Titel: | Die Verwerthung der Jodzahl in der Analyse des Wollfettes. |
Autor: | W. Herbig |
Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 18 |
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Die Verwerthung der Jodzahl in der Analyse des
Wollfettes.
Von W.
Herbig.
Die Verwerthung der Jodzahl in der Analyse des
Wollfettes.
Vor längerer ZeitD. p. J. 1895 297
135 und 160. habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Jodzahl
zur Beurtheilung eines Wollfettes in der von mir damals angegebenen Weise verwerthet
werden könnte. Ich habe nun vorläufig für ein Wollfett, das durch Extraction von
südamerikanischer Rohwolle mit Aether dargestellt worden war, sich also von den
rohen technischen Wollfetten des Handels charakteristisch durch die Abwesenheit der
durch den Waschprocess hinzu gekommenen Seifenfettsäuren unterscheidet, die Jodzahl
in der Weise zur Anwendung gebracht, dass das Wollfett, wie früher beschrieben,
zunächst in einzelne Gruppen gespalten und von jeder Gruppe die Jodabsorption
bestimmt wurde.
Der Gedanke, welcher mich bei Anstellung dieser Versuche leitete, war der, aus der
Jodabsorption der einzelnen Gruppen ein vorläufiges Bild von der Menge bestimmter
ungesättigter Körper erlangen zu können, eventuell, wenn für verschiedene, aus
Rohwollen verschiedener Provenienz dargestellte Wollfette die Jodabsorption der
einzelnen Gruppen eine gewisse übereinstimmende Constanz aufweisen würde, weitere
Gesichtspunkte aus diesem Verhalten auch für die analytische Beurtheilung der rohen
technischen Wollfette mit Hilfe der Jodzahl gewinnen zu können.
Nachdem ich auf Grund der Bestimmung der Verseifungszahl der von mir früher
dargestellten WollfetteD. p. J. 1894 292 42
und 66. diese Reaction für eine sichere Beurtheilung des Werthes
resp. des Verhaltens der Wollfette als ungeeignet erkannt hatte (nicht, weil, wie
jetzt verschiedentlich behauptet wird, die Verseifungszahl für das Wollfett als
einem ganz ausser der Reihe der Fettkörper stehenden Stoff gar nicht verwendbar sei,
da das alkoholische Kali auch schon unter gewöhnlichen Verhältnissen das Wollfett
ausser in der Verseifung der Ester noch tiefer zersetzend angreife, sondern weil die
verschiedenen Wollfette gegenüber der Behandlung mit ½-normalalkoholischem Kali
Zahlen ergaben, die auf eine wesentlich verschiedene Zusammensetzung des Wollfettes,
namentlich in Bezug auf die Anwesenheit von Estern schliessen liessen), wollte ich
nunmehr versuchen, ob nicht etwa mit Hilfe der Bestimmung der Jodzahl, einer schnell
und exact auszuführenden quantitativen Reaction, die von mir gesuchten Anhaltspunkte
aufzufinden sein würden.
Leider muss ich nun jetzt schon, ohne diese Aufgabe für eine ganze Reihe von
Wollfetten in der nachher zu beschreibenden Weise zur Vollendung bringen zu können,
die bis jetzt erhaltenen Resultate publiciren, da mich eine Reihe anderer Arbeiten
noch für längere Zeit von der ausführlichen Bearbeitung dieser interessanten Fragen
abziehen wird, ich aber die gefundenen Zahlenwerthe nicht liegen lassen möchte. Ich
schicke gleich voraus, dass ich, bevor nicht diese Verhältnisse an mehreren
Wollfetten durchgreifend studirt worden sind, den von mir erhaltenen Zahlenwerthen
für die Beurtheilung der rohen technischen Wollfette und auch für die der daraus
hervorgegangenen Körper – Adeps lanae u.s.w. – zunächst keine grundlegende Bedeutung
beimesse; wohl aber zeigen die erhaltenen Zahlenwerthe in höchst charakteristischer
Weise die Anwesenheit grösserer Mengen ungesättigter, sowohl freier als mit
Fettsäuren zu Estern verbundener Alkohole an.
Eine grössere Menge Wollfett, 200 g, wurde mit ½-normalalkoholischer Lauge am
Rückflusskühler (in einer den quantitativen Versuchen entsprechenden Ausführung)
verseift, der Ueberschuss der Lauge mit der berechneten Menge Salzsäure
zurücktitrirt, aber so, dass noch ein geringer Ueberschuss an Aetzkali bestehen
blieb. Alsdann fällt man mit Chlorcalcium die Kalksalze in bekannter Weise aus und
verfährt im Uebrigen so, wie ich bei der quantitativen Bestimmung des unverseifbaren
Antheils (loc. cit.) angegeben habe. Die getrockneten Kalksalze wurden extrahirt,
der vom Aceton befreite Rückstand in seiner ätherischen Lösung wiederholt mit Wasser
gewaschen, der Aether abdestillirt und der Rückstand im Vacuum über Schwefelsäure
bei 50° C. getrocknet; man erhielt ihn so sehr schnell wasserfrei.
Der braungefärbte Rückstand ist in der Tabelle mit EI bezeichnet. Die Kalksalze wurden mit Salzsäure zerlegt, in Aether
aufgenommen, bis zum Verschwinden der sauren Reaction mit Wasser gewaschen und nach
dem Abdestilliren des Aethers in gleicher Weise, aber bei niedrigerer Temperatur
getrocknet. In der Tabelle sind diese Fettsäuren als Fettsäuren II aufgeführt. Das
Filtrat der obenerwähnten Kalksalze wurde bei gelinder Temperatur, etwa 60°, zur
Trockene verdampft, alsdann mit heissem absolutem Alkohol, in dem die
wasserlöslichen Kalksalze des Wollfettes sich sehr leicht lösen, ausgezogen, der
Alkohol vollständig abdestillirt und die freien Fettsäuren wie oben dargestellt. Die
Zerlegung dieser in Wasser löslichen Kalksalze wird indessen besser so vorgenommen,
dass man die Kalksalze durch Kochen mit Sodalösung erst in die Natronsalze überführt
und diese letzteren mit einem möglichst geringen Ueberschuss von Säure zerlegt, da
bei der Behandlung mit Salzsäure sich schwarze harzige Producte abscheiden und die
so dargestellten Fettsäuren tiefschwarz gefärbt erscheinen, einen scharfen
beissenden Geruch besitzen und dickflüssige Consistenz aufweisen, während im anderen
Falle dieselben als gelbliche, charakteristisch nach niederen Fettsäuren riechende,
dickflüssige Massen erhalten werden. Dieselben sollen als Fettsäuren I bezeichnet
werden. Ein Theil des Extractes I wurde mit doppeltnormalem alkoholischem Kali unter
Druck verseift und alsdann wie oben verfahren. Der so gewonnene Extract, in der
Tabelle mit En bezeichnet, zeigt eine helle gelbbräunliche Farbe, ist geruchlos und
wird beim Stehen hart und spröde. Die geringe Menge der Kalksalze, die hier bei der
Extraction zurückblieben, ergab nach der Zerlegung eine Säure vom Molekulargewicht
392. Ihre Menge beträgt ungefähr 5 Proc. des angewendeten Wollfettes. Sie sei
bezeichnet als Fettsäure III. Extract II löst sich äusserst leicht in sämmtlichen
organischen Lösungsmitteln. Man erhält, wiederholt aus Aceton umkrystallisirend,
einen bei 127° nicht scharf schmelzenden, weissen, pulverförmigen Körper, der sich
unter dem Mikroskop als ein Gemisch zweier Substanzen erwies, von denen die eine in
äusserst kleinen t Nadeln, während die zweite in
grossen, rechteckig begrenzten Blättern, welche genau das Aussehen des aus Alkohol
sich ausscheidenden Cholesterins besitzen, krystallisirend erkannt wurde. In der
Tabelle ist der aus Extract II so erhaltene Körper mit AI
u. II bezeichnet. Die Krystallisationsmutterlauge hinterliess nach der
Entfernung des Lösungsmittels eine geringe Menge einer gelben schwerflüssigen
Substanz, welche ich als Am in der Tabelle aufführe. Von diesen Gruppen ist die
Jodzahl bestimmt worden von EI, EII, AI u. II, AIII und Fettsäuren II, während Fettsäuren I und III
vorläufig nicht mit zur Untersuchung herangezogen worden sind, da die Jodzahlen der
EI, EII, AI u. II, Am und Fettsäuren II unzweifelhaft am
wichtigsten für die Beurtheilung in der von mir erstrebten Richtung sein mussten.
Endlich habe ich auch von reinem Cholesterin (Kahlbaum, Schmelzpunkt 147°) die
Jodzahl bestimmt, um die Verhältnisse festzustellen, welche für diese ungesättigten
Körper in Betracht kommen.
Was die Ausführung anbetrifft, so ist die mit der abgemessenen Jodlösung versetzte
Chloroformlösung der zu untersuchenden Substanzen stets an einem Orte von sehr
gleichmässiger mittlerer Temperatur von 17,5° C. im zerstreuten Tageslicht der
Einwirkung überlassen worden. Im Uebrigen wurde dem in Benedict, Analyse der Fette und
Wachsarten, angegebenen Verfahren gefolgt;
zugleich aber sind eingehendere Versuche über die Dauer der Einwirkung und die
nothwendige Anwesenheit eines Jodüberschusses angestellt worden, welche die von HoldeChemiker-Zeitung, 1892 S. 1176. und
FahrionChemiker-Zeitung, 1891 S. 1791; 1893 S. 1100;
1892 S. 1472. darauf gerichteten bezüglichen Bemerkungen im
vollen Umfange bestätigen. Beiläufig will ich aber bemerken, dass die Abmessung der
Jodlösung in der von Benedict angegebenen Weise
(Ablaufenlassen einer Pipette in einer für alle Versuche einzuhaltenden
gleichartigen Weise) von mir für die vorliegenden Bestimmungen nicht benutzt wurde.
Abgesehen davon, dass man in diesem Falle die Menge der anzuwendenden Jodlösung nur
innerhalb sehr weiter Grenzen, von 25 zu 25 cc, variiren kann, so muss noch
besonders hervorgehoben werden, dass bei Arbeiten, die, wie eben die Bestimmung der
Jodzahl, eine subtile Beobachtung aller einzelnen Punkte des Verfahrens seitens des
Experimentators erfordern, wenn die geforderte Uebereinstimmung erreicht werden
soll, besser die Abmessungen mit der Bürette vorgenommen werden, da anderenfalls
Fehler und Täuschungen doch zu leicht unterlaufen können. Zu gleicher Zeit scheint
mir nach meinen bisherigen Erfahrungen die Bemerkung sehr angebracht, dass nur mit
Hilfe der exactesten Beobachtung Verseifungszahlen und Jodzahlen von guter
Uebereinstimmung sein werden. Bei allen Versuchen, die von mir bis jetzt über diese
beiden Reactionen am Wollfett angestellt wurden, sind stets Büretten verwendet
worden, deren Graduirungen durch sehr genaues Auswägen corrigirt worden sind. Dabei
stellen sich sehr oft Fehler der Graduirung heraus, die zu sehr merklichen
Differenzen bei Controlbestimmungen führen können. Ferner ist namentlich bei
Verwendung alkoholischer Flüssigkeiten, Kalilauge und Jodlösung, bei deren grösserem
Ausdehnungsvermögen, die Berücksichtigung gleichmässiger Temperaturen und die
Benutzung von Glashahnbüretten mit Verschlusstopfen (eingeschliffen mit seitlicher
Oeffnung) zu empfehlen und schliesslich ist die Ablesung mit Schwimmer und Lupe ein
weiteres Moment, welches das Gelingen einer guten Uebereinstimmung der Resultate
fördern wird. Im Allgemeinen wird man für technisch-analytische
Untersuchungsmethoden die von mir hier aufgebotene Genauigkeit überflüssig erklären
können, im Besonderen aber habe ich für diese Fragen, deren experimentelle
Beantwortung seit längerer Zeit von mir in die Hand genommen worden ist, die
angedeuteten Vorsichtsmaassregeln durchaus für nothwendig befunden.
Nach den in Benedict, Analyse der Fette und Wachsarten,
die Bestimmung der Jodzahl einleitenden Worten bildet dieselbe im Allgemeinen ein
Maass für den Gehalt eines Fettes an ungesättigten Fettsäuren bezieh. Estern
derselben. Man soll danach von trocknenden Oelen 0,15 bis 0,18 g, von nicht
trocknenden 0,3 bis 0,4 g, von festen Fetten 0,8 bis 1 g in 10 cc Chloroform lösen.
25 cc Jodlösung zugeben; bei grösseren Mengen, 0,3 bis 0,4 g, trocknender Gele soll
man 50 cc Jodlösung verwenden. Die Zahlen sollen constant sein, wenn der Ueberschuss
der verwendeten Jodlösung über 30 Proc. der verbrauchten beträgt. Die trocknenden
Oele zeigen alle eine sehr hohe Jodzahl: Leinöl 158, Hanföl 143, Mohnöl 136, so
dass, wenn wir die
hier vorgeschriebene Menge von 50 cc bei 0,4 g mit den, wie zu ersehen, auf im
Durchschnitt 0,7 g verwendetes Cholesterin einwirkenden Jodmengen vergleichen,
ungefähre Analogie besteht. Wenn ich zunächst näher auf diesen Punkt eingehe, so ist
Folgendes zu bemerken. Meines Wissens ist über die Jodabsorption anderer
ungesättigter Körper als die der Fettsäuren (wenn ich die von Wislicenus-Moldenhauer, Annalen, Bd. 146 S. 178,
beobachtete Bromaddition des Cholesterins nicht unerwähnt lassen will) keine Angabe
in der Litteratur über den Verlauf des Processes zu finden. Ungesättigte Alkohole,
wie das Cholesterin, können ausser der Jodaddition sehr leicht aber auch
Jodsubstitution erfahren, indem die Hydroxylgruppe durch Jod ersetzt wird. Es ist
dies sogar die einfachste Erklärung für die Abweichungen, die in der Bestimmung der
Jodzahl eines reinen Oeles so oft gefunden werden. Die von Gantter (Chemiker-Zeitung, Repert. 1893 S.
111) gefundene Jodabsorption der reinen gesättigten Fettsäuren ist meines Wissens
von anderen Seiten nicht bestätigt worden bezieh. nicht weiter verfolgt worden. Es
schien daher nothwendig, durch Versuche klarzustellen, ob das Cholesterin in der
Jodabsorption sich den ungesättigten Fettsäuren analog verhält. Das Weitere ist aus
der Tabelle zu ersehen.
Bei Versuch 15 beträgt der Ueberschuss der Jodlösung gerade 30 Proc., trotzdem fällt
auch nach 24stündiger Reactionsdauer die Jodzahl um 11,7 Proc. zu niedrig aus.
Dieser Versuch 15 zeigt von allen am Cholesterin angestellten die ungünstigsten
Verhältnisse; in Versuch 2 beträgt der Ueberschuss bei 5stündiger Einwirkung 61
Proc. und doch bleibt das Resultat um 10,15 Proc. hinter der Theorie zurück und
ebenso weicht bei Versuch 1 bei derselben Versuchsdauer und 70 Proc. Jodüberschuss
die Jodzahl immer noch um 2 Proc. von der verlangten Grösse ab; also auch ein
grosser Ueberschuss von Jodlösung vermag bei einer kurzen Dauer der Einwirkung das
Ende der Jodaddition nicht zu erreichen. Constante Werthe erhält man nach Versuch 9,
10 und 11, auch bei geringerem Ueberschuss, welcher aber in diesen Versuchen doch
mehr als 50 Proc. beträgt, nur bei längerer Einwirkung der Jodlösung, in diesen drei
Fällen zu 10 Stunden. Aber auch nach der anderen Seite zeigt das Cholesterin, wie
Versuch 12 und 13 zu beweisen scheinen, bei längerer Einwirkung der Jodlösung ein
abweichendes Verhalten. In diesen eben citirten Fällen steigt bei einem Ueberschuss
von 45 Proc. und 18stündiger Einwirkung die Jodzahl um etwa 5 Proc. höher, als die
Theorie erfordert, von 63,3 auf 73. Dieses Plus ist zweifelsohne einem Nebenprocess,
vielleicht einer Substitution, zuzuschreiben, die, wie es scheint, nach Vollendung
der Addition ziemlich leicht vor sich geht. In dieser Beziehung verhält sich also
das Cholesterin sehr verschieden von den ungesättigten Fettsäuren, bei denen auch
bei längerer Einwirkung eine Schwankung in den Werthen der Jodzahl nicht zu bemerken
ist. Die Substitution der Hydroxylgruppe durch Halogene ist bei den Alkoholen der
Fettreihe, namentlich den niederen Gliedern derselben, eine bekannte Reaction,
während dieselbe bei den Phenolen ungleich schwerer eintritt. Das Cholesterin,
welches ebenfalls zu den Alkoholen der aromatischen Reihe gezählt wird, scheint
demnach in diesem Punkte mehr der Reaction der Methanderivate zu folgen. Diese
Nebenreaction scheint auch die Ursache zu sein, dass es beim Cholesterin, wie
die Versuche lehren, nur unter ganz bestimmten gleichmässigen Versuchsbedingungen
gelingt, übereinstimmende Werthe zu erhalten. Nach Versuch 9, 10 und 11 würde also
bei einem Jodüberschuss von 50 bis 80 Proc. die Einwirkungsdauer 10 bis 6 Stunden
betragen müssen. Dass die Jodabsorption nicht der der ungesättigten Fettsäuren
entspricht, zeigt des Weiteren noch eine Erscheinung, die bei der Titration des
überschüssigen Jods sofort auffällt. Während nämlich die ungesättigten Fettsäuren
das addirte Jod auch nach der Titration des Reactionsgemisches immer einige, wenn
auch nicht sehr lange Zeit festhalten und die später erfolgende Jodabscheidung sich
nur innerhalb enger Grenzen bewegt, findet beim Cholesterin schon während der
Titration fortdauernd Abscheidung von Jod statt. Die über dem Chloroform stehende
Flüssigkeit zeigt schon nach einer halben Minute wieder deutliche Blaufärbung, deren
Farbe mit der Zeit an Tiefe stetig zunimmt. Die Titration muss demnach sehr schnell
vorgenommen werden. Eigenthümlicher Weise zeigte genau dasselbe Verhalten Extract
Ei, während das von Fettsäuren II addirte Jod sehr lange gebunden bleibt. Der in
Extract I befindliche ungesättigte Körper verhält sich in Bezug auf Jodabsorption
dem Cholesterin durchaus ähnlich. In gleicher Weise wurden, wie am Cholesterin, an
dem reinen Wollfett durch Versuche die Arbeitsbedingungen festgestellt. Auch hier
ist wieder bei grossem Jodüberschuss bei 3stündiger, ebenso wie 6stündiger
Einwirkung keine Constanz zu erzielen. Diese tritt, trotz der verhältnissmässig
niedrigen Jodzahl des Wollfettes, erst bei längerer Einwirkung und bei grossem
Jodüberschuss, bei Versuch 24 bis 29 bis zu 80 Proc., ein. Die Jodaddition von EI zeigt, wie schon erwähnt, mit derjenigen des
Cholesterins annähernden Parallelismus. In Versuch 36, 43 und 44 beträgt der
Ueberschuss der Jodlösung 65 bis 68 Proc., während derselbe für alle anderen
Versuche von 47 bis 57 Proc. variirt. Die Jodzahlen erreichen demnach erst in
Versuch 36, 43 und 44 übereinstimmende Grössen, während die übrigen um 2 bis 5 Proc.
differiren. Bei den übrigen Gruppen EII, AI u. II und Am wurden in der Folge diese Erfahrungen
so verwerthet, dass mit bedeutendem Jodüberschuss und langer Dauer der Einwirkung
der Jodlösung constante Jodzahlen erhalten werden konnten.
Laufende Nr.
Substanz
Dauer derEinwirkung
An-gewen-deteSub-stanzin
g
An-gewen-detesJod ing
Absor-birtesJod ing
Jodzahl
UeberschüssigeJodlösung inProc. der
ange-wendeten Menge
Cholesterin
1
5
0,4368
0,9,3912
0,28993
66,37
69
2
5
0,6169
0,93912
0,35871
58,13
62
3
5
0,6643
0,93912
0,3756
56,53
60
4
5
0,6065
0,73957
0,36704
60,51
54
5
5
0,6480
0,73957
0,38125
58,83
49
6
6
0,5935
0,68543
0,34622
58,34
49
7
6
0,5970
0,68543
0,34772
58,24
49
8
6
0,7005
0,68543
0,4098
58,50
42
9
10
0,5831
0,93686
0,39913
68,45
57
10
10
0,6692
0,93686
0,45753
68,37
51
11
10
0,6701
0,93686
0,45902
68,50
51
12
18
0,5537
0,73421
0,40601
73,32
45
13
18
0,7252
0,9784
0,52899
72,94
46
14
24
0,6837
0,6835
0,4408
64,47
35,5
15
24
0,8420
0,6835
0,4766
56,80
30
Laufende Nr.
Substanz
Dauer derEinwirkung
An-gewen-deteSub-stanzin
g
An-gewen-detesJod ing
Absor-birtesJod ing
Jodzahl
UeberschüssigeJodlösung inProc. der
ange-wendeten Menge
Amerik. Wollfett
16
3
0,7705
0,71275
0,11684
15,16
83
17
3
1,2742
0,71258
0,1750
13,73
75
18
3
0,8734
0,68132
0,1205
13,79
82
19
3
1,1998
0,68132
0,1566
13,05
77
20
6
0,9673
0,68132
0,1504
15,54
77
21
6
1,1903
0,68132
0,17898
15,10
73
22
6
1,3432
0,68132
0,19873
14,80
70
23
6
1,3630
0,68132
0,20136
14,80
70
24
18
0,9440
0,9816
0,22218
23,53
77
25
18
1,0117
0,9816
0,2333
23,06
76
26
24
0,7076
1,3232
0,17699
23,60
86
27
24
0,8521
0,9727
0,20092
23,57
79
28
24
0,9175
1,3232
0,2158
23,53
83
29
24
0,9370
1,0006
0,22056
23,54
77
Fettsäure II
30
18
0,6924
0,98159
0,03407
4,95
96
31
18
1,0266
0,98159
0,0493
4,80
95
32
24
0,8399
0,97269
0,0414
4,92
95
33
24
0,8915
1,3232
0,0434
4,86
96
34
24
0,9529
0,97269
0,0458
4,80
95
35
24
1,1102
1,3232
0,05147
4,63
96
Extract EI
36
18
0,8937
1,3232
0,46261
51,71
65
37
18
0,9745
0,98159
0,47527
48,77
51
38
18
1,0220
0,98159
0,49571
48,50
49
39
18
1,2711
1,3232
0,62914
49,50
52
40
20
0,8363
0,9233
0,39552
47,30
57
41
20
0,9512
0,9233
0,44524
46,80
52
42
20
1,0113
0,9233
0,4722
46,69
47
43
24
0,6889
0,9727
0,35603
51,68
64
44
24
0,8207
1,3232
0,42504
51,79
68
Extract EII
45
16
0,4439
1,04846
0,30028
67,64
71
46
16
0,4950
1,04846
0,33462
67,60
68
47
16
0,5013
1,04846
0,33778
67,38
68
48
16
0,5534
1,04846
0,37353
67,50
64
AI u. II
49
16
0,3449
1,04846
0,22803
66,11
78
50
16
0,3942
1,04846
0,26322
66,80
75
51
16
0,4310
1,04846
0,28714
66,61
72
52
16
0,5580
1,04846
0,37353
66,94
64
AIII
53
16
0,3541
1,04846
0,20809
58,70
80
54
16
0,8467
1,04846
0,4826
57,00
54
Das aus den erhaltenen Zahlenwerthen zunächst in die Augen springende Ergebniss ist
jedenfalls: dass im Wollfett eine grosse Menge ungesättigter Verbindungen, sei es in
der Form von Alkoholen oder von Fettsäureestern dieser Alkohole, anwesend sind, dass
aber die Fettsäuren, wie aus den Zahlen der Gruppe Fettsäuren II hervorgeht, in der
überwiegenden Menge gesättigte sind. Wenn man das Molekulargewicht der Oelsäure als
Typus der ungesättigten Fettsäuren hier in Betracht zieht, so berechnet sich der
Gehalt der Fettsäuren II an Oelsäure aus dem Durchschnittswerth der Jodzahlen zu
5,37 Proc. Naturgemäss muss in Folge dessen der Gehalt des ursprünglichen Wollfettes
an dieser Säure bezieh. Ester dieser Säure entsprechend niedriger sein, eine
Thatsache, welche, sobald sich ihre Allgemeinheit noch an anderen Wollfetten
erproben wird (ich verstehe hier darunter nur selbst dargestellte Wollfette), für
die Beurtheilung der rohen technischen Wollfette ausschlaggebend werden kann. Der
Extract I, welcher nach der Verseifung des Wollfettes am Rückflusskühler erhalten
wurde, demnach, wenn ich die für das Wollfett bis jetzt angenommenen vorhandenen
Körperklassen berücksichtige, aus Cholesterin und den schwer verseifbaren
Fettsäurecholesterinestern besteht und letztere hauptsächlich als
Cerotinsäureester angesprochen werden sollen, lässt sich zur Berechnung des
Cholesterins aus der ihm zugehörigen Jodzahl in Verbindung mit den Jodzahlen von
EII und AI u.
II, wie ich nachher zeigen werde, vortheilhaft verwenden. Die Jodzahlen von
AI u. II, welch letzterer durch Umkrystallisiren
von En dargestellt worden ist, und die Jodzahl von En selbst haben eine der Jodzahl
des Cholesterins sich stark nähernde Grösse. AI u.
II nämlich, mit im Durchschnitt 66,61, differirt um 1,6 Proc. und EII, mit 67,56 Proc. differirt um 0,7 Proc. von der
Jodzahl des Cholesterins 68,28. Am, welcher in der Hauptsache noch die Körper AI u. II in sich birgt (der Jodzahl nach berechnet zu
87 Proc.) und nur geringe Mengen eines gelbbraun gefärbten sehr niedrig schmelzenden
Körpers aufweist, nähert sich in Folge dessen mit seiner Jodzahl 58 ebenfalls der
des Cholesterins. Man kann wohl sagen, EII besteht
zum allergrössten Theile aus AI u. II, verunreinigt
durch den in AIII befindlichen braunen Körper.
Im Folgenden will ich nun versuchen, aus diesen Jodzahlen unter der Annahme, dass En
und AI u. II, von den geringen Abweichungen der
Jodzahl absehend, wesentlich nur aus Cholesterin bestehen, den Gehalt des Extractes
EI an Cerotinsäurecholesterinester und freiem
Cholesterin zu berechnen. Wenn wir ein Gemisch zweier ungesättigter Verbindungen von
bekannter Jodzahl und gegebenem Molekulargewicht haben, so lässt sich der
Procentgehalt der Mischung aus den Gleichungen berechnen.
x + y =
100
x.i1
+ y.i2 = i.100
wobei x den Procentgehalt an
Ester, i1 die Jodzahl
des Esters, y den Procentgehalt an Cholesterin, i2 die Jodzahl
desselben und i die Jodzahl der Mischung bedeuten. Die
Jodzahl des Cerotinsäureesters ist 33,1, die des Cholesterins 68,3, die der Mischung
51,71. Danach ergibt die Berechnung 47,35 Proc. Ester und 53,15 Proc. freies
Cholesterin. Wenn in diesem Falle x + y = 100,5 ergibt,
so muss die Differenz darin ihren Grund finden, dass wir die Berechnung des
Verhältnisses mit Hilfe der Jodzahl 68,3 vorgenommen haben, während doch durch den
Versuch 67,56 für En gefunden worden ist, und, wenn wir die Jodzahl von AI u. II zur Berechnung heranziehen, 66,61 eingesetzt
werden muss. Denn stellen wir in die Gleichungen nach einander die Werthe 67,56 und
66,61 ein, so ist für den ersten Fall x = 45,99, y = 54,00, x + y = 99,99 und für den zweiten Fall x = 44,46, y = 55,53, x + y = 99,99. Man sieht:
der Fehler, der dadurch begangen wird, dass man an Stelle der Jodzahl des
Cholesterins die durch den Versuch gefundenen einsetzt, ohne zu gleicher Zeit an der
Jodzahl des Cerotinsäureesters die in Folge dieser Abänderung nöthig werdende
Correctur vorzunehmen, ist so unbedeutend, dass er vernachlässigt werden kann. Es
wird vielmehr den thatsächlichen vorwaltenden Verhältnissen näher gekommen, wenn wir
66,61 als Jodzahl den Berechnungen zu Grunde legen, da En ja aus diesem Körper mit
der Jodzahl 66,61 sich wesentlich zusammensetzt. Nun beträgt der Ueberschuss der
Jodzahl des Extractes En über diejenige des Extractes EI 67,56 – 51,71 = 15,85. Dieses Plus, welches EII mehr an Jod zur Addition verbraucht, entspricht der Jodmenge, welche
das aus vorhandenem Cerotinsäurecholesterinester gebildete freie Cholesterin
absorbiren muss. Aus den oben berechneten 45,99, rund 46 g des Esters, die in 100 g
des Gemisches enthalten sind, entstehen bei der Verseifung unter Druck 22,40 g Cholesterin
und diese würden 15,13 g Jod addiren. Verseifen wir nun 100 g des Extractes EI unter Druck, so würden wir nach den vorhergehenden
Angaben erhalten 54 + 22,4 = 76,4 g Cholesterin und diese würden 51,61 g Jod addiren
können. Die Jodzahl des so erhaltenen Extractes En würde alsdann sein müssen
\frac{51,61\,.\,100}{76,4}=67,50. Durch das Experiment ist
dieselbe gefunden worden zu 67,56. Führen wir die Rechnung unter Zugrundelegung der
Jodzahl 66,61 durch, so finden wir, dass aus 100 g des Extractes EI entstehen insgesammt 55,53 + 21,64 = 77,17
Cholesterin (oder richtiger ein Körper mit der Jodzahl 66,61); diese absorbiren
51,40 g Jod und die Jodzahl des Extractes EII ergibt
sich zu \frac{51,4\,.\,100}{77,17}=66,74 anstatt 67,56. Die
Differenz zwischen Rechnung und Versuch ist in letzterem Falle also 0,82 Proc. der
Jodzahl. Es ist klar, dass, wenn wir die Jodzahl des in Ei befindlichen Esters
aufstellen, unter der Bedingung, dass mit der Säure ein Alkohol verbunden ist,
dessen Jodzahl 66,61 ist, diese Jodzahl nur um ein sehr Geringes von der des
Cholesterinesters 33,1 differiren wird, so dass wir unbedenklich den Fehler
vernachlässigen können. Die Uebereinstimmung zwischen Versuch und Berechnung ist so
auffällig, dass die Annahme eines ungesättigten Körpers, der dasselbe oder nahezu
dasselbe Molekulargewicht hat wie Cerotinsäurecholesterinester, und die weitere
Anwesenheit des unverbundenen Alkohols in Extract Ei gerechtfertigt erscheinen muss.
Zu den Beziehungen, welche die Jodzahlen des ursprünglichen Wollfettes = 23 und
diejenigen der Extracte Ei bezieh. En erkennen lassen, sei Folgendes bemerkt: Die
Jodzahl des ursprünglichen Wollfettes setzt sich zusammen aus der Jodabsorption des
freien Cholesterins, zweitens derjenigen des Oelsäurecholesterinesters und drittens
der übrigen Fettsäurecholesterinester. Die Jodzahl des Laurinsäureesters z.B. liegt
bei 45,6, die des Palmitinsäureesters bei 41,3, die des Oelsäureesters bei 79,5, die
des Cerotinsäureesters bei 33,1, die des freien Cholesterins 68,28. Bei der Höhe der
Jodzahl des freien Cholesterins und des Oelsäurecholesterinesters müsste, wenn
grössere Mengen dieser beiden Körper im ursprünglichen Wollfett vorhanden wären, die
Jodzahl desselben viel höher liegen. Es scheint demnach, dass in der Hauptsache das
Cholesterin gebunden an Fettsäuren auftritt. Wie aus den vorher aufgeführten
Jodzahlen einiger Fettsäureester des Cholesterins zu ersehen, fällt mit der Erhöhung
des Molekulargewichts der Säure die Jodzahl bedeutend ab; da ferner Oelsäure, wie
festgestellt wurde, nur in sehr geringer Menge in den Fettsäuren II vorhanden ist,
so werden die im Wollfett enthaltenen Ester in der Hauptsache Verbindungen von
Fettsäuren mittleren Molekulargewichts, vielleicht von der Palmitinsäure aufwärts,
darstellen, während niedere Fettsäureester wie der Laurinsäureester mit der Jodzahl
45,6, Capronsäureester mit der Jodzahl 53,8 und Buttersäureester mit der Jodzahl
57,2 nur in sehr geringer Menge vorhanden sein dürften. Dafür, dass das Cholesterin
im ursprünglichen Wollfett in der Hauptsache gebunden sein muss, spricht auch die
nach der Verseifung des Wollfettes entstehende beträchtliche Erhöhung der Jodzahl
des Extractes EI.
Wie hier unter Benutzung der Jodzahl, habe ich früher an den Verseifungszahlen der
Verseifungen am Rückflusskühler und unter Druck unter Bezugnahme auf die
gewichtsanalytische Bestimmung der nach beiden Verseifungsarten zu gewinnenden
Acetonextracte die gleiche Uebereinstimmung, so weit es die Genauigkeit der Methoden
ermöglichte, zwischen Versuch und Rechnung nachzuweisen vermocht, wobei dieselbe
Annahme der Anwesenheit von Cerotinsäurecholesterinester gemacht wurde. Auch im
vorliegenden Falle, mit Hilfe eines Verfahrens, dessen Exactheit jedenfalls, soweit
die Jodtitration in Betracht kommt, von keiner Seite angefochten werden kann, habe
ich diese Annahme von Neuem durch den Versuch bestätigt gefunden: nämlich, dass der
Extract EI, erhalten nach der Verseifung am
Rückflusskühler, wesentlich freies Cholesterin und schwerverseifbare Ester desselben
mit einer hochmolekularen Fettsäure enthält, während Extract En, erhalten aus Ei
durch die Verseifung unter Druck, im Wesentlichen aus Cholesterin bezieh. einem
diesem nahestehenden Alkohol besteht. Einem blinden Spiel des Zufalls wird man diese
Uebereinstimmung wohl kaum zuschreiben dürfen, namentlich unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass bei der quantitativen Verseifung des Extractes I unter Druck die
Verseifungszahl 32,45 erhalten wird, während unter Zugrundelegung der aus der
Jodzahl erschlossenen Zusammensetzung des Extractes I, der danach aus 44,5 Proc.
Cerotinsäurecholesterinester und 55,5 freiem Cholesterin besteht, die erhaltene
Verseifungszahl sein müsste 32,61. Wenn ich mich auch vor der Hand von diesen
Ergebnissen zu weitergehenden Schlüssen nicht verleiten lassen möchte, so ist
jedenfalls, ganz abgesehen davon, ob der fragliche Ester in Extract Ei wirklich
Cerotinsäurecholesterinester ist, oder ob vielleicht der Ester einer anderen Säure
mit einem anderen ungesättigten Alkohol von gleich hohen Molekulargewichten
nachzuweisen sein wird, aus diesen Resultaten zu entnehmen, dass die Methode der
fractionirten Verseifung, mit Hilfe welcher die einzelnen Gruppen zu erhalten sind,
nicht jene von anderer Seite vermeintlich auftretende tiefergehende Zersetzung der
im Wollfett enthaltenen Körper herbeiführt. Wenn solche Vorgänge in Wirklichkeit
stattgefunden hätten, so ist die in zwei ganz unabhängigen Fällen mit Hilfe total
verschiedener Reactionen und Untersuchungsmethoden erreichte Uebereinstimmung
zwischen Rechnung und Beobachtung zum mindesten höchst beachtenswerth. Näher auf die
Controverse einzugehen, liegt ausserhalb des Rahmens der vorliegenden Untersuchung.
Eingehender werde ich bei Besprechung der von mir bereits angekündigtenD. p. J. 1896 301 114 u. ff. und theilweise
beendeten Versuche über quantitative Verseifung unter Druck höhermolekularer
Fettsäureester darauf zurückkommen. Ich möchte aber (namentlich unter Bezugnahme auf
die oben citirte Arbeit von Henriques), nachdem nun
seit längerer Zeit in den die Verseifung des Wollfettes behandelnden Arbeiten
anderer Autoren immer von Neuem Zersetzungen, Spaltungen, Oxydationen u.s.w. als
diejenigen Reactionen hingestellt werden, welche die Verseifung des Wollfettes in
quantitativer Richtung unmöglich machen, doch die Frage auf werfen: Wie finden die
Zersetzungen statt, an welchen Körpern ist die zersetzende Wirkung des alkoholischen
Kalis als möglich denkbar? Es liegt mir vollständig fern, jetzt diese Fragen
abschliessend beantworten zu wollen. Aber in keiner der citirten Arbeiten ist auch
nur annähernd genügendes experimentelles Material vorzufinden, welches zu einer
Entscheidung über wirklich eingetretene Spaltungen u.s.w. heranzuziehen wäre. Im
Wollfett sind, das ist bis jetzt unzweifelhaft nachgewiesen, neben freien Fettsäuren
nur Fettsäureäther ungesättigter Alkohole und freie AlkoholeSchulze, Zeitschrift für
Chemie, 1870; Journal f. pr. Chemie
1873 S. 163 und 453. vorhanden. Von mir wurde festgestellt,D. p. J. 1896 299 233 bis 256. dass Oelsäure und
Cholesterin bei der Behandlung mit alkoholischem Kali unter Druck nennenswerthe
Mengen von Aetzkali nicht beanspruchen; und wie ich jüngstD. p. J. 1896 301 190. gezeigt habe, hat der
Cerotinsäurecholesterinester bei der Verseifung am Rückflusskühler und unter Druck
durchaus das erwartete Verhalten erkennen lassen. Es kommen bei Erörterung der
obengestellten Fragen nur drei Körpergruppen: Fettsäuren und ungesättigte Alkohole,
nebst deren Ester in Betracht. Welche specifische Wirkung des alkoholischen Kalis
bei den Versuchsbedingungen, unter denen die Druckverseifungen stattfinden (2,5 bis
3 at Druck), auftreten soll, ist nur schwierig discutirbar. Denn, wenn wir die
Reductionswirkung des alkoholischen Kalis, welche dieses z.B. auf Nitrokörper
ausübt, heranziehen wollen, so wäre für die vorliegenden Körpergruppen schwer zu
sagen, wie sich diese äussern sollte. Auch ein polymerisirender Einfluss des Kalis
auf das abgespaltene Cholesterin, ebenso wie die Annahme von Condensationen zwischen
dem Cholesterin und dem Oxydationsproduct des Alkohols, dem Aldehyd, der vielleicht
entsteht, oder endlich gar eine wasserentziehende Eigenschaft des alkoholischen
Kalis annehmen zu wollen, die das Cholesterin in einen Kohlenwasserstoff überführen
könnte, sind sämmtlich Hypothesen, die dem Charakter der Wirkungsweise dieses Agens
entschieden widersprechen. Um endlich noch kurz auf die Farbe des
Verseifungsgemisches zu kommen, die als Kriterium für eingetretene Zersetzungen mit
angeführt wurde, so führe ich nur an, dass die reinen Ester bei der Verseifung am
Rückflusskühler farblose Lösungen geben und dass bei der Druckverseifung jene
weingelbe Farbe des Verseifungsgemisches erscheint, die farbloses alkoholisches Kali
allein bei dieser Behandlung ebenfalls erkennen lässt. Jedenfalls sind es andere
Körper, die die Farbe des verseiften Wollfettes beeinflussen, nicht
Zersetzungsproducte, die bei gewöhnlicher Verseifung eines Esters bis jetzt von
keiner Seite als Nebenreactionen beobachtet wurden, da sonst die mathematische
Behandlung des Verseifungsprocesses, wie ihn Nernst im
dritten Buche seiner theoretischen Chemie bespricht, zu ganz anderen Ergebnissen
geführt haben würde, als sie mit Hilfe der daselbst verwendeten
Differentialgleichung in so vorzüglicher Uebereinstimmung gefunden worden sind. Die
mathematische Behandlung dieser Frage auch auf höhere Fettsäureester auszudehnen,
ist sehr wohl möglich; gerade die theoretische Behandlung des Verseifungsprocesses
zeigt deutlich genug, dass zum Zustandekommen einer vollständig verlaufenden
Reaction bei der Verseifung höherer Fettsäureester nur die Anwendung höherer
Temperatur und eventuell höheren Druckes bis zum vollständigen Verbrauch der einen
Molekülgattung, hier des Esters, führen wird. Gerade die Reicher'sche ArbeitLiebig's Annalen, 1885 S. 257.
(welche HenriquesZeitschrift für angew. Chemie, 1896 S.
423., wie er selbst sagt, absichtlich nicht zum Vergleich
heranzieht), welche die Frage nach der Veränderlichkeit der Reactionsgeschwindigkeit
mit der Natur des Esters und der Base studirt, hat ergeben, dass die Ester eine um
so geringere Reactionsgeschwindigkeit besitzen, je grösser die Anzahl der in ihnen
enthaltenen Atome ist. Die Reicher'schen Versuche
erstrecken sich aber nur auf die ersten Glieder der homologen Reihen der Fettsäuren
und einwerthigen Fettalkohole. Ist bei diesen schon eine stets wachsende Abnahme der
Reactionsgeschwindigkeit in beträchtlichem Maasse wahrzunehmen, so wird bei den im
Wollfett befindlichen Estern höherer Alkohole und hochmolekularer Fettsäuren diese
noch mehr sinken, so dass die Beschleunigung der Reaction durch Wärmezufuhr erreicht
werden muss, eventuell unter Erhöhung des Druckes die Vollendung des Umsatzes
herbeizuführen ist. Das Studium der kalten Verseifung an Aethylestern kommt hier
nicht in Betracht, da wir es mit diesen Körpern im Wollfett gar nicht zu thun haben
– die anderen von Henriques am Wollfett und Lanolin
angestellten Vergleichsversuche zwischen kalter und warmer Verseifung zeigen
höchstens noch, dass die kalte Verseifung zur Bestimmung der Verseifungszahl des
Wollfettes schon deshalb nicht verwendbar ist, weil sich das Ende des Versuches erst
nach 2 bis 3 Tagen einstellt. Die von Henriques als
Beleg für die vorzügliche Uebereinstimmung der Zahlen bei kalter Verseifung
angeführten Werthe zeigen, wie es mir scheint, nicht eine besonders hervorzuhebende
Uebereinstimmung: bei Lanolin zum Beispiel nach 2 Tagen 87,49, nach 3 Tagen 90,94,
und ich betone, dass solche Differenzen, wie bei der warmen Verseifung des Lanolins
von Henriques erhalten worden sind, 89,02, 98,51,
94,28, einfach auf ungenaue Beobachtung zurückgeführt werden müssen, da im Uebrigen
von sechs Versuchen vier annähernd übereinstimmen: 89,02, 90,65, 89,12, 88,71. Diese
stimmen sogar noch besser als die beim Lanolin nach kalter Verseifung erhaltenen,
denn nach 2 Tagen zeigt es 87,49, nach 3 Tagen 90,94. Ich komme indessen auf diese
letzte Arbeit von Henriques später zurück.
Als Resultat der vorstehenden Untersuchung fasse ich Folgendes zusammen:
Im Wollfett sind neben den Fettsäuren fast nur ungesättigte Körper vorhanden. Sind
letztere Alkohole, so deutet die dem Cholesterin sich nähernde Jodzahl derselben auf
die Anwesenheit des letzteren hin. Die von mir nachgewiesene Anwesenheit zweier
Körper in der aus Extract II durch Umkrystallisiren gewonnenen weissen Substanz vom
Schmelzpunkt 127° lässt die Anwesenheit des bereits von Schulze (loc. cit.) nachgewiesenen Isocholesterins vom Schmelzpunkt 137°
sehr wahrscheinlich werden. Gesättigte höhere Alkohole können deshalb nicht
vorhanden sein, weil diese, wie ich am Cerylalkohol ausprobirt habe, von den
sämmtlichen Lösungsmitteln nur sehr schwer aufgenommen werden, während diese aus
Wollfett erhaltenen sehr leicht löslich sind; zweitens aber gibt die Jodzahl selbst
den Hinweis auf die Abwesenheit erheblicher Mengen solcher Körper. Endlich lassen
die Beziehungen, die aus der Jodzahl der verschiedenen Körpergruppen in vorstehender
Untersuchung abgeleitet wurden, erneut erkennen, dass bei den Verseifungen die Zersetzungen so
unerheblich sein müssen, dass zu den Fragen, wo die Anwendung der Verseifung unter
Druck nothwendig erscheint, sie unbedenklich verwendet werden kann. Gelingt es auch
für andere Wollfette, in der verfolgten Richtung übereinstimmende Verhältnisse
aufzufinden, so dürfte die Verwendung der Jodzahl zur analytischen Beurtheilung der
rohen technischen Wollfette um deswillen besonders vortheilhaft sein, weil die
Fettsäuren des von den Seifenfettsäuren freien Wollfettes eine so geringe
Jodabsorption, also auch nur sehr geringen Gehalt von ungesättigten Fettsäuren
aufweisen, während die Jodzahl des mit Seifenfettsäuren belasteten Wollfettes
bedeutend höher liegen muss.
Man wird also, immer vorausgesetzt, dass die Jodzahlen sowohl der reinen Wollfette
als auch die der daraus zu isolirenden Körpergruppen eine gewisse Constanz erkennen
lassen, was einer späteren Untersuchung vorbehalten bleiben möge, durch Abscheidung
der Fettsäuren aus dem verseiften technischen Wollfett, ferner aus der Bestimmung
der Jodzahl des rohen Wollfettes und derjenigen der Fettsäuren gewisse Anhaltspunkte
gewinnen können, welche in Streitfällen die aufklärenden Versuche der fractionirten
Verseifung sehr wirkungsvoll unterstützen können. Ich kann deshalb dem von Ulzer und SeidelZeitschrift für
angewandte Chemie, 1896 S. 349. am Schlusse ihrer Arbeit
ausgesprochenen Satz, dass für die technische Analyse des Wollfettes die Bestimmung
der Jodzahl des Wollfettes und die der abgeschiedenen Fettsäuren neben anderen
quantitativen Bestimmungen maassgebend sein wird, im vollen Umfange zustimmen.
Chemnitz, Laboratorium der königl. technischen
Staatslehranstalten, August 1896.