Titel: | Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Viertel 1897. |
Fundstelle: | Band 306, Jahrgang 1897, S. 236 |
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Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Viertel 1897.
(Letzter Bericht 1896 303 212, 234, 258 und 286.)
Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Viertel 1897.
A. Rübenzuckerfabrikation.
I. Landwirthschaft.
In einem Aufsatz, betitelt Landwirthschaftliche Streiflichter, bespricht A.
ProskowetzOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1896
XXV S. 945. actuelle Düngungsfragen, welche für den Rübenbauer von Interesse sind, namentlich in Hinsicht
darauf, um den Rübenbau billiger zu gestalten. Wenn auch beim Anbau der Zuckerrüben mit der Anwendung von Phosphorsäure
und
Stickstoff nicht gespart wurde, so wurde dies doch bezüglich des Kalis unterlassen. Die Folge davon ist eine unvollkommene
Entwickelung der Knolle. Es gehört also zu einer günstigen Entwickelung der Knolle, das Kali dem Ackerboden wieder
zu ersetzen,
und hierzu bietet sich in neuester Zeit vielfach die günstigste Gelegenheit durch Einführung der Melassenfütterung.
Wird dieselbe
in grösserem Maasstabe aufgenommen, so kehrt dadurch das Kali im normalen Turnus wieder zum Acker zurück und wird
der
nachfolgenden Rübensaat in denkbar assimilirbarster Form dargeboten. In der Melassenfütterung liegt daher das Mittel
für eine
billige Zuckerproduction.
In Bezug der meteorologischen Einflüsse auf die Entwickelung der Rüben 1896 zieht KuntzeZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen
Reichs, 1897 XXXXVII S. 133. für die beiden Jahre 1895 und 1896 den Schluss, dass die Rüben am besten
wachsen, wenn ihnen im Erdboden ein Wassergehalt von 12 bis 14 Proc. zu Gebote steht.
B. SchulzeDeutsche landwirthschaftliche Fresse, 1897 XXIV S.
52. hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Factoren auf den Zuckergehalt der
Zuckerrüben wirken, und kommt zu dem Resultate, dass drei Factoren hier maassgebend sind, nämlich klimatische
Verhältnisse, Düngung und Bearbeitung des Bodens. Hieraus ergeben sich für die Praxis des Rübenbaues folgende Fingerzeige:
1)
Fortgesetzte sorgfältige Pflege des Bodens durch gute Bearbeitung, Vertiefung der Ackerkrume und vermehrte Anwendung
von Kalk auf
kalkbedürftigen Böden; 2) keine Vernachlässigung der Phosphorsäuredüngung, die auf den besseren Rübenböden am sichersten
in Form
von wasserlöslicher Phosphorsäure, also als Superphosphat zu geben ist; 3) Sorge für Auswahl eines Rübensamens guter
Zucht; 4)
möglichst frühzeitige Bestellung, da unter normalen Verhältnissen die früh gelegten Rübensamen bessere ausgereifte,
also
zuckerreichere Rüben bringen als die später gelegten.
A. SteinZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 1897 XXI S.
341. erklärt sich in längeren Ausführungen für die Rübensamenzucht mittels Stecklinge,
da der Samenzüchter beim Stecklingsverfahren viel besser in jeder Weise wegkommt, wobei es aber nöthig ist, Samen
mittels
grösseren Stecklingen zu züchten, wenn man in Hinsicht auf Zuckergehalt und Ernteertrag befriedigende Resultate
erzielen will. Stein gibt ferner eine Anleitung zur rationellen Samenzucht mittels des Stecklingsverfahrens,
bezüglich welcher auf die Abhandlung verwiesen wird. Wir sind überhaupt der Ansicht, dass dieses, wie jedes andere
Verfahren nicht
aus Büchern gelernt werden kann, sondern praktisch gesehen und durchgemacht werden will. Hervorgehoben sei nur noch, dass man nach der Ansicht Stein's sowohl durch directe Zucht als auch mittels Stecklinge einen Samen züchten kann, der sowohl die Zuckerfabrik als
auch den Landwirth und Rübenproducenten in jeder Hinsicht voll befriedigen wird.
Auch E. SchaafOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
Landwirthschaft, 1897 XXVI S. 30. ist der Ansicht, dass nur diejenigen Züchter, welche den
Massensamenbau durch Stecklinge betreiben, bei der Auswahl der Pflanzen wirklich gerecht vorgehen und alle Formen
verwerfen
können, welche vor ihren züchterischen Augen keine Gnade finden. Dass dem auch so ist, zeigte Schaaf
in einer Reihe von Versuchen, aus welchen hervorgeht, dass selbst kleine Stecklinge eine ausserordentliche Wachsthumsenergie
entwickeln. Während keine einzige der grossen Rüben ihr anfängliches Körpergewicht mit allen unter- und oberirdischen
Organen bis
zur Ernte um mehr als das 2- bis 3fache vergrössern konnte, brachten die kleinen Rüben das 20- bis 100fache ihres
Gewichtes und
noch darüber hervor. Eine Rübe von 70 bis 100 g Gewicht bleibt allerdings die geeignetste Rübe zum Massenanbau,
im Falle der Noth
können aber selbst die kleinsten Rüben bis zum Gewichte von 10 g zum Massenanbau verwendet werden. Der aus diesen
Rüben gezogene
Samen ist zum mindesten ebenso gut wie derjenige aus ausgewachsenen Rüben gezogene.
Nach den Untersuchungen von W. Bartoš über Schossrüben,Anmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Ibid. S. 38. lassen sich dieselben in drei Gruppen eintheilen, und zwar 1) mit
ausgereiftem, 2) mit halbgereiftem und 3) mit unausgereiftem Samen. Die Schossrüben ad 1 gleichen sehr den alten
Normalmutterrüben
nach der Samenernte, während die Rüben der zweiten Gruppe sich in Bezug auf die Grösse der Wurzeln und den Zuckergehalt
den
Normalrüben nähern; auch ist ihr Fleisch nicht so holzig wie das der Rüben der ersten Gruppe. Die Rüben der dritten
Gruppe sind
noch nicht ausgereift und stehen daher im Zuckergehalt und Saftquotienten gegen die zweite Kategorie zurück. Nur
die Schossrüben
mit ausgereiftem Samen kann man als ächte Schossrüben betrachten, während die anderen Uebergangsformen von Normalrüben
zu
wirklichen Schossrüben sind.
Ueber die im J. 1896 zur Kenntniss gelangten Rübenschäden liegt ein ausführlicher Bericht von M. HollrungZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen
Reichs, 1896 XXXXVI S. 928. vor, und beschäftigt sich derselbe mit den beobachteten thierischen und
pflanzlichen Parasiten, welche auf der Zuckerrübe in Deutschland beobachtet wurden. Hervorgehoben sei, dass der
Schwefelkohlenstoff zur Bekämpfung der gefährlichen Rübennematoden ein vollkommen geeignetes Vertilgungsmittel ist,
sofern es
gelingt, denselben zu einer gleichmässigen Vertheilung im Ackerboden zu bringen. In dieser Beziehung bedarf es aber
noch weiterer
Versuche, bevor eine allgemeine Empfehlung angängig ist. Für die Reinigung der Abschipperde kann aber jetzt schon
der
Schwefelkohlenstoff als ein brauchbares Mittel bezeichnet werden.
Zur Nematodenfrage bemerkt DoerstlingIbid. 1897 XXXXVII S. 1. auf Grund von
Versuchen, dass, im Gegensatz zu der jüngst geäusserten Ansicht, die Rübenmüdigkeit werde nicht durch Nematoden
hervorgerufen, der
Mangel an Nährstoffen die Rübenmüdigkeit nicht bedinge, zumal in den Rübenwirthschaften grösstentheils regelmässiger,
theilweise sogar forcirter Nährstoffersatz stattfindet.
In französischen Zeitschriften berichtet Willot von Zeit zu Zeit über sein Verfahren der Vertilgung der Nematoden mittels Gaswasser, wobei immer die Zeugen über die erzielten Resultate
besonders befriedigt sein sollen. Die ganzen Demonstrationen sind aber, wie auch die letzte PublicationLa sucrerie
indigène et coloniale, 1897 XLIX S. 13. beweist, werthlos, solange nicht Willot sein Verfahren in wissenschaftlicher Weise aufbaut und zeigt. Auf jeden Fall kann aber Referent auf Grund seiner
Versuche (D. p. J. 1896 300 259) nur vor jeder Anwendung des Gaswassers
warnen.
FrankZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen
Reichs, 1896 XXXXVI S. 901. setzte seine Studien über den Pilz Phoma Betae weiter fort (D. p. J. 1896 300 260, 301 40, 302 162) und liegt ein ausführlicher Bericht über die Versuche zur Bekämpfung
der Herz- und Trockenfäule der Zuckerrüben im J. 1896 vor. Die Krankheit wurde trotz des regenreichen Jahres an manchen
Orten in einem derartigen Ausmaasse festgestellt, als es ärger in einem Phoma-Betae-Jahr nicht der Fall sein konnte.
Trockenheit
allein ist nicht nothwendig, um die Herz- und Trockenfäule hervorzurufen, denn die Krankheit entsteht auch zu Zeiten,
an Orten und
unter Umständen, wo durchaus nichts von einem Wassermangel der Pflanze vorhanden ist. Was nun die Bekämpfungsversuche
anbelangt,
so haben verschiedene Vorschläge, wie künstliche Bewässerung, Tiefpflügen, Desinfectionsversuche und Stickstoffdüngungen,
kein
befriedigendes Resultat ergeben. Hingegen verdient die späte Bestellzeit des Feldes Beachtung, und zwar dort, wo
die Felder
erfahrungsgemäss am meisten von Phoma Betae befallen werden. Die Operation des Abblattens der Rüben im Juli bei
Eintritt einer den
Rüben gefahrdrohenden Trockenheit, bestehend im Abschneiden des ganzen Rübenlaubes etwa handbreit über dem Erdboden,
kann
ebenfalls einen vorzüglichen Schutz gegen die Krankheit gewähren. Frank ist nun weiter der Ansicht,
dass, wenn die Krankheit nicht nur in trockenen, sondern auch in regenreichen Jahren zu erwarten ist und sich auf
solchen Feldern
keine Besserung erzielen lässt, es wohl das richtigste sein dürfte, auf diesen Feldern den Rübenbau ganz zu unterlassen
und dann
also für sie einen anderen Fruchtwechsel einzuführen.
Eine ganz eigenthümliche Erscheinung hat M. N. BergerBulletin de l'Association belge
des chimistes, 1896 X S. 336. beobachtet und berichtet derselbe über das
gleichzeitige Auftreten von Uromyces Betae und Phoma Betae. Die Krankheit brach Mitte Juni aus und charakterisirte sich
in der Weise, dass die Blätter abwelkten, schliesslich schwarz wurden, faulten und abfielen. Der Hals der Rübe wurde
rissig,
missgebildet, schwärzte sich, und in den schwarzen Partien der Wurzel wurde das Mycelium von Phoma Betae gefunden.
In Folge
reichlicher Regenfälle erholten sich die Rüben wieder. Bald darauf aber bedeckten sich die Blätter an ihrer Unterseite
mit gelben
Pusteln, welche die Epidermis des Blattes durchdrangen, und charakterisirte dies das Auftreten der zweiten Krankheit.
Die Blätter
vertrockneten schliesslich vollständig. Anfangs November nahm die Hauptwurzel eine bläuliche oder schwärzliche Farbe
an, die
Epidermis löste sich ab, die Rübe schälte sich wie eine frische
Nuss und ihre Consistenz war weicher geworden. Die erste Krankheitserscheinung wird durch Phoma Betae (Rostrup)
verursacht, die
zweite durch Uromyces betae. Was nun die Ursachen über das Auftreten dieser Pilze anbetrifft, so lässt sich darüber
eine bestimmte
Meinung noch nicht aussprechen. Möglicher Weise hat der Scheideschlamm einen ungünstigen Einfluss ausgeübt, indem
durch denselben
eine grössere Menge des Stickstoffes des angewandten chemischen Düngers assimilirbar gemacht worden und die disponible
Menge
dieses Elementes noch grösser geworden ist. Es darf daher der Stickstoffdünger im Verhältniss zur Phosphorsäure
nicht vorwiegen;
ausserdem empfiehlt sich die Imprägnirung des Rübensamens mit einer Lösung von 1/1000 Sublimat.
Die bakteriose Gummosis der Zuckerrüben ist eine Krankheit, welche erst seit einigen Jahren bekannt ist und sich durch eine
eigenthümliche Veränderung des Zellgewebes der Wurzel äussert, wobei der Zuckergehalt derselben wesentlich zurückgeht.
Mit dem
Wesen dieser Krankheit hat sich namentlich Srauer eingehend beschäftigt. In einer weiteren Abhandlung
berichtet derselbeBlätter für Zuckerrübenbau, 1897 IV S. 81. über die Abhängigkeit der bakteriosen Gummosis der Zuckerrüben von Witterungs- und Bodeneinflüssen und kommt
hierbei auf Grund von Anbauversuchen zu dem Resultate, dass die Zuckerrüben ohne Gefahr einer gummosen Erkrankung
ungemein grosse
Mengen stickstoffreichen Düngers vertragen können, wenn sie reichlich Wasser während ihrer Vegetationsperiode haben,
dass aber
diese überreichen Stickstoffmengen die bakteriose Gummosis wesentlich begünstigen, wenn eine längere, heisse Trockenperiode
das
Wachsthum der Rübe herabdrückt. Als ein die Ausbreitung der Krankheit hemmendes Mittel ist die Phosphorsäurezufuhr
anzusehen.
Bewässerungsanlagen für die Rübenfelder dürften also vielleicht den besten Schutz gegen bakteriose Gummosis und
auch gegen manche
andere Krankheit bilden.
II. Chemie und analytische Untersuchungsmethoden.
Die Selection der Rübe nach der einzig als richtig anerkannten Methode der Zuckerbestimmung in derselben und der sich immer
mehr
ausbreitende, gerechte Einkauf der Rübe nach ihrem Zuckergehalte hat auch entsprechende Untersuchungsapparate gezeitigt,
mittels
welchen sowohl der Fabrikschemiker als der Züchter in die Lage versetzt wird, rasch, reinlich und genau arbeiten
zu können.
H. BriemOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
Landwirthschaft, 1896 XXV S. 958. beschreibt nun drei handliche Apparate zur
raschen Untersuchung der Bube, welche nun sowohl zur raschen Digestionsarbeit bei Bestimmung des Zuckers in der Rübe als
auch zur genaueren Ausführung bei der älteren Saftmethode dienen. Es sind dies die Apparate von Wojcicki,
Neissel und die Briem'sche Modifikation des Neissel'schen
Apparates. Durch diese Apparate werden namentlich die im Rübenbrei und Rübensaft auftretenden Luftbläschen vermieden,
wodurch ein
schnelles und genaues Arbeiten ermöglicht wird.
In einem Aufsatz, betitelt Winke zur Samenrübenuntersuchung, gibt E.
PšeničkaZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 1897 XXI S. 354. verschiedene
Rathschläge, die nichts Neues bieten. Von Interesse ist nur die Methode der Zuckerbestimmung, welche Pšenička anwendet, in Folge dessen wir in diesem Theil unserer Zusammenstellung auf die vorliegende Mittheilung
zurückkommen. Pšenička bedient sich der Methode Lewenberg- Wojcicki,
indem er zum Abmessen der Mischung von Wasser und Bleiessig, welche dem Rübenbrei zugesetzt wird, einen einfachen
Apparat benutzt,
den jeder Arbeiter verwenden kann. Die Abmessvorrichtung besteht nämlich aus einer dreihalsigen Flasche, von welcher
knapp
oberhalb des Bodens eine Ablassvorrichtung mittels eines durch einen Quetschhahn verschliessbaren Kautschukschlauches
zu einem in
das Bodenbrett eingesetzten durchbohrten Kautschukpfropfen führt. In die Bohrung des Kautschukpfropfens wird die
Pipette mit ihrem
breiteren Ende eingesetzt, der Quetschhahn geöffnet und die Pipette, welche genau 44,3 cc fasst, vollgefüllt; hierauf
verschliesst
man die Pipette mit dem Daumen, zieht sie aus dem Stöpsel heraus und lässt die auf diese Weise abgemessenen 44,3
cc in das den
Brei (¼ Normalgewicht) enthaltende cylindrische Blechgefäss von 5 cm Höhe und 5 cm Durchmesser fliessen. Das Gemisch
von Brei mit
dem Wasser und Bleiessig lässt man einige Zeit ruhig stehen und rührt dann mit einem eingefetteten Glasstäbchen
um, was vor der
Filtration wiederholt werden muss. Ein Durchschütteln ist nicht nothwendig. Der ganze Vorgang ist höchst einfach
und gestattet die
Durchführung zahlreicher täglicher Untersuchungen.
Ueber die Ursachen der Unterschiede, die man bei der directen Bestimmung des Zuckers in den Rüben
erhält, liegen von BroniewskiDie deutsche Zuckerindustrie, 1897
XXII S. 507. Untersuchungen vor, welche zu wichtigen Schlüssen für diese Frage führen. Es handelt sieb hier
speciell um die Unterschiede zwischen der Wasser- und Alkoholdigestion, die unter Umständen, namentlich bei abnormalem
Rübenmaterial, ganz bedeutend sein können, und die, wie Broniewski gefunden hat, nicht in der
Anwesenheit optisch-activer Körper ihre Ursache haben, sondern in Ursachen physischer oder physiologischer Natur.
Zur Klarlegung
letzter Frage wurde nicht mit frischem, sondern mit ausgepresstem Brei operirt und derselbe nach der Alkoholdigestion,
heissen
Wasserdigestion, Alkoholextraction und Wasserextraction untersucht. Gleichzeitig wurden demselben Brei gewisse,
immer gleiche
Mengen Zucker zugesetzt und die erhaltene Masse der heissen Alkohol- und heissen Wasserdigestion unterworfen. Die
gleichen
Versuche wurden auch mit einem ausgesüssten Brei, dem verschiedene Mengen Zucker zugesetzt wurden, ausgeführt. Die
Versuche haben
nun zu folgenden bemerkenswerthen Resultaten geführt: 1) Eine gewisse Menge Zuckerlösung, zu dem extrahirten oder
nicht
ausgelaugten Brei zugegeben, polarisirt höher, als man nach dem Wassergehalt annehmen sollte, so dass als Ursache
dieser höheren
Polarisation des Rübenbreies die Eigenschaft 'desselben, aus einer Zuckerlösung das Wasser begieriger als den Zucker
aufzunehmen,
angenommen werden muss. 2) Da aber eine alkoholische Zuckerlösung in Gegenwart des Rübenbreies niedriger, als man
nach dem
Saftgehalte annehmen sollte, polarisirt, so muss als Ursache dieser Erscheinung eine zweite Eigenschaft des Breies
angenommen
werden, nämlich, dass derselbe das Wasser geringer als Alkohol aufnimmt. Da die Löslichkeit des Zuckers eine viel
höhere ist als
die in Alkohol, so zieht der wässerige Inhalt der Zellen mehr
Zucker an, als es der Fall wäre, wenn der Zucker in der ganzen Flüssigkeitsmenge gleichartig vertheilt wäre. 3)
Diese
Eigenschaften des Rübenbreies erklären zur Genüge die Ursache, warum man bei der Wasser- und Alkoholdigestion verschiedene
Resultate erhält. Wenn man mit einem Rübenbrei zu thun hat, dessen Mark sich anders als das der Normalrüben verhält,
bei welchem
sich der Zucker ausserhalb und innerhalb der Zellen gleichartig vertheilt, erhält man bei der Digestion ausserhalb
und innerhalb
der Zellen verschiedene Lösungen; die Lösung ist nämlich ausserhalb der Zellen bei der Wasserdigestion reicher,
bei der
Alkoholdigestion ärmer an Zucker als die Lösung innerhalb der Zellen. 4) Bei abnormalen Rüben gibt weder die Wasserdigestion,
noch
die Alkoholdigestion richtige Zahlen, die erste ist zu hoch, die letzte zu nieder. Ein richtiges Resultat kann man
nur mittels der
Alkohol- oder Wasserextraction erhalten. Da aber die Alkoholextraction leichter zu handhaben ist und man bei der
Wasserextraction
eine viel höhere Temperatur nöthig hat, ausserdem noch immer eine Möglichkeit des Vorhandenseins optisch-activer
Körper vorliegt,
so empfiehlt Broniewski die Alkoholextraction, die bei Controluntersuchungen, wenn entsprechende
Einrichtungen vorhanden sind, ebenso leicht wie die Digestion ausführbar ist.
In Bezug auf die vergleichenden Untersuchungen über die Methoden zur directen Zuckerbestimmung in den
Zuckerrüben kommt J. GraftiauBulletin de l'Association belge des
chimistes, 1896 X S. 354. zu folgenden Schlussfolgerungen: 1) Die wässerige Digestion unter Anwendung
eines willkürlichen Volumens gibt im Allgemeinen niedrigere Resultate als die anderen Methoden. 2) Der Minderbefund
ist geringer,
je länger die Digestion währt. 3) Eine augenblickliche Digestion ist nur eine Mythe. 4) Die Methoden der augenblicklichen
Digestion haben nur durch Compensation ihrer Fehler der Wirklichkeit nahe kommende Resultate ergeben. 5) Auch bei
Vermeidung des
grössten Fehlers (eingeschlossene Luft) ist der durch die augenblickliche kalte Digestion erhaltene Befund zu nieder,
wenn die
Digestion unvollständig ist. 6) Die warme wässerige Digestion beseitigt mehr oder weniger die haupsächlichsten Ursachen
der
Fehler, indem durch dieselbe die Luft vollständig entfernt und der Zucker vollständig aufgenommen wird. 7) Die kalte
Methode mit
Anwendung der Luftleere kann nur dann genaue Resultate liefern, wenn man genügend lang diffundirt hat.
Gegenüber den Ansichten Graftiau's bemerkt SachsLa
Sucrerie belge, 1897 XXV S. 229., dass dieselben fast durchwegs irrthümlich und werthlos
sind, nachdem sie auf Verwechselungen und unrichtigen Anwendungen ganz verschiedener Vorschriften beruhen. Es sind
daher solche
Begriffsverwirrungen zurückzuweisen. Derselben Ansicht ist auch Le DocteIbid. S. 245.,
welcher noch weiter bemerkt, dass die vorkommenden Differenzen bei Rübenanalysen hauptsächlich darauf beruhen, dass
die
Laboratorien bisher nach keiner einheitlichen Untersuchungsmethode vorgehen, und ist daher die Einführung einer
solchen unbedingt
nothwendig.
Zur Frage über die Anwesenheit von optisch-activen Stoffen in den Rüben und deren Bestimmung bemerkt
HerlesZeitschrift für Zuckerindustrie in Böhmen, 1897 XXI S.
302., dass man häufig in der Litteratur Angaben über grössere Differenzen zwischen der Alkohol-
und Wasserdigestion findet, welche man durch die Anwesenheit von optisch-activen Nichtzuckerstoffen erklärt, ohne
aber einen
directen Beweis hierfür zu führen. Es können in den Rüben auch solche optisch-active Stoffe vorkommen, welche in
Alkohol löslich
sind, in welchem Falle die alkoholische und die wässerige Saftpolarisation das gleiche Ergebniss liefern würden.
Herles schlägt daher vor, in allen Fällen, wo es sich um Constatirung der Anwesenheit von
optisch-activen Stoffen in den Rüben handelt, neben der alkoholischen und wässerigen Polarisation des Saftes auch
noch die Clerget'sche Inversionspolarisation zur Untersuchung des Extractes von der Wasserdigestion (bei
Klärung mit basischem Bleinitrat) zu benutzen.
Ueber die Allotropie der Saccharose liegen sehr interessante Versuche von F.
G. WiechmannJournal of Physical Chemistry, 1896 Bd. 1 Nr. 2. vor, welche die Ursache
der Allotropie in einigen Punkten aufklären. Die Saccharose existirt bekanntlich in zwei allotropen Modificationen,
im
krystallinischen und amorphen Zustand. Der amorphe Zucker, der durch langsames Schmelzen der Saccharose bis auf
160° C. und
langsames Erkalten der Schmelze erhalten wird, ist ein durchscheinender, glasartiger, optisch-activer Körper, der
in Wasser
leichter löslich als die krystallinische Modifikation ist. Obgleich diese Substanz einige Zeit unverändert aufbewahrt
werden kann,
so scheint sie in diesem Zustande doch unbeständig zu sein und zeigt das Bestreben, früher oder später in die krystallinische
Form
überzugehen.
Wiechmann hat amorphen Zucker in der oben angedeuteten Weise aus raffinirtem Krystallzucker
hergestellt, und bei einer Probe dem Wasser, in welchem der Zucker gelöst wurde, entweder etwas Calciumoxyd, Natriumcarbonat
oder
Natriumbicarbonat zugesetzt, und zwar in der Menge von 1 Gew.-Th. auf 100000 Gew.-Th. des angewendeten Zuckers.
Ein Theil der
Proben wurde dem Tageslicht ausgesetzt, ein anderer Theil im Dunkeln aufbewahrt. Ausserdem wurden auch einige Proben
in Flaschen
aus grünem und dunkelblauem Glas gegeben, um zu constatiren, ob die Farbe des Lichtes irgend welchen Einfluss auf
das Resultat
ausübt. Es hat sich nun gezeigt, dass derjenige amorphe Zucker, welchem keine fremden Substanzen zugesetzt waren,
nicht in den
krystallinischen Zustand überging, während alle anderen Proben ausnahmslos in die krystallinische Modification umgewandelt
waren.
Hierbei ging die Krystallisation – und dies wurde durch specielle Versuche dargethan – von mehreren Punkten strahlenförmig
aus,
wobei vollkommen kreisrunde Formen entstanden. Aus den Versuchen folgt nun, dass die geringen Mengen fremder Substanz
durch ihre
Gegenwart den Zuckermolekülen hinreichend Anregung gegeben haben, einen stabileren Gleichgewichtszustand – die krystallinische
Modification – zu erstreben und zu erreichen.
Ueber die Inversion der Saccharose durch Wasser liegen Versuche von B.
Rayman und O. ŠulcRozpravy českě akademie, 1896 V Kl.
II S. 33. Chemiker-Zeitung, Repertorium 1897 XXI S. 1. vor, aus welchen
hervorgeht, dass dieselbe abhängig vom Material der Gefässe ist. Durch 61stündiges Kochen mit Rückflusskühler einer
20procentigen
Lösung reiner Saccharose in reinem Wasser im Glaskolben auf Metallsieben sank die Polarisation im 100-mm-Rohr von
+ 11,66° auf +
5,94°; bei Erhitzen auf dem Wasserbade auf + 6,82°. Im
Platinkolben auf einer Asbestplatte sank sie in 25 Stunden von + 13,25° auf – 3,42°, und zwar viel regelmässiger
als bei den
Versuchen von Soubeyran. Concentrirte Lösungen zersetzten sich schneller. Unter Druck ist die
Inversion bei 100° C. kleiner als ohne Druck. Durch Amidosäuren wird Saccharose bei 100° nur unbedeutend, bei 105°
unter Druck
merklich invertirt. Die Zersetzung ist um so schwächer, je grösser das Molekulargewicht der Säure ist.
Eine eigenthümliche Selbstinversion von Zuckerlösung, und zwar bei einem gelben Rohrzucker (englisches
Fabrikat) hat A. LamChemiker-Zeitung, 1897 XXI S.
56. beobachtet. Bei einer anfänglichen Polarisation der wässerigen Lösung von + 91,3° ging dieselbe immer mehr
zurück und betrug nach 30 Tagen – 24,5°. Als Ursache dieser Erscheinung wurde die Anwesenheit eines invertirenden
Mikroorganismus
(Fungus oder Bakterie) festgestellt. Glykosefreie, schwach saure und salzhaltige Zuckerlösungen wurden durch Impfung
mit diesem
Organismus in Inversion versetzt; reine neutrale, namentlich salzfreie Zuckerlösungen wurden dadurch nicht invertirt.
Weitere
Untersuchungen werden in Aussicht gestellt.
Ueber die Löslichkeit von Salzen in Wasser und gesättigter Zuckerlösung, ein Beitrag zur Frage der
Melassebildung, berichtet eingehend O. KöhlerDie deutsche
Zuckerindustrie, 1897 XXII S. 148.. Aus seinen Untersuchungen ergibt sich folgendes Resultat:
1) Die Löslichkeit des Zuckers hängt von der Menge der vorhandenen Nichtzuckerstoffe ab, und zwar derart, dass bei
steigender
Menge der Nichtzuckerstoffe je nach der Eigenschaft dieser letzteren die Löslichkeit des Zuckers eine grössere oder
kleinere
werden kann. (Bei Gegenwart grösserer Mengen von organisch-sauren Kalisalzen, wie essigsaures Kali, buttersaures
und
citronensaures Kali, ausserdem kohlensaures Kali, wird die Löslichkeit des Zuckers ganz bedeutend gesteigert, während
die
Natronsalze und die anorganischen Kalisalze die Löslichkeit des Zuckers nur wenig vermehren und einige, besonders
schwefelsaures
Natron, Chlorcalcium und schwefelsaure Magnesia, sogar Zucker in bedeutenden Mengen auskrystallisiren lassen.) 2)
Die Löslichkeit
von Nichtzuckerstoffen in Zuckerlösungen ist theilweise eine grössere als diejenige in Wasser, theilweise eine niedrigere;
es
scheint eine gegenseitige Beeinflussung im Lösungsvermögen des Zuckers und der Nichtzuckerstoffe zu einander zu
bestehen, derart,
dass je mehr ein Salz Zucker in Lösung zu erhalten vermag, desto mehr es selbst in Lösung bleibt und umgekehrt.
In einem Beitrag zur Kenntniss verschiedener Zuckerwaaren haben F.
Strohmer und A. StiftOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1896 XXV S. 968. die hauptsächlich in Wien in den Consum
gelangenden Conditorwaaren einer Analyse unterzogen. Hierbei hat sich nun gezeigt, dass die unterschiedlichsten
Zuckerwaaren, wie
Caramelbonbons, Conservebonbons, Fondantsbonbons, Pastillen, hygienische Bonbons, Pralinés, Dragées, candirte Früchte
u.s.w., in
ihrer Zusammensetzung grossen Schwankungen unterliegen und dass es demnach nicht möglich ist, für die Beurtheilung
dieser Producte
in Bezug auf ihren wesentlichen Bestandtheil (Zucker, Dextrose u.s.w.) bestimmte Grenzzahlen aufzustellen. Nur bezüglich
des
Aschengehaltes dürfte es zulässig sein, eine bestimmte Maximalgrenze für denselben festzustellen, und fixiren die Verfasser
dieselbe für Caramels, gefüllte Caramels und Conservebonbons mit 0,5 Proc. für die übrigen Producte dieser Gruppe
jedoch mit 0,7
Proc. Von den aus dem Detailhandel bezogenen Conditorwaaren wurden einige als verfälscht befunden, nachdem sie einerseits
mit
nicht gesetzlich zulässigen Theerfarbstoffen gefärbt waren und andererseits Zusätze grösserer Mengen von Gyps, Sand
und
Schwerspath enthielten.
(Fortsetzung folgt.)