Titel: | Marvin's elektrischer Steinbohrer. |
Fundstelle: | Band 304, Jahrgang 1897, S. 276 |
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Marvin's elektrischer Steinbohrer.
Mit Abbildungen.
Marvin's elektrischer Steinbohrer.
Marvin's elektrische Steinbohrer, die seit einigen Jahren schon von der Company
Solvay in den ausgedehnten Steinbrüchen nächst Syracuse (Nordamerika) mit höchst befriedigendem
Erfolge verwendet werden, entsprechen laut Mittheilung des Ingenieurs F. Schiff(Le Génie civil, 1896 S.
362) nachfolgenden Anforderungen: Ihre Construction ist äusserst einfach, aber sehr widerstandsfähig, und gestattet einen so leicht
abzuwickelnden Betrieb, dass durch denselben die übrigen an Ort vorzunehmenden Arbeiten in keiner Weise gestört werden;
ihre
Handhabung ist gleichfalls ganz aussergewöhnlich einfach und kann den nächstbesten Arbeitern überlassen werden, da
hierzu keinerlei
besondere Kenntnisse oder Geschicklichkeiten erforderlich sind. Die Bohrer weisen eine allen modernen Anforderungen
angemessene
Leistungsfähigkeit auf, sind leicht zu transportiren, d.h. sie können von den Arbeitern ohne weitere Vorrichtung
mit den Händen
überstellt oder an Ort getragen werden und lassen schliesslich wirthschaftlich günstigere Ergebnisse erzielen, als
es bei anderen
Betriebsweisen der Fall ist.
Die Marvin'sche Bohrmaschine (Fig. 1 und
2) ist im Wesentlichen nichts anderes als ein kräftiges
Doppelsolenoid, dessen Ankerkern dieselbe Rolle spielt wie der Kolben eines mit Pressluft betriebenen Percussionsbohrers.
Auf einer
durch das Mundstück des Apparatgehäuses geführten cylindrischen Kolbenstange sitzt der aus weichem Eisen hergestellte
cylindrische
Kolben, der in einem Kupfercylinder läuft. Um letzteren sind zwei ganz gleiche Solenoidspulen gewickelt, wovon die
eine, wie es der in
Fig. 2 dargestellte Querschnitt des Apparates ohne weiteres ersehen
lässt, rechts, die andere links von der Mitte des Cylinders ihren Platz erhält. Das vordere Ende der Kolbenstange
ist mit dem zum
Aufnehmen und Festhalten des Bohrwerkzeuges erforderlichen Schraubenkloben versehen. Je nachdem ein elektrischer
Strom in die eine
oder in die andere Spule eintritt, wird der Kolben in das entstehende magnetische Feld, also nach vorwärts oder nach
rückwärts in das
betreffende Spulenmittel gezogen, wobei gelegentlich des Rückganges auch noch eine kleine Drehung des Bohrzeuges
erfolgt. Dieses
„Setzen“ des Bohrers geschieht in der auch bei anderen älteren Bohrmaschinen angewendeten Art, nämlich durch einen
federnden Sperrzahn, der bei jedem Rücklauf des Kolbens in eine der schraubenförmigen Nuthen eingreift, welche an
dem rückwärtigen
Ende der Kolbenstange eingeschnitten sind. Eine im hintersten Theile des cylindrischen Apparatgehäuses eingespannte
Spiralfeder hat
die Aufgabe, den Rückstoss des Werkzeuges abzuschwächen, sowie den Kraftüberschuss aufzunehmen und zu Gunsten der
Vorwärtsbewegung des
Kolbens wieder zu verwerthen.
Textabbildung Bd. 304, S. 277
Marvin's elektrischer Steinbohrer.
Ganz besondere Sorgfalt wird auf die Herstellung der Solenoidspulen aufgewendet, welche aus Kupferdrähten bestehen, die lediglich
mittels Zwischenlagen aus Glimmer isolirt sind. Die Windungen sitzen auf einem Kupferrohr, dessen Inneres, wie bereits
erwähnt, den
Kolben weg bildet; dieses Ganze ist dicht von einem Eisenrohr mit angeschweissten Endstücken umgeben, so dass die
beiden Solenoide
gegen Staub und Feuchtigkeit vollständig geschützt sind. Zufolge der soliden Anordnung und Ausführung einerseits,
sowie des Umstandes
andererseits, dass an der ganzen Vorrichtung kein entzündliches oder gegen höhere Temperaturen empfindliches Material verwendet
ist, kann der Apparat sowohl alle die Stösse und Schwingungen der Maschine als auch allfällige Erwärmungen in den
Drahtwindungen ohne
jede Gefährdung ertragen. Stopfbüchsen oder sonstige Abdichtungen sind ersichtlichermaassen nicht erforderlich, und
ebenso entbehrt
der Apparat jeglicher Klappen, Ventile oder ähnlicher heikler Bestandtheile. Die Führungshülse am vorderen Mundstück,
worin die
Kolbenstange gleitet, ist mit einem Kupferrohr gefüttert, das sich bei Bedarf ganz leicht und ohne Zeitverlust auswechseln
lässt.
Durch den Umstand, dass die Kolbenstange keinerlei seitliche Pressungen durch Stopfbüchsen zu überwinden hat, erfährt
die Reibung für
Kolben sammt Stange eine Verminderung, die selbstverständlich der Leistung des Werkzeuges zu gute kommt. Der Verschluss
des Apparates
ist nichtsdestoweniger dicht genug, um letzteren sowohl im Staube als selbst unter Wasser anstandslos verwenden zu
können. Der
erforderliche Aufwand an Schmieröl stellt sich ganz geringfügig.
Der zur Speisung der Solenoidwindungen dienende Strom wird von einer eigenthümlich angeordneten Dynamomaschine erzeugt und
mittels
dreier Leitungen, die zwei Schliessungskreise bilden, zugeführt; zwei der Zuführungsdrähte dienen als Hinleitung,
die dritte als
gemeinsame Rückleitung. An der Bohrmaschine selbst, die nebst ihrem in der wagerechten und senkrechten Ebene verstellbaren
Tragschlitten auf einem dreifüssigen Stativ angebracht ist, befindet sich kein Stromwender. Letzterer bildet vielmehr
einen
Bestandtheil der Dynamomaschine und wirkt selbstthätig in der Art, dass der von der Maschine erzeugte Gleichstrom
abwechselsweise in
die Solenoide gelangt, wobei die Zeiträume der Stromgebungen nach Bedarf regulirt werden können. Für alle Fälle erfolgt
aber der
Wechsel der Stromwege stets früher, bevor der Kolben beim vorderen Cylinderende eintrifft, so dass bei dieser Bewegungsrichtung
Stösse
selbst dann vermieden bleiben, wenn der Arbeiter versäumt hätte, den Bohrer rechtzeitig gegen das Gestein vorzurücken.
Eine andere
günstige Eigenthümlichkeit besteht darin, dass der Lauf des Werkzeuges bis auf 5 mm oder selbst noch weniger vermindert
werden kann,
während die Zahl der Stösse genau dieselbe bleibt, als wenn der Lauf 15 bis 20 cm beträgt. Dieser Umstand ist hauptsächlich
für den
Arbeitsbeginn oder auch dort von Werth, wo man für die Aufstellung der Bohrmaschine nur beschränkten Raum zur Verfügung
hat.
Auch die zugehörige Dynamomaschine zeichnet sich gegenüber den gewöhnlichen durch grosse Einfachheit und Haltbarkeit aus;
je nachdem
gewünscht wird, dass das Werkzeug mehr oder minder schnell arbeite, macht die Dynamomaschine 350 bis 400 Umdrehungen
in der Minute.
Die Armatur kann, falls sie schadhaft würde, ausgehoben und in wenigen Minuten durch eine andere ersetzt werden;
auch lässt sich die
ganze Maschine ohne Schwierigkeiten auf dem Rücken eines Maulthieres oder mittels eines Karrens transportiren und
zu diesem Zwecke
leicht in mehrere Theile zerlegen. Bei der gewöhnlichen mittleren Leistung von ungefähr 350 Umdrehungen in der Minute
liefert die
Dynamo eine Spannung von 130 Volt. Der Stein, zu dessen Bearbeitung die Marvin'schen Bohrer in Syracuse
verwendet werden, gehört zu einer besonders harten blaugrauen Kalkgattung und lässt sich schwer bohren. Man benutzt daselbst zwei Gattungen von Bohrzeug, nämlich eines, das Löcher von
15 bis 20 cm Tiefe und 5 cm Weite liefert, und ein anderes, mit dem sich 50 cm tiefe Löcher von 3 cm Durchmesser
herstellen lassen.
Ein Apparat der ersteren Gattung bohrt durchschnittlich 18 m in 10 Stunden, hat es aber in derselben Zeit auch schon
zu einer
äussersten Leistung von 30 m gebracht.
Nach einem im Engineering and Mining erschienenen Ausweis stellte sich die Leistung der Marvin'schen elektrischen Bohrer bei der Company Solvay wie folgt:
Anzahl derin Betriebgestan-denenBohrer
Summe derArbeitszeitin Stunden
Gesammt-lange derBohrungenin m
Durch-SchnittlicheBohrlangenin m pro10 Arbeits-stunden
Januar 1893
3
722
1213
15
April 1893
3
732
1320
18
Juli 1893
5
1340
2828
18
October 1893
5
992
2235
30
Januar 1894
5
1168
2467
21
April 1894
5
1093
2241
20
Juli 1894
6
1369
3068
30
October 1894
7
1413
3072
22
Januar 1895
5
1481
3565
24
Während der hier angeführten Beobachtungszeiten bezieh. Betriebsperioden bewegte sich die äussere Lufttemperatur zwischen
+ 38° und – 15° C.