Titel: | Neuere Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 304, Jahrgang 1897, S. 265 |
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Neuere Dampfmaschinen.
(Fortsetzung des Berichtes S. 249 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuere Dampfmaschinen.
3) Verschiedene Einzeltheile.
Schieber.
Ein Hauptübelstand bei den bisherigen Vorrichtungen, die Dampfschieber zu entlasten, besteht darin, dass bei denselben besondere
Dichtungsringe bezieh. Schienen angewendet werden müssen, die durch den Druck besonderer Federn dem Arbeitsdampf
nur die
Möglichkeit bieten, auf einen beschränkten Theil des Schiebers einen Druck gegen den Schieberspiegel hin auszuüben.
Die praktische Brauchbarkeit dieser Einrichtung scheitert besonders daran, dass die beschränkte Druckwirkung des Arbeitsdampfes
mit
zu vielen und einzeln für sich schwer brauchbar zu haltenden Mitteln erreicht wird.
Textabbildung Bd. 304, S. 265
Fig. 99.Dampfschieberentlastung der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Hartmann.
Dem gegenüber gestaltet sich die der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Rich. Hartmann in Chemnitz
unter Nr. 87489 im Deutschen Reiche patentirte Dampfschieberentlastung wesentlich einfacher.
Wie Fig. 99 ersichtlich, ist z.B. bei einer Rider-Steuerung der Grundschieber S mit Hilfe eines metallenen Wellrohres a entlastet. Dasselbe steht an
dem einen Ende mit dem Rücken des Grundschiebers in fester, dampfdichter Verbindung und trägt am anderen Ende, ebenfalls
in
fester, dampfdichter Verbindung, den innen am Schieberkastendeckel D dicht abschliessenden
Schleifschuh a1.
Bei der Bewegung des Schiebers S schleift der Schuh a1 zufolge der Elasticität des Wellrohres unter andauernd dichtem Abschluss.
Die Einrichtung kann auch dahin abgeändert werden, dass das eine Ende des Wellrohres a am
Schieberkastendeckel dampfdicht befestigt wird, während der Schuh a1
am anderen Ende des Rohres sitzt und der Rücken des Schiebers an ihm gleitet.
Behufs Erlangung eines guten Dampfabschlusses bei Kolbenschiebern für innere Einströmung lässt die Dingler'sche Maschinenfabrik in Zweibrücken den Dampf durch einen Kanal e (Fig. 100) in die innere Muschel m des Kolbenschiebers eintreten (D. R.
P. Nr. 89358). Ist der letztere nun z.B. nach links gelangt und kehrt seine Bewegung um, so beginnt die Expansion des Dampfes
am linken Cylinderende, sobald die Schieberkante k die Cylinderkante s
überdeckt. Durch den in die Muschel m eingegossenen Ring R erfolgt aber
ein nochmaliger Abschluss des Einströmdampfes, sobald die Schieberkante k1 die Cylinderkante s1 überdeckt.
Der Dampf lässt sich auch durch zwei Kanäle in zwei von einander getrennte, mit eingegossenen Ringen versehene Muscheln des
Kolbenschiebers führen.
Textabbildung Bd. 304, S. 265
Fig. 100.Dampfabschluss bei Kolbenschiebern der Dingler'schen Maschinenfabrik.
Um bei Schleppschiebersteuerungen das Andrücken der Expansionsplatten auf ihre Gleitflächen nicht wie bisher mittels Laufschienen
und Federn, sondern ausschliesslich durch den frischen Dampf bewirken zu können, gleitet bei dem Dampfvertheilungsschieber
mit
Abschluss-Schleppschiebern von Ernst Förster und Co. in Magdeburg-Neustadt (D. R. P. Nr. 86507) der
Vertheilungsschieber a (Fig. 101 und
102) auf dem Schieberspiegel b des
Cylinders und besitzt ausser dem inneren Muschelraum c, sowie den seitlichen Kanälen d noch in der oberen Muschelwandung liegende Aussparungen f. Auf dem
Grundschieber a gleiten die beiden durch irgend eine geeignete Regulirvorrichtung mit einander
verbundenen Expansionsplatten g. Dieselben greifen mit beiden Längsrändern lose in Nuthen ein, welche
in den beiden überhöhten Längsseiten des Grundschiebers vorgesehen sind. Es wird hierdurch ein Abklappen der Platten
g von der Schieberfläche bei geschlossenem Absperrventil verhindert. Die Oeffnungen f bleiben bei jeder Stellung des Schiebers a durch die Expansionsplatten
geschlossen, so dass diese in Folge des auf ihrer freien Aussenfläche herrschenden Ueberdruckes mit der zu einer
sicheren Mitnahme
erforderlichen Reibung gegen den Vertheilungsschieber a gedrückt werden.
Textabbildung Bd. 304, S. 265
Dampfvertheilungsschieber mit Abschluss-Schleppschiebern von Förster und Co.
Der angestrebte Zweck wird somit ohne Zuhilfenahme irgend welcher Mechanismen erreicht.
Den F. J. Weiss in Basel patentirten Grundschieber mit Doppeleröffnung der Austrittskanäle und mit
Ueberströmung veranschaulicht Fig. 103.
Die Doppeleröffnung der Austrittskanäle lässt die Auspufflinie des Dampfes im Indicatordiagramm sofort auf ihre richtige Tiefe
herabsinken, wodurch Arbeitsgewinn oder Dampfersparniss erzielt wird, während die Ueberströmung eine grössere Compression
bewirkt,
wodurch ausser anderen Vortheilen ebenfalls an Dampf gespart wird.
Textabbildung Bd. 304, S. 266
Fig. 103.Grundschieber mit Doppeleröffnung der Austrittskanäle von Weiss.
Der Grundschieber, Patent Weiss, lässt sich bei jeder Expansionssteuerung (Meyer, Rider, Guhrauer, Farcot u.s.w.) verwenden.
Zur Bestimmung der Abmessungen des Schiebers in einem gegebenen Falle berechnet man, wie dies gewöhnlich geschieht, zunächst
den
Kanalquerschnitt a . b und nimmt je nach der Grösse der Maschine eine gewisse Sicherheitsdeckung d = 2 bis 6 mm an.
Dann muss die Ueberströmspalte r (Fig. 103) mindestens werden
r=\frac{a}{4}-\frac{d}{2};
hiermit wird die innere Ueberdeckung i = r + d.
Für die Stegdicken genügt s = 0,3 a + 10 mm.
Die äussere Deckung mache man nun
e = 0,7 a + 0,6 d
bei Auspuffmaschinen, und
e = 0,9 a + 0,6 d
bei Condensationsmaschinen.
Mit Rücksicht darauf, dass der Expansionsschieber anfängt, den Durchgangskanal im Grundschieber zu verengen, lange bevor der
letztere den Eintrittskanal ganz aufgemacht hat, dass also der Eintrittskanal doch nie auf seine volle Weite geöffnet
wird, mache
man die untere Weite des Durchgangskanales
a1 = 0,80 a bis 0,85
a
und die Excentricität oder den halben Schieberweg
ρ = a1 + e.
Der Voreilwinkel δ bestimmt sich aus der Gleichung
sin\,\delta=\frac{0,25\,a+e}{\rho} bis \frac{0,3\,a+e}{\rho},
oder – was auf dasselbe hinauskommt – aus der Bedingung, dass die Voreinströmung υe gemacht werde:
υe = 0,25 a bis
0,3 a.
Nach dieser Voreinströmung υe ist dann der Excenter für den
Grundschieber aufzukeilen und letzterer einzustellen. Hiermit kann nun nicht nur der Schieber, sondern – ohne lange
„probiren“ zu müssen, um das Beste herauszufinden – sofort auch sein Diagramm aufgezeichnet werden. Man wird u.a.
finden, dass, obschon der Beginn der Ausströmung nur 6 bis 8 Proc. vor Ende des Kolbenhubes zu liegen kommt, der
Austrittskanal
schon seine volle Eröffnung erreicht, wenn die Kurbel noch um 10 bis 15° vor ihrer Todtpunktlage steht. Der Dampf hat also im
todten Punkte bezieh. um den todten Punkt herum, wo der Kolben gleichsam eine Zeitlang stehen bleibt und der Austrittskanal
ganz
offen ist, Zeit, durch den letzteren sofort auf seine richtige Austrittsspannung herab zu expandiren. Die Austrittscurve
im
Indicatordiagramm wird also im todten Punkte sofort und völlig so weit herabgehen, wie es überhaupt möglich ist.
Steuerungen.
Eine Neuerung an der 1896 299 * 41 beschriebenen Schiebersteuerung mit durch Druckflüssigkeit
verstellbaren Excentern von David Joy in Westminster (England) besteht darin, dass die Verschiebung
der Excenterscheibe nur nach der einen Seite hin mittels Kolbens durch den von der Leitung zugeführten Wasserdruck
bewirkt wird,
während die Bewegung in entgegengesetzter Richtung durch eine Anzahl Federn hervorgebracht wird, so dass das Maass
des Druckes in
der Leitung für die Stellung der Excenterscheibe vollständig maassgebend ist.
Textabbildung Bd. 304, S. 266
Fig. 104.Neuerung von Joy.
Als Ersatz der Federn ist Fig. 104 ein Accumulator dargestellt, dessen Druckraum b1 durch einen Kolben c1 von dem Belastungscylinder b abgeschlossen ist, in welchem eine
starke Schraubenfeder d angeordnet oder der durch einen Hahn e mit einer
elastischen Flüssigkeit, z.B. Luft von hoher Spannung, gefüllt sein kann. Das Ganze ist innerhalb eines Theiles
a einer Schiffsschraubenwelle angeordnet gedacht, welcher dem Krummzapfentheile dieser Welle am
nächsten liegt, so dass der Druckraum b1 bequem durch die
Krummzapfenwelle hindurch mit demjenigen der beiden Kolben der Excenterscheibe in Verbindung gesetzt werden kann,
auf welchen die
in einer Leitung zuströmende Druckflüssigkeit nicht einwirkt.
Textabbildung Bd. 304, S. 266
Fig. 105.Pumpe.
Die Leitung wird durch eine von der Hauptmaschine aus in beliebiger Weise betriebene Pumpe (Fig.
105) gespeist. Der doppelt wirkende Kolben h2 derselben erzeugt
einen ziemlich ununterbrochenen Kreislauf einerseits durch die über einander angeordneten Ventile und die seitlich
angeordnete
Verbindungskammer hindurch, andererseits aber mittels einer Abzweigung von dem Raum l aus durch den
Raum m und die Oeffnung o1 des Ventils
o bis wieder in den Raum unterhalb des untersten der drei Ventile c.
Die Leitung ist mittels des Stutzens n an den Raum m angeschlossen,
während ein zweiter in dem Raum unterhalb des Ventils o angeordneter Stutzen für die Saugleitung der Pumpe bestimmt ist. Das oberste der vier über einander
liegenden Ventile ist durch eine starke Feder belastet, so dass dasselbe erst angehoben wird, wenn der Druck in
dem Raume m bezieh. in der Leitung diejenige Höhe erreicht hat, in welcher die Excenterscheibe ihre Endstellung
einnimmt und die Federn am stärksten zusammengedrückt sind. So lange dieser Zustand noch nicht erreicht ist, wird
der Druck im
Raume m wegen des durch die verhältnissmässig kleine Ventilöffnung o1 gebotenen Widerstandes von der Hubzahl der Pumpe abhängen.
Um die Zunahme des Druckes bei steigender Geschwindigkeit der Maschine zu beschleunigen, ist das Ventil o auf seiner Führungsstange verschieblich und nur durch eine Feder o2 gestützt angeordnet, deren Spannung durch das Handrad p1 geregelt werden kann. Steigt die Spannung im Raume m über die
normale, so wird unter Zusammendrückung der Feder o2 das Ventil o nach abwärts gedrückt und dadurch die Ventilöffnung o1 derart verkleinert, dass ein weiterer Druckzuwachs im Raume m
entsteht.
Die Grösse der Ventilöffnung o1 beim normalen Gange wird durch das
Handrad p eingestellt.
Textabbildung Bd. 304, S. 267
Steuerung von Musmann.
Um Hub und Voreilung eines Excenters den jeweiligen Füllungen anzupassen, hat A. Musmann in Berlin
eine Steuerung entworfen, bei welcher die Verbindung des verstellbaren Excenters mit dem Regulator durch eine steilgeschnittene,
vielgängige Schraube bewirkt wird. Dieselbe ersetzt nicht nur alle dem Verschleiss ausgesetzten und der Wartung
entzogenen
sonstigen Zwischenglieder (in Gestalt von Hebeln und Gelenken), sondern entzieht auch den Regulator der Rückwirkung
des
Steuergestänges.
Wie Fig. 106 und 107 ersichtlich, wird die durch das zweitheilige Lagergehäuse AA gestützte Hohlwelle W mittels des Schraubenrades R von der Kurbelwelle der Dampfmaschine angetrieben und macht mit dieser gleiche Umdrehungen. Die
Welle W endet in einen als festes Excenter dienenden Stirnzapfen E1, auf dem sich das Steuerexcenter E dreht und in dessen centraler
Bohrung die steilgeschnittene, vielgängige Schraube S lagert. Die Mutter M dieser Schraube stützt und führt sich in der hohlen Welle W und kann mittels des
gegabelten Hebels L von dem Hebel H des Regulatorgestänges axial
verschoben werden. Geschieht dies, so erfolgt eine entsprechende Verdrehung der Schraube S, die sich
unmittelbar auf das damit verbundene Excenter E überträgt und den Hub wie auch die Voreilung
desselben ändert.
Zur Vermeidung von Reibungsverlusten werden die bei der Verdrehung der Schraube S auftretenden axialen
Kräfte durch nachstellbare Kugellager aufgenommen und, um jedes Klemmen und Ecken zu vermeiden, ist der Lenker L mit Kugel- bezieh. Universalgelenk versehen, wie auch das Excenter E
mit der Schraube S durch ein Kreuzgelenk einfachster Art verbunden.
Die Gewindegänge der Mutter M sind durch Vergiessen derselben mit harter und zäher Composition
vollständig spielfrei hergestellt und die Flächenpressungen in denselben äusserst niedrig – 2 bis höchstens 3 at
– gewählt. Die
Schmierung sämmtlicher Theile erfolgt durch den hierfür entsprechend ausgebildeten Deckel D, der
zugleich als Schutz gegen Staub und sonstige äussere Einflüsse dient. Die Steuerung lässt sich an Maschinen mit
Ventil-, Hahn- und
Flachschiebersteuerungen anordnen.
(Schluss folgt.)