Titel: | Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem letzten Viertel 1896. |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 234 |
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Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem
letzten Viertel 1896.
(Fortsetzung des Berichtes S. 212 d.
Bd.)
Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem letzten Viertel
1896.
Aus den Untersuchungen von K. C. NeumannZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen, 1896 XXI S. 21. über die Klärung von Zuckerlösungen ergibt sich, dass ein
Ueberschuss an basisch essigsaurem Blei keinen wesentlichen Einfluss auf die
Polarisation hat. Auch bei dunklen Zuckern genügen zur Klärung für das Normalgewicht
1 bis 2 cc. Der Zusatz einer kleinen Alaunmenge (1 cc) hat auf die Polarisation und
Farbe keinen Einfluss; durch erhöhten Zusatz (2 bis 3 cc) steigt die Polarisation
der Lösung, wahrscheinlich in Folge der Zunahme des Niederschlages. Solange Alaun
nicht vorherrscht, behalten die Lösungen gleiche Polarisation und Farbe und ändert
sich auch deren Reaction nicht. Erst durch Alaunüberschuss tritt Zersetzung des
gebildeten Bleiniederschlages ein, wobei sich die Lösung stark dunkel färbt, sauer
wird und die Polarisation eine Verminderung erfährt. Es übt daher ein übermässiger
Alaunzusatz einen Einfluss auf die Farbe und die Polarisation der Zuckerfiltrate
aus, während kleine Mengen (1 bis 2 cc) nach vorausgegangener Zugabe von 1 bis 2 cc
Bleiessig gar nicht ins Gewicht fallen.
K. C. NeumannIbid. S. 183. bespricht weiter die Vortheile der Klärung von Melasselösungen mittels basisch-salpetersaurem Blei
zu Inversionszwecken, welches Reagens seinerzeit Herles empfohlen und dessen Brauchbarkeit Stift,
Poupe u.a. hervorgehoben haben. Neumann gibt
ferner die Untersuchungen wieder, auf Grund welcher er auf der am 22. Juni 1896
abgehaltenen Versammlung der im Dienste der Zuckerindustrie thätigen öffentlichen
österreichisch-ungarischen Chemiker (D. p. J. 1896 302 166) den Antrag gestellt hat, dass bei
Handelsanalysen von Melassen, Osmosewässern und anderen dunklen Producten zur
Klärung, falls es sich um die Zuckerbestimmung nach Clerget oder um die Saccharose- und Raffinosebestimmung handelt, auch die
Anwendung von basisch-salpetersaurem Blei gestattet sei, allerdings unter Anwendung
der directen Bleiessigpolarisation und der Herles'schen
Constante. Dieser Antrag wurde auch angenommen.
Dem gegenüber bemerkt nun HerlesIbid. S. 189., dass diese Fassung nicht vorwurfsfrei erscheint. Zur
Erreichung richtiger Resultate darf man in die Clerget'sche Formel nur diejenige directe und Inversionspolarisation
einsetzen, welche unter gleichen Umständen erhalten wurden. Herles empfiehlt nochmals das von ihm vorgeschlagene
Klärmittel nicht nur für dunkle Producte, sondern auch für Rohzucker I. Productes,
und ist überzeugt, dass dasselbe wegen seiner bedeutenden Vortheile früher oder
später den Bleiessig vollständig verdrängen wird. Die Herstellung des Klärmittels
geschieht in folgender Weise: Alkalilauge: 2 l Wasser
und 90 g festes Natronhydrat; Bleinitratlösung: 2 l
Wasser und 1 k Bleinitrat. Auf das Normalgewicht des gelösten Zuckerproductes
verwendet man folgende Mengen Bleinitratlösung: bei Melassen und Osmosewasser 15 bis
18 cc, bei Rohzucker I. Productes 1 bis 2 cc, bei Nachproducten 3 bis 4 cc, bei
eingekochtem II. und III. Product 12 bis 15 cc. Auf 1 cc Bleinitratlösung sind
ungefähr 1,2 cc Lauge zu nehmen.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass die organischsauren Kalksalze verschiedenartige
Schwierigkeiten im Betrieb hervorrufen, doch ist es schwer, wie RydlewskiDie deutsche Zucker Industrie, 1896 XXI S.
2050. in einer Arbeit über Kalkgehalt in
den Rübensäften und dessen quantitative Bestimmung mittels alkoholischer
Seifenlösung hervorhebt, eine scharfe Grenze in dem Kalkgehalt der Säfte zu
ziehen, bei welcher die organisch-sauren Kalksalze im Betrieb sich schädlich
bemerkbar machen. Es scheint dies sehr von der Natur dieser organischen Kalk
Verbindungen selber abzuhängen, da in manchen Jahren ein relativ geringer Kalkgehalt
der Säfte sich unvortheilhaft im Betrieb bemerkbar macht, während in anderen Jahren
Säfte mit bedeutend höherem Kalkgehalt sich ziemlich leicht verarbeiten lassen.
Jedenfalls lassen es aber diese Erscheinungen für nöthig finden, auf den Kalkgehalt
der Säfte zu prüfen, und da ist die sonst übliche Methode der Fällung mit oxalsaurem
Ammon, nach vorhergehender Veraschung der Probe, viel zu umständlich und
zeitraubend. Rydlewski empfiehlt nun neuerdings die
Titration mit alkoholischer Seifenlösung, hergestellt nach der Angabe Müller's, deren Titer ein sehr beständiger ist und
welche die umständliche Fällungsmethode mit oxalsaurem Ammon wohl zu ersetzen
vermag, in Folge dessen sie für den raschen praktischen Gebrauch sehr zu empfehlen
ist.
N. FradissBulletin de l'Association des chimistes, 1896
XIV S. 22. bedient sich wieder zur Bestimmung des Kalkes in den
Producten der Zuckerfabrikation einer volumetrischen
Methode, die rasch und genau ist und darin besteht, den Kalk mit Oxalsäure
zu fällen, dann den oxalsauren Kalk mit Schwefelsäure zu zerlegen und darauf die
freigewordene Oxalsäure mit übermangansaurem Kali zu titriren. Die Methode eignet
sich besonders zur Bestimmung der Gesammtmenge des Kalkes in den gekalkten Säften
oder Syrupen.
In den Incrustationen aus Verdampfapparaten und den Niederschlägen auf den Filtern in
Rübenzuckerfabriken hat man vielfach grössere oder geringere Mengen von Kieselsäure
gefunden. J. WeisbergBulletin de la société
chimique de Paris, 1896 S. 1007. Siehe auch Neue Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie, 1896 XXXVII S.
289. hat sich nun mit der Frage über den Ursprung der Kieselsäure in den Incrustationen und Niederschlägen der
Rübenzuckerindustrie beschäftigt. Vor allem muss hervorgehoben werden, dass
bei der Analyse die Kieselsäure als SiO2 erhalten
und als solche berechnet wird, während in Wirklichkeit der Niederschlag neben freier
Kieselsäure auch einen Theil in Form von Kalksilicat enthält. Nach den
Untersuchungen Weisberg's rühren nun die Kieselsäure
und das Kalksilicat zum grossen Theil von dem Kalk her, der zum Reinigen der
Rohsäfte dient. Der Kalk, der Koks und manchmal auch der Mörtel des Kalkofens
liefern das Kalksilicat und die Kieselsäure, die mit der Kalkmilch in die Säfte
gebracht werden, woraus man die Schlussfolgerung ziehen kann, dass das Kalksilicat
und die Kieselsäure in Zuckerlösungen sehr leicht löslich sind. Diese
Schlussfolgerungen wurden durch weitere Versuche Weisberg's vollständig bestätigt.
Eine neue Vorrichtung an Polarisationsapparaten mit
beschränkter Scala empfiehlt A. KreidlZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen, 1896 XXI S. 97.. Das
wesentliche Neue besteht in der Anbringung einer entsprechenden Anzahl von
linksdrehenden Quarzplatten in geeigneten Abstufungen in einer drehbaren
Revolverscheibe zwischen dem verstellbaren Quarzkeil und dem Rohr mit der zu
untersuchenden Zuckerlösung. Die Auswechselung der einzelnen Quarzplatten geschieht
je nach Bedürfniss durch einfache Drehung der Revolverscheibe, in welcher
selbstverständlich, um die Benutzung des Apparates auch in der bisherigen Weise zu
gestatten, eine entsprechende Oeffnung vorgesehen ist. Wenn der Apparat nur eine
Scala bis 26° besitzt und man hat je eine Lösung zu untersuchen, welche mehr als 26°
dreht, so wird durch Drehung der Revolverscheibe eine Quarzplatte eingeschaltet,
deren bekannter linksdrehender Werth die rechtsdrehende Wirkung der Probelösung
soweit reducirt, dass die resultirende Differenz der Polarisationswirkung wieder
innerhalb der gegebenen Scala liegt. Die Vorrichtung lässt sich auch an den meisten
älteren Instrumenten anbringen.
III. Zuckerfabrikation.
Nach der Beschreibung von E. KarlsonNeue Zeitschrift für
Rübenzucker Industrie, 1896 XXXVII S. 229. soll die Rübenwäsche System „Raude“ die Rübe nicht nur
von Schmutz befreien, sondern auch alle fremden Körper, wie Steine, Eisen, Holz,
Stroh, Rübenblätter u.s.w., zurückhalten, wodurch ermöglicht wird, auf der
Schnitzelmaschine eine stets gleichmässige Arbeit ohne Aufenthalt zu haben. Dieser
Apparat zeichnet sich von den meisten im Betrieb befindlichen Maschinen
hauptsächlich dadurch aus, dass der waschende Theil in demselben nicht wagerecht,
sondern senkrecht aufgestellt ist; er hat sich in einer russischen Zuckerfabrik
bereits bestens bewährt.
Die Grenzen der zulässigen Diffusionsversuche bilden
einen Gegenstand, der in den Kreisen der Zuckertechniker schon seit vielen Jahren
erörtert wird, ohne dass es bis jetzt bei diesem heiklen Kapitel zu einer Klärung
gekommen wäre. Dasselbe gehört, wie E. KarlsonZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reichs, 1896
XXXXVI S. 790. richtig hervorhebt, nichts weniger als zu den
„überwundenen Standpunkten“, weil es noch manche aufklärungsbedürftige
Punkte enthält, welche einer eingehenden Arbeit werth sind. Karlson hat sich nun ebenfalls dieser Frage gewidmet; seine Ausführungen
gipfeln darin, dass man beim Absüssen auf verschiedenen Stationen der Fabrik und
hauptsächlich auf der Diffusion lange nicht so weit gehen darf, wie es die
technischen Mittel der Fabrik zulassen. Man muss vielmehr schon weit früher Halt
machen, doch ist es nicht möglich, hier für Jedermann eine gleiche Antwort zu
geben. Ein Jeder muss sich die Grenzen selbst aufsuchen, die möglichst mit allen
Factoren und Bedingungen seiner Arbeit in richtigem Einklang stehen. Diese Grenzen
aufzufinden, ist nicht schwer, nachdem sie sich aus der ganzen Arbeit ergeben; hat
man dieselben aber einmal gefunden, so muss man sie mit aller Strenge einhalten,
weil jede Ueberschreitung nach der einen oder anderen Seite mit Verlusten verbunden
ist. Auf keinen Fall sind Producte in den Betrieb einzuführen, deren Reinheit
geringer ist, als die der ihn verlassenden Melasse, da man sonst nicht nur den in
Krystallform ungewinnbaren Zucker verlieren wird und alle Unkosten umsonst
angewendet hat, sondern ausserdem noch Zucker gebraucht, um die grossen Mengen
miteingeführten Nichtzuckers der Producte von unter 60 Reinheit in Melasse von 60
Reinheit überzuführen. Man halte sich vor Augen, dass man Zucker erzeuge und nicht
Melasse.
Nach der Mittheilung von J. HarmZeitschrift für
Zuckerindustrie in Böhmen, 1896 XXI S. 17. hat sich der
Saturateur mit Mischvorrichtung, Construction Marens, in der Praxis sehr gut bewährt. Der Zweck
dieses Apparates ist: ausgiebiges, auf einfachem Wege zu erreichendes Durchmischen
der Kalkmilch mit dem Saft, thunlichst vollständige Ausnutzung des Saturationsgases
bei schneller Saturation, Ersparniss an Fettzusatz und endlich gehörige Reinigung
des Saturateurs bei jeder Entleerung. Das Ziel wurde nun durch eine einfache,
senkrechte, kegelförmige Mischvorrichtung erreicht. Durch dieselbe wird der Saft in
eine intensive Wirbelbewegung versetzt, wodurch ein vollkommenes Durchmischen
desselben mit dem Kalk eintritt. Das Saturationsgas tritt durch 50-mm-Oeffnungen ein
und wird, von der Misch Vorrichtung ergriffen, in eine unzählige Menge kleiner
Bläschen zerstäubt, wodurch sich die früher aufgezählten Vortheile ergeben.
Der schlechten Filtrirbarkeil des Saturationsschlammes in den
Filterpressen, welche alle Jahre mehr oder minder stark beobachtet wird,
können verschiedene Ursachen zu Grunde liegen. HerlesIbid. S.
24. ist nun der Ansicht, dass in den meisten Fällen die Hauptursache
dieser Erscheinung in der Qualität des verwendeten Kalkes und der aus demselben
bereiteten Kalkmilch liegt, wobei entweder die ungünstige chemische Zusammensetzung
des verwendeten Kalkes eine Rolle spielt oder aber die gewonnene grieshaltige
Kalkmilch daran Schuld trägt. Bezüglich des Kalkes sind besonders diejenigen
Kalksorten zu beachten, welche einen beträchtlichen Gehalt an Kieselsäure und
Sesquioxyden von Eisen und Thonerde aufweisen und einen schmierigen, die Tücher
leicht verstopfenden Schlamm bilden, da diese Verbindungen einen gallertartigen
Charakter besitzen. Die Ursache der Entstehung grieshaltiger Kalkmilch liegt
entweder in einer unzureichenden Kalklöschvorrichtung, einer Benutzung von kaltem
Wasser anstatt der Brüden- oder der Aussüsswässer, oder in der Verwendung von
todtgebranntem Kalk, wobei auch mit der besten Kalklöschvorrichtung keine tadellose,
von feinem Gries freie Kalkmilch erhalten wird. Durch den Kalkgries, der sich nur
langsam im Zuckersaft löst und nachlöscht, entsteht ein schmieriger Schlamm, der die
Tücher verstopft und den Saft an freiem Durchgang hindert. Es ist daher nicht nur
der Kalklöschstation, sondern auch der Zusammensetzung des verwendeten Kalkes grosse
Aufmerksamkeit zu schenken, und soll man nur solche Kalksteinsorten verwenden, bei
welchen der Gehalt an Kieselsäure und Sesquioxyden von Eisen und Thonerde nicht eine
gewisse Menge übersteigt.
Da gegenwärtig in der Praxis der Zuckerfabrikation grosse Meinungsverschiedenheiten
über die invertirende Wirkung der schwefligen Säure herrschen, und besonders
darüber, ob freie schweflige Säure in unreinen Zuckerlösungen bei niedrigen
Temperaturen invertirend wirke oder nicht, so hat K.
StiepelZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie
des Deutschen Reichs, 1896 XXXXVI S. 654 und 746.
eingehende Versuche über die Inversion von Zuckerlösungen
mittels schwefliger Säure angestellt. In dem ersten Theil seiner Arbeit
beschäftigt sich der Verfasser mit der Frage der Einwirkung der schwefligen Säure
auf reine Zuckerlösungen, und wurden hierbei eine 10- und 50procentige Zuckerlösung
bei 30 bis 80° C. mit Intervallen von 5° zu 5° bis zur Dauer von 240 Minuten der
Einwirkung bestimmter Mengen schwefliger Säure (in gut schliessenden
Selterswasserflaschen) ausgesetzt. Die Invertzuckerbildung wurde nun nach Verlauf
von 5, 10, 15, 30, 60, 180 und 240 Minuten ermittelt. Es hat sich nun gezeigt, dass
die Inversion durch schweflige Säure in reinen Zuckerlösungen nach dem allbekannten
Guldberg-Waage'schen Gesetz erfolgt. Im weiteren
Verlaufe seiner Arbeit hat Stiepel gefunden, dass auch
für unreine Zuckerlösungen die Inversion durch freie schweflige Säure nach demselben
Gesetz erfolgt. Es muss also die geringste Menge freier schwefliger Säure in
unreinen Zuckerlösungen (z.B. Säften, Syrupen und Melassen) auch in der Kälte
bereits Inversion hervorrufen. Neben diesem Einfluss der freien schwefligen Säure
wird derjenige der Nichtzuckerstoffe, des sauren Sulfits, sowie der freien
organischen Säuren bei niederer Temperatur so gering, dass er in der Praxis zuweilen
wird ganz vernachlässigt werden können. Bei höherer Temperatur hingegen tritt der
Einfluss der drei genannten Nebeneinflüsse stärker hervor, so dass alsdann auch bei
so ungenügendem Zusatz von schwefliger Säure, dass nur saures Sulfit und freie
organische Säuren, aber keine freie schweflige Säure vorhanden ist, die Inversion
dennoch bedeutend werden kann.
Durch das neue Patent von Steffen und Drucker (D. p. J. 1896 302
188) hat die Frage der Verwendung der schwefligen Säure in der Zuckerfabrikation ein
bedeutendes Interesse erhalten. Es ist nun eine dankenswerthe Aufgabe von J. EphraimCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
1896 IV S. 1126 ff. gewesen, in einer umfangreichen Abhandlung
eine möglichst vollständige und objective Geschichte der
verschiedenen Vorschläge über die Verwendung der schwefligen Säure in der
Zuckerfabrikation zu geben. Durch diese Zusammenstellung ist eine
Beurtheilung des Steffen-Drucker'schen Patentes sowohl
in technischer wie theoretischer Hinsicht möglich, wie auch zugleich ein Urtheil
darüber gefällt werden kann, inwieweit dieses Patent mit Rücksicht auf die früheren
Vorschläge als neu angesehen werden kann. Auf die Einzelheiten der Abhandlung kann
an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, doch sei hervorgehoben, dass die
Verwendung der schwefligen Säure in der Zuckerfabrikation beinahe so alt wie dieser
Industriezweig (nämlich die Gewinnung des Zuckers aus der Zuckerrübe) selbst ist,
nachdem Drapiez schon im J. 1811 in einer der
„Société d'Encouragement“ überreichten Arbeit der Verwendung von
schwefliger Säure gedachte. Das Verfahren fand aber nur in einer Fabrik Eingang, und
es wird angegeben, dass Perpere mit der Anwendung der
schwefligen Säure Misserfolge hatte. Ephraim bringt nun
weiter sämmtliche Verfahren und Patente, welche auf die vorliegende Frage Bezug
haben. Es geht aus denselben hervor, dass sich die Frage namentlich dahin zuspitzt,
ob das Gas auf Dünn- oder Dicksaft angewendet werden soll. Zum Schluss der
Abhandlung wird auch der Versuche in Amerika gedacht, wo die Verwendung der
schwefligen Säure bekanntlich eine grosse Ausdehnung gewonnen hat.
J. SchnellZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie
des Deutschen Reichs, 1896 XXXXVI S. 894. hat im
Laboratorium einige Diffusionsversuche mit schweflige Säure
haltigem Wasser angestellt, bei welchen Brunnenwasser mit 0,18 Proc.
absorbirter schwefliger Säure den Schnitten zugesetzt wurde. Alle Manipulationen
wurden in derselben Weise durchgeführt, wie sie in der Praxis stattfinden. Aus den
Versuchen ist nun zu schliessen, dass man durch diese Methode auch im Grossbetrieb
helle Producte erzielen kann, welche nicht mehr anorganische Salze als sonst
enthalten. Eine Hauptfrage bleibt aber noch offen, ob auch die rückständigen
Schnitte ohne Bedenken verfüttert werden können, oder ob und wie dieselben von der
schwefligen Säure oder deren Salzen befreit werden können. Dies muss nun weiteren
Versuchen anheimgestellt werden.
In Bezug auf die Wirkung der schwefligen Säure in der
Zuckerfabrikation weist AulardBulletin de
l'Association des chimistes, 1896 XIV S. 171. darauf
hin, dass Zuckerlösungen, auch invertzuckerhaltige, bei niedriger Temperatur mit
schwefliger Säure schwach sauer gemacht werden können, ohne neu bezieh. weiter zu
invertiren. In diesem Zustande werden dieselben von Knochenkohle kräftig entfärbt,
und zwar desto kräftiger, je saurer die Reaction ist. Bei Einhaltung der gebotenen
Vorsicht scheint es unbedenklich, im Grossen bis zur entschieden sauren Reaction der
Syrupe zu gehen und diese auch so zu verkochen. Auf diese Weise erreicht man
annähernd dasselbe, was Steffen von seinem
Schwefligsäureverfahren (D. p. J. 1896 302 188) verspricht. Aulard
ist der Ansicht, dass dieses Verfahren bei genügender Ausarbeitung gewiss
Treffliches leisten, aber nie allgemeine Verbreitung finden wird, nachdem enorme
Betriebs- und Einrichtungskosten entgegenstehen.
Auf dem im August 1896 stattgefundenen internationalen Congress für angewandte Chemie
zu Paris hat L. BattutZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reichs, 1896
XXXXVI S. 623 ff. einen umfangreichen Bericht über die Anwendung der Elektricität zur Reinigung der
Zuckerfabriksproducte vorgelegt, welcher die Frage sowohl vom theoretischen
als auch praktischen Standpunkt eingehend beleuchtet und wegen seiner Resultate das
Interesse des Zuckertechnikers verdient. Aus den Versuchen geht im Gegensatz zu den
Ansichten Anderer hervor, dass auf elektrolytischem Wege eine Zerstörung des
Nichtzuckers weder stattfindet, noch stattfinden kann, wenn man lösliche Anoden
anwendet. Der Durchgang des Stromes durch den Saft führt eine Spaltung der
Verunreinigungen herbei. Die Basen wandern zum negativen Pol, bleiben aber in der
Flüssigkeit, während die organischen Säuren zum positiven Pol gehen.
Treffen die letzteren hier auf ein Metalloxyd in statu nascendi, was eine sehr
günstige Bedingung ist, so bilden sie damit Verbindungen, von denen die
beständigsten den durch die frei werdenden Alkalien nothwendiger Weise bedingten
secundären Reactionen entgehen und ausgefällt werden. Die auf diese Weise erzielte
Reinigung ist der einer guten Arbeit mit doppelter Saturation wenig überlegen.
Combinirt man jedoch die Elektrolyse mit dieser unter Anwendung geringerer
Kalkmengen ausgeführten Behandlung, dann beobachtet man im Allgemeinen eine
erhebliche Entfärbung. Die Elektrolyse mit Zink- oder Bleianoden bewerkstelligt
einfach die Auflösung dieser beiden Metalle, damit dieselben sich mit den
abgespaltenen organischen Säuren vereinigen können. Die Reinigung wird somit anstatt
durch Calciumoxyd mittels der Oxyde des Zinks oder Bleis bewirkt. Wenn die beiden
letzten Oxyde im Stande wären, mit gewissen organischen Körpern, welche dem Kalk
entgangen sind, unlösliche Verbindungen zu bilden, so müssten dieselben bei der
Elektrolyse der bereits durch Kalk gereinigten Säfte eine bemerkenswerthe Reinigung
erzielen. Dem ist aber nicht so, denn der von dieser Base in den Säften belassene
Nichtzucker wird um so weniger durch die elektrolytische Behandlung vermindert, je
weiter man sich vom Anfang der Arbeit entfernt, d.h. je spätere Säfte der
Fabrikation man der elektrolytischen Behandlung unterwirft. Die durch die einfache
Elektrolyse bewirkte Reinigung steht bei weitem nicht im Verhältniss zu den
Unkosten, welche sie verursacht, doch entfärbt sie aber in ausgezeichneter Weise,
die ihre Anwendung für ein alkalisches Medium wünschenswerth macht. Diese Einwirkung
tritt auch bei Dünn- und Dicksäften, sowie der Melasse hervor und ist nicht wie bei
der schwefligen Säure mit einem Wiedereinführen von Verunreinigungen verbunden. Es
steht aber zu befürchten, dass diese Eigenschaft leider auf die Dauer nicht
ausgenutzt werden kann, da die Vortheile, die daraus in Wirklichkeit entspringen,
sehr strittiger Natur sind. Jedenfalls geht aber aus den Versuchen hervor, dass man
bei Anwendung der Elektrolyse zur Entfärbung nicht Elektroden aus Blei, sondern
solche aus Zink verwenden müsste, da das letztere viel weniger löslich ist und auch
keine besondere nachträgliche Abscheidungsoperationen erforderlich machen würde. Da
die auf elektrolytischem Wege erzielte Reinigung nur eine äusserst geringe ist, so
ist anzunehmen, dass die mineralischen oder organischen Bestandtheile der Säfte
nicht fähig sind, unter den gegebenen Bedingungen durch doppelte Umsetzung
unlösliche Verbindungen einzugehen. Man wird bemerken, dass bei einer derartig
vorgenommenen Elektrolyse die gesammten Unreinigkeiten, deren Abscheidung man
bezweckt, beständig neben einander bestehen bleiben, und wenn es wahrscheinlich ist,
dass eine molekulare Verdoppelung an den Elektroden nach der Theorie von Grotthuss eintreten kann, so ist es ebenso falsch,
anzunehmen, dass darauf eine unmittelbare Rückbildung auf secundärem Wege im Innern
der Flüssigkeit erfolgen kann. Lässt man diese letztere Annahme fallen, so muss man
allem Anschein nach zur thatsächlichen Trennung der Alkalien und organischen Säuren
gelangen und seine Zuflucht zur Elektrodialyse nehmen.
Nach diesem Verfahren gelingt es, die Zuckerfabriksproducte auf eine Reinheit zu
bringen, welche der absoluten (?) Reinheit nahe kommt. Battut hat bei seinen Versuchen gefunden, dass die gesammten
Verunreinigungen des Rohsaftes, mit Ausnahme des Invertzuckers, unter der
Einwirkung eines Stromes von genügender Stärke bei Anwendung von Bleianoden entfernt
werden können, und zwar in einer einzigen Operation, wie es Javaux, Gallois und DupontBezüglich des Wesens und der Einzelheiten
dieses Verfahrens sei auf das österreichische Privilegium vom 24. Januar
1894 (Nr. 44/1877) aufmerksam gemacht. D. Ref. ausführen. – Battut ist schliesslich der Ansicht, dass, wenn es auch
bei dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht den Anschein hat, dass die
Elektrolyse einer Verbreitung in der Praxis fähig ist, sie aber doch einen Erfolg in
der Zukunft bieten dürfte. Wie bei jedem umwälzenden Verfahren, ist der
Uebergangsperiode Rechnung zu tragen, welche logisch zwischen dem Fassen des
Gedankens und dem Uebergange von demselben zu praktischer Verwirklichung liegt.
Diesen Uebergang füllt nun die Elektrodialyse aus, über welche man zu vorschnell ein
ungünstiges Urtheil fällte. Man kann jetzt schon im Laboratorium aus einer
entsprechenden Verwendung der Elektrodialyse Ergebnisse von unstreitbarem Nutzen
erhalten, weil dieselbe gestatten würde, die Reinigungsstation zu controliren und
genau die günstigste Kalkmenge zu bestimmen. Sie würde insbesondere die vollständige
Analyse der Melasse auszuführen gestatten, welche man bisher auf keine andere Weise
vornehmen konnte, ohne die Eigenschaft ihrer Bestandtheile zu verändern. Es würde
dies zu Schlussfolgerungen führen, die nicht nur vom chemischen, sondern auch vom
technischen Gesichtspunkte aus interessant wären, da die Melasse schliesslich das
Kriterium ist, nach welchem man den Gang des Betriebes und die Art der denselben
betreffenden Rohmaterialien beurtheilen kann.
Die Verwendung von Kieselguhr als Filtermaterial findet
vielfache Anwendung, doch hebt HerzfeldZeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindnstrie des Deutschen Reichs, 1896
XXXXVI S. 744. nach seinen Untersuchungen hervor, dass sich
durchaus nicht jeder Kieselguhr zum Filtrationsmittel eignet. Alle untersuchten
zwölf Proben besassen mehr oder weniger die Fähigkeit, die Alkalität der Säfte durch
Bildung von Alkalisilicat zu verringern, und nur bei wenigen war diese Eigenschaft
so wenig ausgeprägt, dass sie ohne Bedenken für die Filtration alkalischer Säfte
benutzt werden können. Nur wenige gaben ferner farblose Filtrate bei genügend
rascher Filtration. Als empfehlenswerth erwies sich von den untersuchten zwölf
Proben schliesslich nur eine, welche die Alkalität von 0,15 allerdings auf 0,0005
verringerte, aber farblose Filtrate gab und die Flüssigkeit schnell hindurchlaufen
liess. Es ist daher Vorsicht bei der Auswahl des Kieselguhrs für die Filtration
geboten.
Die Arbeit des Kalkofens ist für einen geregelten Betrieb von grösster Wichtigkeit,
ja es lassen sich sogar manche Betriebsstörungen direct auf eine mangelhafte Arbeit
des Kalkofens zurückführen. Es ist also für jeden technischen Zuckerfabriksbeamten
der praktische Betrieb des Kalkofens von grösster Wichtigkeit; von Wichtigkeit ist
aber auch das Studium der Theorie des Kalkofens, über
welche Untersuchungen von H. DécluyLa Sucrerie
beige, 1896 XXV S. 55. vorliegen. Jeder chemische
Process vollzieht sich in der Praxis in Apparaten, deren Anordnung durch bestimmte
Regeln in Bezug auf Form und Inhalt bestimmt ist, welche dann die denkbar grösste
Nutzwirkung sicher stellen. Diese Regeln lassen sich in jedem Falle durch
Betrachtungen, welche auf der Theorie beruhen und durch die Praxis bestätigt werden,
verallgemeinern. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, stellt nun Décluy seine Untersuchungen für die in den
Zuckerfabriken benutzten Kalköfen an, wobei er den Betrieb der Kalköfen, das
theoretische Profil und die höchste Inanspruchnahme in den Kreis der Untersuchung
zieht. Von diesen sehr lehrreichen Untersuchungen mögen nun die Schlussfolgerungen
daraus hervorgehoben werden, welche für die Praxis von Interesse sind.
1) Unterer Theil des Ofens. Abkühlungszone. Der Ofen
muss an dieser Stelle ein kurzes, breites, kegelförmiges oder kegelförmiges und dann
cylindrisches Profil erhalten. Je grösser der Rauminhalt ist, desto vollständiger
wird die Abkühlung des gebrannten Kalksteines sein. Wenn der gezogene, gebrannte
Kalk zerbröckelt und nicht fest genug ist, so muss man die Höhe vermindern und das
Profil verbreitern. In diese Zone soll kein glühender Koks gelangen; deshalb soll
man den Koks genügend zerkleinern, damit die Verbrennung in der darüber liegenden
Zone von statten geht.
2) Mittlerer Theil des Ofens. Zersetzungszone. Das
Profil des Ofens muss an dieser Stelle etwas geschnürt sein, damit die Hitze
concentrirt, die Temperatur erhöht wird und die Geschwindigkeit der Gase zunimmt.
Man soll stets bei Rothglut arbeiten und durch regelmässiges Zerkleinern des Koks
und der Kalksteine, sowie durch regelmässigen Gang der Kohlensäurepumpe für die
Erhaltung derselben sorgen. Wenn man den Koks in Stücken von 0,05 bis 0,06 m
Durchmesser zerkleinert, so erzielt man eine schnelle Verbrennung, indem sonst die
Gefahr der Bildung von Kohlenoxydgas grösser wird. Der Kalkstein soll in Stücke von
⅓ bis ¼ cbdm zerkleinert werden, damit die Zersetzung möglichst vollständig
wird.
3) Vorwärmungs- und Verdampfungszone. Diese Zone muss in
den oberen Theil des Ofens verlegt werden, damit die Wärme der Gase durch directe
Berührung mit den festen Materialien wiedergewonnen werden kann.
4) Oberer Theil des Ofens. Regulirungszone. Diese Zone
wirkt nur durch ihren grossen Rauminhalt. Das kurze, breite Profil ist ökonomischer
als das schlanke, welch letzteres eine unnöthige Erhöhung der Zone herbeiführt.
5) Apparat zur Wiederbenutzung der in den Gasen enthaltenen
Wärme. Die heissen Gase sollen in einen Apparat gelangen, dessen Zweck die
Vorwärmung des festen Materials mittels der in den Gasen enthaltenen Wärme sein
soll. Sein Profil muss hinreichend breit sein, um einen günstigen Wärmeaustausch
zwischen den Gasen und dem festen Material herbeizuführen. Dies geschieht durch eine
Verminderung der Geschwindigkeit der letzteren. Das Profil darf jedoch auch nicht zu
breit sein, damit die Roste nicht zu gross werden und somit schwer zu handhaben
sind. Je grösser die Anzahl dieser Roste ist, desto mehr Wärme wird man
wiedergewinnen können; jedoch darf die Anzahl derselben nicht übermässig gross
werden, weil daraus sonst Material Verluste entstehen können.
Die Vortheile der Arbeit mit geschlossenem Vorwärmer
sind bekannt und wurde darauf in diesen Berichten bereits hingewiesen (D. p. J. 1896 302 190). Der
Vollständigkeit halber sei noch der Bericht von J.
PokornyZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 1896
XXI S. 161. hervorgehoben, welcher über eine Anlage berichtet, bei welcher bis dato
die höchste Geschwindigkeit des durch die Vorwärmer laufenden Saftes, und zwar etwa
1,5 m in der Secunde, erreicht wurde. Die mitgetheilten Ziffern und Daten sprechen
neuerdings für die Vortheile der geschlossenen Vorwärmer.
Zur Controle der Nachproductenarbeit gibt B. WachtelZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 1896
XXI S. 167. Formeln, mit deren Hilfe man aus dem Quotienten der
Schleudersyrupe einen Rückschluss ziehen kann auf die Zuckerausbeute; andererseits
lässt sich berechnen, welche Totalausbeute an Rohzucker man aus einer gegebenen
Füllmasse nach mehrmaligem Turnus erzielen kann. Bezüglich des Näheren muss auf das
Original verwiesen werden.
Dasselbe gilt von den Arbeiten Curin'sIbid. S. 19 und 176.: Eine Aenderung in der Verdampf Station und Einige Beobachtungen beim Safteinkochen, welche wir der
Vollständigkeit halber namentlich hervorheben. Erwähnt sei nur noch, dass ClaassenCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
1896 V S. 277. auf Grund eigener Erfahrung die Richtigkeit der
Versuche Curcin's völlig anerkennt, aber seine (Curcin's) darauf
gegründeten Schlussfolgerungen für durchaus verfehlt hält.
Die Frage, auf welche Weise man die wirkliche,
aus Rüben gewonnene Füllmasse Erstproducts berechnen
kann, wenn eine bestimmte Menge Ablauf Erstproducts zur Rübenfüllmasse in
das Vacuum eingezogen ist, und wie andererseits das Quantum des zugezogenen Syrups
auf rechnerische Weise zu finden ist, wird von O.
MittelstaedtDie deutsche Zuckerindustrie, 1896 XXI S.
2158. des Näheren behandelt. Auf die Rechnungen, welche
eigentlich selbstverständlicher Natur sind, kann hier nicht näher eingegangen
werden, doch beweisen sie, wie sehr man vielfach noch zu wenig rechnet, wenn es ein
Autor für nöthig findet, eine Operation, welche häufig Anwendung findet, rechnerisch
durchzuführen.
Das neue Verfahren beim Kochen und Krystallisiren der
Nachproducte von M. SachsIbid. S. 1987., über welches günstige Resultate aus einer russischen
Zuckerfabrik vorliegen, beruht auf einem eigenartigen Kochen des Ablaufes vom I.
Product, einer höheren Ausnutzung des Nachproductenapparates und dementsprechender
Verarbeitung der erhaltenen Füllmasse II. Products in den Malaxeuren. Nach diesem
Verfahren hat man in der Fabrik gewonnen: weissen Zucker, Melasse und nur etwa 3000
Pud gelben Zucker.
Wohl hat bereits vor einiger Zeit einen neuen Weg der
Melasseentzuckerung aufgefunden, welcher von den zuvor eingeschlagenen wesentlich
abweicht und durch das Patent Nr. 85024 vom 26. Juli 1893 geschützt ist. Das
Verfahren beruht auf der Abscheidung des Bleis als Bleisaccharat. Inzwischen sind nun die Mittheilungen Kassner's erschienen, welcher Versuche in gleicher
Richtung anstellte (D. p. J. 1895 298 65, 1896 299 116). Wie nun bereits
seinerzeit hervorgehoben wurde, hat Wohl weitere
Mittheilungen in Aussicht gestellt, sobald das Verfahren in allen Theilen technisch
vollkommen durchgearbeitet sein würde und längere praktische Erfahrung darüber
vorliegt. Das ist nun jetzt der Fall und WohlNeue Zeitschrift für
Rübenzuckerindustrie, 1896 XXXVII S. 256. beschreibt nun
kurz die Beobachtungen, wie sie in einer Reihe späterer Patente (D. R. P. Kl. 89
Nr. 90307 vom 20. Mai 1895) bezieh. Patentanmeldungen (W. 10065, W. 11293, W. 11294
vom 29. Mai 1894, ausgelegt am 26. November 1896) niedergelegt worden sind. Im
Folgenden soll nun das Wesentlichste des Wohl'schen Bleisaccharatverfahrens hervorgehoben werden.
1) Einfluss der Natur des Bleioxyds. Die beiden
Modifikationen des Bleioxyds (rothes und gelbes) zeigen gegen Zucker ein durchaus
verschiedenes Verhalten, indem nur das gelbe Oxyd zur schnellen und vollkommenen
Saccharatbildung befähigt ist, das technische Product (ein Gemenge beider
Modifikationen) dagegen unter sonst günstigen Versuchsbedingungen je nach seinem
Gehalt an der gelben Modifikation wirkt. Für die Entzuckerung muss demnach ein
Bleioxyd in Anwendung kommen, dessen Farbe annähernd rein schwefelgelb ist und
welches durch Brennen von basischem Bleicarbonat bei etwa 600° entsteht. Das für die
Praxis erforderliche Bleioxyd wird aus dem durch Saturation des Bleisaccharats
entstehenden unreinen basischen Bleicarbonat hergestellt. Das regenerirte Oxyd nimmt
beim ersten Durchgang durch den Betrieb ausser etwas Eisenoxyd und Thonerde etwa 0,5
Proc. Kalk, weniger als ¼ Proc. SO3 und weniger als
1/10 Proc. Cl
auf. Dadurch erscheint das Material dunkler und die Wirksamkeit hat sich um etwa 10
Proc. vermindert. Damit ist aber dann ein dauernder Gleichgewichtszustand
eingetreten, der sich, soweit die jetzige Erfahrung reicht, überhaupt nicht mehr
ändert. Das Oxyd zeigt bei ungezählter Wiederverwendung weder eine weitere Zunahme
der Verunreinigungen, noch eine Abnahme der Wirksamkeit, und wird dieses die Technik
des Verfahrens sehr vereinfachende Ergebniss wesentlich durch Zugabe geringer Mengen
Alkali bei der Saccharatbildung erzielt (vgl. sub 3).
2) Einfluss der Concentration der Melasselösung. 80 Th.
Wasser und 100 Th. Melasse stellen das Optimum der Concentration dar. Die praktisch
vollständige Entzuckerung tritt dann innerhalb etwa 15 Minuten ein, wobei im
Wesentlichen zunächst das in Zuckerlösungen leicht lösliche Tribleisaccharat
entsteht, welches allmählich in unlösliches Bleisaccharat übergeht. Bei unreinen
Zuckerlösungen wird dieser Vorgang durch die Gegenwart der Salze und die dadurch
bedingte Alkalität der Lösungen beeinflusst.
3) Einfluss der Alkalität der Lösung. Bleioxyd wirkt auf
dünne Salzlösungen ein unter Bildung hochbasischer Bleisalze und freien Alkalis.
Daraus erklärt sich, dass bei der Einwirkung von Bleioxyd auf Melasselösung nicht
nur der Zucker, sondern auch der Nichtzucker Bleioxyd bindet und alkalifrei wird.
Das zunächst entstehende Tribleisaccharat, das von neutralen Zuckerlösungen nur bis
zu einer gewissen Verdünnung aufgenommen wird, löst sich in alkalihaltigen
Flüssigkeiten sehr viel leichter unter intermediärer Bildung von
Alkalibleisaccharat. Dadurch wird einerseits der Angriff auf das Bleioxyd befördert
und andererseits kann das entstehende Trisaccharat auch entsprechend seiner
grösseren Löslichkeit schneller und vollständiger in Bisaccharat übergehen. Da die
Basicität des Kalihydrates gegenüber dem Bleioxyd sehr gross ist, so genügen
verhältnissmässig geringe Mengen davon, um die Nebenreactionen fast völlig zu
unterdrücken. Dementsprechend wird einerseits das angewandte Bleioxyd sehr
vollständig zur Saccharatbildung ausgenutzt und ein grösserer Ueberschuss davon
unnöthig gemacht, andererseits die Aufnahme weiterer Mengen SO3, Cl u.s.w. verhindert. Es nimmt also das Bleioxyd
nur einmal die geringen Mengen Verunreinigungen auf, die dem Gleichgewichtszustande
gegenüber der constanten Alkalität der Lösung entsprechen, und damit tritt der oben
erwähnte Dauerzustand ein.
Die Ausführung des Verfahrens geschieht in folgender Weise: Für gewöhnliche
Rübenzuckermelassen sind 1 bis 2 Proc. KOH auf Melasse und 75 Proc. an reinem
schwefelgelbem Bleioxyd erforderlich. Von richtig gebranntem regenerirtem
Betriebsoxyd braucht man 80, höchstens 90 Proc. Dabei wird der Zucker ohne jedes
Erwärmen innerhalb weniger Stunden so vollständig gebunden, dass die Lauge
Linksdrehung zeigt. Bei Anwendung von 80 Proc. reinem wirksamem Bleioxyd ist die
Entzuckerung der Lauge schon in etwa 1 Stunde, bei 90 Proc. in weniger als ½ Stunde
und bei 100 Proc. in etwa 5 Minuten eingetreten.
Das folgende Beispiel soll den Gang der Methode zeigen: 850 k bei etwa 600°
gebrannten Betriebsoxyds werden in einem Kollergang mit 300 l Wasser in 10 bis 15
Minuten gleichmässig vermählen. Das Mahlgut fliesst in eine Maische zu einer Lösung
von 1000 k Melasse in 500 l Wasser und 75 l etwa 10procentiger roher Kalilauge aus
der Potaschestation. Die dünne Flüssigkeit wird durchgerührt, verdickt sich dabei
und ist nach 10 bis 15 Minuten zähe geworden. Nach 1 ½ bis 3 Stunden wird die Masse
zunächst ganz hart, dann wieder von selbst ziemlich weich und kann nur durch
Anrühren mit Laugenwasser von einer früheren Operation auf die für die Filtration
passende Verdünnung gebracht werden. Das Rohsaccharat wird am besten mit einer
Temperatur von 40 bis 50° filtrirt, mit Wasser von allmählich steigender Temperatur
ausgewaschen und dann nach Patent Nr. 85024 weiter verarbeitet.
In einem folgenden Artikel wird Wohl einiges über die
Technik des Verfahrens mittheilen und durch Ergebnisse der praktischen Erfahrung
eingehend mittheilen, dass nicht der geringste Grund vorliegt, Bedenken gegen die
Verwendung von Bleiverbindungen für den angegebenen Zweck zu hegen.
Gegenüber der Priorität dieses Verfahrens bemerkt KassnerNeue Zeitschrift für Rübenzucker Industrie,
1896 XXXVII S. 287., dass er und Wohl ganz unabhängig von einander die Methode der Melasseentzuckerung
mittels Bleioxyd in ihren wesentlichen Stücken aufgefunden haben, in Folge dessen
daher das Verfahren in Zukunft das „Verfahren Kassner-Wohl“ zu nennen sein dürfte.
Darauf erwidert WohlIbid. S. 287., dass er die
Priorität für sich in Anspruch nimmt, nachdem das von ihm 2 Jahre zuvor aufgefundene
und zum Patent angemeldete Melasseentzuckerungsverfahren vollkommen abgeschlossen
vorlag, ehe Kassner überhaupt irgend einen Schritt zur
Begründung von Rechten für sich gethan hat. Die Kritik hat einstweilen kein Recht,
sich in diesen Streitfall einzumischen, auf jeden Fall muss aber betont werden,
dass, wenn die weiteren praktischen Versuchsergebnisse ein günstiges Resultat
ergeben, das Wohl'sche Verfahren eine Zukunft
besitzt.
(Fortsetzung folgt.)