Titel: | Die neue Klöppelmaschine von August Matitsch. |
Autor: | Max Kraft |
Fundstelle: | Band 304, Jahrgang 1897, S. 205 |
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Die neue Klöppelmaschine von August Matitsch.
Mit Abbildungen.
Die neue Klöppelmaschine von August Matitsch.
Seit mehreren Jahrzehnten bemühen sich die auf dem Gebiete der mechanischen Spitzenerzeugung arbeitenden Constructeure, eine
Maschine
zu erfinden, die die Herstellung echter Klöppelspitzen ermöglichen würde, ohne bisher einen vollen Erfolg nachweisen
zu können.
Bekanntlich bestehen solche Klöppelmaschinen schon und sind namentlich zwei derselben, nämlich die von Hedtmann
und HenkelsBeschrieben in Karmarsch-Heeren; Technisches Wörterbuch, 3. Aufl. Bd. VIII S. 372, und
in Handbuch der mechanischen Technologie von Karmarsch-Fischer-Müller, Bd. III S. 901. in Lengerfeld und die von Eugen MalhèreBeschrieben in D. p. J. 1881 240 274. in
Paris, also eine deutsche und eine französische Construction, besser bekannt geworden. Beide jedoch entsprechen den
an sie gestellten
Anforderungen nicht vollkommen; die erste, weil sie nur die ganz einfachen Fadenverschlingungen, also die einfachsten
Spitzengattungen
herstellen kann und ihr Verwendungsgebiet demnach ein sehr beschränktes ist; die zweite, sehr sinnreich erdachte
Maschine
wahrscheinlich deshalb, weil sie nicht ökonomisch zu arbeiten vermag, d.h. weil die Kostspieligkeit ihrer Herstellung
zu ihrer
Leistungsfähigkeit in einem ungünstigen Verhältnisse steht, da dieselbe gleichzeitig nur einen Spitzenstreifen herzustellen
vermag.
Die Spitzen wurden bis jetzt in echte oder Handspitzen und in unechte, imitirte oder Maschinenspitzen getheilt und obwohl die letzteren oft so täuschend nachgemacht sind, dass sie
Jedermann für echte erklären würde, ist die Unechtheit derselben für den Fachmann nicht allzuschwer zu erkennen.
Eines der wichtigsten
Merkmale der Maschinenspitzen besteht darin, dass sämmtliche Fadenverschlingungen, welche in einer auf die Längenrichtung
des
Spitzenstreifens senkrechten Linie liegen, von der Maschine gleichzeitig hergestellt werden müssen, weil
sämmtliche Mechanismen der Maschine gleichzeitig in Thätigkeit sind und es bisher nicht gelungen war, einzelne derselben
in dem Maasse
periodisch ausser Thätigkeit zu setzen, als dies erforderlich war und der Arbeit des Klöppelns entsprechen würde;
bei welcher es meist
der Geschicklichkeit oder Uebung der Arbeiterin überlassen ist, welche Fadenverschlingungen sie früher, welche sie
später herstellen
will; dieselbe kann oft an einer Kante des Spitzenstreifens weit voraus arbeiten und diese Arbeit dann erst mit den
neben liegenden
Theilen verbinden, wobei sie einzelne Fäden auch in weiter zurück liegende Gebiete der Spitzenfläche zu führen und
dort entsprechend
zu verschlingen, zu befestigen vermag. Auch der Umstand ist hier maassgebend, dass die Maschine die fertige Waare
ununterbrochen auf
den Waarenbaum aufwickelt und dieselbe der Arbeit daher reihenweise entzogen wird, während beim Klöppeln die Waare
am Klöppelkissen so
lange liegen bleiben kann, als dies der Arbeiterin als nothwendig erscheint. Man sieht, die Handarbeit der Klöpplerin
ist freier,
ungebundener, demzufolge auch der Fadenlauf ein schwungvollerer, weniger gezwungener. Stellt in Fig. 1
ab einen schmalen Spitzenstreifen vor, so muss die Maschine alle in der Linie 111 liegenden Fadengebilde gleichzeitig herstellen, während die Klöpplerin auch auf den
schrägen Linien 221
331 vorgehen kann und es in ihrem Belieben bleibt, zuerst alle in der
Fläche I liegenden Faden Verbindungen und dann erst die in der Fläche II
befindlichen herzustellen, also beliebig über die wagerechte Linie nach oben oder unten hinauszugreifen, was – wie
schon erwähnt –
namentlich auch dadurch erreicht ist, dass die fertige Waare nicht gleich auf eine Walze aufgewickelt, sondern eine
beliebig lange
Zeit auf den Klöppelkissen liegen bleibt und die hergestellten Fadenverschlingungen durch in das Kissen eingestochene
Nadeln
festgemacht und beliebig lange festgehalten werden.
Soll daher die Maschine die Handarbeit der Klöpplerin vollkommen nachzuahmen vermögen, d.h. echte Klöppelspitzen erzeugen,
dann muss
sie neben anderen folgende zwei wichtigste Bedingungen erfüllen. Ihre Construction muss es ermöglichen, dass
1) eine beliebige Anzahl der zur Herstellung der Spitzen verwendeten Fäden beliebig lange der Fadenverschlingung entzogen
und
2) das zuletzt erzeugte Spitzenstreifenstück, ohne aufgewickelt zu werden, beliebig lange Zeit so festgehalten werde, dass
die
hergestellten Fadenverschlingungen in der ihnen zukommenden Lage erhalten bleiben, bis die um sie herum liegenden
Verbindungen erzeugt
sind.
Bei der Hedtmann'schen Maschine, die in ihrer Construction den
Flechtmaschinen angehört, wird die erste Bedingung durch die Anwendung von Nebentellern erfüllt, auf welche diejenigen Klöppel
zeitweilig geleitet werden, deren Fäden der Verbindung periodisch entzogen werden sollen; Malhère ging in
seiner Maschine, die ebenfalls auf einer Erweiterung des Constructionsprincips der Flechtmaschinen beruht, darüber
hinaus, indem er
die Bewegung der Klöppel überhaupt von zwei Jacquardapparaten abhängig macht und dadurch in die Lage kommt, jeden
Klöppel beliebig
lange aus der Arbeit zu ziehen. Der zweiten Bedingung aber entspricht keine dieser beiden Maschinen; bei beiden wird
die Aufwickelung
der hergestellten Waare ohne Unterbrechung durchgeführt; während aber die Hedtmann'sche Maschine gar
keine Nadelvorrichtung besitzt, ist eine solche bei der Malhère'schen Maschine vorhanden, ja sogar jede
Nadel durch eine Jacquardplatine selbständig, d.h. in jedem beliebigen Momente, wenn es die Fadenverschlingung erfordert,
beweglich,
die Grösse des Weges aber, den die Nadel zurücklegt, immer die gleiche und daher die obige Bedingung nicht ganz erfüllt,
das
Feststecken am Klöppelkissen nicht nachgeahmt, obwohl ein verhältnissmässig complicirter, aus zwei über einander
gleitenden Schlitten
bestehender Apparat aufgeboten ist.
Textabbildung Bd. 304, S. 205
Klöppelmaschine von Matitsch.
Der zweiten Bedingung kann nur dann voll entsprochen werden, wenn hauptsächlich das Herausziehen der Nadeln in einem beliebigen
Zeitpunkt eingeleitet und ausserdem auch die Grösse des von den Nadeln zurück zu legenden Weges beliebig veränderlich
gestaltet wird.
Es sind dies wohl sehr weit gehende Forderungen, wie jeder eingeweihte Fachmann zugeben wird, aber sie müssen gestellt
werden, wenn
wirklich eine echte Klöppelspitze auf der Maschine hergestellt werden soll, und zudem ist diese Forderung als gelöst
zu betrachten;
beide Bedingungen sind erfüllt durch die von Matitsch construirte Maschine.
Ausser den oben aufgestellten, mehr das Constructionsdetail betreffenden Anforderungen muss aber eine solche Maschine, die
ein durch
die Mode beeinflusstes Product zu erzeugen hat, auch noch im hohen Grade dem ökonomischen Moment Rechnung tragen.
Die durch Handarbeit
hergestellten Klöppelspitzen erzielen am Markt zwar verhältnissmässig gute Preise, werden aber den Klöpplerinnen
um wahrhaft klägliche
Preise abgenommen, die hauptsächlich dadurch ermöglicht sind, dass diese fleissigen Geschöpfe das Klöppeln nur als Mussestunden ausfüllende Nebenarbeit betreiben, deren Ertrag als angenehme
Ergänzung des Haupterwerbes betrachtet und daher ganz unverhältnissmässig niedrig bewerthet wird. Hier liegt einmal
ein Fall vor, wo
es der Maschine nicht leicht wird, die Concurrenz mit der Handarbeit aufzunehmen und zwar um so weniger leicht, als
durch eine Laune
der Mode die ökonomische Situation noch mehr verschärft werden kann. Die Malhère'sche Maschine scheint an
diesen Klippen Schiffbruch gelitten zu haben, da sie gleichzeitig nur einen Spitzenstreifen herzustellen vermag.
Auch nach dieser
Richtung hin ist die neue Maschine von Matitsch der ersteren weit überlegen, da dieselbe eine beliebige,
nur durch die Länge der Maschine praktisch begrenzte Anzahl von Spitzenstreifen gleichzeitig ohne irgend welche Complication
zu
arbeiten vermag.
Der volle Erfolg der Matitsch'schen Construction nach dieser letztbetonten Richtung beruht darauf, dass
dieselbe, statt auf dem Princip der Flechtmaschine, auf dem der Heathcoat'schen Bobbinetmaschine
aufgebaut ist, welches dem Erfinder, als dem einstigen Director und Mitbesitzer der grossen L.
Damböck'schen Bobbinet- und Spitzenfabrik in Wien, selbstverständlich nahe liegen musste und das nach genauerer Einsicht als das
ökonomisch für diesen Zweck einzig verwerthbare Princip erscheinen muss. Bei der Herstellung der Handklöppelspitzen
findet namentlich
ein sogen. Zwirnen, d.h. ein Drehen zweier Fäden um einander und dann ein Kreuzen und Flechten solcher statt; was
durch die Klöpplerin
in einfacher Weise durch das paarweise Drehen der Klöppel und durch ein Uebereinanderlegen der Fäden erreicht wird.
Sollen diese
Arbeiten durch eine Maschine nachgemacht werden, dann ist es namentlich das Zwirnen, das, wenn es nach dem Princip
der Flechtmaschinen
ausgeführt wird, einen sehr grossen Raum für je zwei Fäden beansprucht, indem die beiden Klöppel um einen runden
Teller herumlaufen
oder, wie bei der Malhère'schen Maschine, mit einem solchen gedreht werden müssen. Da die Klöppel in
ihren Dimensionen nicht unter ein gewisses Maass herabgehen können, muss auch der Teller einen verhältnissmässig
grossen Durchmesser
erhalten; besteht nun die Spitze aus einer grösseren Anzahl von Fäden, so verlangt schon ein Spitzenstreifen einen
so grossen Raum in
der Maschine – bei Malhère entfällt auf jeden Faden ein Teller –, dass zwei Streifen gar nicht mehr
unmittelbar neben einander angeordnet werden können. Der hergestellte Spitzen streifen ist schmäler, als der Durchmesser
auch nur
eines Tellers lang ist, und die zu demselben zusammen laufenden verschlungenen Fäden müssen entweder einen radialen
oder einen Weg in
der Mantelfläche eines Konus einschlagen, wodurch auch die Anwendung einer entsprechend construirten Nadelvorrichtung
zum Festhalten
der schon erzeugten Fadengebilde ausserordentlich erschwert wird.
Ganz anders liegen die Verhältnisse im Princip der Bobbinetmaschine; hier sind die Fäden nicht auf Klöppel, sondern in ganz
dünne
Spulen gewickelt, die ihrerseits wieder in pappendicke Schiffchen gesetzt sind, deren eine grosse Anzahl, neben einander
gestellt,
noch immer einen verhältnissmässig schmalen Raum einnehmen. Dieser Raum kann noch dadurch vermindert werden, dass
man zwei Schiffchen
hinter einander, also zwei Fäden in dieselbe Verticalebene bringt. In diesem Fall nehmen die in zwei Reihen angeordneten
Schiffchen keinen breiteren Raum ein, als die Breite des Spitzenstreifens erfordert; die zu demselben nöthigen Fäden
liegen sämmtlich
paarweise in parallelen Verticalebenen; es lässt sich demzufolge eine Schiffchengruppe an die andere dicht anschliessen,
d.h. also ein
Spitzenstreifen neben dem anderen, also eine beliebig grosse Anzahl solcher Streifen gleichzeitig herstellen, wobei
diese Zahl nur
durch die praktische Länge der Maschine begrenzt wird. Hierin liegt die ökonomische Ueberlegenheit dieses Constructionsprincips
über
dem der Flechtmaschine, die ökonomische Ueberlegenheit der Matitsch'schen gegenüber der Malhère'schen Maschine.
Ausser diesem bringt aber das Anordnen der Fäden in dicht neben einander liegende Verticalebenen auch noch den Vortheil mit
sich, dass
die zum Festhalten der Fadengebilde verwendeten Nadeln ebenfalls in solchen parallel gelegten Ebenen bewegt werden
können, wodurch
eine bedeutende Vereinfachung der kinematischen Verhältnisse der Maschine ermöglicht wird. Und so dürfte denn die
auf dem Princip der
Bobbinetmaschinen basirende Matitsch'sche Maschine einen vollen Sieg erringen, wobei noch der
eigenthümliche Fall eintritt, dass die Ausführung einer bestimmten Bewegung durch den einfachsten Bewegungsprocess
die Arbeitsökonomie
der Maschine ungünstig, die Ausführung derselben Bewegung durch einen complicirteren Process günstig beeinflusst.
Es wird wohl zugegeben werden müssen, dass das Drehen zweier Fäden um eine gemeinschaftliche Achse, also um sich selbst durch
eine
Kreisbewegung (Flechtmaschinenprincip) einfacher ausführbar ist, als durch die Auflösung in vier geradlinige Bewegungen
(Bobbinetmaschinenprincip), wie nebenstehende kleine Figur zeigt, und doch ist die constructive Lösung der ersteren,
wenigstens in
diesem Fall, nicht so ökonomisch zu gestalten, wie bei der letzteren.
Textabbildung Bd. 304, S. 206
Bevor ich nun zur Beschreibung der neuen Matitsch'schen Klöppelmaschine übergehe, sei nochmals erwähnt,
dass dieselbe auf dem Princip der englischen (Nottinghamer) BobbinetmaschinenArtikel über Bobbinet in Prechtl's 'Technologischer Encyclopädie, II. Bd. 497. Derselbe Artikel im ersten Supplementband zu oben
genannter Encyclopädie, S. 515.Kceman, Métier à tulle. Publication industrielle des Machines outils et appareils p. Arrmengaud
ainé 1853, S. 351.Müller E., Ueber Bobbinetmaschinen mit Jacquard. Civilingenieur, Bd. XXX Heft 8.Karmarsch, Handbuch der mechanischen Technologie, 6. Auflage, von Fischer-Müller, III. Bd. S. 860.Kraft M., Studien über mechanische Bobbinet- und Spitzenherstellung, Springer in Berlin
1892. beruht, die ich jedoch als bekannt voraussetzen muss, da für ihre Behandlung hier kein Raum zur Verfügung steht;
nur so viel sei gesagt, dass der eigentliche Arbeitsapparat dieser Maschinen aus senkrecht angeordneten kreisbogenförmigen
Furchen
besteht, die durch dünne, parallel zu einander gestellte Lamellen gebildet bezieh. von beiden Seiten begrenzt werden,
so dass ein
kammerartiger Constructionstheil entsteht, der auch Kamm genannt wird. Dieser Kamm ist in der Mitte des Bogens unterbrochen,
so dass
er eigentlich in einen hinteren und vorderen Kamm zerfällt. In den Furchen dieser Kämme nun gleiten die die Spulen
(bobbins) tragenden
Schiffchen (carriages) so, dass dieselben in kreisbogenförmiger Bahn um eine gemeinschaftliche geometrische Achse
gleiten, in deren
Achsenlinie die Fadenverschlingung entsteht. Zwischen den beiden
Kämmen sind die in senkrechter Ebene gespannten Kettenfäden angeordnet, zwischen welchen die Schiffchen hindurchschlüpfen,
um sich mit
den ersteren zu verbinden. Es müssen so viel Schiffchen als Kettenfäden in Anwendung stehen und da von diesen oft
mehrere Tausend
nothwendig sind, bilden die Schiffchen eine über die ganze Länge der Maschine hinweg reichende, gleichmässig in den
Furchen hin und
her bewegte Reihe, während die Kettenfäden ähnlich wie beim Webstuhl hin und her gerückt werden, um die Schiffchen
bald rechts, bald
links vorüber streichen zu lassen und dadurch die gewünschte Fadenverbindung zu erreichen, welche nun von einer stählernen
Nadel
erfasst, nach aufwärts gehoben und so lange festgehalten wird, bis sie durch die nachfolgende Fadenverschlingung
gesichert ist. Diese
Nadeln, in der gleichen Anzahl wie die Schiffchen, sind sämmtlich an einer Stange befestigt, die parallel zur Längenrichtung
der
Maschine angeordnet ist und in solche Schwingungen versetzt wird, dass die Nadeln alle gleichzeitig zwischen die
Fäden einstechen und
die Fadenverbindung bis zu der schon erwähnten Achsenlinie emporheben, an welcher das Gewebe entsteht, und ununterbrochen
auf einem
Waarenbaum aufgewickelt wird.
Dies wird genügen, um das Verständniss für die Maschine von Matitsch, welche in Fig. 2 schematisch dargestellt ist, zu ermöglichen und zu erleichtern.
Die Maschine muss selbstverständlich den beiden oben aufgestellten Forderungen voll genügen, und um dies bezüglich Punkt 1
zu
ermöglichen, d.h. also, um jeden Faden, jedes Schiffchen, das hier an die Stelle der Klöppel tritt, beliebig lange
aus der Arbeit
ziehen zu können, hat der Erfinder den Kammapparat der Bobbinetmaschine erweitert und zwischen Vorder- und Hinter-
noch einen
Mittelkamm hinzugefügt. Der Kammapparat der neuen Maschine besteht daher aus dem Vorderkamm C1, dem Mittelkamm C2 und dem Hinterkamm
C3, von welchen der letztere ganz fest gemacht, C2 parallel zur Länge der Maschine verschiebbar, C1 aber nach vorn, also nach links um einen Punkt drehbar ist. Dieses letztere bloss
deshalb, um die zwischen dem Vorder- und Mittelkamm angeordneten, zur Fadenverbindung nothwendigen Fäden bequem in
die betreffenden
Bewegungsmechanismen einziehen zu können. Die balkenartigen Constructionstheile zur Befestigung der Kammlamellen
sind durch
Schraffirung gekennzeichnet.
In den drei, in eine senkrechte Ebene fallenden Furchen dieser um den Punkt m im Kreise gebogenen Kämme
bewegen sich je zwei hinter einander gesetzte Schiffchen (Wägen) A1 und
A2, in die die scheibenförmigen Fadenspulen eingesetzt sind und die
sich von den in der Bob binetmaschine benutzten Schiffchen nur dadurch unterscheiden, dass sie zu einem vollen Dreieck
ausgestaltet,
während die letzteren abgestumpft sind. Schiffchen und Spulen bestehen meist aus Messing und sind mit einer kreisbogenförmigen
Nuth
versehen, mittels welcher dieselben an den Kammlamellen geführt werden. Behufs Durchführung der hin und her gehenden
Bewegung dieser
Schiffchen sind dieselben an ihrer unteren Kante mit einem Zahnbogen versehen, in welchen die gezahnten Walzen (Roller)
R1R2
eingreifen, die keine ununterbrochen drehende, sondern eine absetzend schwingende Bewegung um ihre Achse ausführen
und die Bezeichnung
der Maschine als Bollermaschine begründen. Mit Hilfe dieser Walzen können jedoch die Schiffchen nur
aus dem vorderen in den mittleren oder hinteren Kamm und umgekehrt bewegt, also die eigentliche Arbeits-, die nutzbare
Bewegung
vollführt werden; zum Ausscheiden einzelner beliebiger Schiffchen aus der Arbeit, behufs Erfüllung der ersten Bedingung,
sind die
Roller nicht verwendbar.
Um diese Ausscheidung zu bewirken, müssen die der vorderen Schiffchenreihe A1 angehörenden Schiffchen im vorderen Kamm weiter nach links hinauf, die der hinteren Reihe A2 in den hinteren Kamm, also nach rechts so verschoben werden, dass sie den Zähnen der
Roller entrückt sind. Diese Entrückung muss jederzeit mit jedem beliebigen Schiffchen möglich sein. Zu diesem Zweck
verwendet Matitsch die schon bei der Herstellung der sogen. Entoilagen zum Zurückhalten der Bindefadenschiffchen in
Anwendung gebrachten sogen. Stecher P1 und P2, allerdings mit wesentlichen Modificationen. Während nämlich dort nur eine Stecherreihe
und diese mit einer gemeinschaftlichen Stange fest verbunden angeordnet ist, theilt Matitsch jedem
Schiffchen einen Stecher zu und individualisirt dieselben gewissermaassen, indem jeder um die Stange d1 oder d2 frei beweglich ist und durch
die Platine eines Jacquardapparates in Thätigkeit gesetzt wird.
Da auf der Maschine eine grössere Anzahl von Spitzenstreifen gleichzeitig hergestellt wird, müssen wir uns die Schiffchen
in Gruppen
getheilt denken, von welchen je eine einem Spitzenstreifen zugehört. In jeder dieser Gruppen werden die correspondirenden
Fäden, d.h.
Schiffchen, gleichzeitig die gleiche Bewegung vollführen, also auch, wenn nöthig, ausgeschaltet, aus der Arbeit gezogen
werden müssen;
es werden daher die diesen Schiffchen zugehörigen Stecher gleichzeitig die gleiche Bewegung machen müssen, und da
wäre es
selbstverständlich sehr unökonomisch, wenn jedem Stecher eine besondere Jacquardplatine zugeordnet würde; es muss
vielmehr dafür
gesorgt werden, dass für alle gleichmässig bewegten Stecher nur eine Platine in Verwendung komme, und dies ist hier
dadurch erreicht,
dass diese gleichbewegten Stecher der vorderen Reihe sämmtlich durch je einen Stahlbandstreifen b1 mit einer wagerecht angeordneten Schiene s1 verbunden sind, welch letztere Schiene dann durch die wagerecht geführte Stange h1, den um a1 drehbaren Hebel H1 und die Zugstange B1 mit einer Jacquardplatine in Verbindung steht. In ganz ähnlicher Weise sind die gleichbewegten
Stecher der hinteren Reihe mit der Schiene s2 und diese durch ähnliche
Vorrichtungen ebenfalls mit einer Platine verbunden. Es werden daher mehrere Schienen s1 und s2 nothwendig sein, die jedoch in
der Zeichnung weggelassen sind, um diese zu vereinfachen.
Die Stecher der vorderen Reihe sind doppelarmig, die der hinteren Reihe einarmig gestaltet und mit ihrer wirksamen Spitze
so zwischen
den Kammlamellen geführt, dass sie nur auf die ihnen zugehörigen und nicht etwa auf benachbarte Schiffchen einwirken
können, was sonst
bei der engen Stellung der letzteren zu befürchten wäre. Da diese Stecher nach ihrer Wirkung nicht von selbst in
ihre frühere Lage
zurückkehren würden, werden sie durch eine entsprechende Bewegung der der Längenrichtung der Maschine parallel angeordneten
Schienen
M1 und M2 in die Anfangsstellung zurückgebracht.
Für das Ausschalten der Schiffchen der vorderen Reihe in dem während
des Arbeitsprocesses feststehenden Vorderkamm genügen die Stecher der vorderen Reihe; anders ist dies bei den Stechern
der hinteren
Reihe, weil die Schiffchen dieser Reihe, die in ihrer Normalstellung zum Theil im mittleren, zum Theil im hinteren
Kamm stehen, um die
Verschiebung des ersteren zu ermöglichen, ganz in den hinteren Kamm geschoben werden müssen, dies aber nur bei einem
Heraustreten der
betreffenden hinteren Stecher aus ihrer Führung zwischen den Lamellen möglich wäre. Es wird daher hier die Verschiebung
der Schiffchen
durch die Schiene L (Locker) vollendet, die gleichzeitig in alle auszuschaltenden Schiffchen aller
Gruppen der hinteren Reihe eingreift und durch eine Drehung des Winkelhebels L1L2 um den Punkt D die
entsprechende Bewegung erhält. Dieselbe ist durch einen Jacquardapparat selbstverständlich nicht
beeinflusst, sondern bewegt sich in bestimmten Zeitintervallen.
Da die hinteren Stecher P2 zwischen den Kammlamellen des mittleren Kammes
geführt, dieser Kamm aber parallel zu sich selbst, d.h. in seiner Längenrichtung verschoben werden muss, ist die
Stange d2, um welche sich diese Stecher frei zu drehen vermögen, in Armen
gelagert, die an dem Tragbalken c2 dieses Kammes befestigt sind. Das
Verschieben dieses Balkens wird wie das Verschieben des vorderen Kammes bei den Bobbinetmaschinen durch eine unrunde
Scheibe
bewirkt.
Die Bewegung der Schiffchen von einem Kamm in den andern geht nun wie bei den Rollermaschinen in der Weise vor sich, dass
dieselben, in
Folge ihres Gewichtes aus dem Kamm herabgleitend, sich mit ihrem vordersten Zahn an den obersten Zahn der Rollerwalze
anlegen und bei
einer nun folgenden entsprechenden Drehung der letzteren so weit nach rechts oder links verschoben werden, bis sie
von der zweiten
Roller erfasst und weiter bewegt werden können. Der Eintritt der auf beliebig lange Zeit ausgeschalteten Schiffchen
in den
Arbeitsprocess wird daher, nach dem Rückgang der betreffenden Stecher und der Locker durch selbsthätiges Herabgleiten
im Kamm
bewirkt.
Sämmtliche gleichzeitig hergestellten Spitzen streifen müssen, wie die Entoilagestreifen, durch Bindefäden an einander gebunden
werden.
Diese Fäden liessen sich in derselben Weise wie dort in Schiffchen unterbringen; dadurch würde aber eine gewisse
Anzahl Schiffchen,
gleich der Zahl der Spitzenstreifen, der Nutzarbeit entzogen werden, und um dies im Interesse der Oekonomie zu verhüten,
zieht Matitsch diese Fäden durch eine gemeinschaftliche, im Spielraum zwischen dem vorderen und mittleren Kamm
liegende Leiter B, so dass dieselben, wie die Kettenfäden in den Bobbinetmaschinen, in senkrechter Ebene
zwischen den genannten Kämmen ausgespannt erscheinen und durch eine rechtzeitige Verschiebung dieser Leiter in entsprechender
Weise
mit den Spitzen streifen gebunden werden können. In ähnlicher Weise werden auch die dicken Fäden zum Einfassen der
Musterflächen oder
Herstellung markirterer Linien, die Fäden zum Festhalten der sogen. Picots u.s.w. in besondere Leitern eingezogen
und in senkrechter
Ebene angeordnet.
Die in die Spulen gewickelten Fäden treten nun an der Spitze der Schiffchen aus und verschlingen sich unmittelbar darauf durch
die
entsprechende Verschiebung der Schiffchen in den Kämmen und durch die Verschiebung des mittleren Kammes zu der gewünschten
Fadenverbindung, dadurch die Waare, die Spitze bildend, die aber nun nicht so, wie bei allen anderen Spitzenmaschinen, sofort und
ununterbrochen aufgewickelt, sondern, dem Handklöppeln entsprechend, so lange zwischen den Schiffchen und der unteren
Kante der
Schiene G in senkrechter Ebene ausgespannt erhalten wird, bis der sogen. Rapport erreicht, bis ein
vollkommenes Mustergebilde hergestellt ist. Es ist dies unbedingt nöthig, wenn die Fadenverschlingungen nicht reihenweise,
sondern so
wie beim Klöppeln in beliebiger Aufeinanderfolge gemacht, wenn der oben aufgestellten zweiten Bedingung
entsprochen werden soll.
Die von Matitsch hier angewendete Vorrichtung ersetzt den Klöppelbrief und dessen Nadeln in ganz
vollkommener Weise; sie ist die wichtigste und einschneidendste Aenderung, die derselbe am Constructionsprincip der
Bobbinetmaschinen
vorgenommen hat.
Während bei diesen die Nadeln sämmtlich an einer Stange angeordnet sind, individualisirt Matitsch hier
jede einzelne Nadel, macht jede selbständig beweglich, und zwar sowohl bezüglich der Zeit ihrer Function, als auch
was die Grösse des
von ihr zu durchlaufenden Weges anbelangt. Es kann daher jede Nadel die ihr zugewiesene Fadenverschlingung auf diejenige
Höhe in der
ausgespannt bleibenden Spitzenfläche heben, als dies durch die Construction der Spitze vorgeschrieben ist, und kann
diese
Verschlingung so lange festhalten, bis dieselbe in ihrem Bestand durch die darunter und neben ihr hergestellten Fadenverschlingungen
gesichert wird, genau so wie beim Handklöppeln.
Zu diesem Behufe besteht jede Nadel N1N2N3 aus einem um den Bolzen x1x2x3 drehbaren Winkelhebel, dessen in den Führungen E und E1 senkrecht geführter wagerechter, an seinem Ende
zugespitzter Arm die eigentliche Nadel bildet, während der senkrechte Arm zum Heben der Nadel dient. Da nun die Grösse
der Hebung, der
Weg, den die Nadelspitze beim Heben durchlaufen soll, beliebig veränderlich sein muss, sind diese senkrechten Arme
derjenigen Nadeln,
welche (bei gleichzeitiger Anfertigung einer grösseren Anzahl gleicher Spitzenstreifen) die gleiche Bewegung zu machen
haben, durch je
einen Stahlbandstreifen b4 bezieh. b5 und b6 mit je einer gemeinschaftlichen
Schiene, also die Streifen b4 der gleichbewegten Nadeln N1 mit der Schiene s4, die Streifen b5 mit s5 u.s.w. verbunden und diese Schiene mit einer Jacquardplatine in
Verbindung gebracht. Da es sich aber hier nicht um eine Bewegung überhaupt, sondern um eine ganz bestimmte Grösse
der Bewegung
handelt, wird hier ein sogen. Dropperjacquard in Anwendung gebracht, wie er bei den Spitzenmaschinen zur Verschiebung
der Leitern in
Anwendung kommt. Bei einem solchen liegt zwischen dem Messer und dem Platinenhaken ein Abstand gleich der Bewegungsgrösse
des Messers,
so dass eigentlich für gewöhnlich keine Platine verschoben wird; erst wenn zwischen Messer und Haken ein prismatischer
Körper, ein
Dropper, eingeschoben wurde, findet eine Bewegung der Platine statt, welche in ihrer Grösse durch die Dicke dieses
Körpers bestimmt
wird. Durch das Einschieben eines beliebig dicken Körpers kann daher der Nadelhub beliebig verändert werden. Die
Verbindung der
Schiene s4 mit dem Jacquard ist in ähnlicher Weise durchgeführt, wie bei
den schon besprochenen Stechern.
Da das Herausziehen der Nadeln in. einem beliebigen Momente geschehen soll, ist der Drehbolzen x1x2x3 der Nadeln verschiebbar angeordnet. Derselbe ist nämlich am Ende einer in den wagerechten Führungen
e und e1 geführten Stange T1T2T3 gelagert, und alle diese den gleichzeitig bewegten Nadeln angehörigen
Stangen sind wieder durch Stahlblechstreifen b3 mit einer
gemeinschaftlichen Schiene s3, diese aber in bekannter Weise durch Stange
h3, Hebel H3 und Zugstange B3 mit einer Jacquardplatine verbunden, so dass
also jede Nadel bezieh. alle gleich bewegten Nadeln durch die Jacquardkartenwirkung beliebig aus dem Gewebe gezogen
werden können. Bei
dem Zurückziehen der Nadeln stossen die senkrechten Arme derselben an die feststehende Schiene M3 und werden dadurch selbsthätig in ihre tiefste Stellung zurückgebracht. Die so zurückgezogenen und
in ihre Tiefstellung gebrachten Nadeln werden gleich darauf durch eine Verschiebung der Schiene M4 nach rechts wieder zum Einstich nach vorwärts geschoben. Die Nadelbewegung ist daher, wie aus dem
Gesagten hervorgeht, durch zwei Jacquardapparate beeinflusst, von welchen der eine das Herausziehen der Nadeln, der
zweite die Grösse
der Nadelbewegung bestimmt. Es handelt sich nun noch um das Aufwickeln der fertig hergestellten Waare, und zwar in
jedem beliebigen
Momente, auf den Waarenbaum W.
Zu diesem Zwecke ruht dieser auf einer im Gestelle gelagerten Walze H, auf deren Achse ein Schaltrad r aufgekeilt ist, in welches der an dem Zahnrade r1 befestigte Schaltkegel k1 eingreift, so dass durch eine
Drehung dieses frei drehbaren Rades im Sinne des Pfeiles eine Drehung der Walze bewirkt wird, während bei der entgegengesetzten
Drehung des Rades die durch den Schaltkegel k festgehaltene Walze im Stillstand verbleibt. Die Bewegung
des Zahnrades nun erfolgt durch die in Führungen fgg gleitende Zahnstange r2, die wieder unter dem Einflüsse eines Jacquardapparates steht und daher das Aufwickeln in
einem beliebigen Momente zu vollführen vermag.
Aus dem Vorstehenden ist zu ersehen, dass den an die Herstellung echter Klöppelspitzen auf Maschinen gestellten Anforderungen
durch
einschneidende Aenderungen an den Bobbinetmaschinen vollkommen entsprochen, und dass es einem deutschen Techniker
gelungen ist, eine
ökonomisch arbeitende Klöppelmaschine zu construiren und dadurch auf einem bisher ausschliesslich von Engländern
beherrschten Gebiet
einen vollen Erfolg zu erringen. Matitsch hat schon vor mehreren Jahren auf einer Versuchsmaschine, der
noch viele durch die jetzige Construction überwundene Mängel anhafteten, alle von Professor Hugo Fischer
in Dresden in seinen Technologischen Studien im sächsischen Erzgebirge dargestellten Klöppelspitzengründe
hergestellt, welche Proben dem Berichterstatter vorliegen und deren Fadenlauf nichts zu wünschen übrig lässt, und
es ist daher nicht
zu bezweifeln, dass die neue Maschine vollkommen Entsprechendes zu leisten im Stande sein wird.
Fischer's citirtes Buch hat überhaupt sehr anregend auf den Erfinder gewirkt und es ist dies wieder ein
Fall, der zeigt, welche erfreuliche Folgen ein richtiges Zusammenwirken von Theorie und Praxis zu zeitigen vermag.
Um nun noch klarzulegen, wie die Maschine arbeitet, sei die Herstellung einer einfacheren Fadenverflechtung kurz vorgeführt
und durch
schematische Skizzen erläutert. Das herzustellende achtfädige Geflecht ist aus Fig. 3 ersichtlich.
In den schematischen Skizzen sind die Lamellen (Blätter) der drei Kämme als einfache schwarze Linien, die in Wirkung tretenden
Stecher durch viereckige Punkte, die oben beschriebene Ausschaltschiene – Locker – durch einen die ausgeschalteten
Schiffchen
durchziehenden Strich, die einstechenden Nadeln durch einen Keil, die Schiffchen selbst durch Nummern bezeichnet,
wobei diejenigen
Schiffchen, die aus der Arbeit – um zu zeigen, dass dies durchführbar ist – dauernd ausgeschaltet bleiben sollen,
mit römischen Zahlen
bezeichnet sind.
Der gezeichneten Fadenverflechtung entsprechend, müssen sich zuerst die Fäden 1 mit 2, 3 mit 4, 5 mit 6 und 7 mit 8, darauf die Fäden 1 mit 4 und
5 mit 8 kreuzen; weiter soll die Verflechtung hier nicht verfolgt
werden, da sie sonst einen zu grossen Raum beanspruchen würde. Wie schon aus der Darstellung der Mechanismen Fig. 2 zu ersehen, sind die Schiffchen in zwei Reihen hinter einander und
zwar so angeordnet, wie dies Fig. 4 zeigt.
Der Arbeitsprocess geht nun in drei auf einander folgenden Perioden vor sich; in der ersten derselben werden die Schiffchen
der
hinteren Reihe 3 4 7 8; in der zweiten die der vorderen Reihe 1 2 5 6; in
der dritten die der hinteren mit denen der vorderen Reihe, also 1 mit 4 und
5 mit 8 gekreuzt. Die römisch bezeichneten Schiffchen sollen ganz ausser
Arbeit und in ihren Kammfurchen unverändert stehen bleiben.
Erste Periode.
In dieser sollen die Schiffchen 3 mit 4 und 7 mit 8 ihre Plätze tauschen und zwar so, dass der Faden 4 vor den Faden 3 und 8 vor 7 zu liegen kommt, wie dies der Verflechtung Fig. 3 entspricht. Ein solcher Tausch lässt sich dadurch bewirken, dass
diejenigen Schiffchen, deren Fäden vorn liegen sollen, also 4 und 8, in den
mittleren Kamm gebracht und mit diesem nach links verschoben werden. Da die übrigen Schiffchen II 3 7 IV
diese Bewegung nicht mitmachen dürfen, müssen sie aus ihrer Anfangsstellung, in welcher sie zur Hälfte im mittleren,
zur anderen
Hälfte im hinteren Kamm stehen, ganz in den Hinterkamm geschoben werden. Zu diesem Behufe greifen nun die den Schiffchen
II 3 7 IV entsprechenden Stecher, durch die Jacquardvorrichtung veranlasst, in den Zahnbogen dieser
Schiffchen, wie Fig. 4 zeigt, und schieben dieselben so weit in den
hinteren Kamm (Fig. 5), dass sie von der Locker erfasst und ganz
zurückgeschoben werden können, während die hintere Roller die Schiffchen 4 und 8 erfasst und ganz in den mittleren Kamm schiebt (Fig. 6).
Hierauf wird dieser Kamm um zwei Furchen nach links verschoben (Fig. 7), wodurch sich Faden 4 vor 3 und Faden 8 vor 7 legt.
Nun kommt die hintere Roller wieder in Bewegung und schiebt 4 und 8 gegen den
Hinterkamm (Fig. 8), während gleichzeitig die Locker aus den Zähnen der
von ihr bisher gehaltenen Schiffchen austritt und diese nun nach abwärts gleiten und ausser II mit 4 und 8 in eine Reihe treten (Fig. 9). Die Kreuzung der Fäden ist vollzogen und die Schiffchen müssen nun
nur noch an ihren richtigen Platz gebracht werden. Zu diesem Zwecke greift der betreffende Stecher in das Schiffchen
IV und schiebt dieses so lange zurück, bis die Locker in die Schiffchen II
und IV eintreten und diese ganz in den hinteren Kamm zurückschieben kann, während gleichzeitig die
hintere Roller die Schiffchenreihe 4 3 8
7 in den mittleren Kamm bringt (Fig. 10), worauf dieser um eine Furche nach rechts verschoben wird und die beiden Nadeln zwischen die Fäden 4 und 3, sowie 8 und 7 stechen, die
hergestellte Kreuzung erfassen und in die Höhe heben (Fig. 11 und 12). Durch das Zurückdrehen der hinteren Roller und das Auslassen der
Locker kommen sämmtliche Schiffchen in eine Reihe, nur dass 4 mit 3, 8 mit
7 getauscht haben und die Schiffchen II und IV in ihrer Ursprungsfurche geblieben sind (Fig. 13). Die erste
Aufgabe ist daher gelöst, die erste Periode zu Ende. Während dieser ganzen Periode bleiben sämmtliche Schiffchen
der vorderen Reihe im
Stillstand, ebenso die vordere Roller in Ruhe.
Textabbildung Bd. 304, S. 210
Klöppelmaschine von Matitsch.
Zweite Periode.
In dieser sollen nun 1 und 2, sowie 5 und 6 ihre Plätze tauschen, deren Fäden sich kreuzen, und zwar so, dass 2 und
6 vor 1 bezieh. 5 zu liegen kommen. Da in
dieser ganzen Periode die Schiffchen der hinteren Reihe keine Arbeit zu. leisten haben, werden sie durch das Einstechen
sämmtlicher Stecher und das darauf folgende Eingreifen der Locker ganz in den Hinterkamm zurückgeschoben und in dieser Lage
erhalten.
Um die geplante Fadenkreuzung zu vollführen, müssen vor allem die Schiffchen 1 und 5 durch die vordere Roller nach rückwärts geführt und demzufolge die anderen Schiffchen 1 2 6
III, um sie der Wirkung der Roller zu entziehen, durch die vorderen Stecher weiter nach vorn geschoben werden (Fig. 14). Nach dieser Wirkung der Stecher ergreift die vordere Roller die
Schiffchen 1 und 5 und schiebt dieselben gegen den Mittelkamm, in welchen
sie, durch die hintere Roller erfasst, ganz hineingezogen werden (Fig.
15); gleich darauf wird der Mittelkamm um zwei Kammfurchen nach rechts verschoben, wodurch die oben
erwähnte Kreuzung in der bedungenen Weise vor sich geht (Fig. 16). Es
handelt sich wieder nur mehr darum, die Schiffchen sämmtlich in der geänderten Ordnung in eine Reihe zu bringen,
was dadurch erschwert
wird, dass der vordere Kamm nicht so lange gehalten sein darf, wie
der hintere Kamm, weil der erstere, um das Einziehen in die zwischen Vorder- und Mittelkamm befindlichen Leitern
zu ermöglichen, nach
aufwärts gedreht werden muss.
Textabbildung Bd. 304, S. 211
Klöppelmaschine von Matitsch.
Durch diese praktische Rücksicht wird der Process etwas complicirter. Die beiden Schiffchen 1 und 5 werden nun nach der Kammverschiebung durch die beiden Roller gegen
den Vorderkamm geschoben, während gleichzeitig die vorderen Stecher alle anderen Schiffchen 1 2 6 III
frei lassen, diese daher durch ihr eigenes Gewicht so weit herabgleiten, bis sie mit ihrem ersten Zahn die vordere
Roller berühren
(Fig. 17). Da die zwei in derselben Furche befindlichen Schiffchen
5 und III nicht beide Platz im vorderen Kamm haben, muss die Bewegung in
folgender Weise vollführt werden: Es greifen nun bloss die Stecher für I und III in ihre Schiffchen und bringen dieselben aus der Wirkungssphäre der vorderen Roller; dieselbe erfasst daher nur die
Schiffchen 2 1 6 5 und bewegt dieselben der hinteren Roller zu, wobei sie aber noch nicht in einer
Reihe, sondern in zwei Gruppen hinter einander stehen (Fig. 17). Erst
durch die weitere Verschiebung mittels der hinteren Roller durch den Mittelkamm hindurch, gegen den Hinterkamin,
kommen diese
Schiffchen in eine Reihe, nämlich sobald sie sämmtlich mit ihrem letzten Zahn die Roller noch berühren. Die Schiffchen
1 und 5 kommen zuerst in diese Stellung und kurz darauf 2 und 6 (Fig.
18). Sobald die Einordnung in eine Reihe erreicht ist, befördert die hintere Roller alle vier Schiffchen in den Mittelkamm
(Fig. 19), worauf dieser um eine Furche
nach links geht und gleich darauf die Nadeln zwischen den Fäden 2 und 1,
sowie 6 und 5 einstechen (Fig. 20) und die Fadenverschlingung nach aufwärts heben. Den Schluss
dieser Periode bildet die Verschiebung der Schiffchenreihe 2 1 6 5 durch Hinter- und Vorderroller in den
Vorderkamm, worauf durch Zurückgehen der Stecher auch die Schiffchen I und III in die Reihe gleiten und die gestellte Aufgabe gelöst erscheint (Fig. 21). Durch das Herabgehen der Locker
sind auch die Schiffchen der hinteren Reihe in ihre Anfangsstellung herabgeglitten.
Dritte Periode.
In dieser Arbeitsperiode müssen nun die Fäden 1 mit 4 und 5 mit 8 gekreuzt werden und zwar in der Weise, dass der Faden 1 vor 4 und 5 vor 8 zu liegen kommt. Da nun nur die vier Schiffchen 1 4 5 8 zu arbeiten haben, werden alle
übrigen Schiffchen durch den Eingriff der Stecher ausser Thätigkeit gebracht und daher die Schiffchen II 3 7
IV in den hinteren, 1 2 6 III in den vorderen Kamm so weit verschoben, dass sie ausser der
Wirkungssphäre der Roller kommen (Fig. 22). Während nun die Schiffchen
der hinteren Reihe durch die Locker erfasst und ganz in den hinteren Kamm geschoben werden, greift die hintere Roller
in die
Schiffchen 4 und 8 und schiebt dieselben in den mittleren Kamm, worauf
dieser sofort um eine Kammfurche nach links rückt (Fig. 23), wodurch die eigentliche Kreuzung der Fäden 1 mit 4 und
5 mit 8 in der vorgeschriebenen Weise vollzogen wird. Nun handelt es
sich vor allem darum, diese vier Schiffchen in eine Reihe zu bringen, um sie an einander vorüber, die Schiffchen
1 und 5 in die hintere, die anderen zwei in die vordere Schiffchenreihe zu
stellen. Zu diesem Zwecke werden 4 und 8 durch die hintere Roller etwas nach
vorwärts, 1 und 5 durch die vordere Roller so weit nach rückwärts geschoben,
dass die hintere Roller in sie einzugreifen vermag. Am Ende dieser Arbeitsbewegung stehen die vier Schiffchen, wie
Fig. 24 zeigt, einander ziemlich nahe, aber noch nicht in einer Reihe, und
werden alle in dieser Stellung, also in zwei Gruppen, durch die hintere Roller durch den Mittelkamm gegen den Hinterkamm
geschoben. Da
nun 4 und 8 zuerst die Roller verlassen und dann von dieser nicht mehr
weiter bewegt werden, folgen ihnen 1 und 5 nach, bis sie ebenfalls aus der
Roller heraus und mit den anderen in eine Reihe getreten sind; gleich darauf lässt die Locker die bis jetzt im Hinterkamm
gehaltenen
Schiffchen II 3 7 IV aus und die zwei letzteren gleiten in die Schiffchenreihe herab, während dies bei
II und 3 nicht möglich ist, da denselben die Schiffchen 4 bezieh. 8 in derselben Kammfurche vorstehen (Fig. 25). Nun greifen die entsprechenden Stecher der hinteren Stecherreihe
in die Schiffchen 1 5 7 IV ein und entrücken dieselben der Wirkungssphäre der hinteren Roller, so dass
die Locker in dieselben, sowie in die Schiffchen II und 3 einstechen und
alle diese Schiffchen, also III 3 5 7 IV, ganz in den Hinterkamm rücken kann, während gleichzeitig die
hintere Roller die Schiffchen 4 und 8 erfasst und in den Mittelkamm schiebt
(Fig. 26). Gleich darauf wird der Mittelkamm um eine Kammfurche nach rechts verschoben, wodurch 4 und 8 in die ihnen zugehörigen Furchen gelangen und nun durch Hinter- und Vorderroller in den vorderen Kamm
in die vordere Schiffchenreihe geschoben werden können. Die Locker lässt nun die Schiffchen der hinteren Reihe, die
Stecher lassen die
der vorderen Reihe frei und beide Reihen gleiten nun in ihre Normalstellungen herab (Fig. 27), aus welchen zu ersehen, dass der Platztausch zwischen 1 und 4, sowie 5 und 8 in der gewünschten Weise stattgefunden hat.
Zwischen den einzelnen Bewegungsmomenten müssten nun selbstverständlich die Leiter mit den Binde- und Dickfäden in entsprechender
Weise
verschoben worden sein. Durch die bisher dargestellten Bewegungen ist die Fadenverflechtung erst bis zur Linie aa (Fig. 3) gediehen, aber die Art und Weise
der Durchführung wohl genügend klar gelegt. Dass diese Schiffchenbewegung bei der Bildung von Mustergeflechten und
Verschlingungen
noch complicirter wird, ist natürlich; bei dem Umstände aber, als den beiden an die Maschine gestellten Anforderungen
von dieser
vollkommen entsprochen wird, kann dieselbe keinen Schwierigkeiten unterliegen. Eine eingehende Darstellung einer
solchen Verflechtung
ist in Folge des grossen Raumbedarfes hier nicht thunlich und auch überflüssig, da das bisher Gesagte wohl genügen
dürfte, um aus
demselben auf die mechanische und ökonomische Leistungsfähigkeit der Maschine schliessen zu können, die ohne Zweifel
alle bisher
erfundenen Klöppelmaschinen in den Schatten zu stellen geeignet ist.
Ein bisher noch nicht erwähnter ökonomischer Vortheil der Maschine besteht auch noch darin, dass das so zeitraubende, oft
Wochen in
Anspruch nehmende Einziehen der Ketten- und Walzenfäden, wie dies bei den jetzt bestehenden Spitzenmaschinen ausgeführt
werden muss,
hier wegfällt, da die ganze Fadenverschlingung durch die in den Schiffchen aufgespeicherten Spulenfäden zur Ausführung
kommt, die hier
vollkommen die Stelle der Klöppel vertreten.
In welcher Weise diese Maschine auf die Erwerbsverhältnisse der deutschen und österreichischen Klöpplergebiete einwirken wird,
wird zum
Theil von der Mode, zum Theil vom Unternehmungsgeist unserer heimischen Unternehmer abhängen. Sind diese geneigt,
die Maschine in den
Dienst der österreichischen und deutschen Industrie zu stellen, dann könnten unsere heimischen Klöpplerinnen an Stelle
ihrer
bisherigen Handarbeit genügende und vielleicht selbst besser entlohnte Verwendung bei den neuen Maschinen finden,
etwa in ähnlicher
Weise, wie dies bei der Einführung der Heilmann'schen Stickmaschine eintrat. Es wäre daher von grosser
volkswirthschaftlicher und socialer Wichtigkeit, wenn diese von einem der bedeutendsten Praktiker in seinem Fache
construirte
Maschine, die schon aus diesem Grunde vollstes Vertrauen in ihre ökonomische Leistungsfähigkeit verdient, nicht erst
ins Ausland
wandern müsste, um erst nach der Bildung einer ausländischen Concurrenz von dorther eingeführt und in den Dienst
unserer Industrie
gestellt zu werden.
Die Thatsache, dass sich deutscher Erfindungsgeist jetzt auch schon auf Gebieten regt, auf welchen bisher die Engländer und
Franzosen
ausschliesslich unsere Meister waren, ist gewiss eine erfreuliche und entspricht auch sonst dem jetzigen Aufschwünge
deutscher
Industrie, möge nur auch der materielle Vortheil dieser Erfindung der deutschen Bevölkerung zu Gute kommen.
Prof. Max Kraft.