Titel: | Fahrräder. |
Fundstelle: | Band 301, Jahrgang 1896, S. 175 |
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Fahrräder.
(Vorhergehender Bericht 1896 299 * 172 u.s.f.)
Mit Abbildungen.
Fahrräder.
Das Radfahren ist schon längst nicht mehr bloss eine Sache des Sportes, in immer
ausgedehnterem Maasse findet das Stahlross praktische Verwendung. Die
Militärbehörden, die Post, private Unternehmungen („Berliner
Fahrrad-Dienstmanninstitut“) haben sich das moderne Fahrzeug dienstbar
gemacht. Diese vermehrte Verwendung des Fahrrades wird darauf führen, das Gefährt
mehr und mehr den Anforderungen des dienstlichen Lebens anzupassen, es von Mängeln
zu befreien, die ihm noch anhaften. Vor allem zeigt uns D.
p. J. 1896 299 172, welche Fortschritte der
Humber-Rahmen in den letzten 3 Jahren gemacht hat. Nun wird derselbe auch für
militärische Zwecke zusammenlegbar gemacht. Auch sehen wir wieder Fahrräder aus
Holz. Was die Antriebsvorrichtungen betrifft, so sind hier viele Aenderungen
vorgegangen; dahin gehören die kettenlosen Maschinen, die schmalen Tretkurbellager,
die verschiedensten Vorrichtungen zum Aendern der Fahrgeschwindigkeit; die Speichen
sehen wir durch Aluminiumscheiben ersetzt. Besondere Sorgfalt wird auf die
Construction der Kugellager verwendet. Auch die früher noch so leicht verletzbaren
Pneumatikreifen bieten jetzt nahezu Sicherheit gegen Verletzungen.
I. Systeme und Rahmen.
a) Fahrräder mit
Fussbetrieb.
Während die in 1896 299 172 beschriebenen Damenräder
mehr oder weniger für das Tragen kurzer Kleider gebaut sind, zeigt Fig. 1 ein Damenrad der Firma Hengstenberg und Co. in Bielefeld, auf dem mit
jedem Strassenkleid gefahren werden kann. Da das Tretkurbellager nach oben
völlig frei liegt, reicht das Kleid bis auf die Füsse. Zur Versteifung des
Rahmens ist ein zweites Rohr unterhalb dem Tretkurbellager angeordnet.
Textabbildung Bd. 301, S. 175
Fig. 1.Damenrad von Hengstenberg und Co.
Unter dem Namen „Delta“ baut die Firma A.
Hildebrand in München ein Damenrad (D. R. G. M. Nr. 54563), dessen
Rahmen in Bezug auf Haltbarkeit, Steifigkeit gegen seitliches Verbiegen und
Durchbiegen, wesentliche Vortheile bietet. Dieses ist wie Fig. 2 zeigt, dadurch erreicht, dass statt der
üblichen zwei, drei Rohre verwendet werden, und zwar derart, dass ein 30 mm-Rohr
vom Sattelstützrohr dicht über dem Kurbellager auslaufend zum unteren Ende des
Steuerrohres führt, während zwei schwächere Rohre (20 mm Durchmesser), die am
unteren Theile des Kurbellagers tangential ausgesetzt sind, rechts und links am
Mittelrohre vorbei ungefähr nach der halben Höhe des Steuerrohres laufen, dabei
das Hauptverbindungsrohr im unteren Drittel der Länge kreuzen und so zwei
Dreiecke bilden.
Textabbildung Bd. 301, S. 175
Fig. 2.Damenrad „Delta“ von Hildebrand.
Durch diese Anordnung ist gerade an jener Stelle des Rahmens, der sonst für
Damenkleider beim Aufsteigen wie beim Fahren hinderlich war, freier Raum
gewonnen.
Textabbildung Bd. 301, S. 175
Fig. 3.Duryea's Pyramid Bicycle.
Das von dem Amerikaner Duryea construirte Zweirad
(Pyramid Bicycle), Fig. 3, besteht aus der
hinteren Hälfte des Humber-Rahmens. Das Steuerführungsrohr, sowie das
Sattelstützrohr sind in einem Rohr vereinigt, an dem in vorgeneigter Lage die
Lenkstange angebracht ist. Dieses combinirte Rohr läuft in einem etwas grösseren
Winkel als am gewöhnlichen Niederrad in die Vorderradgabelscheiden aus, und das
vordere Ende des unteren Gestellrohres führt bis zum Gabelkopf. Durch diese
Anordnung wird das Gestell um 2,5 bis 3 k leichter als ein gewöhnlicher
Humber-Rahmen.
Das Bestreben, die Fahrräder ohne Kettenantrieb, dagegen mit Winkelgetriebe zu
construiren, gab Anlass, sich wieder den Vordertreibern zuzuwenden. Diese
besitzen den Vortheil, dass sie bedeutend kürzer und leichter sind und durch
Fortfall der Kette weniger Reibung haben, als die modernen Niederräder. Fig. 4 zeigt einen solchen Vordertreiber (Cyclette
Déchamps), dessen Gestell von grosser
Steifigkeit ist, so dass Durchbiegungen ausgeschlossen sind. Die
Tretkurbelachse trägt zugleich das Laufrad, in dessen Nabe der
Antriebsmechanismus, ein Winkelgetriebe, eingeschlossen ist.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 4.Cyclette Déchamps (Vordertreiber).
Die Crypto Works Co. Ltd. in London bauen einen
Vordertreiber unter dem Namen „Bantam“. Diese Maschine (Fig. 5) eignet sich wegen des niederen Baues
besonders für ältere Herren. Das 22- bis 24zöllige Vorderrad dient hier wie bei
vorbeschriebenem gleichzeitig als Lenk- und Antriebsrad. Der Sattel wird so
eingestellt, dass die Fusspitzen des Fahrers den Boden berühren können. Durch
diese Einrichtung wird, ohne Auftritt, ein bequemes Auf- und Absitzen
ermöglicht.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 5.„Bantam“, Vordertreiber der Crypto Works Co.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 6.„Bantamette“, Damenvordertreiber der Crypto Works
Co.
Nach denselben Principien baut diese Fabrik auch ein Damenrad (Fig. 6) unter dem Namen „Bantamette“.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 7.Antrieb der Vordertreiber der Crypto Works Co.
Der Antrieb (Fig. 7) geschieht mittels einer
Zahnräderübersetzung, die sich in der Nabe des Vorderrades befindet. Zu diesem
Zweck ist der Theil a fest mit dem Gestell
verbunden, während das Vorderrad, das mit dem Zahnrad c verbunden ist, lose auf der Tretkurbelachse o sitzt. Da nun die Scheibe f, welche die Zahnräder d trägt, mit der
Tretkurbelachse in fester Verbindung steht, erhalten die Zahnräder d eine rasche Bewegung, welche diese dann auf das
Zahnrad c sammt Laufrad übertragen. Im Vergleich zu
den modernen Niederrädern sind mit diesen Vordertreibern Hügel leichter zu
befahren als mit ersteren. Auch ist die Gefahr der Kopfstürze hier
ausgeschlossen, da ⅖ vom Gewicht des Fahrers auf dem Hinterrad ruhen. Wie Fig. 4 bis 6
zeigen, sind diese Maschinen bedeutend kürzer und daher leichter als das moderne
Niederrad.
Das Bestreben, die Fahrräder immer leichter zu bauen, veranlasste die Anderson and Harris Carriage Co. in Elmwood Place,
Ohio, Fahrradgestelle aus Hickoryholz herzustellen. Natürlich sind die
Verbindungsmuffen, ebenso die Vorderradgabel, die Lager u.s.w. aus Metall. Diese
hölzernen Maschinen wiegen etwa 11 k und die Fabrikanten constatiren, dass das
Gestell derselben ebenso fest ist als das aus Stahlröhren gebaute.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 8.Holzrahmen von Büttner.
A. Büttner in Colin a. d. Elbe liess sich unter D.
R. G. M. Nr. 53139 einen Holzrahmen schützen, bei dem sich Leichtigkeit und
Haltbarkeit vereinigen. Die obere Hälfte a (Fig. 8) besteht aus Bambusrohr, der untere Theil
b aus Eschenholz. Dieser Rahmen wird mittels
metallener Verbindungsstücke c und d zusammengesetzt, in welche die Bambusrohre
eingeschlagen werden. Des Aussehens halber und zum Schütze gegen Feuchtigkeit
ist der Rahmen polirt.
Textabbildung Bd. 301, S. 176
Fig. 9.Holzrahmen von Genzow.
Ein Rahmen von Eschenholz (Fig. 9), der zugleich
als Kothschützer für Vorder- und Hinterrad dient, ist von A. Genzow in Veiten i. d. Mark (D. R. G. M. Nr.
54932) folgendermaassen zusammengesetzt: Am Steuerkopf g, der hier von Holz ist, ist die Stange a, sowie die Strebe b befestigt; letztere
ist mit der Gabel e verbunden, und diese trägt die
Gabel d und Strebe c.
Die obere Stange a, sowie die Streben b und c sind als
Kothschützer ausgebildet. Die Sattelstütze f, die
an der Strebe c ihre Führung hat, geht durch Stange
a und kann dort festgestellt werden. Sämmtliche
Theile sind an den Verbindungsstellen durch Winkel verstärkt.
In neuerer Zeit ist man bestrebt, möglichst hohe Uebersetzungen zu fahren. Da
dieses nun auf dem einsitzigen Zweirad nicht möglich ist, werden zu diesem
Zwecke zwei-, drei- und mehrsitzige Fahrräder gebaut. Einige Fabriken stellen
sogar neunsitzige und darüber her. Gesteuert werden Mehrsitzer entweder nur vom
vorn sitzenden Fahrer, zu welchem Zweck die übrigen Lenkstangen fest am Gestell
sitzen und nur als Stütze der Arme dienen, oder es steuern sämmtliche Fahrer. In
diesem Falle sind die Lenkstangen mit einem Stab, der von Lenkstange zu
Lenkstange geht, verbunden. Einen nur vorn gesteuerten Zweisitzer der Firma Dressler und Co. in Breslau zeigt Fig. 10.
Textabbildung Bd. 301, S. 177
Fig. 10.Zweisitzer von Dressler und Co.
Eine andere Art Zweisitzer ist das Herren- und Damenrad (Fig. 11) der New Ormonde Cycle Co. in
London, dessen vordere Hälfte wie die einsitzigen Damenräder gebaut ist. Hier
wird die Steuerung sowohl von der vorderen als von der hinteren Lenkstange
bethätigt, zu welchem Zwecke letztere durch die Schienen a mit dem Steuerkopf verbunden ist.
Textabbildung Bd. 301, S. 177
Fig. 11.Zweisitzer der New Ormonde Cycle Co.
Aehnlich diesen werden jetzt auch die drei- und viersitzigen Maschinen
gebaut.
Das fünfsitzige Niederrad von A. Kazubek in Berlin
hat eine Gesammtlänge von 3,40 m, das Gestell ist 2,60 m lang und 56 cm hoch.
Die Kurbellagergetriebe sind verstellbar, 6 cm breit. Die Nabenbreite beträgt 7
cm. Das Haupttriebzahnrad hat 36 Zähne, alle übrigen nur 16. Auf der rechten
Seite befindet sich die 1., 3. und 5. Kette, auf der linken Seite die 2. und 4.
Die 5. Kette ist als Hauptkette ½ Zoll, die 1. und 3. ⅜ Zoll und die 2. und
4. 5/16 Zoll
stark. Dieses fünfsitzige Zweirad, welches auf 100,8 Zoll übersetzt ist, hat
28zöllige Räder.
Abweichend von der bisherigen Form ist der Dreisitzer (Fig. 12) der Styria Fahrradwerke von J. Puch und Co. in Graz. Dieses Fahrrad ist nicht
länger als die gewöhnlichen Zweisitzer (Tandem), was dadurch erreicht ist, dass
die Hinterradgabel in Fortfall kommt und statt deren das Sattelstützrohr als
solche ausgebildet ist.
Diese Construction bedingt, dass der Hauptantrieb, nicht wie bisher vom dritten,
sondern vom zweiten Fahrer bethätigt wird.
In demselben Principe baut diese Firma einen Viersitzer, dessen Länge somit einem
gewöhnlichen Dreisitzer gleichkommt, hier hat nun der dritte Mann den
Hauptantrieb zu bethätigen.
Textabbildung Bd. 301, S. 177
Fig. 12.Dreisitzer von Puch.
Das Companionrad der Punnet Cycle Mfg. Co. in
Rochester ist, wie Fig. 13 zeigt, mit zwei Sitzen
neben einander, zwei Lenkstangen, vier Kurbeln und zwei Ketten versehen. Das
Hinterrad hat eine entsprechend lange Achse für die Gestellauflagerung, und
sitzen die Fahrenden dicht rechts und links vom Triebrade. Der
Gewichtsunterschied der beiden Fahrenden darf nicht zu gross sein, da sonst die
Maschine in schräger Lage gesteuert werden müsste. Die Steuerung geschieht
mittels beider Lenkstangen, welche durch Stange c
mittels Scharniere d mit einander verbunden sind
und so ihre gemeinsamen Bewegungen auf die Steuergabel übertragen.
Dieses Fahrrad lässt sich leicht in ein einsitziges verwandeln, zu welchem Zweck
eine Lenkstange und ein Sattel weggenommen wird, während die andere Lenkstange
bei a und der Sattel bei b in die Mitte des Gestelles eingesetzt werden. In diesem Falle tritt
der Fahrer die beiden inneren Pedale.
Textabbildung Bd. 301, S. 177
Fig. 13.Companionrad der Punnet Cycle Co.
Diesem im Princip ähnlich ist das zweisitzige Dreirad (Fig. 14) von R. H. Wolff und Co. in New
York, welches dem vorerwähnten gegenüber den Vortheil besitzt, dass der
Gewichtsunterschied der beiden Fahrer nicht in Betracht kommt.
Die Steuerung geschieht hier ebenfalls mittels beider Lenkstangen, die an ihren
unteren Enden gelenkig mit einander verbunden sind.
Diese Leiden Maschinen können sowohl von Herren als auch von Damen, oder
von Herr und Dame gefahren werden.
Das Adler-Kriegsrad (D. R. G. M. Nr. 56199), Fig.
15 bis 18, der Adler-Fahrradwerke vorm. H. Kleyer
in Frankfurt a. Main ist leicht zusammen- oder aufklappbar, unbeschadet seiner
Zuverlässigkeit und Steifigkeit. Zu diesem Zwecke sind die Rahmenstücke abcd und abef (Fig. 15) durch die um die Achse xx drehbaren Scharniere bei a und b fest verbunden. Jedes dieser
Scharniere besteht aus zwei Hülsen, die über die zusammenstossenden Rohrenden
aufgeschoben, mit diesen durch Löthung und unter sich durch Scharnierschrauben
verbunden sind. Die Scharnierconstruction ist in Fig. 16, die eine
Ansicht am unteren Rahmenrohr zeigt, und in Fig. 17, die einen
Längsschnitt durch dieses Rahmenrohr darstellt, ersichtlich. Fig. 17 zeigt, wie
die beiden Rohrenden A und B, welche die aufgeschobenen Scharnierhülsen C und D tragen, in der schiefen Ebene xx zusammenstossen.
Textabbildung Bd. 301, S. 178
Fig. 14.Zweisitziges Dreirad von Wolff und Co.
Zum Zwecke einer absolut festen Verbindung der Rohrenden und Versteifung des
Rahmens in aufgeklapptem Zustande ist an jeder Scharnierstelle eine innere
Verriegelung wie folgt angebracht: Eine innere Schiebhülse K (Fig. 17 und 18) schliesst dicht
an die Rahmenrohre an; dieselbe kann mittels des an ihr befestigten Griffes L und dadurch, dass an den beiden
zusammenstossenden Rohrenden und an den aufgeschobenen Scharnierhülsen
seitliche Schlitze E und F angebracht sind, über die Scharnierstellen geschoben werden. Zur
Feststellung der Schiebhülse K sind an den
Schlitzen der beiden Scharnierhülsen die Klemmaugen GG angebracht, durch welche die Klemmschrauben HH gehen, die beim Gebrauche des Fahrrades mittels Schlüssels
angezogen werden, wodurch die innere Schiebhülse festgehalten wird.
Textabbildung Bd. 301, S. 178
Fig. 15.Adler-Kriegsrad von Kleyer.
Soll das Fahrrad nun zusammengeklappt werden, so sind die Klemmschrauben HH an einer der Scharnierstellen etwas zu lösen,
bis die Schiebhülse K zurückgeschoben werden kann,
und ebenso an der anderen Scharnierstelle. In zusammengeklapptem Zustande kann
das Fahrrad mittels der Riemen gleich einem Tornister getragen werden.
Von diesem Militärrad unterscheidet sich dasjenige der Firma Seidel und Naumann in Dresden einerseits dadurch,
dass statt des Humber-Rahmens zwei parallele Rohre von der Vorderradgabelhülse
nach der hinteren Hälfte des Gestelles gehen. Diese sind wagerecht
durchschnitten und bewegen sich auf Zapfen.
Ueber diesen Rohren sind zwei mit einander verbundene Schutzhülsen angeordnet,
die im Gebrauchszustande über die durchschnittenen Rohre geschoben sind und
verhindern dadurch die Seitwärtsbewegung. Schiebt man sie nun nach dem Gabelrohr
vor, so kann man das Rad zusammenklappen und die beiden Laufräder kommen direct
über einander zu liegen.
Andererseits wird hier weder Schlüssel noch sonst ein Werkzeug gebraucht, da, um
das Rad zusammenklappen zu können, ein einziger Zug an den Schutzhülsen
genügt.
Textabbildung Bd. 301, S. 178
Adler-Kriegsrad von Kleyer.
Im zusammengeklappten Zustande kann dasselbe ebenfalls an Stelle des Tornisters
auf dem Rücken getragen werden. Die Lenkstange wird nun sammt dem Bremshebel aus
dem Steuerrohr herausgenommen und in eine an der rechten Gabelscheide befestigte
Hülse gesteckt. Dieses sowie das vorherbeschriebene Rad kann der Fahrer in ½
Minute zusammenklappen bezieh. wieder in Gebrauchszustand setzen.
An dem Militärfahrrad der Pope Manufacturing Co. in
New York (Fig. 19) ist vorn auf einem besonderen
Gestell ein Geschütz (Patent Browning) der Colt Patent
Firearns Mfg. Co. in Hartford, Conn., angebracht. Diese
Kleinfeuermaschine, halb Gewehr und halb Kanone, ist unter dem Namen „Colts Automatic Gun“ bei der Vereinigten
Staaten-Armee eingeführt und folgendermaassen construirt: Dasselbe kann auf
seinem Gestell nach allen Richtungen hin gedreht werden und wird auf
automatische Weise mittels Patronenbänder, welche mit 250 Patronen besetzt sind,
geladen. Nach einmaliger Hebelumdrehung mit der Hand wird diese Waffe durch die
Ausdehnung der Pulvergase in fortwährender Thätigkeit erhalten, ohne dadurch die
Wirkung der Explosivkörper bei der Kugelschleuderung zu beeinträchtigen. Der
Hahn wird wie bei einer Pistole gespannt und das Geschütz feuert unaufhörlich
weiter. Man war der Meinung, dass sowohl das Gewicht des schnell feuernden
Geschützes als auch seine Lage auf dem Fahrrad ein genaues Schiessen zur
Unmöglichkeit machen würde, aber durch eingehende Versuche ist bewiesen, dass
dieses nicht der Fall ist. Auf eine Entfernung von 200 Yards (183 m) traf man
die Scheibe in 16 Secunden 100 mal hinter einander. Ueberdies kann der Führer
dieses Kriegsgefährtes auch während des Feuerns so rasch fahren, als es ihm
beliebt; der Rückstoss des Geschützes nach dem Abfeuern greift das sehr solid
gebaute Fahrrad keineswegs an.
Textabbildung Bd. 301, S. 179
Fig. 19.Militärfahrrad der Pope Manufacturing Co.
Das zweisitzige Militärfahrrad (Tandem) der Pope
Manufacturing Co. in New York hat dem einsitzigen gegenüber nicht nur
den Vortheil, dass eine Wegstrecke in bedeutend kürzerer Zeit zurückgelegt
werden kann, sondern auch den, dass das Gepäck an demselben so angebracht ist,
dass es sofort zur Hand ist. Fig. 20 zeigt ein
solches Tandem, welches zwei Repetirgewehre, zwei sechsläufige Revolver,
Munitionstasche, eine Signalflagge und zwei Mäntel trägt, alles so angeordnet,
dass die Bewegungen der Fahrer ungehindert sind.
Textabbildung Bd. 301, S. 179
Fig. 20.Militärfahrrad der Pope Manufacturing Co.
Das Dreirad der Feuerwehr in Altona ist mit zwei Oberfeuerwehrleuten besetzt und
ausgerüstet mit Verbandtasche, Axt, Werkzeugtasche, Controluhren, Signalglocke
und Peitsche. Das Rad ist in einer mit dem Telegraphenzimmer in Verbindung
stehenden Stube stationirt. Die Feuerwehrradfahrer rücken dem bespannten
Löschzuge voraus; dieser hat, seitdem das Rad vorauseilt, freie Fahrt, da
Fuhrwerke und Passanten rechtzeitig Platz machen.
Fig. 21 zeigt ein Feuerwehrvierrad in Verbindung
mit einer Rotationspumpe, die zwischen den beiden Hinterrädern angebracht ist.
Vorn zwischen dem Gestell ist der Spritzenschlauch auf einer Haspel
aufgewickelt und zu beiden Seiten dieser Haspel liegen die Saugschläuche. Die
Maschine ist mit vier Mann besetzt, die sich in die Rettungsarbeiten theilen. Am
Brandplatz angekommen, steigt die Mannschaft ab, wovon drei die Schläuche
anschrauben, während der vierte die Stütze a
herunterschlägt, wodurch die Hinterräder in die Höhe gehoben und mit der Pumpe
gekuppelt werden. Nun steigt die Mannschaft wieder in den Sattel und setzt durch
Treten die Hinterräder, die jetzt als Schwungrad der Pumpe dienen, in Umdrehung
und die Pumpe tritt in Thätigkeit.
Textabbildung Bd. 301, S. 179
Fig. 21.Feuerwehrfahrrad.
Wie die Versuche ergaben, schleudert diese Pumpe in der Stunde 20 cbm Wasser bei
einem wagerechten Strahl von etwa 33 m und einem senkrechten Strahl von etwa 25
m. Die ganze Maschine wiegt etwa 60 k. (Nach Scientific
American vom 25. April 1896.)
Dadurch, dass das Fahrrad immer mehr Verkehrsmittel wird, sahen sich die
Fabrikanten veranlasst, ihre Aufmerksamkeit dem fast vergessenen Dreirad wieder
zuzuwenden.
Während bei den älteren Dreirädern die beiden Hinterräder gewöhnlich so hoch
waren, dass der Fahrer förmlich zwischen diesen sass, war das Vorderrad
(Steuerrad) so klein, dass eine leichte Steuerung unmöglich war. Nun machten
sich die Fabrikanten daran, die Hinterräder zu verkleinern und das Vorderrad zu
vergrössern.
Textabbildung Bd. 301, S. 179
Fig. 22.Dreirad von Kleyer.
Ein solches, dem modernen Zweirad angepasstes Dreirad, bauen die Adler-Fahrradwerke vorm. H. Kleyer in Frankfurt a.
M. Wie Fig. 22 zeigt, sind hier der
Humber-Rahmen, sowie drei 28zöllige Räder in Anwendung gebracht. Die Steuerung
ist dieselbe wie beim Zweirad, nur der Antrieb weicht etwas von diesem ab, derselbe
wird mittels Kette auf die mit den Hinterrädern fest verbundene und im Gestell
gelagerte Achse übertragen. Diese Maschine wird auch für Damen gebaut. Zu diesem
Zweck kommt das Scheitelrohr a in Fortfall, während
zur Versteifung ein Rohr b eingelöthet wird.
Die Firma A. L. Liepe und Breest in Brandenburg a.
H. baut ein Dreirad (Fig. 23), das sowohl von
Herren als auch von Damen gefahren werden kann, zu welchem Zweck das Rohr a abnehmbar ist. Der Antrieb geschieht mittels
Kette auf einem in der Mitte der Hinterräderachse festsitzenden Zahnkranz. Diese
Achse ist mit den beiden Antriebsrädern fest verbunden und im Gestell auf Kugeln
gelagert.
Textabbildung Bd. 301, S. 180
Fig. 23.Dreirad von Liepe und Breest.
Aehnlich diesem baut die Rudge Whitworth Co. Ltd.
ein Gepäckdreirad, das auf einer Verlängerung des Rahmens einen Korb trägt.
Das in Berlin gegründete Fahrrad-Dienstmanninstitut verwendet Dreiräder, bei
welchen, ohne Verlängerung des Rahmens eine Plattform von 75 k Tragfähigkeit
zwischen den Hinterrädern auf Federn angebracht ist.
Bei einem weiteren Gepäckdreirade der Rudge Whitworth
Co. (Fig. 24) trägt das -förmige
Gestell an der rechten Seite vorn und hinten zwei kleine Steuerräder, während
das grosse Antriebsrad in der Mitte, links des Gestelles sitzt und durch eine
aufwärtsgehende Kette angetrieben wird.
Textabbildung Bd. 301, S. 180
Fig. 24.Gepäckdreirad der Rudge Whitworth Co.
Die Steuerung geschieht durch Drehung des Steuerhebels, der am oberen Ende
einen Handgriff a trägt und am unteren Ende mit
einem Zahnrädchen, das in die Zähne der Steuerstange b eingreift, versehen ist. Der Korb für das Gepäck ist oberhalb, links
vom hinteren Steuerrad, zwischen dem hinten sich gabelnden Gestell auf Federn
gelagert.
Die Dreiradkutsche (Fig. 25) von Humber und Co. Ltd. England, schützt den Fahrer
gegen Regen, Strassenschmutz und Luftzug. Der leichte Schutzkasten besteht aus
einem Drahtgestell, das mit wasserdichtem Stoff überspannt ist.
Textabbildung Bd. 301, S. 180
Fig. 25.Dreiradkutsche von Humber und Co.
Textabbildung Bd. 301, S. 180
Fig. 26.Gestell Versteifung von Schlick.
Nach einer Erfindung von O. Schlick in Dresden
(Oesterreichisches Privilegium vom 19. Januar 1895) sind die Rohrwände an den,
besonders dem Durchfedern oder Brechen ausgesetzten Stellen verstärkt (Fig. 26). Diese Verstärkungen bilden keine
Ansätze, sondern verlaufen allmählich, a zeigt
einen Gestelltheil mit aussen cylindrisch, innen konisch verlaufend verstärktem
Rohrende; b einen Gestelltheil mit äusserlich
verstärktem, innen cylindrischem Rohrende; bei c
ist die Verstärkung innen und aussen angebracht; d
ist eine Lenkstange, welche die Verstärkung in der Mitte hat.
Dem leichten Brechen der Speichen hilft E. Kühne in
Biberist (Schweiz) durch Schweizer Patent Nr. 10737 dadurch ab, indem er
dieselben wie Fig. 27 zeigt, aus zwei
Aluminiumscheiben a, die schwach kegelförmig sind,
ersetzt. Jede dieser Scheiben a ist in der Mitte an
der Nabe b vernietet und hat in der Nähe des Randes
einen Hohlwulst c. In diesen Wülsten, zwischen den
beiden Scheiben befindet sich ein massiver Gummiring d, der die gegenseitige Reibung der Scheiben a verhindert und das Rad versteift. Zur Befestigung des
Pneumatikreifens e ist jede Scheibe nach aussen hin
rinnenförmig umgebogen. Eine kleine Röhre f die in
der Nabe b eingegossen ist, dient zur Schmierung
der Lager. Diese Aluminiumscheiben können entweder massiv oder beliebig
ausgestanzt und gepresst werden.
Textabbildung Bd. 301, S. 180
Fig. 27.Aluminiumscheiben von Kühne.
b) Fahrräder mit
Kraftbetrieb.
Seit längerer Zeit schon bemühten sich die Fabrikanten, die Fahrräder mit Motoren
auszustatten. Ein solches Motorzweirad (Fig. 28)
von N. S. Hopkins in Williamsville (New York) wird
durch Gasolin gespeist, das sich in dem am oberen Rahmenrohre befestigten
Aluminiumcylinder a befindet, von wo aus es durch
ein dünnes Rohr
b dem Motor zugeführt wird. Ein Ventil regulirt
die Menge des in den Motor gelangenden Gasolins, und zwar kann dasselbe mittels
einer Verbindungsstange c vom Sattel aus bethätigt
und regulirt werden. Von dem Carburetor, in dem das Gasolin mit der Luft
gemischt wird, gelangt die Mischung in den Compressor und danach in einen der
beiden Explosionscylinder. Hier wird das Gas mittels eines elektrischen Zünders
entzündet. Die Verwendung von zwei Cylindern ermöglicht es, bei jeder Umdrehung
der Welle einen Antrieb zu erhalten. Die elektrische Batterie ist in der
Satteltasche untergebracht, die Inductionsspule d
befindet sich unterhalb des oberen Rahmenrohres.
Textabbildung Bd. 301, S. 181
Fig. 28.Motorrad von Hopkins.
An der Rückseite der Welle befindet sich ein kleines Steuerrad, welches zusammen
mit einem etwas grösseren Rad zur Unterstützung des Hubes der Welle dient.
Dieses grosse Steuerrad ist beweglich und so angeordnet, dass der Motor mit den
Laufrädern sich ausser Contact setzen lässt, so dass das Rad auf gewöhnliche
Weise getreten werden kann. Bei Steigungen treten sowohl der Motor als auch die
Pedale in Thätigkeit. Alle arbeitenden Theile sind eingeschlossen. (Nach Scientific American vom 11. April 1896.)
Der in Fig. 29 dargestellte Motor (Englisches
Patent vom 28. October 1895) der Kane-Pennington
Company in Chicago zeichnet sich durch Einfachheit im Bau, geringe Zahl
der beweglichen Organe und Vermeidung aller Gefahren durch Beseitigung jeder
ausserhalb brennenden Flamme und Anwendung von Kerosin aus.
Textabbildung Bd. 301, S. 181
Fig. 29.Motor der Kane-Pennington Co.
a Nadelventil; b
Zündungsventil; c Kurbelgetriebeventil; d Flügelgetriebeventil.
Das in D. p. J. 1895 296
110 Fig. 42 beschriebene Zweirad ist mit diesem Motor ausgerüstet. Derselbe
wiegt 8 k und entwickelt 4 ¾ bei 700 Umdrehungen in der Minute.
Mit einer Batterie von 0,5 k Gewicht, einem 5 l fassenden Erdölbehälter und der
Maschine wiegt das Fahrrad im Ganzen 26 k; der Fahrer vermag mit demselben eine
Strecke von 1600 m in 58 Secunden zurückzulegen. Man hält dafür, dass die
Erdölmaschine ohne Nachtheil bis zu 2000 Umdrehungen in der Minute machen
könne.
Fig. 30, die wir Industries and Iron vom 15. Mai 1896 entnehmen, zeigt ein mit diesem
Motor ausgerüstetes Tandem, das Platz für 2 bis 3 Personen bietet. Die
Regulirung der Geschwindigkeit geschieht während der Fahrt durch den hinten
sitzenden Fahrer mittels des Geschwindigkeitsreglers c, während die Lenkung dieses Fahrzeuges durch beide Lenkstangen, die
durch Schienen e verbunden sind, geschieht.
Wird der Motor, wie in D. p. J. 1896 299 179 (Fig. 27), mit
einer Chaise verbunden, so wird dem Motor an der Welle x ein Schwungrad aufgekeilt. Eine solche Chaise wiegt 180 k und vermag
auf einer macadamisirten Strasse 32 bis 40 km in der Stunde zurückzulegen.
Textabbildung Bd. 301, S. 181
Fig. 30.Tandem mit Kane-Pennington Motor.
a Erdölbehälter; b Elektrische
Batterie; c Geschwindigkeitsregler; d Motor.
Ein Uebelstand, der den Motorrädern bis jetzt anhaftete, war das mangelhafte
Zünden und Functioniren der Benzinlampe, ebenso das schwierige Anbrennen
derselben. Dies fällt bei der elektrischen Zündung von H. W. Schladitz in Dresden ganz weg, ein Versagen ist nicht mehr
möglich und die Maschine steht immer zum Abfahren bereit. Zu diesem Zweck ist
über den beiden Cylindern ein Kasten mit zwei kleinen Accumulatoren angebracht,
wovon stets nur einer in Gebrauch ist. Ueber diesem Kasten ist ein
Inductionsapparat befestigt, von welchem aus Drähte nach den verschiedenen
Contacten führen. Beim Abfahren schaltet man mittels einer Schraube den
Inductionsapparat ein und sofort tritt der Motor in Thätigkeit. Der Wegfall der
Benzinlampe bedeutet eine bedeutende Ersparniss an Benzin; die Accumulatoren
reichen für eine Fahrroute von 1000 km aus. Die Füllung geschieht mittels einer
Elementbatterie, oder man gibt dieselbe zum Laden einer elektrischen Station.
Die Ladungskosten sind etwa 50 Pf.
(Schluss folgt.)