Titel: | Ueber die Herstellung der Nachtlichte. |
Autor: | Gl. |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 232 |
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Ueber die Herstellung der
Nachtlichte.
Ueber die Herstellung der Nachtlichte.
Erfindungen im Beleuchtungswesen sind im Laufe von ein paar Menschenaltern in
überreichem Maasse gemacht worden. So folgte dem bescheidenen Talglicht und der
primitiven Oellampe die Stearinkerze und die Moderateurlampe, die wieder verdrängt
wurden durch das Erdöl, das Gas und das elektrische Licht. Keine dieser Erfindungen
konnte aber das bescheidene, einfache, sparsame, im Brennen geruch- und
gefahrlose Nachtlicht von seinem hundertjährigen Platz im Schlaf- und Kinderzimmer
und der Krankenstube verdrängen. Es ist uns allen ein treubewährter, alter Freund
aus den Kinderjahren, den wir zwar manchmal bei Seite setzen, den wir aber bestimmt
wieder herbeiholen, sowie Bedürfniss hierfür vorhanden ist.
Bahnbrechend auf dem Gebiete der Nachtlichtfabrikation ist die Firma G. A. Glafey in Nürnberg vorangegangen. In ihrem
Verlage ist vor kurzem eine kleine Broschüre, betitelt: „Die Geschichte der
Nachtlichtfabrikation“, erschienen, der wir über die Herstellung der
Nachtlichte mit Genehmigung des Verfassers Folgendes entnehmen.
Das Bedürfniss, eine bescheidene Lichtquelle des Nachts zu besitzen, ist ein sehr
altes. Schon die Römer und Griechen verwendeten zu seiner Befriedigung kleine
weitbäuchige Bronze- und Thongefässe in flacher Form, an welche sich eine halsartige
Röhre schloss, in welcher der ins Oel reichende Docht sich befand.
Anfangs unseres Jahrhunderts machte man sich sein Nachtlicht meistens selbst. Nach
Mittheilungen des verstorbenen städtischen Archivars Rector Dr. Lochner zu Nürnberg, dessen Mutter selbst Nachtlichte
machte (Zeichen Hahn), bereitete man sein Nachtlicht, indem man „ein gewöhnliches
Trinkglas, etwa einen Schoppen (¼ l) fassend, zu ¾ oder ⅘ mit feinem, weissem,
trockenem Sand, das übrige mit Brennöl füllte, in die Mitte ein hölzernes
Stäblein von der Dicke eines Schwefelholzes steckte und dieses
anzündete“.
Eine andere Art Nachtlicht fertigte man dadurch, dass man eine Kastanie
durchlöcherte, in welche der abgeschnittene Docht eines Talglichtes gesteckt wurde;
oder man bediente sich der uralten Oellampen, deren Docht man kürzte (Leuchs). Sie
qualmten allerdings stark.
Ziemlich alt scheint auch die Vorrichtung zu sein, welche zum ewigen Licht in der
Marcuskirche in Venedig dient. In ein mit Kork versehenes Stückchen Weissblech ist
ein gewöhnlicher baumwollener Docht gesteckt, der tief ins Oel hinabreicht und je
nach Bedürfniss höher gezogen werden kann.
Das heute noch so ziemlich allgemein gebräuchliche Nachtlicht soll eine französische
Erfindung sein. Nachweisbar ist es ein Nürnberger Drechslermeister Daniel Keilpflug gewesen, der sich zuerst in Nürnberg
(um 1780) mit dem Anfertigen von Nachtlichten beschäftigte. Diese bestanden aus
kleinen hölzernen Scheibchen, gemeinhin „Holz“ oder „Knöpflein“
genannt, in welche er einen mit Wachs getränkten, kurzen Docht steckte, ihn umbog
und, um das Ausfallen oder Durchrutschen des gewachsten Döchtchens zu verhindern,
dieses durch Anstreichen bezieh. Andrücken an dem Hölzchen befestigte. Diese Art von
Nachtlichten geht heute noch in ziemlichen Mengen, vorzüglich nach Uebersee. In
neuerer Zeit, vielleicht seit ungefähr 40 Jahren, gehen auch solche Nachtlichte
„auf Holz“ dahin, deren Docht einfach „gesteckt“ ist, also nicht
umgebogen wird, und sich so in der Holzscheibe festklemmt.
Keilpflug verpackte die fertigen Lichte bereits in
Holzschachteln und zwar so, dass sie für ein ganzes Jahr reichten. Die Schachteln
lieferten Nachkommen der Salzburger Emigranten, welche sich in Nürnberg und Altdorf
niedergelassen hatten. Dann fügte er einen Schwimmer, in der Art der heute noch am
meisten gebräuchlichen, bei und brannte auf den Deckel der Schachtel sein
Drechslerinnungszeichen, bestehend aus einem kleinen Schild, in welchem drei Sterne
sich befanden. Die angefügte Gebrauchsanweisung ergibt, dass Keilpflug einen besonderen Schutz des Nürnberger Raths für seine
Nachtlichte genossen hat – eine Art von Privilegium, das wohl bis Ende der
Reichsstadtzeiten gedauert haben dürfte.
In den ersten Jahren des bayerischen Regimentes wurde das Nachtlichtmachen zu einer
„freien Erwerbsart“, im Gegensatz zu den Innungen, erklärt, und nun
erschien eine grosse Anzahl meistens kleiner Leute, welche sich dieses neue Gewerbe
zu Nutzen machten. Die lange Zeit hindurch nothwendige Licenz wurde vom Nürnberger
Stadtmagistrat ertheilt, allein anfangs die Auflage gemacht, „sich eines eigenen
Zeichens zu bedienen“.
Zu den ersten, welche ausser Keilpflug Nachtlichte
machten, zählte der Kaufmann G. A. Glafey (Anno
1808).
Die Anfertigung der kleinen Hölzchen, welche zuerst durch Nürnberger Drechsler
geschah, wurde später der Paternostermacherzunft zugewiesen. Schon Anfangs der 20 er
Jahre unseres Jahrhunderts führte diese, laut den heute noch vorhandenen
magistratischen Acten, schwere Klage gegen den Gründer des Glafey'schen Geschäftes, der sich unterfing, diese Hölzchen selbst
anfertigen zu lassen, indem er sich hierzu Leute aus Thüringen und Böhmen
verschrieb.
Immerhin sind diese, verschiedene Jahre anhaltenden, durch persönliche Bedrohungen
verschärften Streitigkeiten Veranlassung gewesen, dass Glafey auch Kärtchen anfertigen liess, in welchen die Dochte in einem
dreieckigen Loche (ohne Ankleben also) festgehalten wurden. Er bedruckte die ganzen,
schon damals zur Anfertigung gelangenden grossen Kartons mit seiner alten Familien-
und Kaufmannsmarke oder mit seiner Firma, je nach der Qualität der Waare. Diese
neuere Sorte von Nachtlichten „auf Karten“ ist auch heute noch die weitaus
gangbarste. Nur verwendeten die inzwischen immer zahlreicher auftretenden kleinen
Fabrikanten keine Kärtchen mit Monogrammen oder Firma, sondern die Abfälle (sogen.
„Kartenspäne“) der seit vielen Jahrhunderten in Nürnberg heimischen
Spielkartenfabrikation.
Wie wenig bekannt noch zu Anfang des jetzigen Jahrhunderts die Nürnberger
Nachtlichtfabrikation und ihre Producte waren, ergibt sich am besten daraus, dass
das für die Geschichte der Nürnberger Gewerbe hochbedeutsame und grundlegende Werk
des Archidiaconus Roth,
„Geschichte des Nürnberger Handels“ (erschienen 1800 bis 1802) nicht einmal
der Nachtlichte Erwähnung thut.
Ebenso bescheinigt J. C. Leuchs, ein mit den damaligen
Nürnberger gewerblichen Verhältnissen auf das Genaueste vertrauter kaufmännischer
Schriftsteller, dass er zu Beginn seiner Lehrzeit (1811) zwar Nachtlichte in dem
Geschäft seines Vaters vorfand, dass sie aber unmöglich allgemein bekannt sein
konnten, weil er den Artikel auf seinen 1816 beginnenden Geschäftsreisen fast
überall als neu einführen konnte. Er habe ihn z.B. zuerst nach den Rheinlanden
gebracht.
In dem ersten Jahrzehnt scheinen also die Nachtlichte kaum über die engere Umgebung
Nürnbergs hinaus bekannt gewesen zu sein. Eine Besserung trat erst ein, als Nürnberg
an den Staat Bayern kam (1806) und dieser den süddeutschen Zollverein gründete, der
später im deutschen Zollverein aufging.
Die noch vorhandenen Bilanzen der Firma G. A.
Glafey, mit dem Jahre 1823 beginnend, zeigen vom Anfang an als Absatzorte:
Lyon, Marseille, Paris, Hamburg, Breslau, Leipzig, Halle, Naumburg u.s.w. Um 1850
befanden sich in Nürnberg und Fürth allein gegen 40 Nachtlichtfabrikanten, welche
oft dem mehr und mehr zurückgekommenen, für den Export arbeitenden Handwerkerstande
entstammten.
Die ersten Nachtlichtfabriken befinden sich zur Zeit in Nürnberg, Paris und Wien, von
welchen jede Stadt ihre gewissen Specialitäten besitzt. In neuester Zeit haben sich
noch, begünstigt durch die Zollverhältnisse, auch kleinere Fabriken aufgethan in
Böhmen, Italien, Holland und Russland.
Fortschritte von culturhistorischer Bedeutung kann die Nachtlichtfabrikation nicht
aufweisen. Doch sind eine ganze Reihe von Nachtlichtsorten im Laufe der Jahre
entstanden, welche ihre Existenzberechtigung bereits bewiesen haben.
Ausser den älteren Reflexnachtlichten und solchen mit Porzellanschwimmern sind es die
Mercurlichte und vor allem die in drei verschiedenen Sorten gefertigten
Aluminiumschwimmer (letztere specielle und geschützte Leistung der Firma Glafey), welche allgemeinere Beachtung verdienen. Sie
alle beruhen auf dem Princip, dass der Nachtlichtdocht
ohne jede Zuthat in den Schwimmer eingesetzt wird. Das Aluminium hat den grossen
Vortheil für sich, dass Oelsäuren es nicht oxydiren, das Brennöl kann also nicht
verdorben werden, während Zinn in Oel oxydirt und es verunreinigt. Die Leichtigkeit
des Aluminiums ermöglicht ferner eine bessere Construction des Schwimmers und damit
auch eine ausgiebigere Verwendung der Oelreste im Glase. Trotz dieser neueren
Schwimmer beherrscht aber heute noch das alte Nürnberger Nachtlicht den Consum.
Sogenannte Luxusnachtlichte, wie sie die Pariser und auch einige Nürnberger
Fabrikanten auf den Markt bringen, fertigt die Firma Glafey nicht. An diesen Lichten ist charakteristisch, dass der Docht,
anstatt in einem Kärtchen oder Hölzchen, in einer Blechscheibe steckt, welche
verschiedenartig geformt ist. Der Schwimmer besteht in einer mit Blech belegten
Korkscheibe, auf welche das Nachtlicht gesetzt wird. Praktischen Nutzen bieten sie
nicht und dabei sind sie viel zu kostspielig, als dass sie einen grösseren Absatz
finden könnten.
Ebenso wenig fertigt die Firma Glafey die gewebten
Dochte, welche durch einen Grashalm in ihrem Inneren steif gehalten werden und die
zur Bequemlichkeit des Küsters (sie ermöglichen achttägiges Fortbrennen der ewigen
Lampe) in den Kirchen Verwendung finden. Sie geben kein schönes, klares Licht und
qualmen sehr.
Ferner werden hier nicht gefertigt die „Vieilleuses à la gare“, ein
französisches Fabrikat. Der Docht steckt in einem gepressten Stückchen Thon, anstatt
in einer Karte oder einem Hölzchen. Die grossen Frachtkosten und der Zoll verbieten
schon von Anfang an ihren allgemeinen Gebrauch.
Gleiches gilt von den dicken, kurzen, vorzüglich in England verwendeten Stearinkerzen
mit ganz dünnem Docht, welche bei uns in Deutschland meistens als Reisenachtlichte
benutzt werden.
Der Vollständigkeit wegen sei auch der dochtlosen Nachtlichte Erwähnung gethan,
welche vor etwa 60 bis 70 Jahren aus Messingblech, vor wenig Jahren aber aus Zink gemacht wurden und
neuerdings als bahnbrechende Erfindung angepriesen werden. Sie bestehen aus einer
etwa 2 ½ cm grossen Schüssel, in welche ein schwaches Glasröhrchen gekittet ist. Das
im Röhrchen aufsteigende Oel kann nach einiger Zeit entzündet werden. Bewährt haben
sich diese dochtlosen Nachtlichte nicht. Die Flamme brennt sehr unruhig und
verlöscht bei geringem Luftzug; auch verstopft sich das Röhrchen sehr bald durch die
Verbrennungsproducte des Oels. Diese Nachtlichte werden bald wieder von der
Bildfläche verschwunden sein, geradeso, wie es mit den Erdölnachtlämpchen der Fall
war.
Gl.