Titel: | Neuere Locomotiven. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 302, Jahrgang 1896, S. 34 |
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Neuere Locomotiven.
(Schluss des Berichtes S. 11 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuere Locomotiven.
Die Verkehrsverhältnisse der amerikanischen Eisenbahnen bringen es mit sich, dass
namentlich für den Güterzugdienst immer stärkere Locomotiven gebaut werden, deren
Abmessungen oft ganz gewaltige sind.
Ueber eine Anzahl derartiger sogen. Riesenlocomotiven berichtet Le Génie civil vom 18. Januar 1896 S. 177.
Die im vergangenen Jahre von den Baldwin Locomotive
Works in Philadelphia für die Bahnen der Compagnie
Paulista in Brasilien mit 1,6 m Spurweite gelieferten sechs Locomotiven
haben je ein Leergewicht von 65 t und ein Dienstgewicht von 74 t ohne Tender.
Die Locomotive – Type Consolidation –, d.h. mit acht gekuppelten Rädern und einem vor
den Cylindern gelegenen zweirädrigen Truckgestell, ist eine
Zwillings-Verbundmaschine nach dem System Vauclain mit
vier Cylindern (1893 287 * 25). Bei dieser
Maschinengattung befinden sich bekanntlich auf jeder Maschinenseite ein kleiner und
ein grosser Cylinder parallel über einander liegend (der letztere über dem ersteren)
angeordnet, deren Kolbenstangen auf einen gemeinschaftlichen Kreuzkopf arbeiten. Die
kleinen Cylinder haben 381 mm, die grossen 634 mm Durchmesser; der gemeinschaftliche
Kolbenhub beträgt 710 mm. Der verhältnissmässig grosse Kessel für 12,65 at
Betriebsdruck hat einen inneren Durchmesser von 1,930 m des kleinsten Schusses und
zwischen den beiden Rohrwänden eine Länge von 3,660 m.
Die zur Verbrennung bituminöser Kohle bestimmte kupferne Feuerkiste hat eine innere
Länge von 2,45 m, eine innere Breite von 1,23 m mit einer Rostfläche von 2,81 qm,
während ihre Höhe vorn 1,61 m, hinten 1,52 m beträgt. Der aus zwei cylindrischen
Stahlblechen von je 19 mm Stärke gebildete Kessel enthält 301 Feuerrohre von je 51
mm äusserem Durchmesser, die bei fünf Maschinen aus Messing, bei der sechsten
Maschine aus Kupfer hergestellt sind. Der Steuerungsmechanismus liegt, wie es bei
amerikanischen Locomotiven üblich, im Innern zwischen den Cylindern.
Von den acht gekuppelten Rädern mit 1,270 m Durchmesser und aufgezogenen
Stahlbandagen sind die beiden mittleren Räderpaare zum Durchfahren von Curven ohne
Spurkränze, dagegen mit etwas breiteren Bandagen als die übrigen Räder ausgeführt;
letztere sind 140 mm anstatt 125 mm breit. Die beiden Räder des Truckgestelles vor
den Cylindern haben 762 mm Durchmesser.
Die Achsschenkel der gekuppelten Räder sind reichlich gross gehalten; Länge und
Durchmesser betragen 229 mm, während die Achsschenkel des Truckgestelles 125 mm
Durchmesser und 250 mm Länge haben. Der gesammte Radstand, d.h. die Entfernung der
beiden äussersten Räder, beträgt 6,858 in, doch vermindert sich derselbe wegen des
vorderen Truckgestelles auf 4,267 m festen Radstand, und da ferner die beiden
mittleren Räderpaare keine Spurkränze haben, kann die Maschine ohne Schwierigkeit
noch Curven von 95 m Halbmesser durchfahren.
Die Maschinen sind mit der Westinghouse-Bremse, mit einem Dampfsandstreuer, System
Gresham, mit Körting'schen Injectoren und mit cylindrischen Schmierbüchsen mit sichtbarer
Tropfenbildung, System Nathan, ausgerüstet. Der zur
Maschine gehörige zweiachsige Tender hat Räder von 838 mm Durchmesser; er fasst 14,5
cbm Wasser und wiegt ausgerüstet etwa 37 t.
Die Achsbelastungen sind folgende:
Truckgestell
9,00 t
Kuppelachsen
1. Achse2. „3. „4. „
16,78 t16,10 t16,50 t16,20 t
––––––
Gesammt
74,58 t
Eine der vorbesprochenen ähnliche, jedoch ohne Verbundwirkung arbeitende Locomotive
der normalspurigen New York, New Haven and Hartford-Eisenbahn wurde in den Rhode Island Locomotive Works nach Plänen des
Chefingenieurs der genannten Eisenbahn, J. Henney,
gebaut.
Trotz des kleinen Durchmessers von 1,30 m der acht gekuppelten Räder liegt die
Kesselmitte doch 2,48 m über Schienenoberkante, so dass die Feuerbüchse vollständig
über die Rahmen zu liegen kommt und die Breite des Rostes nur von der Entfernung
zwischen den Bandagen abhängig ist.
Der aus 17,4 mm starken Blechen gefertigte Kessel von 1,83 m innerem Durchmesser hat
ebenfalls 301 Rohre von 51 mm Durchmesser, deren Länge zwischen den Rohrwänden 4,16
m beträgt. Die aus Stahlblechen von im Maximum 9,5 mm Stärke hergestellte
Feuerbüchse, System Crampton, hat eine mittels
Querbarren versteifte Decke; ihre innere Länge beträgt 2,89 m, die innere Breite
1,07 m. Die Kesselspannung ist auch hier auf 12,65 at festgesetzt.
Die directe Heizfläche beträgt 16,91 qm, die gesammte Heizfläche 196,30 qm, während
der wagerecht liegende gusseiserne Rost 3,10 qm Verbrennungsfläche besitzt.
Die aussen liegenden Cylinder haben 533 mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub. Die
Kreuzkopfführungen liegen über den Kolbenstangen und sind in doppelter Anzahl auf
jeder Seite vorhanden.
Das Adhäsionsgewicht der Locomotive stellt sich auf 65,3 t, das totale Gewicht im
betriebsfähigen Zustande auf 71,10 t. Der Tender gewöhnlicher Construction fasst
14 cbm Wasser und wiegt ausgerüstet 35 t.
Da die Vorderachse drehbar und die beiden mittleren Räderpaare ohne Spurkränze
ausgeführt sind, kann die Maschine mit Leichtigkeit Curven von 100 m Halbmesser
durchfahren.
Textabbildung Bd. 302, S. 34
Fig. 9.Locomotive, System Vauclain.
Die beiden besprochenen Locomotivtypen sind wie die meisten amerikanischen
Locomotiven behufs günstiger Lastvertheilung der einzelnen Achsen mit Balanciers
versehen, welche vorn durch den Querbalancier, der in seiner Mitte die Achse des
Truckgestelles belastet, derart verbunden sind, dass eine Unterstützung der
Locomotive in nur drei Punkten stattfindet.
Hierdurch werden die Maschinen, wie bereits früher bei der ungekuppelten Locomotive
der Philadelphia- und Reading-Eisenbahn hervorgehoben, geeignet, auch mitunter
schlecht gelegene Strecken, ohne dass Schienen- und Federbrüche zu befürchten sind,
befahren zu können. Trotz der gewaltigen Abmessungen werden beide Locomotiven doch
noch von anderen Maschinen übertroffen.
So hat eine mit Verbundwirkung nach dem System Vauclain
arbeitende, fünffach gekuppelte Güterzuglocomotive der Erie-Eisenbahn, deren
perspectivische Abbildung Fig. 9 gegeben ist, ein
totales Gewicht von 88 t.
Die Maschine ist zur Feuerung mit Anthracit eingerichtet und zu dem Zwecke mit einer
Feuerbüchse, System Wootten, versehen, deren
ungewöhnliche Breite ein Verlegen des Führerhauses nach der Mitte der Maschine
hinter den cylindrischen Langkessel nöthig machte.
Die Rostfläche beträgt 8,31 qm, die Heizfläche ungefähr 227 qm. Der mittlere
Durchmesser des Kessels ist 1,890 m.
Die zehn gekuppelten Räder aus Gusseisen mit Stahlbandagen haben je 1,270 m
Durchmesser.
Die Maschine hat einen aus Wasserrohren gebildeten Rost, direct belastete
Sicherheitsventile auf dem Dampfdome, einen Sandstreuer auf dem cylindrischen
Langkessel und eine Westinghouse-Bremse, die auf sämmtliche Kuppelräder wirkt.
Die Amerikaner, welche sehr häufig nur Kohle mittlerer Qualität in Locomotiven
verfeuern können und denen eine leichte Curvenbeweglichkeit der Locomotiven von
besonderem Werthe, trachten bereits seit Jahren danach, die Leistungen der
Locomotivkessel. in Bezug auf die Cylinderabmessungen und das Adhäsionsgewicht immer
mehr zu erhöhen. Da ein Ueberschreiten der gegenwärtigen Achsbelastungen aber
namentlich bei den auf Bahnen untergeordneter Bedeutung mit leichtem Oberbau und
vielen Curven von oft sehr kleinem Halbmesser fahrenden Locomotiven nicht gut
möglich, ist man mehr und mehr davon abgekommen, Güterzugmaschinen der europäischen
Type, bei denen in der Regel die Gesammtbelastung als Adhäsionsgewicht nutzbar
gemacht ist, in Dienst zu stellen. Diesem Grunde hauptsächlich verdankt die
Locomotive mit acht gekuppelten Rädern und vorderem zweiachsigen Drehgestell in
Amerika ihre weite Verbreitung.
Das Schema einer derartigen Locomotive, welche im J. 1894 von den Schenectady Locomotive Works für die Southern Pacific
Railway erbaut wurde, zeigt Fig. 10.
Der Kessel mit Feuerbüchse, System Crampton, und
wagerechtem Rost liegt so hoch, dass der Feuerbüchsbodenring über die Längsrahmen zu
liegen kommt; die Achse des Kessels liegt 2,48 m über Schienenoberkante. Der
Durchmesser des cylindrischen Langkessels beträgt 1,830 m. Die Feuerbüchse hat 3,550
m innere Länge bei einer Breite von 1,08 m. Die 274 eisernen Feuerrohre von je 58 mm
äusserem Durchmesser haben zwischen den Rohrwänden eine Länge von 4,080 m. Die
Rostfläche beträgt 3,20 qm, die totale Heizfläche 218,30 qm.
Textabbildung Bd. 302, S. 34
Fig. 10.Schenectady-Locomotive.
Der vollständig aus Stahlblechen von 17,4 mm Stärke zusammengesetzte Kessel hat 12,65
at Betriebsüberdruck; die Feuerbüchsdecke ist 9,5 mm, die Rohr wand 14,3 mm
stark.
Die zwischen den beiden Rädern des Drehgestelles wagerecht angeordneten Cylinder
haben 560 mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub. Zur Dampfvertheilung dienen entlastete Schieber. Mit
Spurkränzen sind nur die Räder des Drehgestelles von je, 610 mm und die beiden Paare
der äussersten Kuppelräder von je 1300 mm Durchmesser versehen.
Der gesammte Radstand mit Tender beträgt 18,10 m, ohne Tender 7,72 m, der feste
Radstand 4,72 m.
Das Adhäsionsgewicht dieser Riesenlocomotive stellt sich betriebsfähig auf 66,5 t,
das Gesammtgewicht ohne Tender auf 78,5 t.
Die Maschinen laufen auf den bergigen Strecken Californiens und durchschneiden die
Sierra Nevada auf Schienen im Gewichte von nur 38 k auf das laufende Meter; sie
befördern Züge von 410 t Traingewicht auf Steigungen von 1 : 45 mit einer
Geschwindigkeit von 19 km in der Stunde und verdampfen hierbei 6,1 k Wasser auf
jedes Kilo Kohle.
Als die schwersten Maschinen der Welt dürften zur Zeit die zwölfräderigen
Berglocomotiven der Mexican Central-Eisenbahn, welche ohne Tender 104 t wiegen und
deren zehn gekuppelte Räder mit 88 t belastet sind, anzusehen sein; diesen am
nächsten kommen die Tendermaschinen des Saint-Clair-Tunnels in Amerika mit 89 t
Dienstgewicht (1892 284 109). Die Gewichte einer grossen
Anzahl anderer Locomotiven weichen nur unerheblich von denjenigen der oben
ausführlicher behandelten Locomotiven ab. So beträgt das Gesammtgewicht der
Zehnkuppler der Burlington-Eisenbahn 68 t, dasjenige der Maschinen mit acht
gekuppelten Rädern und Drehgestell der Duluth Iron Range-Eisenbahn 77 t und
dasjenige der Locomotiven der Huron Bay-Eisenbahn 72,7 t.
Ausser der am Eingange dieses Berichtes erwähnten vierachsigen zweifach gekuppelten
Schnellzuglocomotive der grossherzogl. badischen Staatsbahnen mit inneren Cylindern
sind in neuester Zeit auf diesen Bahnen noch zwei andere bemerkenswerthe Typen von
Locomotiven in Dienst gestellt worden, über deren Construction und die Ergebnisse
zahlreicher Versuchsfahrten zeitgemässe Mittheilungen in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1896 Heft 3 u. ff.,
gegeben sind.
Zunächst ist die sogen. Schwarzwaldlocomotive zu erwähnen, welche dazu bestimmt ist,
an Stelle bisheriger Tenderlocomotiven den Schnellzug- und Personenzugdienst auf dem
Schwarzwalde zu übernehmen.
Die von der Elsässischen Maschinenbaugesellschaft in
Mülhausen i. E. entworfene und ausgeführte Locomotive hat zwei Hoch- und zwei
Niederdruckcylinder, von denen die letzteren innen unter der Rauchkammer, erstere
aussen liegen. Die Bauart ist aus der von der gleichen Gesellschaft für die
französische Nordbahn ausgeführten viercylindrigen Verbundlocomotive (1894 292 161) entstanden, unterscheidet sich aber von
letzterer wesentlich dadurch, dass das Reibungsnutzgewicht statt auf zwei auf drei
Achsen ruht.
Der Zwischenbehälter ist sämmtlichen Cylindern gemeinsam und besteht aus den
Verbindungsröhren der Hochdruckcylinder nach den Niederdruckcylindern, den beiden
Schieberkästen der letzteren und einem Verbindungsrohre zwischen diesen. Die Heusinger'sche Steuerung der beiden Cylinderpaare ist
so eingerichtet, dass die Füllung für jedes Paar beliebig eingestellt werden kann.
Die Anfahrvorrichtung besteht aus einem Hilfsregler zum Einlassen von
Kesseldampf in die Niederdruckcylinder; ausserdem ist durch zwei in den
Verbindungsleitungen von den Hoch- zu den Niederdruckcylindern angebrachte und
mittels einer kleinen Dampfumsteuerung umstellbare Hähne die Möglichkeit gegeben,
die beiden Cylinderpaare völlig von einander abzuschliessen.
Die Locomotive hat fünf Achsen, von vorn gezählt zwei in einem Drehgestelle
vereinigte Laufachsen, die Treibachse der Niederdruckcylinder, diejenige der
Hochdruckcylinder und eine unter der Feuerbüchse liegende Kuppelachse.
Die Achsbelastungen, sowie die Achsstände ergeben sich aus untenstehender
Abbildung.
Textabbildung Bd. 302, S. 35
Die Hauptabmessungen sind folgende:
Hochdruckcylinder
350
mm
Niederdruckcylinder
550
mm
Querschnittsverhältniss der Cylinder
1 : 2,5
Kolbenhub
640
mm
Durchmesser der Treib- und Kuppel- räder
1,6
m
Kesselüberdruck
12
at
Rostfläche
2,1
qm
Heizfläche der Feuerbüchse
11,15
qm
„ „ Siederöhren
117,27
qm
„ gesammte
128,42
qm
Reibungsnutzgewicht
40,2
t
Dienstgewicht der Locomotive
55,5
t
„ des Tenders
33,3
t
Bereits während der Bauzeit der Locomotive wurde die Ueberzeugung gewonnen, dass sie
sich vermöge ihrer besonderen Bauart nicht nur zum Personenzugdienste auf der
Schwarzwaldbahn eignen, sondern auch bei der Bewältigung der schwersten Schnellzüge
und bei Beförderung geschlossener Güterzüge mit etwa 60 km Geschwindigkeit auf der
Hauptbahn gute Dienste leisten würde. Diese Voraussetzungen haben sich bei
Probefahrten auf der Hauptbahn im Schnellzugdienste auch bewährt, indem die
Locomotive bei Geschwindigkeiten von 80 bis 90 km einen ruhigen Lauf zeigte. Eine
Reihe von noch vorzunehmenden Versuchsfahrten soll bezüglich der Verwendbarkeit im
Schnellzugs- und Güterzugsdienst auf der Hauptbahn demnächst noch weiteren
Aufschluss geben.
Eine gelenkige viercylindrige Verbund-Güterzuglocomotive mit zwei Treibgestellen für
den Güterzugdienst auf der Schwarzwaldbahn wurde ebenfalls von der Elsässischen Maschinenbauanstalt in Mülhausen
entworfen.
Der Kessel gewöhnlicher Bauart ist mit dem Rahmen der Hochdruckmaschine an der
Feuerbüchse fest verbunden. Der Dampf gelangt, wie gewöhnlich, durch aussen am
Kessel gelegene Rohre unmittelbar in die Hochdruckcylinder. Der Abdampf dieser
Cylinder gelangt zu den Niederdruckcylindern durch ein sorgfältig gegen
Wärmeverluste geschütztes Verbindungsrohr, welches als Zwischenbehälter dient. Da
sich die Niederdruck- bezieh. vordere Maschine in den Krümmungen einstellt, ist das
Verbindungsrohr durch eine zwischen den Hochdruckcylindern gelegene Stopfbüchse
gelenkig gemacht. Der Abdampf der Niederdruckcylinder gelangt mittels eines an
beiden Enden mit Kugelgelenk versehenen Standrohres in das Auspuffrohr bezieh. in
den Schornstein. Behufs Erleichterung des Anfahrens kann den Niederdruckcylindern
auch unmittelbar Dampf mit ermässigtem Drucke zugeführt werden.
Die hinteren Rahmen reichen über die vorderen hinaus bis an die vorderen
Kesselträger, so dass der ganze Kessel unmittelbar auf dem hinteren Rahmen lagert
und daran befestigt ist.
Die vorderen Rahmen bilden ein bisselartiges Gestell mit höchst kräftigem Gelenke,
welches nur eine wagerechte Bewegung erlaubt.
Der Kessel ruht mittels scheibenförmiger Auflagerplatten auf der Mitte des
Vordergestelles. Da der Schwerpunkt des Vordergestelles sich nicht in der Mitte
zwischen den Achsen befindet, würde eine lothrechte Beanspruchung der Gelenke zu
befürchten sein. Diese wird dadurch verhindert, dass an beiden Seiten der Locomotive
einstellbare, lothrechte Zugstangen angebracht sind, welche oben an den Rahmen des
Vordergestelles und unten an den Hauptrahmen befestigt sind. Die Muttern werden so
lange angezogen, bis kein Druck mehr auf den Gelenken lastet.
Die seitliche Verschiebung des Vordergestelles wird durch eine in der Nähe des
Kesselträgers angebrachte Doppelfeder geregelt, ähnlich wie bei dem Vordergestelle
der oben beschriebenen vierachsigen zweifach gekuppelten Schnellzuglocomotive der
grossherzogl. badischen Staatsbahnen.
Die Hauptabmessungen sind folgende:
Durchmesser der Hochdruckcylinder
390
mm
„ „ Niederdruckcylinder
600
mm
Kolbenhub
600
mm
Kesselüberdruck
13
at
Durchmesser der Treibräder
1260
mm
Achsstand der Treibräder
1750
mm
Gesammtachsstand der Locomotive
5800
mm
Rostfläche
1,96
qm
Heizfläche der Feuerbüchse
10,36
qm
„ „ Siederöhren
127,55
qm
Gewicht der Locomotive, leer
50,200
t
„ „ „ dienstbereit
56,150
t
Um über die Arbeitsvorgänge in den Dampfcylindern, sowie über den Wasser-, Dampf- und
Brennstoffverbrauch der genannten neuesten Locomotiven der grossherzogl. badischen
Staatsbahnen, endlich über die indicirten Leistungen derselben ein Bild zu gewinnen,
wurden Versuchsfahrten angestellt, welche ausführlich in Heft 4 u. ff. des
vorgenannten Organs 1896 behandelt sind.
2) Aussergewöhnliche Locomotiven.
Die im J. 1887 eröffnete Zahnradbahn auf den Gaisberg hat eine Gesammtlänge von 5,2
km, von denen etwa 1,8 km auf Steigungen 1 : 4, in einzelnen Fällen gleichzeitig in
Curven von 150 m Halbmesser liegen.
Die Spurweite beträgt 1 m. Die je 9 m langen Stahlschienen sind 100 mm hoch und
wiegen 23 k pro laufendes Meter. Die grösste Beanspruchung der zwischen den beiden
Schienen liegenden Zahnstange aus Stabeisen von 100 mm Theilung und 36 mm Höhe
der Zähne beträgt 6990 k, entsprechend einem vollständig gefüllten Zuge – aus dem
Gewicht der Locomotive von 17,62 t und einem mit 52 Passagieren und 250 k Gepäck
beladenen Wagen von zusammen 9,5 t bestehend – auf der Steigung 1 : 4.
Die Fahrtgeschwindigkeit beträgt bei dieser Steigung 7 km, die mittlere
Geschwindigkeit 9 bis 10 km in der Stunde. Der Fahrpark besteht zur Zeit aus 6
Locomotiven, 7 Personen- und 2 offenen Gepäckwagen.
Textabbildung Bd. 302, S. 36
Fig. 11.Locomotive der Gaisbergbahn.
Die The Engineer vom 26. April 1895, S. 350, entnommene
Abbildung (Fig. 11) veranschaulicht eine der mit
Rücksicht auf die grossen Steigungen der Bahn mit verhältnissmässig kurzem Kessel
ausgerüsteten Locomotiven.
Die Arbeitskolben übertragen ihre Bewegungen mittels Treibstangen auf die Kurbelachse
a, auf der aussen noch die Excenter sitzen, während
innen zwei Zahnräder aufgekeilt sind. Diese stehen mit zwei auf der Achse b befindlichen Zahnrädern in Eingriff, zwischen denen
das in die Zahnstange eingreifende Hauptrad sitzt.
Die Steuerung, System Allan-Trick, wird mittels Schraube
und Handrad eingestellt.
Der Kessel ist gleich dem einer gewöhnlichen Locomotive aus Flusseisenblechen und
Stahlrohren zusammengebaut; die Feuerbüchse besteht aus bestem Kupfer und ist
mittels kupferner bezieh. eiserner Stehbolzen gegen die Längsseiten bezieh. die
Decke des Feuerbüchsmantels abgesteift.
Zu beiden Seiten des Kessels liegen die Wasserbehälter, von denen der auf der linken
(Heizer-) Seite abgetheilt und mit seinem hinteren Theile zur Aufnahme von Kohlen
dient. Die Maschine ist, um jeder Betriebsgefahr vorzubeugen, mit drei verschiedenen
Bremsen versehen.
Die erste Bremse besteht aus einem lose auf der Vorderachse beweglichen Zahnrad,
welches mit der Zahnstange in Eingriff steht. Zu beiden Seiten des Rades sind, fest
mit ihm. verbunden, Bremsscheiben angeordnet, deren Klötze, falls die Maschine
angehalten werden soll, durch einen Hebel vom Führerstand aus angezogen werden. Die
Bremse wird nur im
Nothfalle in Thätigkeit gesetzt, z.B. wenn die Achse des Treibrades bricht o.
dgl.
Eine zweite auf der Kurbelwelle a angebrachte Bremse
besteht aus zwei Bremsscheiben, die neben den beiden Kurbeln aufgekeilt sind, und
deren auf einem Stahlbande befestigte Klötze ebenfalls vom Führerstande mittels
Schraube und Rad angezogen werden.
Die dritte und Hauptbremse endlich ist eine sicher wirkende Luftbremse – eine Art Le
Chatelier-Bremse – mittels welcher hauptsächlich die Fahrgeschwindigkeit während der
Thalfahrt regulirt wird. Zwischen den beiden Cylindern ist ein Lufthahn angeordnet,
der nach Absperrung des Dampfes durch den Regulator beim Abwärtsfahren geöffnet
wird, so dass, da noch die Steuerung nach vorn, d.h. wie für die Bergfahrt, gelegt
wird, Luft in die Cylinder gesaugt wird. Diese Luft wird bei der Kolbenbewegung in
den Schieberkästen und den vom Regulator kommenden Dampfröhren E comprimirt, wodurch ein derartiger Widerstand
entsteht, dass die Maschine sofort stehen bleiben würde, wenn man der comprimirten
Luft nicht Ausgang verschaffte. Dies geschieht durch das Rohr A und das Ventil F an der
Feuerbüchsthürwand, welches für die Thalfahrt gewissermaassen als Regulator dient.
Je mehr letzteres geöffnet wird, desto mehr Luft kann in dem Ausblaserohr G entweichen und desto schneller fährt die Maschine
abwärts. Da sich durch Comprimiren der Luft die Cylinder bedeutend erhitzen, werden
sie durch Einspritzen von kaltem Wasser gekühlt, welches, in Dampf verwandelt,
mitsammt der Luft durch das Ausblasrohr G
entweicht.
Die wichtigsten Hauptabmessungen der Maschine sind folgende:
Cylinderdurchmesser
310
mm
Kolbenhub
500
mm
Durchmesser des Treibzahnrades
955
mm
„ „ kleinen
Transmissions- rades
338
mm
Durchmesser des grossen Transmissions- rades
808
mm
Durchmesser der Laufräder
706
mm
Belastung der Hinterachse
7,10
t
„ „ Vorderachse
10,52
t
Radstand
2,350
m
Rostfläche
0,892
qm
Heizfläche der Feuerbüchse
4,273
qm
„ „ Siederohre (innen)
40,350
qm
Gesammte Heizfläche
49,623
qm
Anzahl der Siederohre
169
Durchmesser der Siederohre
45
mm
Länge der Siederohre
1900
mm
Kesselüberdruck
11
at
Leergewicht der Maschine
14,124
t
Dienstgewicht der Maschine
17,620
t
Wasserraum
1,6
cbm
Koksraum
0,3
cbm
Ueber günstige Betriebsergebnisse, welche mit der elektrischen Locomotive der
Baltimore- und Ohio-Eisenbahn erzielt wurden (1896 299 *
121), berichtet die Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1896 S. 418, nach The Iron Age vom
5. März 1896. Die Locomotive dient bekanntlich zur Beförderung von Güterzügen durch
einen Tunnel. Es wurden indess auch Versuche mit Personenzügen angestellt, wobei
sich ergab, dass man bei einem Zuggewicht von 500 t nicht nur die gewährleistete
Geschwindigkeit von 48 km in der Stunde, sondern sogar 55 und 64 km erreichen
konnte. Die Locomotive allein legte auf einer Steigung von 1 : 12,5 bis zu 98 km in
der Stunde zurück. Von den zahlreichen mit Güterzügen gemachten Probefahrten
verdient besonders eine hervorgehoben zu werden, bei welcher ein beladener Zug von
44 Wagen mit einer Dampflocomotive vorn und einer hinten im Gesammtgewicht von 1900
t geschleppt wurde, und zwar ohne dass die Dampflocomotiven in Betrieb waren. Die
elektrische Locomotive zog gut an; nach kurzer Zeit riss zwar eine Kuppelung, wurde
jedoch schnell wieder hergestellt. Alsdann erreichte man eine Fahrgeschwindigkeit
von 19,3 km in der Stunde. Der Stromverbrauch betrug beim Anziehen 2200 Ampère und
ging allmählich auf 1800 Ampère zurück; dabei war die Spannung 625 Volt. Die
Zugkraft wurde zu etwa 28600 k ermittelt. Was die Wirthschaftlichkeit des
elektrischen Betriebes im Vergleich zu den Dampflocomotiven betrifft, so theilt der
Bericht eine Reihe von Zahlen mit, die aber schon deshalb nicht maassgebend sein
können, weil eine beträchtliche Anzahl Dampflocomotiven einer einzigen elektrischen
gegenübergestellt werden. Immerhin ist es von Interesse, die Leistung und die
Betriebskosten der letzteren kennen zu lernen.
Die folgende Aufstellung bezieht sich auf den Monat October 1895.
Anzahl der durch den Tunnel geschleppten Züge
353
Durchschnittliches Gewicht der Züge
1095
t
Durchschnittlicher Stromverbrauch
986
Ampère
Länge der Strecke
6436
m
Durchschnittliche Fahrzeit
20
Minuten
Gesammtlänge der von der Locomotive im Dienst
zurückgelegten Strecken
2272
km
Gesammtlänge der leer zurückgelegten Strecken
6043
km
Kostenberechnung:
Centrale: Bedienung der Maschinen
1345,70
$
Kohle (1,35 $ für
1 t)
400,96
$
Oel
151,26
$
Wasser
50,66
$
Unterhaltung
25,42
$
–––––––––––
Zusammen
1974,00
$
Locomotive: Gehalt der
Bedienungsmann- schaft
200,00
$
Oel u.s.w.
12,16
$
–––––––––––
Zusammen
212,16
$
Insgesammt
2186,16
$
Betriebskosten für 1 km
0,263
$
Diese Kosten sollen sich nach der Berechnung von Parker
bei zwei Locomotiven auf 0,173 $, bei drei auf 0,143
$ erniedrigen. Die entsprechenden
durchschnittlichen Kosten für die Güterzuglocomotiven von vier verschiedenen
amerikanischen Eisenbahngesellschaften waren in der gleichen Zeit 0,163 $.
Der Bericht wendet sich schliesslich dem Verhalten der Leitung im Tunnel zu. Hier lag
von vorn herein eine erhebliche Schwierigkeit vor wegen der im Tunnel herrschenden
Feuchtigkeit und wegen des Rauches, der von den Dampflocomotiven der Personenzüge
ausgesandt wurde. Der Stromverlust in der Leitung betrug bei Beginn des Betriebes 21
Ampère, sank jedoch nach wenigen Tagen auf 4 Ampère herab und blieb bis jetzt auf
dieser Höhe. Gegen die Staubkruste, welche bald den Leitungsdraht bedeckte, schützt
man sich durch Erdöl, das alle 3 Wochen aufgetragen wird, nachdem der Draht durch
Bürsten gereinigt ist.
Eine der elektrischen Locomotive von Heilmann (1894 291 * 277) ähnliche, in ihrer Bauart jedoch verwickeltere
Locomotive ist nach Engineering News vom 12. März 1896
für die neue
rund 145 km lange Strecke Madison-Cincinnati der Ohio River, Madison and Central
Electric Railway im Bau. Die neue Locomotive soll vorn ein zweiachsiges Drehgestell
mit Rädern von 1980 mm Durchmesser und hinten ein dreiachsiges Drehgestell mit
Rädern von 1220 mm Durchmesser erhalten; ihre Länge soll rund 13,7 m betragen. Auf
dem hinteren Gestell baut sich der Kohlen- und Wasserbehälter auf; in der Mitte wird
der Locomotivkessel seine Aufstellung finden, während vorn eine
Westinghouse-Dampfmaschine, mit zwei Dynamos von je 400 gekuppelt, stehen
soll. Auf den Achsen des vorderen Drehgestelles sollen die Anker der beiden
350pferdigen Elektromotoren sitzen. Zur Reserve beabsichtigt man auf dem
dreiachsigen Drehgestell einen 200pferdigen Motor anzubringen, der mit einer der
Achsen gekuppelt werden kann. Schliesslich soll noch eine Accumulatorenbatterie
aufgestellt werden, um für den Nothfall so viel Kraft aufzuspeichern, dass die
Locomotive auf ein Seitengleis gebracht werden kann.
Textabbildung Bd. 302, S. 38
Elektrische Locomotive von Heilmann.
Wir brachten 1896 299 100 kurze Mittheilungen über zwei
neuere Locomotiven, System Heilmann, der französischen
Westbahngesellschaft – zum Fahren der Schnellzüge zwischen Paris und Trouville
bestimmt. Die Maschinen sind in der Revue industrielle
vom 25. April 1896, S. 104 u. ff., bezieh. dem Bulletin de
la Société des ingénieurs civils, Juni 1896, ausführlicher behandelt.
Fig. 12 bis
14 geben
eine schematische Darstellung der Maschinen.
Der Kessel, System Lentz (1890 277 * 441), ist, wie bereits früher bemerkt, durch einen gewöhnlichen
Locomotivkessel mit Belpaire'scher Feuerbüchse, die
liegende Verbundmaschine von 600 durch eine stehende, einfach wirkende
Maschine von Willans und Robinson (1893 288 * 220) mit einer Leistung von 1300 bis 1400
ersetzt worden, welche weniger Platz einnimmt, auch leichter zugänglich ist als
erstere. Die Maschine besteht aus zwei Maschinengruppen von je drei Cylinderpaaren,
deren Kurbeln gegenseitig um 120° versetzt sind. Beide Gruppen sind, um eine völlig
ausbalancirte Maschine zu erhalten, symmetrisch zu einander angeordnet. Die Bewegung
der zur Dampfvertheilung dienenden Kolbenschieber erfolgt von der parallel zur
Kurbelwelle gelagerten und von dieser mittels Zahnräder angetriebenen Steuerwelle
aus. Letztere hat sechs Excenter und ist mit den Steuerungsorganen vollständig
ausbalancirt. Beide Wellen laufen in einem Oelbade.
Die Maschinen haben folgende Hauptabmessungen:
Durchmesser des Hochdruckcylinders
300
mm
„ „ Niederdruckcylinders
480
mm
Gemeinschaftlicher Kolbenhub
400
mm
Minutliche Umdrehungszahl
400
Durch einen Centrifugalregulator kann die Geschwindigkeit der Maschine zwischen 100
und 450 Umdrehungen in der Minute geregelt werden.
Zur Erzeugung des elektrischen Stromes dienen zwei an beiden Enden der verlängerten
Kurbelwelle angebrachte, sechspolige Dynamomaschinen mit Parallelschaltung, deren
normale Leistung 1000 Ampère bei 455 Volt beträgt und nötigenfalls bis auf das
Doppelte gebracht werden kann. Kessel und Maschinen ruhen auf einem kräftigen
Rahmengestell, welches vorn und hinten von je einem achträdrigen Truckgestell
getragen wird.
Die elektrische Energie wird den auf den Achsen der Truckgestelle sitzenden acht
Elektromotoren mitgetheilt; dieselben sind vierpolig und werden durch je zwei Spulen
erregt. Die aus Stahl gefertigten Magnete sind viertheilig. Der untere Theil trägt
zwei Ansätze, mit welchen der Motor am Drehgestell des Wagens befestigt ist, der
obere Theil ruht auf dem ersteren und kann behufs Besichtigung des Ankers
aufgeklappt werden; die zwei Seitentheile, welche den Kern der Spule bilden, sind
mit den übrigen Theilen zusammen verbolzt. Der Anker ist mehrpolig und mit
Reihenschaltung versehen. Die Bürsten sind aus Kohle hergestellt und gut
zugänglich.
Die Normalleistung eines jeden Motors beträgt 125 bei einer
Fahrgeschwindigkeit der Locomotive von 100 km in der Stunde, entsprechend einem
Horizontaldrucke von 340 k am Kranze des Rades von 1,16 m Durchmesser. Der Anker
eines jeden Motors ist auf einer Hohlwelle aufgekeilt, welche die Radachse aufnimmt.
Zwischen dieser und der Hohlwelle ist so viel Spiel gelassen, dass die Radachse
ungehindert dem Spiel der Achsbüchse im Achshalter zu folgen vermag. Um die
Umdrehung der Achsen durch die Anker jederzeit bei der fortwährenden Aenderung ihrer
relativen Lage zu sichern, sind letztere durch elastische Stücke zusammengekuppelt,
welche aus drei Reihen von Stosspuffern, die innerhalb der Arme eines Rades gelagert
sind, bestehen; an der Hohlwelle des Ankers befestigte Knaggen greifen in die Puffer
ein.
Die Vertheilung des elektrischen Stromes erfolgt auf acht hinter einander geschaltete
Motoren, die jedoch mittels eines Commutators in zwei Gruppen zu je vier Motoren
geschaltet werden, für den Fall, dass bei geringerer Geschwindigkeit ein grosser
Kraftaufwand erforderlich wird. Die Umsteuerung geschieht mittels eines achtfachen
Commutators, wodurch der Drehsinn des Stromes im Anker gewechselt wird.
Die Vorrichtungen zum Anfahren, zum Reguliren der Geschwindigkeit, zum Bremsen u.s.w.
sind in zwei Sätzen und zwar vorn an der Locomotive und weiter hinten in der Nähe des Kessels,
wie bei jeder gewöhnlichen Locomotive, vorhanden.
Zur Beleuchtung des Zuges dient eine besondere Dynamomaschine, die von einer kleinen
Willans-Maschine von 216 mm Cylinderdurchmesser und 127 mm Kolbenhub mit um 180°
versetzten Kurbeln angetrieben wird.
Die Leistung der über der grösseren Dynamomaschine auf der Kesselseite angeordneten
Maschine stellt sich bei 550 minutlichen Umdrehungen auf rund 28 i.
Die Dampfmaschinen nebst den Dynamomaschinen und Apparaten sind von einem Schutzhaus
umgeben, welches die Feuerkiste des Kessels noch theilweise überdeckt und vorn
behufs Abschwächung des Luftwiderstandes spitz ausläuft.
Einige Hauptabmessungen der Locomotive sind noch folgende:
Länge zwischen den Buffern
18,59
m
Entfernung der Drehgestelle von Mitte zu Mitte
11,30
m
Kleinster Abstand der Achsen
1,30
m
Höhe des Schornsteins über Schienen- oberkante
4,19
m
Ausladung der Drehgestelle
4,10
m
Gesammte Ausladung
15,40
m
Breite des Führer- und Heizerstandes
2,70
m
Gesammte Heizfläche des Kessels
185,47
qm
Rostfläche
3,34
qm
Anzahl der Siederohre
351
Durchmesser der Siederohre (aussen)
45
mm
Kesselspannung
14
at
Dienstgewicht der Locomotive
115
t
„ des Tenders
17
t
Glaser's Annalen vom 15. November 1895 berichten nach
dem American Machinist vom 25. Juli 1895 über eine neue
elektrische Bahn in Amerika, die – wenn auch nur 11,3 km lang – doch in Bau und
Betrieb vollkommen den Charakter einer Hauptbahn besitzt. Es ist dies die
Nantasket-Bahn, eine Zweiglinie der New York-, New Haven- und Hartford-Eisenbahn,
welche von der Anlagestelle der Dampfer am Nantasket-Gestade bis nach Pemberton
führt. Zweigleisig und normalspurig angelegt, hat diese Bahn mit oberirdischer
Stromzuführung ausser einem bedeutenden Frachtenverkehr namentlich zur Sommerzeit
einen Personenverkehr zu bewältigen, wie er auf Nebenbahnen nicht durchgeführt
werden kann. Aus diesem Grunde sind auch wesentlich kräftigere Locomotiven
erforderlich.
Es stehen zwei Arten von Locomotiven in Verwendung, eine leichtere von 19 t und eine
schwerere von 26 t Gewicht. Beide haben vier Achsen, von denen bei der leichteren
Locomotive zwei, bei der schwereren sämmtliche vier durch Elektromotoren angetrieben
werden. Jeder einzelne Motor hat nominell 103 , so dass die leichtere
Locomotive 206, die schwerere 412 und bei voller Beanspruchung über 500
entwickeln kann. Die Achsbelastung beträgt 4,75 t bei der ersteren und 6,5
t bei der letzteren. Der Durchmesser der Räder ist 915 mm. Die grössere und auch
schon die kleinere Locomotive kommen ausserordentlich schnell in Gang und erreichen
in sehr kurzer Zeit hohe Fahrgeschwindigkeiten. Die kleinere Locomotive leistet
hierin schon mehr, als für den Betrieb nöthig ist. Nach angestellten Versuchen sind
auf einer Strecke von nur 4,8 km Gesammtlänge Geschwindigkeiten von 120 bis 135 km
in der Stunde erreicht. Diese Versuche fanden am 21. Juni 1895 mit der kleineren
Locomotive zwischen Nantasket und Pemberton statt, wobei dieselbe allein fuhr.
Am 25. Juni wurden Schleppversuche zwischen Nantasket und Old Colony House, wo eine
schärfere Curve mit einer grösseren Steigung zusammenfällt, angestellt und 16
angehängte vierachsige Frachtwagen, welche 450 t Ladung trugen, anstandslos
befördert.
Bemerkenswerth ist die Ausrüstung der äusserlich den Gepäckwagen gleichenden
Locomotiven mit einer grossen und mehreren kleinen Signalpfeifen, welche durch
Druckluft von 5,7 at Pressung, die von einer mittels Zahnrädervorgelege elektrisch
betriebenen Luftpumpe erzeugt wird, in Thätigkeit gesetzt werden können. Die
Stromabnehmerrolle sitzt an der Spitze eines langen federnden Bügels, welcher sie
gegen den Leitungsdraht presst.
Die Stromerzeugungsanlage besteht aus acht liegend angeordneten cylindrischen
Röhrenkesseln von Edward Kendall and Sons in
Cambridgeport und aus zwei Verbunddampfmaschinen der Providence Steam Engine Company. Von den Kesseln sind je vier zu einer
Gruppe vereinigt; sie haben einen Durchmesser von 1,83 m und eine Länge von 5,8 m.
Die Anzahl der Feuerrohre mit 76 mm Durchmesser beträgt 140, der Dampfdruck 9,3
at.
Die Dampfmaschinen mit Ventilsteuerung und hinter einander liegenden Cylindern von
508 bezieh. 965 mm Durchmesser für 1220 mm Hub arbeiten mit 110 Umdrehungen in der
Minute. Die mit den Dampfmaschinen direct gekuppelten Dynamos haben eine Spannung
von 700 Volt und eine Stromstärke von 715 Ampère. Das Schaltbrett besitzt für jede
Maschine einen besonderen Apparatsatz, der für einen Strom von 1000 Ampère berechnet
ist.
Die Locomotiven der im Juni 1894 seitens der gesetzgebenden Körperschaft des Staates
Massachusetts (Nordamerika) genehmigten Boston Elevated
Railroad Co. – einer dem schnellen Strassenverkehr in Boston dienenden
Hochbahn, Bauart Meigs, mit Curven bis zu 15 m
Halbmesser und Steigungen bis 1 : 15, deren Schienen auf Stützen von je zwei in
einem starken Betonfusse stehenden ⌶-Eisen u.s.w. ruhen (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1895 S. 1454) – laufen nach
Engineer, 1894 S. 576, auf zwei Drehgestellen mit
je vier Trag- und zwei dazwischen befindlichen Führungsrädern; zwischen den beiden
Drehgestellen liegt ein Paar wagerechter Triebräder von 1130 mm Durchmesser mit
unten vorspringenden, unter die Schienen greifenden Flanschen, welche behufs
Erzielung eines gleichmässigen Ganges durch vier Zahnräder gekuppelt und zur
Erzeugung des nöthigen Adhäsionsdruckes mittels Presswassercylinder gegen die
Schienen gedrückt werden, deren Kolbenstangen mit Gabelgelenken an Lappen der
Lagerbüchsen der lothrechten Achsen angreifen. Das Gestell besteht aus zwei
Netzwerklängsträgern, auf denen eine ebene Bühne ruht. Auf dieser stehen hinten ein
Kessel und vor diesem zwei wagerechte Dampfmaschinen. Der Stahlkessel ist bei 1524
mm Durchmesser 4572 mm lang und hat 208 Röhren von je 51 mm Durchmesser und 2134 mm
Länge. Die Feuerkiste von 1384 mm Länge und durchschnittlich gleicher Breite ist
nach hinten so abgeschrägt, dass sie auf Steigungen 1 : 6,6 noch nicht trocken
läuft. Die Feuerung ist für Anthracit eingerichtet. Die Cylinder mit oberem
Schieberkasten liegen vor der Rauchkammer und haben 406 mm Durchmesser für 559 mm
Hub. Die fest geführten Kreuzköpfe tragen unten einen Zapfen, welcher mittels
Kurbelschleife und wagerechter Kurbel die lothrechten Achsen der Triebräder
unmittelbar antreibt. Die Excenter der Coulissensteuerung sitzen unter den Kurbeln
auf den lothrechten Achsen.
Der Druck der wagerechten Triebräder gegen die Schienen wird zugleich zum Bremsen
benutzt und genügt zu beliebigem Anfahren und Halten der gewöhnlichen Züge auf
Steigungen 1 : 15,3. Die Locomotive ist wie die Wagen cylindrisch mit
Holzverkleidung auf starkem Eisengerippe gebaut. Vorn befindet sich der mit erhöhtem
Dache und Fenstern ausgestattete erhöhte Führerstand mit allen Steuer- und
Bremshebeln, vor dem sich auch noch eine durch eine Thür zugängliche offene,
überdachte Endbühne befindet. Die 30 t schwere Locomotive ist 8915 mm lang und 2286
mm breit.
Der Tender und auch die Wagen haben dieselben beiden Drehgestelle wie die Locomotive;
ersterer ist wie diese cylindrisch eingebaut und trägt zwei runde Wasserkessel von
je 8,2 cbm Inhalt, ausserdem sehr reichliche Kohlenvorräthe. Das Gewicht des Tenders
von 7849 mm Länge und 2286 mm grösster Breite beträgt 14 t. Die Curven von 15,2 m
Halbmesser sind im Gefälle mit einer Geschwindigkeit von 25 km in der Stunde
anstandslos befahren.
Eine eigenartige von der Gesellschaft St. Léonard in
Lüttich für die belgische Staatsbahn gebaute vierachsige, zweifach gekuppelte
Schnellzuglocomotive mit dreifachem Langkessel mag noch kurze Erwähnung finden.
Die Locomotive besitzt nach den Engineering, Mai 1894 S.
573, entnommenen Mittheilungen einen mittleren, in der Längsachse liegenden
Hauptkessel von 1295 mm Durchmesser, welcher mit zwei Seitenkesseln von je 686 mm
Durchmesser die Feuerbüchse wie auch die Rauchkammer gemeinsam hat. Der Schornstein
von quadratischem Querschnitt zeigt behufs Vergrösserung des Zuges in den
Siederohren der Seitenkessel nach unten eine bedeutende seitliche Erweiterung.
Die Hauptabmessungen der Locomotive sind folgende:
Breite der Feuerkiste, innen
2819
mm
„ „ „ aussen
2997
mm
Länge „ „ innen
1778
mm
„ „ „ „
1905
mm
Lichte Höhe der Feuerbüchse vorn
1092
mm
„ „ „ „ hinten
838
mm
Rostfläche
5,20
qm
Anzahl der Siederohre im Mittelkessel
180
„ „ „ in den
Seiten- kesseln
96
Anzahl der Siederohre insgesammt
276
Länge der Siederohre
4572
mm
Dampfüberdruck
9
at
Heizfläche in der Feuerbüchse
11,3
qm
„ „ den Siederohren
179,4
qm
Zusammen
190,7
qm
Cylinderdurchmesser
498
mm
Kolbenhub
597
mm
Durchmesser der Treibräder
2096
mm
Gewicht der Locomotive
57,71
t
„ des Tenders
29,97
t
Gesammtgewicht
87,68
t
Die Locomotive beförderte einen Zug von 152,4 t Gesammtgewicht incl. der Locomotive
auf einer Steigung von 1 : 62 mit einer Geschwindigkeit von 64 km in der Stunde, in
einem anderen Falle einen 185 t schweren Zug auf derselben Steigung mit 49,6 km in
der Stunde, wobei 1235 geleistet wurden. Bei 152,4 t Gesammtzuggewicht und
95 km Geschwindigkeit leistete die Locomotive auf einer Steigung 1 : 200 sogar 1339
. Der stündliche Kohlenverbrauch wird hierbei zu 254 bis 322 k für 1 qm
Rostfläche angegeben, die mittlere Verdampfung zu 5,6, die höchste zu 6,6, wobei zu
bemerken ist, dass Gruskohle ohne Zusatz von Presskohle verfeuert wurde.
Fr. Freytag.