Titel: | Neue Thermometer für sehr tiefe Temperaturen. |
Autor: | Rr. |
Fundstelle: | Band 304, Jahrgang 1897, S. 57 |
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Neue Thermometer für sehr tiefe Temperaturen.
Neue Thermometer für sehr niedrige Temperaturen.
Zur Messung sehr niedriger Temperaturen ist bis jetzt fast ausschliesslich das Luftthermometer angewendet worden. Ein Luftthermometer
besteht aus einem Glasgefäss, welches durch ein sehr enges Capillarrohr mit einem Quecksilbermanometer in Verbindung
steht. Wird die
Luft in diesem Gefäss abgekühlt, so wird ihr Druck kleiner; aus dem jeweiligen Druck der auf möglichst gleich bleibendem
Volumen
gehaltenen Luft wird die Temperatur berechnet. Das Luftthermometer ist aber so complicirt, so wenig transportabel
und so schwierig zu
behandeln, dass genaue luftthermometrische Bestimmungen selbst in den für wissenschaftliche Zwecke eingerichteten
Laboratorien zu den
Seltenheiten gehören. Man hat vielfach versucht, einfachere Formen des Luftthermometers zu construiren; dies kann
aber nur auf Kosten
der Genauigkeit und Zuverlässigkeit geschehen.
Das Quecksilber wird bei – 39° fest; Alkohol und Aether kann man jedoch weit unter – 100° abkühlen, bevor dieselben erstarren.
Beim
Siedepunkte der flüssigen Luft von – 190° erstarren jedoch fast sämmtliche Flüssigkeiten. Alkohol wäre somit zu solchen
Temperaturmessungen geeignet, wo man das Quecksilber nicht mehr verwenden kann. Es ist bekannt, dass man vielfach
Weingeistthermometer anwendet. Dieses Thermometer besitzt aber den grossen Uebelstand, dass man die Theilung nicht
so einfach wie beim
Quecksilberthermometer ausführen kann. Das Quecksilber besitzt die gute Eigenschaft, dass es sich bei Erwärmung regelmässig
ausdehnt
und bei Abkühlung ebenso zusammenzieht. Aus diesem Grunde sind die Grade an einem solchen Thermometer gleich gross
und man braucht nur
zwei feste Punkte an dem Quecksilberthermometer durch Versuche zu bestimmen (Eispunkt und Siedepunkt), um die Grösse
der Grade zu
erhalten.
Alkohol und alle anderen Flüssigkeiten ziehen sich bei Abkühlung unregelmässig zusammen; je niedriger die Temperatur wird,
desto
weniger nimmt das Volumen ab. Die Abnahme des Volumens mit der Temperatur kann nur durch eine Gleichung zweiten Grades
ausgedrückt
werden und die Herstellung der Scala für ein Weingeistthermometer nach dieser Gleichung ist deshalb ziemlich umständlich.
Man kommt
rascher und sicherer zum Ziel, wenn man die Angaben des Weingeistthermometers mit denen eines Luftthermometers vergleicht.
Der
Mechaniker Niehls in Berlin liefert solche Thermometer bis zu einer Temperatur von – 120° brauchbar. Dies
ist der Siedepunkt flüssiger Kohlensäure unter kleinem Druck. Die Richtigkeit dieser Thermometer bis – 79° (Siedepunkt
flüssiger
Kohlensäure bei 1 at Druck) wird von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt beglaubigt.
Nach le Chatelier misst man die höchsten Temperaturen am besten mit einem Thermoelement aus einem Platin-
und Platinrhodiumdraht. Man kann nun dieses Thermoelement auch zur Messung der tiefsten Temperaturen benutzen; die
Empfindlichkeit bei
diesen Temperaturen ist aber bedeutend geringer als in hoher Temperatur. Aus diesem Grunde haben Holborn
und Wien für diese Zwecke ein Thermoelement aus Eisen- und Constantandraht vorgeschlagen, Constantan ist
der Name für eine Legirung von Kupfer mit 40 Proc. Nickel. Diese Legirung besitzt die Eigenschaft, dass ihr elektrischer
Widerstand
mit der Temperatur sich fast nicht verändert. Dieses Thermoelement wurde besonders deshalb vorgeschlagen, weil es
nächst dem
Wismuth-Antimonelemente die grösste Empfindlichkeit besitzt. Verglichen wurde dasselbe mit dem Luftthermometer in
einem Bade von
flüssiger Luft (– 190°), in einem Gemisch von Alkohol und fester Kohlensäure (– 79°) und bei 0°.
Bezeichnet e die elektromotorische Kraft in Mikrovolt und t die Temperatur,
so ergibt sich für die Abhängigkeit beider von einander die Formel:
t = – 0,0178 e – 0,000000878 e2.
In Verbindung mit einem Zeigergalvanometer, wie bei dem Pyrometer von le Chatelier, ist dieses
Thermoelement sehr bequem zur Messung der tiefsten Temperaturen.
Bei Versuchen, welche Holborn und Wien in dem Kältelaboratorium von Linde in München ausführten, hat man nach einer Flüssigkeit gesucht, welche in flüssiger Luft noch nicht
fest wird. Man hat nur eine Flüssigkeit gefunden, nämlich das Gemisch von Kohlenwasserstoffen, welches man Petroläther
nennt. Die
übrigen erstarrten plötzlich krystallinisch oder allmählich glasartig.Wied. Ann., 1897 S. 463.
Einige Thermometergefässe wurden in der Werkstätte von Bender und Holbein in München ausgeführt. Die
folgenden Zahlen beruhen auf den in Charlottenburg vorgenommenen Füllungen.Der Siedepunkt dieses Petroläthers betrug 33° C. und das spec. Gew.
0,6515 bei einer Lufttemperatur von 17°. Als Temperaturbäder dienten wieder ausser Eis die siedende flüssige Luft
(– 190°), die mit Alkohol gemischte siedende Kohlensäure (– 79°) und eine Alkohol-Kohlensäuremischung von – 50°.
Interessant ist die bedeutende Gesammtabnahme des Volumens; bei – 188° beträgt das Volumen nur ⅘ von demjenigen bei 0° und
¾ von
demjenigen bei + 30°. Quecksilber dehnt sich von – 40 bis 360° nur um 1/14 aus. Mit Ausnahme der Gase ist obige Volumenänderung eines Körpers vielleicht die grösste bisher gemessene. Der
Ausdehnungscoëfficient zwischen 0 und 33° beträgt 0,00148 und zwischen – 80 und – 190° C. 0,00104. Die Volumenänderung
wird also, wie
man das von den anderen Flüssigkeiten schon kennt, nach unten immer schwächer. Aber während diese Abnahme in den
höheren Temperaturen
beträchtlich ist, wird sie, was man von vornherein nicht wissen konnte, nach unten immer unbedeutender.
Rr.