Titel: | Ueber die Verwendung des Acetylens. |
Fundstelle: | Band 303, Jahrgang 1897, S. 275 |
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Ueber die Verwendung des Acetylens.Vgl. 1895 296 * 20.
114.
Ueber die Verwendung des Acetylens.
Seit der Auffindung einer ergiebigen Herstellungsweise des Acetylens bezieh. des
Calciumcarbids hat wohl kein anderer Stoff die Aufmerksamkeit der gewerblichen
Kreise in so hohem Maasse in Anspruch genommen als das Acetylen. Zunächst war es die
grosse Helligkeit der Acetylenflamme, welche die Beleuchtungstechniker zu Versuchen
betreffs seiner Darstellung und Verwendung aufforderte. Weiter waren auch die
Motorentechniker bei der Sache interessirt, da diesen eine neue Kraftquelle in dem
Acetylen sich darbot.
Wir wollen im Nachstehenden aus der hochfluthartig angewachsenen Litteratur die für
die Verwendung wesentlichen Ergebnisse zusammenstellen.
Vor allen Dingen wichtig war es, zunächst die Explosionsverhältnisse zu erforschen,
um sowohl Sicherheitsmaassregeln gegen unbeabsichtigte Explosion treffen zu können,
als auch bezüglich der Explosibilität verschiedengradiger Mischungen das
wirthschaftlich richtige Maass zu treffen. Wir geben in Nachstehendem eine Studie
wieder, die Schrey in Nr. 465 von Glaser's Annalen (1.
November 1896) über die Eignung des Acetylengases zur Krafterzeugung veröffentlicht
hat:
„Als erster, der sich in Frankreich mit dem Studium dieser Frage befasst hat,
tritt Ravel in einem Aufsatze der Revue industrielle auf, der sich mit den
automobilen Strassenwagen beschäftigt und deshalb der Ergründung neuer
Explosivmittel besonderes Interesse entgegenträgt; vom Acetylen war ihm aus
Amerika berichtet worden, es reichten 180 1 für 1 /Std. aus, was den
Brennstoffverbrauch (Erdöl gegenüber) um etwa zwei Drittel herabsetzen und den
Preis der Leistungseinheit ganz namhaft ermässigen würde – wenn es wahr wäre –
fügt Ravel hinzu.
Zunächst war die Explosibilität des Acetylens
Gegenstand der Untersuchungen. Ein Gemisch von 1,35 Acetylen und 1 Luft beginnt
explosiv zu sein; die explosive Kraft wächst rasch mit zunehmender Verdünnung
des Acetylens in der Luft, erreicht ein Maximum mit 12 Luft auf 1 Acetylen,
nimmt dann mit weiter zunehmender Verdünnung ab, bis bei 20 Luft auf 1 Acetylen
die explosive Kraft ganz erlischt. (Die Mischungsverhältnisse sollen später
näher besprochen werden.) Nach Le Chatelier beträgt
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Flamme dieses Gases 0,18 m in der Secunde
für ein Gemisch von 2,9 Proc. Acetylen. Für 8 bezieh. 10 Proc. Acetylen wächst
diese Geschwindigkeit auf 5 bezieh. 6 m, eine Höchstgeschwindigkeit,welche erheblich
diejenige eines Fettgasgemisches mit 10 Proc. Gas übersteigt.
Der Entflammungspunkt liegt nahe bei 480°, bei den meisten der übrigen Kraftgase
bei 600°. Explosive Gemenge des Acetylens, welche in Glasröhren eingeschlossen
sind, kann man leicht entflammen, indem man die Röhren über eine Spirituslampe
hält; die Explosion tritt ein, bevor das Glas erweicht.
Die Verbrennungstemperatur ist sehr viel höher als die der übrigen Gase; mit
gleichem Volumen Sauerstoff würde es etwa 4000° geben, d. i. 1000° mehr als die
Knallgasflamme.
Schon Lothar Meyer hat auf die gefährliche Natur der
explosiven Acetylengemenge hingewiesen. Er nimmt an, dass dieses, den übrigen
Kohlenwasserstoffen gegenüber an Wasserstoff ärmere Gas bei der Verbrennung
seines Gemisches weniger Wasserdampf und mehr Kohlensäure ergibt, was in
Verbindung mit der hohen Verbrennungstemperatur die aussergewöhnliche Heftigkeit
der Explosionen erklären soll.
Eigenthümlichkeiten des Acetylens sind hiernach:
1) grosse Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Flamme,
2) niedrige Entflammungstemperatur,
3) hohe Verbrennungstemperatur,
4) aussergewöhnlich energische Explosion.
Ravel hat sich für seine Versuche eines Apparates
des Ingenieurs Victor Fournier bedient, der aus
einem das Calciumcarbid aufnehmenden wasserdichten cylindrischen Gefäss besteht,
welches auf der Glocke eines kleinen Gasometers befestigt ist. Ein Rohr
verbindet das Carbidgefäss mit dem Gasometer. Neben dem Gasometer ist ein
Wasserbehälter etwas höher als das Carbidgefäss aufgestellt und mit dessen
unterem Theil durch einen Gummischlauch verbunden. Sobald das Wasser dieses
Behälters – durch Oeffnung eines Hahnes – ins Carbidgefäss eingelassen wird,
beginnt unter Wärmeerscheinung eine lebhafte Acetylenentwickelung.
Das Gas strömt unter die Glocke und hebt diese, sofern nicht die Gasentnahme die
Erzeugung überwiegt, so lange, bis der Carbidbehälter über dem Wasserspiegel
liegt, der weitere Wasserzufluss also aufhört und somit auch die
Gasentwickelung. Macht man den Gasometer genügend gross im Verhältniss zum
Gasverbrauch durch den Motor, so kann man den Apparat sich selbst überlassen.
Der Gasaustritt erfolgte bei den Versuchen unter 160 bis 165 mm Wasserdruck. Der
Zweitactmotor, dessen Ravel sich bediente, war nach
seinem eigenen System von Houpied gebaut (Compagnie des moteurs parisiens), die Compression
war zwischen 2,5 und 3 k veränderlich. Die Acetylenversuche liessen mit ihrer
Inanspruchnahme des Motors den soliden Bau der Einzeltheile recht hervortreten.
Die elektrische Zündung gestattete genaue Regelung des Zündungszeitpunktes.
Zwischen Gasometer und Motor war ein zuverlässiger Gaszähler eingeschaltet. Ravel's Motor eignet sich sowohl zum Betrieb mit
Gas als mit Kohlenwasserstoffen von 0,71 bis 0,72 spec. Gew.; beide
Betriebsmittel wurden daher neben dem Acetylen zu den Versuchen herangezogen,
und zwar wurde, um den Einfluss der Schmierung, Kühlung u.s.w. thunlichst zu
beseitigen, nach jedem Indicatorversuch mit Acetylen alsbald und unter denselben
Umständen ein solcher mit Leuchtgas gemacht. Den Explosionsversuchen des
Luft-Acetylengemisches im Motor gingen solche in einem Glasfläschchen mit
Zündung durch den elektrischen Funken voraus. Der Knall war dabei heftiger als
bei irgend einem anderen der bekannten explosiven Gemische und das Glas von 1
bis 3 mm Stärke zersprang regelmässig, was bekanntlich im gleichen Falle bei
Luft und Leuchtgas und selbst bei einem Knallgasgemisch nicht passirt.
Acetylenleitungen nach undichten Stellen mit offenem Licht abzusuchen, kann
wegen der grossen Explosivgewalt des sich aus dem rasch ausströmenden Acetylen
bildenden Luft-Acetylengemisches sehr gefährlich werden.
Strömt das Gemisch unter 100 g Pressung aus, so ist die Explosionsflamme je nach
der Zusammensetzung gelblich bis blendend weiss, während sie beim Leuchtgas
dunkelviolett, und mit weissen und rothen Glühfäden durchsetzt ist.
Das Gesammtverhalten des Acetylens sprach für grosse Vorsicht bei den Versuchen,
und dementsprechend wurden denn auch zuvor sämmtliche Verschraubungen,
Dichtungen u.s.w. des Motors sorgfältig in Stand gesetzt.
Beim Ingangsetzen des Motors ergaben sich metallharte Explosionsschläge, die das
ganze Gefüge erzittern machten; die Versuche, Diagramme zu nehmen, scheiterten
zuerst an der Verbiegung des Indicatorhebels in Folge dieser Schläge. Ueber die
nach sorgfältiger Instandsetzung geglückten Versuche wird berichtet:
1) Die Schmierung des Cylinders musste gegenüber dem Betrieb mit Leuchtgas
verdoppelt werden.
2) Die Kühlung des Cylinders beeinflusst die Arbeit des Motors erheblich mehr als
beim Leuchtgas.
Unter sorgfältiger Beachtung dieser Eigenarten ergaben sich die nachstehenden
Versuchsziffern als die best erreichbaren.
Nr-desVer-suchs
Minut-licheUm-dre-hungen
Indi-cirteArbeitSec./mk
Gas fürdieStundel
mkfür 1 lGas
Pro-centsatzAce-tylen
Bemerkungen
1
364
158,35
728
783
2,77
Compression 3 k
2
350
169,70
804
760
3,18
„
3
314
150,60
780
695
3,45
„
4
300
172,60
912
679
4,20
„
5
322
–
936
–
4,00
„
6
320
–
948
–
4,10
„
7
314
167,6
744
811,2
3,30
„ 2,25 k
8
316
188,6
804
844,41
3,50Nach
den einleitenden Bemerkungen wäre ein Gemisch mit den hier
angegebenen Acetylenmengen gar nicht mehr explosiv; der Widerspruch
ist vielleicht so aufzuklären, dass es sich dort um
Explosionsfähigkeit unter normaler Temperatur und atmosphärischem
Druck handelt.
„
Nach diesen Aufzeichnungen nimmt die geleistete Arbeit mit zunehmendem
Procentsatz Acetylen ab.
Die anfängliche Pressung wächst mit dem Procentsatz, die Diagramme zeigen jedoch,
dass der Hub sich unter dem vollen Druck vollzieht und eine Expansionswirkung
fehlt. Wenn sich der Procentsatz auf 5 erhebt, werden die Explosionen ungemein
heftig, der unregelmässige Verlauf der Explosion und die Erschütterungen des
Indicatorhebels machen die Diagramme ungenau. Ravel
nimmt nach seinen Erfahrungen in Betreff der Explosionen an, dass sich in der
Ladung während der Verbrennung innere Erschütterungen vollziehen.
Um die in den Diagrammen sich bemerkbar machendenDruckschwankungen zu
vermindern, wurde das Gesammtvolumen und die Ladungsmenge im Augenblick der
Zündung vermehrt, so zwar, dass die Menge der Rückstände wuchs, die Compression
aber auf 0,750 k abnahm. Unter diesen Umständen wurden neue Diagramme genommen,
welche sowohl eine grössere Expansion des Acetylengemenges zeigten als eine
erhebliche Zunahme der Leistung.
Nach diesen Ergebnissen kann beim 2--Motor mit einer indicirten Leistung
von 860 bis 870 mk auf 1 l Acetylen gerechnet werden.
In demselben Motor beträgt der Durchschnitts verbrauch an Leuchtgas 940 bis 960 1
für 1 /Std. bei 2 effectiven , was einer mittleren indicirten
Leistung von 405 mk auf 1 l Leuchtgas entspricht. In einem Klein-Motor der
vorliegenden Art erweist sich das Acetylen hiernach von der 2,1 fachen
Leistungsfähigkeit des Leuchtgases.
Der Verbrauch für die effective Pferdekraft-Stunde – diese zu 385700 indicirten
mk gerechnet – ermittelt nach dem Satz 850 mk auf 1 l Acetylen, beträgt 435 l
Acetylen bei einer Pressung von 160 mm Wassersäule oder 460 l bei
atmosphärischem Druck, d. s. 550 g. In grösseren Motoren würde der Nutzeffect
ohne Zweifel grösser sein, das Verhältniss zum Leuchtgas dürfte aber dasselbe
bleiben.
Diese Angaben Ravel's genügen wenigstens, um bei
einem gegebenen Preis des Acetylens über die Wirthschaftlichkeit seiner
Verwendung zu motorischen Zwecken ein Bild zu liefern.
Die Verwendung in den Gasmaschinen der jetzt gebräuchlichen Art hält übrigens Ravel nicht für eine so günstige, dass die grosse
Explosionsgewalt des Acetylens vollkommen zur Geltung käme. Wendet man nämlich
das Acetylen in einem solchen Procentsatz im explosiven Gemisch an, dass eine
heftige Explosion entsteht, so wird diese mangels jeder Expansion nur wenig
ausgenutzt. Wählt man aber den Procentsatz so, dass eine heftige Explosion
vermieden wird, so reicht die Wärmeentwickelung zu einer vortheilhaften
Erwärmung des gesammten Gasgemisches nicht aus.
Ravel schliesst seine bemerkenswerthen Mittheilungen
mit dem Ausdruck des Bedauerns, dass er seine Studien nicht so weit habe führen
können, als seinen Wünschen entsprochen hätte. Die beängstigende
Wärmeentwickelung bei der dem gesteigerten Bedarf des Motors entsprechend
verstärkten Acetylenentwickelung, sowie die unangenehme Nachbarschaft einer
Acetylenmenge von 300 l ohne entsprechende Sicherheitsvorkehrungen legten ihm
einige Vorsicht auf und mahnten zu thunlichster Abkürzung der
Motorversuche.“
Eingehende Untersuchungen über die explosiven Eigenschaften des Acetylens sind von
Berthelot und Vieille
angestellt worden. Der Gastechniker berichtet nach dem
Journal de l'éclairage au gaz darüber
Folgendes:
Das Acetylen ist eine Verbindung, deren Zersetzung in ihre Elemente ungefähr die
gleiche Wärmemenge, die bei Verbrennung eines gleichen Volumens Wasserstoff
entsteht, freigibt.
Die industrielle Wichtigkeit, welche dieses Gas für Beleuchtungszwecke bereits
errungen hat, veranlasste Berthelot und Vieille, die genauen Bedingungen zu suchen, unter
welchen seine explosiven Eigenschaften zur Geltung gelangen können, und diejenigen
Vorsichtsmaassregeln festzustellen, welche bei dem praktischen Gebrauch des
Acetylens beobachtet werden müssen, um der Explosionsgefahr zuvorkommen zu
können.
1) Einfluss der Compression. Unter atmosphärischem und
constantem Druck pflanzt sich die in einem Punkt durch irgend welche Mittel bewirkte
Zersetzung des Acetylens auf eine messbare Distanz nicht fort.
Dagegen haben Berthelot und Vieille gefunden, dass sich die Sache, sobald die Condensation des Gases
eintritt oder bei Drucken von mehr als 2 at, ganz anders verhält; das Acetylen zeigt
dann die Eigenschaften von explodirbaren Gemischen. Wird unter den letzteren
Umständen an einem Punkt die Zersetzung durch einfache Zündung mittels eines durch
elektrischen Strom zum Erglühen gebrachten Metalldrahtes eingeleitet, so pflanzt sie
sich über die ganze Masse fort, wie dies bei Versuchen in 4 m langen Röhren von 20
mm Durchmesser festgestellt worden ist.
a) Zersetzung des Acetylens in gasförmigem Zustand. Die nachstehende Tabelle enthält
die Drucke und die Zeitdauer der Wirkung, welche nach erfolgter Entzündung des Gases
mittels eines in dessen Inneren zum Erglühen gebrachten Drahtes bei verschiedenen
Anfangsspannungen beobachtet worden sind:
Druck in k/cbm
Dauer derWirkung in1/1000-Secunden
VerhältnisszwischenAnfangs-
undEnddruck
zu Anfang
nach der Wirkung
2,23
8,77
–
3,93
2,23
10,73
–
4,81
3,50
18,38
76,8
5,31
3,43
19,33
–
5,62
5,98
41,73
66,7
6,98
5,98
43,43
–
7,26
5,98
41,53
45,9
6,94
11,23
92,73
26,1
8,24
11,23
61,73
39,2
8,00
21,13
213,70
16,4
10,13
21,13
212,60
18,2
10,13
Selbst die zwei letzten Geschwindigkeiten sind gegenüber der Explosionsfortpflanzung
von sauerstoffhaltigen Mischungen noch sehr gering.
Beim Oeffnen des stählernen, mit einem Manometer versehenen Versuchsrohres nach dem
Versuch findet man dieselbe vollständig mit pulverförmiger russartiger Kohle
ausgefüllt, welche sich als leicht zerbrechlicher Körper von der Form des
Recipienten herausziehen lässt. Das rückständige Gas dagegen ist reiner Wasserstoff.
Die Pressung in dem noch verschlossenen und nach der stattgehabten Explosion wieder
abgekühlten Versuchsrohres ist wieder genau gleich der Anfangspressung.
Die Zersetzung des Acetylens vollzieht sich somit nach der Formel:
C2 H2 = O2 + H2.
Aus der vorstehenden Tabelle ist weiters zu ersehen, dass die Explosion bei
Anfangsspannungen von etwa 21 at, welche ungefähr der halben Spannung gesättigten
Acetylendampfes bei 20° entsprechen, die Spannung verzehnfacht.
Berthelot und Vieille
berechnen die durch die Explosion erzeugte Temperatur aus der entstehenden
Wärmemenge einerseits und andererseits aus den specifischen Wärmen des H und C mit
ungefähr 2750°.
Die geringere Reactionsgeschwindigkeit, welche die Tabelle bei kleineren
Anfangsdrücken aufweist, ist eine Folge der Abkühlung durch die Gefässwände, welche
bei grossen Spannungen nicht so weit zur Geltung kommt.
Die Zersetzungsgeschwindigkeit des Acetylens nimmt also mit dem Wachsen des
Druckes rasch zu, und zwar nicht allein wegen der geringeren Abkühlung, sondern auch
durch die Wirkung der Condensation und der damit verbundenen erhöhten
Comprimirbarkeit des Gases, die eine erhöhte Dichte zur Folge hat.
b) Zersetzung des Acetylens in flüssigem Zustand. Die Reaction pflanzt sich im
flüssigen Acetylen thatsächlich ebenso leicht fort, selbst bei einfacher Erwärmung
durch einen glühenden Draht.
In einer Stahlbombe von 48,96 cbm Inhalt, gefüllt mit 18 g flüssigem Acetylen, hat
man die beträchtliche Spannung von 5564 k/cbm erhalten. Dieser Versuch lässt dem flüssigen
Acetylen eine Explosivkraft von 9500, also ungefähr derjenigen von Schiessbaumwolle
zuschreiben. Die Bombe enthält nach der Explosion einen Block von Kohle, welcher
durch den Druck zusammengeballt erscheint und einen glänzenden, conchoidalen Bruch
aufweist. Nach der Untersuchung von Moissan enthält
diese Kohle nur Spuren von Graphit.
Die Zersetzung des flüssigen Acetylens mittels einfacher Erwärmung geht
verhältnissmässig langsam vor sich. Bei einem Versuch, bei welchem die Dichte der
Füllung ungefähr 0,15 betrug, entwickelte sich die Maximalspannung von 1500 k/cbm erst nach
9,41 Tausendstel Secunden, wobei zwei getrennte Phasen zu beobachten waren. Die
erste, von 1,17 Tausendstel Secunden Dauer, brachte die Spannung auf 553 k, die
zweite, langsamere, brachte dann nach 9,41 Tausendstel Secunden die erwähnte
Spannung von 1500 k. Diese zwei Phasen entsprechen wahrscheinlich der Zersetzung des
gasförmigen und des flüssigen Theiles des Inhaltes.
Aus dem Vorhergehenden resultirt somit, dass, wenn immer in einer gewissen Menge
gasförmigen oder flüssigen Acetylens unter Druck und besonders bei constantem
Volumen an einem Punkt derselben durch irgend eine Action eine Zersetzung und
dadurch eine partielle Temperaturerhöhung eingeleitet wird, sich diese Zersetzung
explosionsartig auf die ganze Masse des Acetylens ausbreiten wird.
2) Wirkung des Stosses. Recipienten aus Stahl von etwa 1
l Inhalt sowohl mit Acetylen in gasförmigem, auf 10 at comprimirten Zustand, als
auch mit flüssigem Acetylen von 0,3 Dichte gefüllt, wurden heftigen Stössen
ausgesetzt, indem man sie entweder frei fallen liess, oder den Schlägen eines
Fallbärs aussetzte:
a) Der Stoss, durch den freien Fall des Recipienten von 6 m Höhe auf eine schwere
Stahlmasse hervorgebracht, hat keine Explosion verursacht.
b) Die Schlagwirkung eines Fallbärs von 280 k Gewicht von 6 m Höhe auf den gleichen
Recipienten hatte in dem Falle, als er mit gasförmigem, auf 10 at comprimirten
Acetylen gefüllt war, ebenfalls keine Wirkung.
Dagegen war dieser Schlag bei Füllung mit flüssigem Acetylen nach einer kurzen Pause
von einer Explosion begleitet. Es scheint diese Wirkung nicht dem puren Acetylen
zuzuschreiben zu sein, sondern dessen Gemisch mit Luft, welche durch den gerissenen
Recipienten eingedrungen war. Die Entzündung ist ohne Zweifel durch Funken an den
auf einander schlagenden und reibenden Metalltheilen entstanden. Aus der
Untersuchung der zerschlagenen Recipienten, welche keine Spur von Kohlenauflagerung
aufwies, ging nämlich hervor, dass die stattgehabte Explosion keine Folge einer
einfachen Zersetzung des Acetylens in reine Bestandtheile, sondern einer
thatsächlichen Verbrennung eines Gemisches mit dem Sauerstoff der Luft war.
c) Eine schmiedeeiserne Flasche, gefüllt mit gasförmigem, auf 10 at comprimirtem
Acetylen, hielt ohne Explosion den Schuss einer Kugel aus, welche die erste Wand der
Flasche durchbohrte und die zweite noch beschädigte.
d) Versuch mittels Knallquecksilber. Eine Flasche, wie oben, gefüllt mit flüssigem
Acetylen, wurde mittels 1,5 g Knallquecksilber, welches in einem dünnen Röhrehen im
Innern der Flüssigkeit entzündet wurde, zu heftiger Explosion gebracht. Die
Bruchstücke der Flasche waren mit Kohle, von der Zersetzung des Acetylens
herrührend, bedeckt.
3) Wärmewirkungen. Es ist angezeigt, auf verschiedene
Ursachen von Temperaturerhöhung, welche bei den industriellen Manipulationen bei der
Herstellung oder dem Gebrauch des Acetylens vorkommen können, besonders aufmerksam
zu machen.
a) Eine solche Temperaturerhöhung entsteht bei der Einwirkung eines Ueberschusses von
Caleiumcarbid auf eine verhältnissmässig geringe Wassermenge in geschlossenem
Gefäss, also bei der Erzeugung des Acetylens selbst. Diese energische Reaction kann
einige Punkte der Masse bis zum Glühen bringen und nach den eben beschriebenen
Versuchen ist es dann nicht ausgeschlossen, dass die ganze Quantität des
comprimirten Gases hierdurch zur Explosion gebracht werden kann.
b) Andere Gefahren bei den industriellen Gebarungen können durch plötzliche
Compressionen beim Füllen der Reservoire, sowie durch die Erscheinungen von
adiabatischen Compressionen beim raschen Oeffnen eines gefüllten Recipienten im
Reservoir von beschränktem Rauminhalt zwecks Druckausgleichung eintreten.
c) Ein Stoss, entstanden durch das heftige Anschlagen einer gefüllten Flasche an
einen anderen Gegenstand, so dass die Flasche beschädigt wird, scheint zwar an und
für sich keine Ursache einer Explosion zu sein, doch birgt die Reibung der
beschädigten metallenen Theile unter sich oder mit dem fremden Gegenstand die Gefahr
in sich, das durch Eindringen der äusseren Luft entstehende explosive Gemisch zur
Entzündung bringen zu können.
Es erscheint Berthelot und Vieille mit Recht als nützlich und nothwendig, die explosiven
Eigenschaften des Acetylens vom theoretischen Standpunkt und auf Grund eingehender
Versuche näher beleuchtet und vom praktischen Standpunkt auf die Gefahren, die mit
seinem Gebrauch entstehen können, aufmerksam gemacht zu haben. Die Genannten sind
der Ansicht, dass die geschilderten Inconvenienzen nicht der Art sind, dass sie die
Vortheile des Acetylens als Beleuchtungsmittel aufwiegen und dessen Gebrauch
beschränken könnten, nachdem es in der That leicht sei, denselben in der aus den
Versuchen hervorgehenden Weise zu begegnen, indem einerseits der Manipulant auf die
Vermeidung zu raschen Abfliessens des comprimirten Gases und andererseits darauf zu
achten hat, dass alle durch Compression oder durch Reactionen im Innern sich
bildende Wärme der Apparate auf geeignete Weise absorbirt werde, um jede
nennenswerthe Temperaturerhöhung zu vermeiden.
Dass bei dem Gebrauch des Acetylens äusserste Vorsicht geboten ist, zeigt die
verhängnissvolle Acetylenexplosion im Laboratorium des Berliner Chemikers G. Isaac. Dort explodirte im dritten Stock des Hauses
Acetylengas, wobei der genannte Chemiker und drei seiner Leute ihren Tod fanden. Die
Ursache des Unglückes hat nicht festgestellt werden können. Es wird vermuthet, dass
die Explosion lediglich durch Erwärmung comprimirten Acetylens, also nicht durch
einen technischen Fehler des Apparates oder durch mangelnde Widerstandsfähigkeit der
verwendeten Mannesmann-Röhren herbeigeführt worden sei. Bei der Benutzung des
Acetylens zu Beleuchtungszwecken ist demnach grosse Vorsicht geboten.
In der Calciumcarbidfabrik in Jette-Saint-Pierre bei Brüssel wurden in Folge einer
heftigen Explosion der Director und ein Arbeiter der Fabrik, nach Mittheilung des
Journal de l'éclairage au gaz, hochgradig
verbrannt. Der Brand, welcher sich mit grosser Schnelligkeit fortpflanzte,
hinterliess nichts als die nackten Mauern des Gebäudes, da durch fortwährend
nachfolgende Explosionen die Arbeiten der sofort bereit gewesenen Feuerwehr nur mit
äusserster Vorsicht ausgeführt werden konnten.
Es ist übrigens ein eigenthümliches Verhängniss, dass gerade in dem Pictet'schen Etablissement in Paris ebenfalls eine sehr
schwere Acetylenexplosion stattgefunden hat. Die Explosion ist wahrscheinlich durch
das Lösen der Verschlusschraube einer Acetylenflasche entstanden, jedoch hat die
Ursache nicht weiter aufgeklärt werden können.
In Folge dieser verschiedenen Unglücksfälle hat sich die Polizei an verschiedenen
Orten zum Erlass von Sicherheitsvorschriften veranlasst gesehen. In dem
begreiflichen Schrecken über den Verlust an Menschenleben aus unaufgeklärter Ursache
hat der Pariser Gemeinderath in der That bereits die Schliessung sämmtlicher
Acetylengasfabriken erwogen. In Rom hat sich die Polizei auch schon mit dem Neuling
befasst; die Magazine für grössere Mengen des Calciumcarbids müssen 75 m von
menschlichen Wohnstätten entfernt und mit 3 m hohen Mauern umgeben sein. Die für den
Verkauf vorgeschriebenen luftdicht geschlossenen Metallflaschen, nach Art der
Kohlensäureflaschen, müssen die Aufschrift „explosibel“ tragen und dürfen nur
eine bestimmte, von den städtischen Behörden festzusetzende Menge fassen. Die
Acetylengasanstalten gehören nach denselben Vorschriften zu den
genehmigungspflichtigen gewerblichen Anlagen. In Deutschland verfolgt man sehr
eifrig die Neuerungen auf diesem Gebiet und studirt selbständig des Gases
Eigenschaften, über welche noch zahlreiche Irrthümer verbreitet sind.
Eine greifbare Form hat die Frage der Sicherheitsvorrichtungen durch die Rathschläge
Vieille's erhalten, der dem Gesundheitsrath der
Seine die Aufsicht über die Reservoire für einen täglichen Gebrauch von mehr als 10
cbm unterstellen will, und der folgende Bestimmungen vorschlägt:
1) Jeder innerhalb eines Wohnraumes aufgestellte Acetylenerzeugungsapparat muss bei
der Polizeipräfectur angemeldet werden, die Anmeldung muss eine genaue Bezeichnung
des Aufstellungsraumes, sowie eine Beschreibung des Apparates und seiner
Wirkungsweise enthalten, ebenso muss jede Ortsveränderung des Apparates gemeldet
werden.
2) Auf Grund dieser Anmeldung kann der Gebrauch des Apparates unter folgenden
Bedingungen gestattet werden:
Die Apparate dürfen nicht in Kellern oder kellerartigen Räumen aufgestellt
werden. Sie müssen entweder in freier Luft stehen oder in einem gut gelüfteten Raum,
unter Tagesbeleuchtung und mit vergittertem Fenster.
Die mit Acetylen gefüllten Flaschen sollen an freier Luft aufgestellt und vor der
Einwirkung der directen Sonnenstrahlen geschützt sein. Zu diesem Zweck sind sie zu
ummanteln und mit einem Deckel zu schützen, welcher jedoch den Luftwechsel nicht
behindern darf.
3) Die entleerten Flaschen sind reichlich mit Wasser auszuspülen.
4) Die Behälter für Acetylengas oder flüssiges Acetylen müssen folgenden Bedingungen
genügen:
Die Verschlussgefässe, welche für einen Druck von weniger als 10 k/qc bestimmt
sind, werden mit dem doppelten Druck unter dem Manometer abgepresst. Uebersteigt der
Druck 15 k/qc, so
werden die Verschlussgefässe von der Bergbehörde dem 1 ½ fachen Druck unterworfen
bei gleichzeitiger Hämmerungsprobe.
Die Verschlussgefässe für flüssiges Acetylen sollen in der Weise, wie für die
Kohlensäure zum Eisenbahntransport vorgeschrieben ist, behandelt werden. Ausserdem
sollen alle Vorschriften, welche für mit Gas beleuchtete Räume bestehen, hier
Anwendung finden.
Mit diesen Vorschriften deckt sich vielfach der von dem königl. Polizeipräsidium zu
Berlin gegebene Erlass, welcher lautet:
„Veranlasst durch die vor Kurzem hier erfolgte Explosion eines mit flüssigem
Acetylengas gefüllten Behälters, ist vom königl. Polizeipräsidium der schleunige
Erlass einer Polizeiverordnung in Erwägung genommen worden, wonach Jeder, der
Acetylengas und Calciumcarbid mittels Wasser darstellen will, vorher der
Ortspolizeibehörde Anzeige davon zu erstatten hat. Die zur Darstellung und zum
Auffangen des Gases zu benutzenden Apparate müssen bestimmten Voraussetzungen
genügen. Auf die staatlichen wissenschaftlichen Institute, die solches Gas nur
zu Lehr- und Studienzwecken verwenden, findet die Anzeigepflicht keine
Anwendung.
Ausserdem wird auf die grosse Explosionsfähigkeit des flüssigen Acetylens warnend
hingewiesen. Dieselbe kommt der der Schiessbaumwolle nahe und soll z.B. schon
durch einen glühenden Metalldraht, durch Schlag und zu schnelles Oeffnen der
Behälter hervorgerufen werden können. Flüssiges Acetylen wird deshalb als
Sprengstoff zu behandeln sein. Auf die Herstellung, den Vertrieb und den Besitz
von flüssigem Acetylen, sowie auf die Zuführung desselben aus dem Ausland werden
künftig die Vorschriften des Gesetzes gegen den verbrecherischen und
gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen vom 9. Juni 1884 Anwendung
finden.“
Angesichts der sich häufenden Unglücksfälle bei Benutzung von Acetylengas, und da
Viele bestrebt sind, dieses Gas als Leuchtstoff praktisch zu verwerthen,
veröffentlichen wir einen Auszug der Arbeit der französischen Chemiker Berthelot und Vieille über
die Explosionsfähigkeit von Acetylen.
Steht Acetylengas unter dem gewöhnlichen Atmosphärendruck, so verursacht ein damit in
Berührung gebrachter Funken, rothglühender Draht, oder selbst eine platzende
Knallquecksilberpatrone keine Explosion, sondern nur eine Zersetzung, die sich nicht
über die Ursprungsstelle hinaus verbreitet. Schon bei 2 at Druck zeigt das Gas
explosive Eigenschaften, und die durch rothglühenden Platindraht herbeigeführte
örtliche Zersetzung verbreitet sich über die ganze Gasmenge. Durch diese Zersetzung
müsste sich das Gas theoretisch auf 2750° C. erhitzen, wodurch im geschlossenen Raum
das 11 fache des ursprünglichen Druckes hervorgebracht wird; Oberflächenabkühlung
des Gasbehälters vermindert jedoch diese Temperatur, also auch den Druck
beträchtlich. Je höher der Druck, unter dem das Acetylengas steht, um so rascher und
explosionsartiger wird die Zersetzung. Flüssiges Acetylen zersetzt sich ebenso rasch
wie gasförmiges, wenn es mit Funken oder einem rothglühenden Körper in Berührung
kommt. Schläge oder Stösse, mögen sie noch so heftig sein, bringen keine Zersetzung
hervor. Wird ein Acetylenbehälter aus Stahl durch einen kräftigen Schlag
zertrümmert, so erfolgt unmittelbar keine Explosion, aber es bildet sich ein
explosives Gemisch von Acetylen und Luft, welches durch Funken in Folge der Reibung
der Stahltrümmer entzündet wird.
Das Zusammentreffen kleiner Wassermengen mit einem Ueberschuss von Calciumcarbid kann
nach Piclet's Unternehmungen derartige örtliche
Erhitzung zur Folge haben, dass daraus Explosion entsteht. Dasselbe kann in Folge
plötzlicher Verdichtung des Gases oder zu rascher Oeffnung eines Verschlusshahnes
geschehen. Durch richtige Sorgfalt in der Herstellung und Handhabung des Gases
können aber nach Ansicht der genannten französischen Gelehrten alle diese Gefahren
vermieden werden, und sie bilden kein ernstes Hinderniss der Verwendung von Acetylen
zu Beleuchtungszwecken. –
Wir haben die Sicherheitsvorschriften ausführlicher mitgetheilt, da die Gefahren
vielfach von den Gegnern der Acetylenbeleuchtung zu einem wahren Schreckensgespenst
aufgebauscht werden.
(Fortsetzung folgt.)