen wurde über mangelhafte Steuerfähigkeit geklagt, wozu noch der Umstand kam,
dass sie sich nicht selbst aufzurichten vermochten.
Textabbildung Bd. 301, S. 99
Peake's Rettungsboot.
a Luft; b Kork.
Aus der grossen Anzahl im Laufe der Jahre entstandener Boote verdient das an der
deutschen Küste nunmehr eingebürgerte „Deutsche
Rettungsboot“ unser Interesse. Es wird in der Regel in zwei
Grössen, nämlich zu 7,5 und 8,5 m Länge, ausgeführt. Das grössere ist 8,5 m lang,
2,55 m breit, 0,83 m tief, mit einem Sprung von 0,45 m. Sein Tiefgang mit voller
Besatzung beträgt 0,35 m. An Stelle eines Kiels besitzt es eine 0,7 m hohe, in der
Mitte 0,40 m breite, nach beiden Enden verjüngt in die Steven auslaufende Kielsohle.
Das Boot ist vorn und hinten spitz, ziemlich scharf gebaut und hat in der Mitte
flachen Boden. Den Kiel ersetzt ein Schwert, welches durch eine 1,50 m lange und
0,05 m breite Oeffnung im Boden in den etwa 0,65 m hohen, oben offenen Kasten
einziehbar ist. Der letztere reicht nur bis unter die Sitzbänke und dient demnach
zur theilweisen Entleerung von übergenommenem Wasser; die vollständige Entfernung
desselben bewirkt eine Pumpe. Luftkasten sind im Boot vorn, hinten und an den Seiten
angeordnet. Ein herunter zu lassender Mantel aus Eisenblech am Ruder dient, wenn
herunter gelassen, als Verlängerung des Steuers, welches dadurch noch wirksam
bleibt, wenn auch der Hintersteven aus dem Wasser stampft. Das Gewicht des
Bootes ohne Inventar beträgt 1300 k. Zum Inventar gehören Masten, Segel, Riemen,
Steuerruder, Bootshaken, Anker, Tau, Wurfdraggen, Compass, Laterne, Handloth mit
Leine, Korkjacken, Ledereimer, Seelenretter, Beil, Messer und Lenzsack. Der
letztere, ein trichterförmiger Sack aus starkem Segeltuch, wird nachgeschleppt und
hält das Boot der Länge nach vor der See, wenn hohe Brandung den Hintersteven so
weit hebt, dass das Steuer über Wasser kommt. Zum Transport wird ein als Helling
dienender Wagen benutzt, auf dem das Boot auf Rollen steht. Werden die Vorderräder
durch Wegnahme eines Bolzens gelöst und wird der Vorwagen etwas gehoben, so gleitet
das Boot ab.
Es ist des Schwertes als Ersatz des Kiels Erwähnung
gethan worden. Das Schwert ist seiner Natur nach ein ins Wasser verlängerter Kiel,
welcher je nach seiner Ausdehnung und dem auf seiner Fläche lastenden Wasserdruck
entsprechend eine Neigung des Bootes nach der Seite mehr oder weniger verhindert.
Für den Zweck der Rettungsboote sind natürlich nur solche Ausführungen möglich, bei
denen das Schwert ganz ins Boot eingezogen und erst auf der See herabgelassen werden
kann. Insbesondere Segelboote bedienen sich des Schwertes als eines Ausgleiches für
die einseitige Belastung durch den Wind. Eine solche Construction zeigen Fig. 117 bis 119. Es ist a ein
geschlossener flacher Kasten, in dessen Seitenwandungen der Bolzen e sitzt; um diesen sind die Hebel d drehbar, welche die Glieder g und Kieltheile c nach Art einer Nürnberger
Schere stellen. Ketten b führen über Leitrollen zu
einer Handwinde f. In Fig.
119 ist das Schwert herabgelassen, in Fig. 118 hochgezogen
gezeichnet. Fig. 119 lässt die Anordnung eines
solchen Apparates mit etwas anders gestalteten Kieltheilen c am Boot erkennen.
Man hatte lange vergeblich danach gestrebt, den Dampf zum Triebmittel für
Rettungsboote heranzuziehen. Erst der neuesten Zeit war es vorbehalten, brauchbare
Dampf boote zum vorliegenden Zweck zu liefern.
Textabbildung Bd. 301, S. 99
Schwert für Rettungsboote.
Die Bemühungen der „Royal National Life-boat Institution“ um ein praktisch
brauchbares Dampfrettungsboot scheinen in der That erst
im J. 1890 von Erfolg begleitet gewesen zu sein, zu welcher Zeit die Firma E. und H. Green in Blackwell das nach dem Präsidenten
des Instituts, dem Herzog von Northumberland, benannte Fahrzeug erbaut hatte.Eng., 1890 Bd. 70
S. 192. Die allgemeine Einrichtung ist aus den beigegebenen Fig. 120 bis 122 zu entnehmen.
Bezüglich der Verhältnisse sei bemerkt, dass die Länge 15,20 m, die Wallbreite 3,66
m, die grösste Breite 4,36 m beträgt, dass ferner das Gewicht einschliesslich 3 t
Kohlen, 9 Mann Besatzung und 30 Passagieren 21,5 t ausmacht und das Boot in diesem Falle 0,99 m
taucht. Die fast wagerecht gelagerte Compoundmaschine indicirt 170 ; sie
besitzt zwei Cylinder von 0,216 bezieh. 0,368 m Durchmesser bei 0,305 m Kolbenhub.
Ein für forcirten Zug eingerichteter Thornycroft'scher
Wasserröhrenkessel mit 0,79 qm Kostfläche und 56,24 cbm Heizfläche liefert den
Dampf. Kessel und Maschine sind in wasserdicht verschliessbaren Räumen
untergebracht; ein von der Dampfmaschine angetriebener Centrifugalventilator erzeugt
die Luftpressung im Kesselraume und besorgt die Ventilation des Maschinenraumes. Die
Maschine treibt direct eine Turbine, welche 60 t Wasser in der Minute vom Boden
ansaugt und je nach Erforderniss und Stellung der Ventile durch Rohre nach vorn,
achter, Back- oder Steuerbord auswirft und so eine hydraulische Fortbewegung und
Steuerung bezieh. Bremsung ermöglicht. Die letztere wird überdies auch von einem Hickmann'schen Ruder ausgeführt, dessen unterer Theil
sich bei Berührung des Grundes oder treibender Wracks selbsthätig hebt. Der
Bootskörper ist aus bestem Stahl doppelt oder dreifach genietet und durch Längs- und
Querschotte mit 15 wasserdichten Abtheilen versehen, welche einzeln mit Sodpumpen
bezieh. Ejectoren gelenzt werden können. Unmittelbar hinter dem Maschinenraum
befindet sich die Achterkammer, die zur Aufnahme von 30 Passagieren befähigt ist;
ihr Boden liegt über der Wasserlinie, Ablaufventile und Speigatten sorgen für die
selbsthätige Entfernung des übernommenen Wassers. Um den Trimm des Bootes thunlichst
sind unter dem Boden zwei Wasserballasträume vorgesehen, welche das Gewicht der 30
Passagiere an Wasser aufzunehmen vermögen; sie werden in dem Maasse entleert, als
Personen eingenommen werden. Ein kräftiges Dampfgangspill, ein Anker mit 220 m
langem, 125-mm-Manilatau, sowie Luggersegel und Klüver vervollständigen die
Einrichtung.
Textabbildung Bd. 301, S. 100
Fig. 119.Schwert für Rettungsboote.
Textabbildung Bd. 301, S. 100
Dampfrettungsboot der Royal National Life-boat Institution.
Verschiedene Fahrten bestätigten die Annahme, dass 9 Knoten Geschwindigkeit leicht
gehalten werden kann. Das in voller Fahrt befindliche Boot lässt sich innerhalb 32
Secunden stoppen; das still liegende in 4 Secunden auf volle Fahrt bringen. Bei
Vollfahrt wird mit Hilfe des Ruders der Kreis in 50 Secunden beschrieben, bei
herabgeminderter Fahrt von der Turbine allein in 52 Secunden.
Seitdem sind mehrere solche Dampfboote mit Reactionspropeller erbaut und an der
englischen Küste in Dienst gestellt worden.
Rettungsgesellschaften.
Es ist nicht lange her, dass man in dem Schiffbrüchigen nicht auch einen
Unglücklichen zu erblicken vermocht hat; sein Gut hatte man zum Wenigsten als ein
Geschenk des Himmels angesehen. Mit der sich ausbreitenden Aufklärung wurde aber
auch das Mitleid geweckt und man fing an, zu retten da, wo man von Land aus die
Hilfe zu bringen vermochte. Anfangs Einzelunternehmungen, entwickelten sich
allmählich in jedem ein Ufergestade besitzenden Culturstaat Gesellschaften, welche
die systematische Anlage von Rettungsstationen an geeigneten Stellen in die Hand
nahmen.
In dieser Beziehung hat England, das ja auf die See angewiesen ist, den ersten
Schritt gethan.
Die Anfänge der englischen National Life-boat InstitutionHistory of the
Life-boat, and its work. By Richard Lewis. London 1874.
lassen sich bis zum Jahre 1784 verfolgen. Nachdem Lionel
Lukin und Wouldhave sich vergeblich mit der
Construction brauchbarer Rettungsboote abgemüht hatten, war die Lösung dieser
brennend gewordenen Aufgabe zunächst Greadhead
beschieden, von dessen Booten 1802 bereits 35 Stück an der britischen Küste in
Verwendung und allein an der Tyne 200 Menschen dem nassen Grabe entrissen worden
waren. Dennoch trat ein Stillstand in der Entwickelung des Seerettungswesens ein,
bis im J. 1823 auf Betreiben William Hillary's die
„Royal National Institution for the preservation of life from shipwreck“
ins Leben gerufen wurde. Nach abermaligem Rückgange des Unternehmens erfolgte ein
nachhaltiger Aufschwung, als 1851 Algernon, Herzog von
Northumberland „the good Sailor Duke“ die Präsidentschaft übernahm, als die
Vervollkommnung der Rettungsboote, uneigennützige Legate und namentlich zahlreiche
glückliche Rettungen die Bestrebungen verallgemeinerten. 1854 wurde der Titel der
Gesellschaft in den jetzigen umgewandelt: „The Royal National Life-boat
Institution, founded in 1824 for the preservation of life from
shipwreck“.
In Deutschland machte sich erst im J. 1850 das erste Interesse an
Rettungseinrichtungen bemerkbar und man fing an, ganz vereinzelt vorzugehen. Es
entstanden zwischen Damgarten und Memel mehrere Stationen, welche theils mit Manby's Mörserapparaten, theils mit Peake'schen oder Francis-Booten ausgestattet wurden; der preussische Staat unterstützte diese
ersten Bestrebungen. Am 2. März 1861 bildete sich in Emden der erste Verein zur
Rettung Schiffbrüchiger, und es folgten mehrere Städte dem Beispiel nach. So sah der
16. April 1863 die Entstehung eines gleichen Vereins in Bremen. Indessen war man
bald zu der richtigen Erkenntniss gelangt, dass ein Gedeihen des Rettungswesens an
der Küste nur dann erfolgen könnte, wenn ein gemeinsames Vorgehen und damit eine
einheitliche Leitung aller Stationen erzielt würde. Man strebte deshalb die Bildung
einer deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger an, zu welcher am 29. Mai 1865 in
Kiel der Grund gelegt worden ist, indem man gleichzeitig Bremen zum Sitz der
Gesellschaft bestimmte. Der gefasste Beschluss fand Anklang und so wurde auch in
Deutschland die Wache am Strand zu einem nationalen Werk, dessen Erfolge ja
hinreichend bekannt sind.