Titel: | Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung 1896. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 1 |
Download: | XML |
Die Dampfmaschinen der Berliner
Gewerbeausstellung 1896.
Von Fr. Freytag in
Chemnitz.
Mit Abbildungen.
Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung
1896.
Die gesteigerten Anforderungen, welche, uni den Wettkampf mit anderen Culturvölkern
auf dem Weltmarkte aufnehmen zu können, in neuerer Zeit mehr denn je an die
Erzeugnisse aller Industriezweige gestellt werden, sind auch auf den Bau von
Dampfmaschinen nicht ohne Einfluss geblieben und haben neben sorgfältigster
Bearbeitung der aus bestem Material hergestellten Einzeltheile weitere
Vervollkommnungen derselben herbeigeführt.
Die vorjährigen grösseren Ausstellungen in Stuttgart, Berlin und Nürnberg liessen
namentlich an den zum Betreiben elektrischer Licht- und Arbeitsmaschinen
ausgestellten Dampfmaschinen beachtenswerte Verbesserungen erkennen.
Die hervorragenden Leistungen derjenigen Firmen, welche die Ausstellung für
Elektrotechnik und Kunstgewerbe in Stuttgart mit Dampfmaschinen beschickten, sind
bereits in einem bezüglichen Berichte zum Ausdruck gebracht worden (1896 301 * 220).
Nachstehend sollen die auf der Gewerbeausstellung in Berlin vertreten gewesenen, fast
ausschliesslich zum Betreiben elektrischer Maschinen zur Erzeugung von Licht und
Kraft dienenden Dampfmaschinen eingehender besprochen werden, während die
Beschreibung der auf der II. bayerischen Landesausstellung in Nürnberg ausgestellten
Dampfmaschinen einem späteren Fachberichte vorbehalten bleibt.
Nach einer dem Specialkataloge VII – Maschinenbau, Schiffsbau, Transportwesen,
Elektrotechnik – der Berliner Gewerbeausstellung vorausgeschickten Abhandlung von
K. Specht wird der Bau von Dampfmaschinen in Berlin
in einer grösseren Anzahl von Fabriken gepflegt, die zumeist auf der Ausstellung
vertreten waren.
Zunächst ist A. Borsig zu nennen, welcher neuere
Maschinen theils nach dem Verbundsystem, theils nach dem Dreifach-Expansionssystem
ausführt.
Die Anforderungen, welche an Motoren elektrischer Beleuchtungsanlagen bezüglich hoher
Umdrehungszahl und Gleichmässigkeit des Ganges zu stellen sind, waren bei den von
Borsig ausgestellten Dampfmaschinen in hohem Maasse
erfüllt.
Die Actiengesellschaft für Eisengiesserei und
Maschinenfabrikation vorm. J. C. Freund baut ebenfalls grössere und
kleinere Dampfmaschinen. Durch Anwendung der Knittel'schen Patente auf Dampfmaschinensteuerung und -regulirung erreichen
die Maschinen dieser Fabrik einen hohen Grad von Sparsamkeit im Dampfverbrauch wie
auch von Gleichmässigkeit im Gange.
Weiter ist die Schiffs- und
Maschinenbau-Actiengesellschaft Germania in Tegel zu nennen, welche
hauptsächlich den Bau von Schiffsdampfmaschinen betreibt, daneben aber auch grosse
Maschinen für den Bergwerks- und Hüttenbetrieb liefert.
Zu den ältesten Fabriken für Dampfmaschinenbau gehört diejenige von C. Hoppe, der sich das grosse Verdienst erwarb, zuerst
die Expansionskraft des Dampfes für den Maschinenbetrieb nutzbar zu machen und die
Construction der Dampfmaschine wesentlich zu vereinfachen. Ebenso hat Hoppe bahnbrechend für die Einführung des Woolf'schen Dampfmaschinensystems gewirkt. Seine erste
Leistung auf diesem Gebiet bestand darin, dass er im J. 1847 der den gesteigerten
Anforderungen nicht mehr genügenden Condensationsdampfmaschine der Stettiner
Walzenmühle eine 50pferdige Hochdruckdampfmaschine anfügte, mit deren Abdampf die
alte Condensationsmaschine gespeist wurde. Hierauf erfolgte die erste Bestellung auf
eine 40pferdige Woolf'sche Maschine. Das gleiche System
wendete Hoppe auch für Wasserhaltungsmaschinen an; die
grösste derartige von ihm erbaute Maschine hat 1500 .
Von den später entstandenen Fabriken, welche sich hauptsächlich mit Dampfmaschinenbau
befassen, ist die im J. 1852 von L. Schwartzkopff
errichtete Eisengiesserei und Maschinenbauanstalt zu nennen. Die Fabrik ging 1871 an
die Berliner Maschinenbau-Actiengesellschaft vormals L.
Schwartzkopff über. Des Weiteren nimmt die 1872 errichtete Maschinenfabrik Cyclop (Mehlis und Behrens) eine
hervorragende Stelle im Dampfmaschinen- und allgemeinen Maschinenbau ein.
Ausser den bisher genannten Fabriken sind für Dampfmaschinenbau noch Brodnitz und Seidel, Petzold und Co., Carl Flohr, die
Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft und Leop. Ziegler zu nennen.
Von nicht in Berlin domicilirten Firmen brachten die Kottbuser Maschinenbauanstalt und Eisengiesserei, A.-G., in Kottbus und
R. Wolf in Magdeburg-Buckau Dampfmaschinen bezieh.
Locomobilen zur Ausstellung.
Der für Ausstellungszwecke erforderliche elektrische Strom wurde in drei
Kraftstationen erzeugt, während eine vierte Station den Strom für die
Sonderausstellung „Kairo“ lieferte.
Zar ersten Kraftstation im nordwestlichen Theil der Maschinenhalle gehörten 17
Dampfmaschinen mit einer normalen Gesammtleistung von rund 3700 .
Die Maschinenbauanstalt A. Borsig war auf der
Ausstellung durch sieben Dampfmaschinen verschiedener Construction vertreten, die
sämmtlich in belastetem Zustande im Betrieb waren.
Die vier stehenden Verbunddampfmaschinen von je 400 mit 550 und 870 mm
Cylinderdurchmesser, 500 mm Kolbenhub und normal 150 Umdrehungen in der Minute dienten theils
Beleuchtungszwecken, theils dem Betriebe der auf der Ausstellung befindlichen
elektrischen Rundbahn. Die Kraftabgabe erfolgte bei drei Maschinen direct durch
Kuppelung der Maschinenwelle mit der Dynamowelle, bei der zum Betreiben der
elektrischen Rundbahn dienenden Maschine indirect durch Riemenübertragung von zwei
Schwungrädern.
Textabbildung Bd. 303, S. 2
Fig. 1.Stehende Dampfmaschine von Borsig.
Bei allen vier Maschinen sind, wie aus Fig. 1
ersichtlich, die Cylinder hinten durch zwei kräftige gusseiserne Ständer, welche zur
Führungsbahn der Kreuzköpfe ausgebildet sind, und ihnen gegenüber durch drei
schräge, schmiedeeiserne, blanke Säulen gestützt. Letztere sind so gestellt,
dass die bequeme Zugänglichkeit der arbeitenden Theile vollständig gewahrt bleibt.
Ständer und Säulen sind auf einer kräftigen gusseisernen Grundplatte, welche die
Lager für die doppelt gekröpfte Kurbelwelle trägt, montirt.
Der Hochdruckcylinder wird mit Frischdampf, der Niederdruckcylinder mit Receiverdampf
geheizt. Die Kolbenstangen, die zur besseren Führung auch oben in Stopfbüchsen
laufen, sind mit den Kreuzkopfkörpern in einem Stück hergestellt. Die Pleuelstangen,
welche die fünffache Kurbellänge haben, sind mit Lagerschalen aus Rothguss versehen, von denen die
unteren, den Kurbelzapfen umfassenden mit Weissmetall ausgegossen sind.
Die doppelt gekröpfte Kurbelwelle ist aus einem Stück hergestellt und mit
angeschmiedetem Endflansch zum Ankuppeln der Dynamo welle oder der Hauptbetriebs
welle versehen. Die Kurbeln sind um 90° gegenseitig versetzt. Die Körper der drei
Kurbellager sind mit der Grundplatte zu einem Gusskörper vereinigt. Ausserhalb des
auf der Niederdruckseite angeordneten Schwungrades ist noch ein viertes Lager zum
Tragen der Schwungradwelle angeordnet.
Die Dampfvertheilung des Hochdruckcylinders erfolgt durch eine
Expansionsschiebersteuerung, System Rider, deren
Grundschieber, als Kolbenschieber ausgebildet, den gleichfalls cylindrischen, gegen
den Dampfdruck vollkommen entlasteten Expansionsschieber centrisch umschliesst.
Durch einen den Füllungsgrad selbstthätig und direct verstellenden Regulator wird
ein genügend gleichmässiger Gang der Maschine erzielt.
Textabbildung Bd. 303, S. 3
Fig. 2.Borsig's Dampfmaschine mit Rider-Steuerung.
Textabbildung Bd. 303, S. 3
Fig. 3.Borsig's Dampfmaschine.
Die Steuerung des Niederdruckcylinders wird durch einen Trick'schen Kanalschieber mit doppelter Einströmung bewirkt. Die
Schmierung der Maschine erfolgt selbsthätig von einer Centralstelle aus; für die
Schmierung der Dampfcylinder ist eine besondere Doppelschmierpumpe vorgesehen,
welche das Oel direct dem Schieberkasten des Hoch- bezieh. Niederdruckcylinders
zuführt. Das gebrauchte Schmiermaterial wird durch Spritzblenden und Oelfänger
aufgefangen und einem Sammelbehälter zugeführt.
Sämmtliche bei Inbetriebsetzung der Maschine zu bedienenden Handgriffe sind von der
Vorderseite der Maschine leicht zu erreichen. An der Rückseite ist ein Podest mit
Treppe, auf der Grundplatte sind zwei Auftritte angeordnet.
Alle vier Maschinen sind für Condensation eingerichtet, ausgeführt ist diese aber nur
und zwar als Einspritzcondensation für die Maschine im Kuppelbau der Maschinenhalle,
welche eine Drehstromdynamo der Firma Siemens und
Halske direct antreibt. Die einfach wirkende Luftpumpe wird vom Kreuzkopf
des Niederdruckcylinders durch Balancier angetrieben. Das Condenswasser fliesst der
Pumpe, bei welcher die Saugklappen in Wegfall gekommen sind, durch Schlitze in der
Wandung des Pumpencylinders selbstthätig zu. Die Druckklappen sind von oben leicht
zugänglich gemacht.
Im Kuppelbau der Maschinenhalle zu beiden Seiten der stehenden Condensationsmaschine
hatte A. Borsig ferner je eine liegende
Schiebermaschine ausgestellt. Die auf der linken Seite aufgestellte war eine
20pferdige Eincylindermaschine ohne Condensation mit Dampfcylinder von 250 mm
Durchmesser für 400 mm Kolbenhub. Die Maschine diente mittels hinten durchgeführter
Kolbenstange zum directen Betreiben eines Luftcompressors, welcher einer gleichfalls
von der Firma ausgestellten Mammuthpumpe (1896 300 * 2)
die erforderliche Druckluft lieferte.
Die in Fig. 2 ersichtliche Maschine zeigt die jetzt
übliche Bauart mit Bajonnetrahmen. Dampfcylinder, Compressorcylinder und die Lager
der Steuerwelle sind auf einer gemeinsamen Grundplatte montirt. Für den
Dampfcylinder ist eine Expansionsschiebersteuerung, System Rider, mit flachem Grundschieber und directer Einwirkung des Regulators
auf den Expansionsschieber vorgesehen. Der Tragspiegel des letzteren wird durch ein in den
Grundschieber eingesetztes besonderes Futter aus hartem Eisenguss gebildet, in
welchem für jede Cylinderseite zwei Dampfeinströmungskanäle in solcher Lage einander
gegenüber angeordnet sind, dass eine vollkommene Entlastung des Schiebers vom
Dampfdruck stattfindet. Die Steuerung des Compressorcylinders geschieht durch einen
Flachschieber mit Ueberströmung behufs Erhöhung der volumetrischen Leistung. Auf dem
Rücken dieses Flachschiebers befindet sich das Druckventil.
Textabbildung Bd. 303, S. 4
Fig. 4.Verbundmaschine von Borsig.
Die auf der rechten Seite aufgestellte Maschine war eine 100pferdige
Verbunddampfmaschine ohne Condensation mit Dampfcylindern von 325 bezieh. 475
mm Durchmesser, 450 mm Kolbenhub und 150 Umdrehungen in der Minute.
Die Maschine (Fig. 3) zeigt eine sehr gedrängte
Bauart, ohne dass jedoch dadurch die Uebersichtlichkeit und leichte Zugänglichkeit
ihrer Einzeltheile beeinträchtigt wird.
Beide Cylinder sind mit den Schieberkästen zusammen in einem Stück gegossen. An ihrem
vorderen Ende sind dieselben mit dem Flansch des Geradführungsbalkens fest
verbunden, hinten sind sie durch einen gusseisernen Fuss gestützt. Die Heizung der
Cylinder erfolgt in gleicher Weise wie bei den stehenden Schiebermaschinen. Der
Hochdruckcylinder hat Rider-Steuerung mit vollkommen entlastetem, von einem
Federregulator direct beeinflussten Expansionsschieber, beim Niederdruckcylinder
geschieht die Dampfvertheilung durch einen Trick'schen
Kanalschieber. Die Schieberkästen sind beiderseits nach aussen angeordnet. Durch die
Lage der Excenter zwischen Kurbel und Kurbellager wird ein directer Antrieb der
Schieber vom Excenter aus ermöglicht, ohne dabei lange Dampfkanäle zu erhalten. Die
Schmierung der Dampfcylinder erfolgt durch eine Doppelschmierpumpe, die das Oel
direct den Schiebergleitflächen zuführt; für den Expansionsschieber des
Hochdruckcylinders ist noch eine besondere Oelvase vorgesehen.
Die doppelt gekröpfte Kurbelwelle ruht in drei Lagern, die mit den beiden
Geradführungen zu einem kräftigen Grundrahmen vereinigt sind, ausserdem noch in
einem hinter dem Schwungrade besonders angeordneten Stehlager. Die Kurbellager haben
viertheilige, nachstellbare Lagerschalen aus Gusseisen mit Weissmetallausguss.
Die Kraftübertragung erfolgte im vorliegenden Falle vom Schwungrade aus mittels
Riemen auf eine Drehstromdynamo von Gebr. Naglo in
Berlin, doch eignet sich diese Maschinenform ganz besonders auch für directen
Antrieb von Dynamos.
Eine in der Kraftstation der Maschinenhalle noch befindliche wagerechte
Verbundmaschine von A. Borsig mit Ventilsteuerung hatte
400 bezieh. 600 mm Cylinderdurchmesser für 800 mm Kolbenhub. Bei normaler Füllung
und 98 Umdrehungen in der Minute leistet die Maschine 160 .
Die Bauart der Fig. 4 und 5 ersichtlichen Maschine ist diejenige moderner Betriebsdampfmaschinen.
Die Schwungrad welle ruht in den beiden Lagern des Bajonnetrahmens und trägt zwei,
im rechten Winkel zu einander angeordnete Endkurbeln. Der Hochdruckcylinder ist mit
einer zwangläufigen Präcisionsventilsteuerung, System Radovanovic (D. R. P. Nr. 65698, D. p. J.
1895 296 177) ausgerüstet. Diese Steuerung zeichnet sich
durch eine vollständig centrische Anordnung der Gelenke aus und besitzt bei
Vermeidung von Klinken, Luftbuffern und anderen leicht abnutzbaren Theilen nur eine
geringe Rückwirkung auf den Regulator, so dass selbst bei sehr stark und schnell
wachsenden Belastungen der Maschine die Umdrehungszahl derselben constant bleibt.
Der Niederdruckcylinder hat zwangläufige Ventilsteuerung gewöhnlicher Construction
für ein festes Expansionsverhältniss, welches der mittleren Beanspruchung der
Maschine entsprechend regulirt wird.
Die Kolben laufen in besonders eingesetzten Arbeitsbüchsen aus hartem Eisenguss, die
nach erfolgter Abnutzung leicht ausgewechselt werden können. Die Heizung der beiden
Cylinder sowie des Receivers erfolgt mit Frischdampf.
Die Luftpumpe der über Flur liegenden Condensation wird vom hinteren Ende der
beiderseits in Stopfbüchsen laufenden Kolbenstange des Niederdruckcylinders aus
direct angetrieben.
Textabbildung Bd. 303, S. 5
Fig. 5.Verbundmaschine von Borsig.
Abgegeben wurde die Kraft vom Schwungrade mittels Riemen auf eine Gleichstromdynamo
der Elektricitäts-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer und
Co. in Frankfurt a. M.
Die von der Schiff- und Maschinenbau-Actiengesellschaft
Germania in Tegel und Kiel ausgestellte stehende
Dampfdynamobetriebsmaschine ist als zweifache Verbundmaschine mit unter 90°
versetzten Kurbeln und mit Einspritzcondensation gebaut. Die Durchmesser der
Cylinder betragen 400 bezieh. 630 mm für 300 mm Kolbenhub. Die normale Leistung
der Maschine stellt sich bei 230 minutlichen Umdrehungen und 10 at
Admissionsspannung des Arbeitsdampfes auf 160 effective .
Textabbildung Bd. 303, S. 5
Maschine der Actiengesellschaft Germania in Tegel.
Wie Fig. 6 und 7 erkennen lassen, sitzt
auf der doppelt gekröpften Schwungradwelle links das fliegend angeordnete Schwungrad
mit eingebautem Achsenregulator, Patent Stein, rechts
auf der verlängerten Kurbelwelle der Ring einer Gleichstromdynamomaschine von 100
Kilo-Watt Leistung bei 250 Volt. Die beiden Dampfcylinder bilden mit ihren
Schieberkästen und dem Receiver ein einziges Gusstück, welches vorn durch drei
schmiedeeiserne Säulen, hinten durch zwei gusseiserne Ständer gestützt wird;
letztere werden in bekannter Weise gleichzeitig als Kreuzkopfführungen benutzt.
Die Kolbenstange trägt den Kreuzkopf sammt Schuh angeschmiedet. Der Kreuzkopf bolzen
bewegt sich in Bronzeschalen, die durch den Deckel und zwei Schraubenbolzen
angedrückt werden.
Zur Dampfvertheilung des Hochdruckcylinders dient ein ohne Ringe ausgestatteter
Kolbenschieber mit Trick-Kanal, dessen Antriebsexcenter durch den Achsenregulator in
Bezug auf Voreilwinkel und Excentricität verstellt wird. Der Niederdruckschieber ist
ein Trick'scher Flachschieber, der mit fester Expansion
arbeitet.
Der im Schwungrade angeordnete Achsenregulator besteht aus zwei Fliehpendeln,
welche durch einen auf der Welle reitenden Kuppelungsring und zwei kurze
Kuppelungsstangen zum gleichzeitigen Ausschlagen gezwungen werden. Jedes Pendel wird
durch Schneidenangriff von einer radial stehenden Feder gedrückt, deren zweiter
Stützpunkt je ein im Schwungradkranze verstellbar angebrachter Stift bildet. Die
eine Pendeldrehwelle ist mit dem Pendel durch Vierkant verbunden, die zweite lose in
der Bohrung des Pendels drehbar. Jede Pendelwelle hat einen angeschmiedeten Hebel,
mit welchem je ein Lappen des frei auf der Welle schwingenden Excenters angegriffen
wird, wobei dieses mit seiner angegossenen ebenen Fläche von einer ebensolchen an
der Schwungradnabe befindlichen Fläche geführt wird.
Die Regulirung ist eine ganz vorzügliche, sie wurde, wie jede
Dampfdynamobetriebsmaschine der Germania, in deren
Werkstätten unter Dampf mit Bremsung und momentanem Ausrücken von 100 Proc. der
Maximallast probirt, wobei die maximale Tourenzahl nicht über 240 stieg und nach 2 ¼
Secunden sich wieder auf die normale Tourenzahl von 230 einstellte.
Die in gewöhnlicher Weise vom Kreuzkopf des Hochdruckcylinders angetriebene Luftpumpe
hat 380 mm Durchmesser und 140 mm Kolbenhub. Der Einspritzhahn zum Condensator wird
durch einen vor der Maschine in bequemer Höhe liegenden wagerechten Hebel gestellt,
woselbst sich in der Nähe das Handrad zum Absperrventil des Hochdruckcylinders
befindet.
Das mit einem Deckel verschlossene Schwungrad ist mit Zahnlücken am Umfange versehen,
um mittels eines Schaltwerkes die Maschine von Hand drehen zu können.
Die Maschine besitzt Centralschmierung, Schmierhähne und eine Schmierpumpe für
die im Dampf arbeitenden Maschinentheile.
Die Firma C. Hoppe in Berlin hatte in der
Hauptmaschinenhalle zwei liegende Verbunddampfmaschinen eigenartiger Construction
ausgestellt, die in allen ihren Theilen gleich dimensionirt sind. Die eine dieser
Maschinen läuft mit 100, die andere mit 110 Umgängen in der Minute und es diente die
letztere zum Betriebe einer Wechselstrommaschine der Union-Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin.
Die Maschinen zeigten folgende Hauptabmessungen:
Durchmesser des Hochdruckcylinders
350 mm
„ „
Niederdruckcylinders
550 mm
„ „
Luftpumpencylinders
160 mm
Gemeinschaftlicher Kolbenhub
600 mm
Minutliche Umdrehungszahl
100 bez.
110
Dampfspannung im Schieberkasten
8 at (Ueberdruck)
Leistung
90 bez.
100 effective
Textabbildung Bd. 303, S. 6
Fig. 8.Verbunddampfmaschine von Hoppe.
Wie aus Fig. 8 ersichtlich, liegt der Maschinenrahmen,
was für hohe Drucke bei immerhin höheren Umgangszahlen besonders vortheilhaft, in
seiner ganzen Länge auf dem Fundamente auf. Jeder Dampfcylinder ist an seinem
hinteren Ende mit einem Fuss versehen, welcher derartig auf einer Fundamentplatte
befestigt ist, dass die Cylinder der Ausdehnung durch die Erwärmung Folge geben
können. Beim Niederdruckcylinder ist diese Grundplatte so weit verlängert, dass auf
ihr gleichzeitig die an die betreffende Kolbenstange angehängte Luftpumpe montirt
ist. Der Hochdruckcylinder ist mit Mantel- und Deckelheizung versehen, wogegen beim
Niederdruckcylinder nur die Deckel geheizt sind. Der zwischen den Cylindern
unterirdisch befindliche Receiver ist ebenfalls geheizt. Zur Dampfvertheilung in
beiden Cylindern dienen Doppelschiebersteuerungen. Der zum Hochdruckcylinder
gehörige Expansionsschieber wird durch einen kräftigen Federregulator von grosser
Empfindlichkeit beeinflusst. Der Regulator wird direct durch konische Räder mit
gefrästen Zähnen von der Schwungradwelle angetrieben. Die Füllung im
Niederdruckcylinder kann durch Verstellung des Expansionsexcenters ebenfalls
verändert werden. Die vorderen Kurbelwellenlager sind viertheilig.
Um abtropfendes Oel so viel als möglich aufzufangen, ist der Maschinenbalken und die
erwähnte Fundamentplatte mit einem umlaufenden Schmierrand versehen. Zum Auffangen
des abspritzenden Oeles an den Kurbeln sind Spritzblenden angebracht.
(Fortsetzung folgt.)