Titel: | Messung hoher Temperaturen. |
Autor: | Rr. |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 40 |
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Messung hoher Temperaturen.
Mit Abbildung.
Messung hoher Temperaturen.
Zur Zeit werden zuverlässige Messungen hoher Temperaturen in der technischen Praxis
noch verhältnissmässig selten ausgeführt; in vielen Fällen benutzt man, wo es auf
Einhaltung gewisser Temperaturen ankommt, mehr oder weniger zuverlässige, durch die
Erfahrung gegebene Merkmale oder Handgriffe. Wenn aber solche auch für manche Zwecke
ausreichen, so ist doch für viele Fälle eine wirkliche Kenntniss der Temperaturen
erwünscht und zweifellos müsste eine ausgedehntere Beobachtung und Berücksichtigung
der Temperatur für viele technische Processe von grossem Vortheil sein. Der Grund,
warum noch so wenig hohe Temperaturen in der Praxis dauernd beobachtet werden, liegt
wohl zum grössten Theil in der noch etwas umständlichen Art der bisherigen Messung
dieser Temperaturen. Man hat in der Praxis jetzt auf drei Arten hohe Temperaturen
ziemlich genau bestimmt: mit dem elektrischen Widerstandspyrometer von William Siemens, durch die calorimetrische Methode und
mit Hilfe der Prinsep'schen Legirungen des Goldes mit
Silber und Platin.
Das elektrische Widerstandspyrometer von Siemens beruht
auf der Eigenschaft der Metalle, dass der elektrische Leitungswiderstand mit der
Temperatur wächst. Lässt man durch einen Platindraht den Strom einer constanten
Batterie hindurchgehen, so nimmt die Stromstärke ab, wenn die Temperatur des
Platindrahtes erhöht wird. Aus der jeweiligen Stromstärke kann man dann auf die
Temperatur schliessen. Der zur Verwendung kommende sehr feine Platindraht ist auf
einen Cylinder aus feuerfestem Thon aufgewickelt und dieser ist zum Schütze mit
einem schmiedeeisernen Rohr umgeben. Für sehr hohe Temperaturen ist dieses
Pyrometer nicht mehr zuverlässig, weil man kein Material besitzt, welches in den
höchsten Temperaturen noch genügende Isolirfähigkeit beibehält. Ein weiterer
Uebelstand besteht darin, dass die Widerstandsrolle eine verhältnissmässig
bedeutende Ausdehnung besitzt und deshalb nur zur Messung der mittleren Temperatur
grösserer Räume benutzbar ist, während oft das Bedürfniss vorhanden ist, die
Temperatur eines eng begrenzten Raumes kennen zu lernen.
Nach der calorimetrischen Methode wird aus der von einem gewogenen und im Raume der
hohen Temperatur erhitzten Metallstücke an eine bestimmte kalte Wassermenge
abgegebenen Wärme die anfängliche Temperatur des Metallstückes in befriedigender
Weise ermittelt. Als Metall ist meist Schmiedeeisen und Platin benutzt worden.
Platin ist an sich ganz empfehlenswerth, aber zu theuer. Eisen nutzt sich zwar in
der Glühhitze rasch ab, es bedeckt sich mit einer Oxydschicht, die nach jedem
Gebrauche entfernt werden muss; die dadurch veranlasste Arbeit ist aber so gering,
dass das Schmiedeeisen als das für praktische Zwecke geeignetste Material erscheint.
Nach dieser Methode kann eine hohe Temperatur nur von Fall zu Fall und nicht
fortdauernd während eines bestimmten Zeitraumes ermittelt werden.
Das Thermoelement ist von den Mängeln dieser beiden genannten Methoden frei. Es
stellt geringe Anforderungen an die Isolirung, weil die vorkommende elektrische
Spannung sehr gering ist; der Löthstelle kann man eine beliebig kleine Ausdehnung
geben und so die Temperatur sehr kleiner Räume bestimmen und dauernd verfolgen.
Löthet man z.B. an die Enden eines Platindrahtes zwei Eisendrähte und verbindet
letztere mit einem Galvanometer von kleinem Widerstände, so entsteht in dieser
Verbindung ein elektrischer Strom, wenn die eine Löthstelle auf constanter
Temperatur und die der anderen erhöht oder erniedrigt wird. Die elektromotorische
Kraft eines solchen Thermoelementes ist ausserordentlich klein im Vergleich zu
derjenigen galvanischer Elemente. Mehrere Physiker haben die Beobachtung gemacht,
dass Thermoelemente aus Legirungen grössere elektromotorische Kraft besitzen als
solche aus reinen Metallen. Le Chatelier hat ein sehr
wirksames Thermoelement beschrieben.Le Chatelier, Journ. de Phys., 1887 Bd. 6 S.
26. Dieses besteht aus Drähten von Platin und einer
Platin-Rhodiumlegirung (10 Proc. Rhodium). Das seltene Metall Rhodium, welches einen
sehr untergeordneten Gemengtheil der Platinerze ausmacht, steht in seinen
Eigenschaften dem Iridium am nächsten. Es ist grauweiss, dehn- und hämmerbar wie
Silber, schwerer schmelzbar als Platin, in Königswasser unlöslich. Nur wenn es mit
Platin legirt ist, löst es sich in Königswasser mit diesem zugleich.
Dieses Thermoelement von Le Chatelier (10 Proc. Rhodium)
ist von Holborn und Wien
in der Physikalischen Reichsanstalt auf seine Brauchbarkeit zur Messung hoher
Temperaturen sehr ausführlich geprüft worden.Wiedem. Ann., 1892 Bd. 47 S. 107, und 1895 Bd.
56 S. 360.
Die hohen Temperaturen wurden mit einem Luftthermometer aus glasirtem Porzellan
bestimmt, in dessen Gefäss sich auch die eine Löthstelle des Thermoelementes befand.
Luft und Löthstelle hatten auf diese Weise sicher gleiche Temperatur und die
Löthstelle war vollständig gegen die schädliche Einwirkung der Heizgase geschützt. Die hohen
Temperaturen wurden in einem Ofen aus drei concentrischen Chamottehüllen mit einem
Gasgebläse hergestellt. Wurde die Temperatur über 1400° gesteigert, so wurde das
Porzellan weich, blieb aber noch durch die Glasur dicht.
Nachstehende Figur zeigt das Wachsthum der elektromotorischen Kraft mit der
Temperatur. Von 700° an ist dieselbe proportional der Temperatur und eignet sich
daher dieses Thermoelement mit 10 Proc. Rhodiumgehalt besonders gut zur Messung der
höchsten vorkommenden Temperaturen.
Die Prüfungen von Thermoelementen mit verschiedenem Rhodiumgehalt (20, 30 und 40
Proc.) ergaben, dass die thermoelektrische Kraft in höheren Temperaturen mit dem
Rhodiumgehalt bedeutend zunimmt, während in den niederen Temperaturen die
Unterschiede viel geringer sind.
Textabbildung Bd. 303, S. 40
Thermoelektrische Kraft in Mikro-Watt.
Um an die älteren Temperaturbestimmungen Anschluss zu gewinnen, wurden die
Schmelzpunkte einiger Metalle bestimmt. Das Thermoelement gab ein Mittel an die
Hand, auch bei Anwendung geringer Mengen des Metalls den Schmelzpunkt zu bestimmen.
Das betreffende Metall wurde als kurzes Stück Draht angewendet, zwischen zwei
Platindrähte gelöthet, durch diese Verbindung Strom von einem galvanischen Elemente
geleitet und gleichzeitig mit einem Thermoelement in eine Porzellankapsel gebracht,
welche mit Quarzsand bedeckt war. In dem Augenblicke der Schmelzung des Metalls war
der elektrische Strom unterbrochen und die Temperatur wurde abgelesen.
Zur Vergleichung sind nachstehend auch die Bestimmungen älterer Beobachter
angeführt:
van derWeyde1879
Pictet1879
Violle1879
Erhard1879
Lede-bur1881
Cal-lender1892
HolbornundWien1892
Grad
Grad
Grad
Grad
Grad
Grad
Grad
Gold
1250
1100
1035
1075
–
1037
1067
Silber
–
–
954
954
960
982
968
Kupfer
1093
1050
1054
–
1100
–
1082
Die Constanz dieser Thermoelemente wurde durch Vergleichung einzelner Elemente unter
einander und durch wiederholte Bestimmung von Schmelzpunkten verschiedener Metalle
mehrfach geprüft. Es zeigte sich hierbei, dass man allgemein mit verschiedenen
Thermoelementen (10 Proc. Rhodium) eine Sicherheit von ± 5° bei 1000° erreicht; mit
einem einzelnen Element erreicht man jedoch eine noch grössere relative
Uebereinstimmung. Ferner hat sich ergeben, dass sich die Thermoelemente auch im
Laufe mehrerer Jahre nicht ändern, mag man sie dabei häufig zu Messungen verwenden
oder unbenutzt lassen.
Kohle, also auch Rauch, ist unter allen Umständen von den Thermoelementen
fernzuhalten, da sie sich mit den Drähten verbindet und die thermoelektrische Kraft
ändert. Das Thermoelement befindet sich daher bei der Anwendung in der Praxis in
einer unten geschlossenen, von aussen glasirten Porzellanröhre, beide Drähte sind
von einander durch eine besondere Porzellancapillare isolirt. Für die höchsten
Temperaturen sind die Porzellanröhren nicht mehr brauchbar, und man muss sich
besonderer Schutzröhren aus schwerer schmelzbarer Masse (Graphitthon) bedienen.
Um immer gleiche Elemente versenden zu können, hat sich die Firma Heräus in Hanau auf den Rath von Holborn und Wien
entschlossen, einen grossen Vorrath von Platindraht und Platin-Rhodiumdraht auf
einmal anzufertigen. Dieser ganze Vorrath ist mit dem an das Luftthermometer
angeschlossenen Elemente der Reichsanstalt verglichen worden.
Die Firma Keiser und Schmidt in Berlin hat zu diesem
Thermoelement ein Galvanometer nach d'Arsonval
construirt, dessen Zeiger auf zwei Scalen spielt, von denen die eine die Spannung in
Volt, die andere die Temperatur abzulesen gestattet. Den Widerstand längerer
Zuleitungsdrähte vom Thermoelement zum Galvanometer kann man durch passendes
Abgleichen des Vorsehaltwiderstandes leicht berücksichtigen.
Dieses Thermoelement von Le Chatelier kann man nach dem
Gesagten jetzt als das beste Pyrometer bezeichnen.
Chemnitz, im October 1896.
Rr.