Titel: | Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung 1896. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 26 |
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Die Dampfmaschinen der Berliner
Gewerbeausstellung 1896.
Von Fr. Freytag in
Chemnitz.
(Fortsetzung des Berichtes S. 1 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Die Dampfmaschinen der Berliner Gewerbeausstellung
1896.
Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin
hatte für die in der Maschinenhalle befindliche elektrische Centrale zwei mit
stehenden Dampfmaschinen direct gekuppelte Drehstromdynamomaschinen geliefert.
Bei der kleineren Maschine ist der Anker mit einer aus einer einzigen Reihe
kräftiger, in geschlitzten Löchern am Umfange des Ankereisens festgelegten
Kupferstäben gebildeten Trommelwickelung versehen und auf die verlängerte
Kurbelwelle fliegend aufgesetzt. Das aus einem Ringe mit radial nach innen
gerichteten Polen bestehende Magnetsystem ist mittels besonderer Grundplatte im
gemauerten Fundament verankert. Die Entnahme des Drehstromes erfolgt durch
Schleifringe und Bürsten, während der zur Erregung benöthigte Gleichstrom der
Magnetwickelung mittels fester Klemmen zugeführt wird. Der Bürstenhalter war an
einer besonderen Tragesäule befestigt. Die Leistung der Maschine im Dauerbetriebe
unter inductionsfreier Belastung (cos φ = 1) beträgt
bei 215 minutlichen Umdrehungen und einem Energieverbrauch von 135 rund
90000 Watt bei 200 Volt Hauptspannung. Vor Inbetriebsetzung der zweiten
Dynamomaschine soll jedoch diese Maschine zeitweise bis zu 130000 Watt geleistet
haben, ohne Schaden zu nehmen.
Die zugehörige Dampfmaschine arbeitet nach dem Verbundsystem mit Cylindern von 300
bezieh. 500 mm Durchmesser und 350 mm Kolbenhub. Hoch- und Niederdruckcylinder sind
von je einem Dampfmantel umgeben und liegen neben einander; die Schieber sind aussen
angeordnet. Da das Aussenlager nicht genügt, um den verlangten hohen
Gleichförmigkeitsgrad der Bewegung zu erreichen, ist die verlängerte Kurbelwelle mit
einem schweren Schwungrad versehen und aussen nochmals gelagert. Das Aussenlager ist
auf der verlängerten Grundplatte der Dampfmaschine befestigt und unmittelbar neben
demselben der auf der Kurbelwelle fliegend sitzende Anker der Dynamo angeordnet.
Der Hochdruckcylinder hat Kolbenschiebersteuerung mit selbsthätig veränderlicher,
durch einen empfindlichen, indirect wirkenden Regulator beeinflusster Expansion; der
Niederdruckcylinder hat feste Expansion. Der Expansionsschieberkolben ist
innenliegend, die zugehörige Schieberstange ist durch die hohle Grundschieberstange
geführt und durchgehend. Am oberen hervorstehenden Ende greift der Verdrehungshebel
des Regulators an. Letzterer ist seitlich auf der Grundplatte aufgeschraubt und
empfängt seine Bewegungen von der Kurbelwelle aus mittels zweier Schraubenräder, von
denen das Triebrad in Bronze ausgeführt ist. Zur Schmierung der Cylinder dient eine
mechanische Schmierpumpe, während den anderen beweglichen Theilen das
Schmiermaterial aus einem centralen, vorn an den Cylindern angebrachten
Schmiergefäss zugeführt wird.
Bei 8 at Admissionsspannung und einer etwa siebenfachen Gesammtexpansion beträgt die
Leistung der Maschine bei 200 minutlichen Umdrehungen etwa 135 effective
.
Die zweite Maschine ist eine Drehstrommaschine der von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft für grössere
Niederspannungsmaschinen, sowie besonders für Hochspannungsmaschinen gewählten Type
0. Dieselbe ist in der Elektrotechnischen Zeitschrift,
1895 Heft 6 S. 95, eingehend beschrieben; ihre charakteristischen Eigenschaften sind
einspulige Erregung, sowie feststehende Anker- und Erregerwickelung. Maschinen
dieser Type werden für Leistungen von 100 bis 2000 und darüber bei 600 bis
85 minutlichen Umdrehungen und für beliebig hohe praktisch vorkommende Spannungen
gebaut.
Die in Berlin ausgestellte Maschine leistet bei einem Energieverbrauch von 450
und 375 minutlichen Umdrehungen unter inductionsfreier Belastung 300000
Watt bei 200 Volt Hauptspannung. Die Maschine hat zwei mit Ringschmierung versehene
eigene Lager, sowie eigene Welle, die durch eine elastische Stahlkuppelung mit der
Dampfmaschine verbunden ist. Diese ist eine stehende Drillings-Verbundmaschine,
System Willans (1893 288 *
220), und besteht aus drei neben einander liegenden Cylindersystemen, bei welchen
die Hoch- und Niederdruckcylinder in Tandemanordnung auf gemeinsamem Unterbau über
einander gesetzt sind.
Die der Maschine charakteristische innere Dampfvertheilung bietet den Vortheil, dass
die schädlichen Räume auf ein Minimum beschränkt und ebenso die
Wärmeausstrahlungsflächen verkleinert werden; dementsprechend ist auch der
Dampfverbrauch der Maschine ausserordentlich gering. Die Regulirung geschieht durch
einen in der Verlängerung der Kurbelwelle liegenden, auf ein Drosselventil wirkenden
Schwungkugelregulator, dessen Schwungebene durch die Achse der Welle geht. Ausserdem
ist noch eine vom Regulator selbsthätig beeinflusste, durch einen Hilfsdampfcylinder
bethätigte, sowie auch von Hand in weiteren Grenzen veränderliche Regulirung durch
Aenderung des Füllungsgrades des Hochdruckcylinders vorgesehen.
Um dies zu erreichen, sind die Dampfdurchtrittsöffnungen zum Hochdruckcylinder in der
hohlen Kolbenstange schraubenförmig gestaltet, und es ist über die Kolbenstange eine
feststehende, aber drehbare, ebenfalls mit entsprechenden schraubenförmigen Schlitzen
versehene Hülse gestülpt. Durch Verdrehen der letzteren, welches gemeinsam für die
drei Cylinder durch den Hilfsdampfkolben erfolgt, dessen Bewegung durch den
Regulator mittels Steuerventile eingeleitet wird, ist ähnlich wie bei der
Rider-Steuerung ein früherer oder späterer Abschluss des Dampfeintrittes zu
erreichen. Ausserdem kann, wie bereits bemerkt, die Einstellung der Steuerung auch
von Hand erfolgen. Die kleine Schwungscheibe, welche sich auf dem Regulator
entgegengesetzten Ende der Kurbelwelle befindet, bildet zugleich die eine Hälfte
einer elastischen Kuppelung.
Die Maximalleistung der Maschine beträgt bei normal 360 Umdrehungen in der Minute und
einem Admissionsdruck des Arbeitsdampfes von mindestens 7 at (Ueberdruck) 360
indicirte . Der Ueberdruck kann bis auf 11 at erhöht werden. Mit diesem
Druck und Condensationsbetrieb stellt sich der Verbrauch an trockenem Dampf bei
einer Leistung der Maschine von 360 indicirten auf 7 k für 1
indicirte und Stunde. Der Nutzeffect beträgt 85 bis 90 Proc.
Der von den Maschinen erzeugte Strom von niedriger Spannung wurde durch vier
Transformatoren für je 100 Kilo-Watt auf 2750 Volt Hauptspannung transformirt. Jeder
Transformator ist in der Primär-, wie in der Secundärwirkung dreipolig gesichert und
primär ausschaltbar.
In der Centrale ausserhalb der Ausstellung zur Versorgung des Vergnügungsparkes
befanden sich ferner drei Gleichstrommaschinen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft. Dieselben leisten bei einem
Energieverbrauch von je 108 und 540 Touren in der Minute je 72000 Watt bei
110 bis 120 Volt Klemmspannung. Die mittels Riemen von einer Vorgelege welle aus
angetriebenen Maschinen sind sechspolige Nebenschlussmaschinen der bekannten
Construction mit Gittertrommelanker und Polbüchse.
Ausser dieser Generatoranlage hatte die Allgemeine
Elektricitäts-Gesellschaft auf der Ausstellung noch eine grössere Anzahl
von Licht- und Motoren anlagen ausgeführt.
Die Maschinenfabrik „Cyclop“ Mehlis und Behrens
in Berlin war auf der Kraftstation der Ausstellung durch eine stehende
Verbunddampfmaschine mit Condensation von 220 effectiven vertreten. Der
Hochdruckcylinder hat 450 mm, der Niederdruckcylinder 700 mm Bohrung für 450 mm
gemeinschaftlichen Kolbenhub. Die Maschine arbeitet mit einer Anfangsspannung von 10
at Ueberdruck und macht 150 Umdrehungen in der Minute.
Die sehr kräftig gehaltene Grundplatte enthält zwischen den drei angegossenen
Kurbellagern die Vertiefungen für die Kurbeln und ist mit diesen in das Fundament
eingelassen; auf derselben stehen vier kräftige, gusseiserne, in der Mittelebene der
Kurbeln paarweise gespreizte Säulen und auf diesen die Dampfcylinder. Die Säulen
enthalten die Gleitbahnen für die zweigleisigen Kreuzköpfe. Die doppelt gekröpfte
Kurbelwelle läuft in den genannten drei Lagern und hinter dem zehnrilligen
Seilscheibenschwungrad noch in einem vierten Lager.
Zur Dampfvertheilung des Hochdruckcylinders dienen Kolbenschieber (System Meyer mit grosser Schraube), von denen der
Vertheilungsschieber mit Dichtungsringen ausgestattet ist, während die von einem
kräftigen Regulator mit Pröll'scher Kugelaufhängung
beeinflussten Expansionsschieber dampfdicht ein geschliffen sind. Der Flachschieber
des Niederdruckcylinders ist zwischen den Cylindern eingebaut und mit
Trickkanal versehen.
Die Arbeitskolben sind in Hohlguss hergestellt und von selbstfedernden
Dichtungsringen umgeben. Beide Cylinder haben eingesetzte Futter und werden durch
Frischdampf geheizt. Die Lager der Kurbelwelle, der Kurbelzapfen, sowie die Excenter
sind mit Weissmetall ausgegossen. Ein Schiebergewicht am Regulator gestattet, die
Umdrehungszahl der Maschine um etwa 12 Proc. verändern zu können. Für jeden Cylinder
ist eine mechanische Schmierpumpe vorgesehen, alle übrigen Schmierstellen innerhalb
der Maschine werden von einem Centralschmierapparat bedient, welcher durch einen Handgriff sofort in bezieh. ausser Thätigkeit
gesetzt werden kann. Sämmtliche Deckel der Cylinder und des Kolbenschiebers sind
aufgeschliffen und rein metallisch ohne jegliche Packung abgerichtet. Ueber den
Kurbeln angebrachte Schutzbleche verhindern das Wegschleudern des Oeles; dieses
sammelt sich in den Vertiefungen der Grundplatte und wird von hier in ein Gefäss
geleitet. Die Luftpumpe, welche gewöhnlich unter Flur angeordnet wird, musste in
diesem Falle etwa 0,5 m höher gelegt werden, um das Wasser noch mit Gefälle abführen
zu können. Sie ist einfach wirkend und mit einem Schöpfkolben versehen, der den
Eintritt der Condensationsproducte wie bei den von A.
Borsig ausgestellten stehenden Maschinen durch Schlitze vermittelt, so dass
keine Saugklappen erforderlich sind. Den Antrieb erhält die Luftpumpe in der
üblichen Weise durch Lenkstangen und Schwinge vom Kreuzkopf des Hochdruckcylinders
aus. Der Condensator ist in das Abdampfrohr verlegt.
Die Maschine treibt durch je fünf Baumwollseile von 45 mm Durchmesser zwei
Gleichstromdynamo der Firma Gebrüder Naglo in Berlin,
welche in Abständen von 5 und 7,5 m staffelförmig aufgestellt sind und normal 500
Umdrehungen in der Minute machen. Die Antriebscheiben haben 760 mm Durchmesser, d.
i. das 17 fache des Seildurchmessers. Die Seilgeschwindigkeit beträgt etwa 20 m in
der Secunde.
Sollen Dampfmaschine und Dynamo direct gekuppelt werden, so erlaubt es die Bauart der
ersteren, letztere sowohl rechts wie links auf der verlängerten Kurbelwelle
anzubringen.
Die Maschinenfabrik Brodnitz und Seidel in Berlin hatte
zwei kleine schnell gehende Dampfmaschinen stehender Anordnung zur Ausstellung
gebracht. Die eine, als 6pferdig bezeichnete Maschine diente mit 610 minutlichen
Umdrehungen zum Betreiben eines Centrifugalexhaustors mit einer Leistung von 180 cbm
in der Minute, die andere, 17pferdige Maschine zum Betreiben eines
Patentschraubenradgebläses; letztere machte 200 Umdrehungen in der Minute.
Die Maschinen haben einen Vertheilungsschieber gewöhnlicher Construction. Da sie sehr
häufig für Unterwindgebläse und Ventilationszwecke auf Schiffen Verwendung finden,
wo ununterbrochen Tag und Nacht andauernde Arbeit verlangt wird, ist besondere
Sorgfalt auf die Herstellung der einzelnen Theile und auf die Schmierung verwendet.
Kurbelzapfen und Excenter sind mit Centrifugalschmierung versehen. Das Oel tropft zu
dem Zwecke aus einem Dochtschmierapparat mit Zuführungsrohr und Hahn in rotirende
Auffangschalen, von denen aus es durch die Centrifugalkraft in den hohlen
Kurbelzapfen bezieh. das Excenter hineinbefördert wird. Auch dem Ausgleichen der rotirenden Massen ist
grosse Aufmerksamkeit gegeben. Die Kurbelwelle ist aus Stahl hergestellt und
gekröpft. Die Ausgleichgewichte sind angeschmiedet. Die Lager der Kurbelwelle sind
mit Ringschmierung versehen.
Zum Betriebe einer auf dem Ausstellungsplatze befindlichen Stufenbahn hatte die Elektricitäts-Gesellschaft Union eine von Lud, Loewe und Co. erbaute liegende
Tandem-Verbunddampfmaschine, System Mc Intosh und
Seymoor (1893 290 * 266), aufgestellt, welche
bei einer Anfangsspannung des Arbeitsdampfes von 8 at mit 230 minutlichen
Umdrehungen ohne Condensation 130 indicirte leistet. Der Hochdruckcylinder
hat 280 mm Durchmesser, ist mit Dampfhemd versehen, welches wiederum von einem mit
Asbestfiber gefüllten Mantel umgeben ist, und trägt an jedem Ende ein
Sicherheitsventil. Durch den geheizten Receiver gelangt der Dampf in den
Niederdruckcylinder von 480 mm Durchmesser, der nur mit einem Asbestmantel versehen
ist, gleichfalls aber zwei Sicherheitsventile besitzt.
Textabbildung Bd. 303, S. 27
Verbunddampfmaschine von Petzold und Co.
Der gemeinschaftliche Kolbenhub beträgt 381 mm. Die Kolbenbewegungen werden durch
Kreuzkopf und Führung nach Art der amerikanischen Locomotiven auf die zweiarmige,
mit Gegengewichten versehene und fast vollständig durch ein mit Scharnieren
befestigtes Schutzblech verdeckte Kurbel übertragen. Zu beiden Seiten derselben
liegen die in der Länge sehr reichlich bemessenen, mit Weissmetall ausgegossenen
Lager, welche mit dem Rahmen zusammengegossen sind. Neben jedem Lager ist ein
Riemenscheibenschwungrad von 1740 mm Durchmesser und 400 mm Breite mit ⊔-förmigem
Kranzquerschnitt angeordnet, von denen das eine einen Federregulator aufnimmt, der
die Veränderlichkeit der Steuerung in bekannter Weise mit Hilfe von
Centrifugalgewichten durch Verstellung eines auf der Achse frei beweglichen
Excenters bewirkt. Mittels Anwendung von Spurlagern wirkt den Gewichten eine
Blattfeder entgegen. Die Excenterbewegung wird durch Hebelübersetzung und
Geradführung auf den Kolbenschieber übertragen. Letzterer besteht, wie 1893 290 * 267 näher erläutert, um die Dampfkanäle möglichst
kurz halten zu können, aus zwei Theilen und ist dadurch gekennzeichnet, dass die
Futter, in denen er abdichtet, als Spannringe ausgebildet und mittels einer Schraube
nachstellbar sind.
Die Steuerung für den Niederdruckcylinder ist ähnlich construirt, jedoch auf der
anderen Seite der Maschine angeordnet. Die Bewegung des Kolbenschiebers erfolgt hier
von einem festen Excenter aus.
Eine nahezu geräuschlos arbeitende liegende Verbunddampfmaschine der Firma Petzold und Co. in Berlin mit Cylindern von 400 bezieh.
630 mm Durchmesser für 800 mm Kolbenhub diente mit 76 minutlichen Umdrehungen
mittels Riemen zum Betreiben einer Gleichstromdynamo von W.
Lahmeyer und Co. in Frankfurt a. M.
Bei 8 at Anfangsspannung und Condensation soll die normale Leistung der Maschine 150
betragen.
Wie Fig. 9 bis 11 erkennen lassen,
arbeitet der Hochdruckcylinder mit einer zwangläufigen Ventilsteuerung, der
Niederdruckcylinder mit einer Rundschiebersteuerung. Auf der zum Hochdruckcylinder
gehörigen, mittels konischer Räder von der Schwungrad welle betriebenen Steuerwelle
ist für jedes Cylinderende ein Excenter für Ein- und Auslass des Dampfes befestigt.
Zur Bethätigung der Einlassventile ist an jedes Excenter ein kurzer Lenker ab (Fig. 11) angeschlossen,
dessen Bewegung durch einen zweiarmigen Hebel bg, der
in der Mitte durch einen Schwinghebel ef gestützt ist,
auf die Ventilzugstange gh übertragen wird. Bei b ist ferner eine Schwinge bc angelenkt, welche mit einem auf der Regulirwelle festsitzenden Hebel
cd verbunden ist. Bei Aenderung der Füllung wird,
wie bei den Steuerungen von Recke, Proell, Widnmann,
die Lage des kurzen Lenkers ab verändert, wodurch die
Grösse und Dauer der Ausweichungen des Punktes b
verschieden werden. Als Vortheil dieser Steuerung wird hervorgehoben, dass durch die
Einschaltung des Schwinghebels ef der Hub der Ventile
vergrössert und eine Drosselung des Dampfes beim Schliessen derselben
vermieden wird. Der Punkt e des Schwinghebels bewegt
sich nämlich während der Eröffnung des Ventils derart auf einem Kreise, welcher die
Länge ef des Schwinghebels zum Halbmesser hat, dass er
gezwungen ist, den Bewegungen des Punktes b zu folgen.
Da ferner der Schwinghebel ef beim Anhübe des Ventils
den ganzen Rückdruck aufnimmt, wird auf den Regulator keine Stosswirkung
ausgeübt.
Da nur eine geringe Anzahl von Gelenken mit gehärteten Zapfen in gehärteten Büchsen
vorhanden und Coulissen vollständig vermieden sind, ist die Reibungsarbeit gering
bezieh. auch die Abnutzung verschwindend klein.
Die Dampfvertheilung am Niederdruckcylinder erfolgt durch zwei Rundschieber, die
unter Zwischenschaltung einer Schwinge von einem Excenter der Kurbelwelle bewegt
werden. Die Schieber regeln sowohl die Ein- wie auch die Ausströmung des
Arbeitsdampfes und sind für ein festes Expansionsverhältniss eingestellt.
Textabbildung Bd. 303, S. 28
Fig. 12.Dampfmaschine von Petzold und Co.
Hoch- und Niederdruckcylinder haben Dampfmäntel. Der Frischdampf umspült zuerst den
Mantel des Hochdruckcylinders, tritt dann durch die Ventile in den letzteren und
nach vollbrachter Arbeit in diesem durch ein Ueberströmrohr in den Mantel des
Niederdruckcylinders bezieh. in diesen selbst. Ein besonderer Zwischenbehälter ist
hierbei vermieden. Beide Cylinder sind mit Arbeitsbüchsen versehen, die nach
erfolgter Abnutzung leicht ausgewechselt werden können. Die Luftpumpe des hinter dem
Niederdruckcylinder liegenden Condensators wird von der durchgehenden Kolbenstange
des ersteren betrieben.
Die aus Gummischeiben gebildeten Ventile sind leicht zugänglich und in ihren
Durchlassquerschnitten reichlich bemessen.
Um eventuell auch mit Auspuff des Dampfes arbeiten zu können, ist zwischen
Niederdruckcylinder und Condensator ein Wechselventil eingeschaltet.
Eine von derselben Firma ausgestellte liegende Eincylindermaschine von 250 mm
Cylinderdurchmesser und 450 mm Kolbenhub leistet mit 80 minutlichen Umdrehungen
normal 30
Die Fig. 12 ersichtliche Maschine arbeitet mit einer
von dem Oberingenieur Walter der Firma Petzold und Co.
zum Patent angemeldeten zwangläufigen Rundschiebersteuerung ähnlicher
Construction wie diejenige am Niederdruckcylinder der vorerwähnten Verbundmaschine.
Bei Construction dieser Steuerung wurde besonderes Gewicht auf ökonomisches
Betreiben und geringe Herstellungskosten der Maschine gegenüber Ventil- und
Corliss-Maschinen mit vier Dampfvertheilungsorganen gelegt.
An jedem Cylinderende ist wieder ein Rundschieber angeordnet, welcher den Ein- und
Auslass des Dampfes gleichzeitig regelt. Die Schieber liegen bei der ausgestellten
Maschine im Boden des Cylinders, so dass die schädlichen Räume nur 0,013 vom
Cylindervolumen betragen.
Jeder Schieber wird für sich von einem Mechanismus gesteuert, welcher seine Bewegung
von der Excenterstange ableitet und mit dem Regulator in Verbindung steht. Der
Mechanismus ist vollständig zwangläufig, ohne dass Federn und Luftpuffer in
Anwendung kommen. Im Uebrigen kann mit der Steuerung dasselbe erreicht werden, wie
bei der Anordnung von vier Rundschiebern; es bleiben nämlich Voreinströmung,
Vorausströmung und Compression bei variablen Füllungen von 0 bis 70 Proc.
unverändert. Ferner lassen sich bei dieser Steuerung, im Gegensatz zu anderen
Steuerungen, Vorausströmung und Compression unabhängig von einander wählen und
verstellen.
Eine zweite ausgestellte Eincylindermaschine liegender Anordnung hat 350 mm
Cylinderdurchmesser, 600 mm Kolbenhub und leistet mit 90 minutlichen Umdrehungen 90
; sie arbeitet mit einer Flachschiebersteuerung, System Rider, welche vom Regulator beeinflusst wird.
Die sämmtlichen Gelenke der Steuerung sind nachstellbar eingerichtet und in ihren
Abmessungen reichlich gross gehalten, so dass nur unbedeutende Abnutzungen auftreten
können.
Ausser den genannten liegenden Dampfmaschinen hatte die Firma Petzold und Co. noch zwei stehende Dampfmaschinen ausgestellt.
Die grössere hiervon ist eine Verbundmaschine mit Steuerung nach Patent Mussmann.
Diese Maschinentype ist vorzugsweise für grosse Umlaufzahlen bestimmt und
dementsprechend auf das Sorgfältigste durchconstruirt.
Die Hauptabmessungen der ausgestellten Maschine sind folgende:
Durchmesser des Hochdruckcylinders
250 mm
„ „ Niederdruckcylinders
400 mm
Kolbenhub
300 mm
Minutliche Umdrehungszahl
180
Anfangsspannung
10 at
Die so nahe wie möglich an einander gerückten Cylinder mit aussen liegenden
Schieberkästen sind zu einem Gusstück vereinigt, welches auf zwei gedrungenen
Ständern in A-Form ruht, die ihrerseits mit einer kräftigen Grundplatte verschraubt
sind. Da die Kröpfungen der Kurbelwelle gegenseitig um 180° versetzt liegen, ist
eine fast vollkommene Ausgleichung der Massenwirkungen der leicht gehaltenen
Gestänge erreicht worden.
Die Cylinder sind ausgebüchst und von Dampfmänteln, welche beim Hochdruckcylinder mit
Frischdampf, beim Niederdruckcylinder mit Receiverdampf gespeist werden,
umgeben.
Beachtenswerth ist die Vorrichtung von A. Mussmann zur
Entwässerung des oberen Cylinderraumes (D. R. P. Nr. 87687). Zu dem Zwecke ist die
obere Kolbenfläche nach der Mitte zu trichterförmig vertieft und über die zur
Befestigung der Kolbenstange dienende Mutter eine mit Oeffnungen versehene Glocke
gezogen, deren rohrförmige Verlängerung während des letzten Theiles des Kolbenhubes
in einer centralen Bohrung des Cylinderdeckels gleitet. Das über dem Kolben
angesammelte Wasser wird nach Oeffnen eines auf den Cylinderdeckel geschraubten
Hahnes durch Druck und strahlartige Wirkung bis auf den letzten Rest
ausgeblasen.
Die Dampfvertheilung beider Cylinder erfolgt durch Schieber, und zwar für den
Niederdruckcylinder durch einen Trick'schen
Kanalschieber, für den Hochdruckcylinder durch einen flachen Grundschieber, auf
dessen entsprechend geformtem Rücken ein entlasteter Kolbenschieber als
Expansionsschieber gleitet. Zur Bethätigung des letzteren dient die Steuerung von
Mussmann, deren Eigenart auf der Anwendung einer
steilgängigen Schraube (Drehung) beruht, welche mit dem Expansionsexcenter derart
gekuppelt ist, dass sich Voreilwinkel und Hub desselben ändern, wenn der Regulator
die Mutter des Drehlings axial verschiebt.
Excenter und Drehling sitzen auf einer Welle, welche dem Regulatorstuhl eingefügt und
mit diesem zu einem selbständigen Ganzen durchgebildet ist.
Da bei dieser Steuerung die Relativbewegungen beider Schieber constant sind, erreicht
man für jeden Füllungsgrad ein gleich vortheilhaftes Abschneiden der Dampfzufuhr.
(Bei Gestattung variabler Compression ist nur ein einziger Schieber anzuordnen, der
dann zweckmässig als Rundschieber ausgebildet wird.)
Die Kreuzköpfe bestehen aus Stahlguss und laufen in genau zum Cylinder gebohrten
Rundführungen.
Die Lagerschalen der Kurbelwellen sind aus Gusseisen mit Weissmetallfütterung,
diejenigen der Pleuelstangen aus Rothguss gefertigt und am Kurbelzapfen ebenfalls
mit Weissmetall ausgegossen.
Die Schmierung der bewegten Theile erfolgt von einer Centralstelle am Cylindergehäuse
aus mittels sichtbarer Tropfenbildung, die des Dampfes durch eine Oelpresse, welche
das Oel dem Schieberspiegel des Hochdruckcylinders zuführt. Für Inbetriebsetzung und
besondere Fälle dienen Schmiergläser auf jedem Schieberkasten.
Das abtropfende Oel und Condenswasser läuft in eingegossene Mulden zwischen den
Kurbellagern und wird von hier einem hinter der Maschine stehenden Behälter
zugeführt; ausserdem ist die Grundplatte von einer Oelrinne umzogen.
Bei Maschinen mit Condensation befindet sich die mittels Schwinge vom Kreuzkopf
angetriebene Luftpumpe hinter dem Ständer des Niederdruckcylinders.
Die andere Ausstellungsmaschine stehender Anordnung ist eine Eincylindermaschine mit
275 mm Cylinderdurchmesser und 350 mm Kolbenhub; sie leistet mit 150 Umdrehungen in
der Minute 30 .
Die Steuerung ist eine Flachschieber-Präcisionssteuerung, System Aderhold (D. R. P. Nr. 59173), über welche 1893 288 * 221 eingehend berichtet wurde.
Der Cylinder ruht auf zwei gusseisernen Ständern, die zu einem Stück zusammengegossen
sind. Der Kreuzkopf bewegt sich in einer Rundführung.
Die Maschine diente mittels Riemen zum Betreiben der Hauptwelle im Mühlenpavillon der
Firma Petzold und Co.; von einer zweiten, auf der
Kurbelwelle befestigten Riemenscheibe wird eine zur Beleuchtung der Mühle dienende
Dynamo von Schuckert und Co. angetrieben.
(Fortsetzung folgt.)