Titel: | Gasindustrie. |
Fundstelle: | Band 307, Jahrgang 1898, S. 21 |
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Gasindustrie.
Gasindustrie.
Das maschinelle Laden und Entleeren der Gasretorten.
Es entspricht dem Zuge der Zeit, wenn man in den Industrien bestrebt ist, Arbeiten,
die von Hand durch geschulte Arbeiter gemacht werden, durch maschinellen Betrieb zu
ersetzen, welcher durch ungeübte Arbeiter bedient werden kann. Man hofft hierbei auf
Verbilligung des Betriebes, nicht in letzter Linie auch darauf, dass eine Lahmlegung
des Betriebes in Folge Streikens der Arbeiter besonders in den Gasfabriken schwere
Schädigungen der mit Gas versorgten Industriellen und Gewerbetreibenden nach sich
ziehen müsste. Eine zusammenfassende Arbeit über die den Retortenofenbetrieb
vereinfachenden Maschinen hat eine Commission französischer Gastechniker auf Grund
eines besonders in England unternommenen Studiums in übersichtlicher Weise verfasst.
Dicht zusammengedrängt ist der Inhalt der im Journal de
l'éclairage au gaz veröffentlichten Arbeit nach dem Gastechniker, Bd. 28 S. 180, folgender:
Mechanische Einrichtungen in den englischen Gaswerken.
In England sind nur zwei Systeme vorhanden; das eine, System West, von der West Gas Improvement Company
limited in Manchester ausgeführte, ist das älteste und verbreitetste. Das
andere ist das System Arrol-Foulis, von M. Foulis, Ingenieur des Glasgower Gaswerkes, erdacht
und in den Constructionswerkstätten von William Arrol and
Co. in Glasgow ausgeführt; obwohl noch neu und weniger verbreitet als das
erstere, beginnt es an Ausdehnung zu gewinnen und hat sich auch schon auf dem
Continent eingebürgert.
West-Maschinen.
Das Princip der West-Maschinen besteht in dem Chargiren mittels des Löffels, welcher
mechanisch und bei vielen Maschinen auch selbsthätig arbeitet.
„Von 49 Gasfabriken, welche West'sche Maschinen
benutzen, haben 33 Handmaschinen 9 Maschinen mit Antrieb durch comprimirte Luft
und 9 solche mittels Seilantriebes; 2 der Fabriken verwenden gleichzeitig beide
Arten.
Handmaschinen.
a) Maschine zum Chargiren. Diese Maschine hat ein
eisernes Gestell, welches oben einen Kasten von ungefähr der halben Länge der
Retorten trägt. Der Kasten fasst die Beschickung von 20 Retorten. Darunter in dem
Gestelle befindet sich der „Löffel“, der durch Oeffnen eines Bodenschiebers
des Kastens gefüllt wird und dessen Oeffnung durch ein Handrad entsprechendentprechend geregelt werden kann.
Der Kasten mit dem Löffel kann in passende Höhe zu jeder Retortenreihe eingestellt
werden. Der Löffel besitzt einen langen Stiel, mit welchem derselbe durch den
Arbeiter, der sich auf der Plattform der Maschine befindet, regiert wird, und dessen
Arbeit darin besteht, den Löffel mit Kohle aus dem Kohlenkasten zu füllen, diesen in
die Retorte hineinzuschieben, durch Umwenden zu entleeren und wieder auszuziehen.
Der Löffel gleitet leicht in dem Maschinenrahmen und am Boden der Retorte, da er mit
Rollen versehen ist.
Der Löffel hat die halbe Länge der Retorte und besteht aus zwei einander mit dem
Rücken zugekehrten Löffeln, deren einer nach rechts und der andere nach links
ausschüttet, es wird somit zuerst die hintere und dann die vordere Hälfte der
Retorte gefüllt.
Der Vorgang nimmt weniger als eine Minute in Anspruch, und nach dessen Beendigung
wird die Maschine, welche auf einem Gleise vor den Oefen fahrbar eingerichtet ist,
gegenüber der nächsten Retorte, und der Löffel in richtige Höhe gebracht, worauf der
Vorgang des Füllens sich wiederholt, bis 20 Retorten versorgt sind.
b) Maschine zum Entleeren. Diese nimmt dem Arbeiter nur
einen Theil anstrengender Arbeit ab und besteht aus einem sehr einfachen eisernen
Gestell mit einer Walze, die man in jeder Höhe einstellen kann.
Um glatt mit diesen Maschinen arbeiten zu können, ist ein D-förmiger Querschnitt der
Retorten, eine genau wagerechte Lage, vollständig zurückschlagbare Scharniere der
Retortenköpfe erforderlich.
Diese beiden Handmaschinen ergeben eine Ersparung von über 30 Proc. sowohl was die
Kosten als die Anzahl der Arbeiter betrifft, gegenüber der reinen Handarbeit.
Die allgemeine Anlage bei Verwendung der West'schen
Handmaschinen ist derart, dass die Kohle mittels Wagen auf einem etwas erhöhten
Gleise angefahren und in den tiefer stehenden Kohlenbrecher eingefüllt wird. Ein
Becherwerk hebt sie von da in die Höhe und ein Transporteur bringt sie stetig nach
einem Behälter. Unter diesen wird die Füllvorrichtung behufs Empfangnahme der zur
Füllung von 20 Retorten auf einmal genügenden Menge Kohlen gefahren. Der Koks
dagegen fällt entweder in einen Karren oder in einen unter dem Retortenhause
befindlichen Raum.
Für kleinere Gaswerke, die täglich weniger als 3500 cbm Gas liefern, ist die
Einrichtung nicht zu empfehlen, wohl aber für Werke, die täglich 3500 bis 35000 cbm
liefern.
Was die Grafitbildung in den Retorten anbelangt, so entfernt der Haken der
Entleerungsmaschine von der Sohle und der Decke der Retorte mehr Grafit, als dies
bei der blossen Handarbeit der Fall ist. Der Grafit, der sich an den Seitenwänden
ansetzt, wird theilweise durch den Löffel der Chargirmaschine beseitigt und es wird
bei diesem maschinellen Betriebe das Ausbringen des Grafits thatsächlich minder
häufig erforderlich.
Maschinen mit Motorbetrieb.
Die Leistungsfähigkeit oben beschriebener Maschinen wird erhöht, wenn man mechanische
Kraft für ihren Betrieb benutzt. Dies führte West dazu,
seine Handmaschinen auch durch Motoren betreiben zu lassen. Diese Motoren müssen
jedoch ausserhalb des Retortenhauses aufgestellt sein, um sie vor Staub und vor dem
Einflüsse der Gase zu schützen. Die Art der Kraftübertragung ist den örtlichen
Verhältnissen anzupassen; sie geschieht, wo es angeht, durch Seilübertragung. West empfiehlt für alle Verhältnisse die Verwendung von
Pressluft. Die Compressionsmaschine kann von geringer Grösse sein, soll für geringen
Dampfverbrauch dauerhaft und einfach zu bedienen sein. Ihren Platz bekommt sie in
der Regel in einem am Ende des Kohlenmagazins eingerichteten Local.
Arrol-Foulis-Maschinen.
Füll- und Ziehmaschinen von Foulis und Arrol construirt
und nach ihnen so benannt.
Foulis verwendet nur motorisch mittels Druckwasser
betriebene Maschinen, weil die Verwendung von Wasser an Stelle der Luft einfachere
Einrichtungen und niedrigere Preise gegenüber den West'schen Maschinen ermöglicht.
Das Abwasser des hydraulischen Cylinders wird zum Kühlen der Maschine oder zum
Löschen des Koks verwendet.
Die Arrol-Foulis-Maschinen sind gegenwärtig in 21 Gaswerken, wovon einige auf dem
Continent und in englischen Colonien in Verwendung, so unter anderen in Wien,
Amsterdam, Melbourne u.s.w. In Glasgow sind 64 Maschinen in Verwendung.
Eine solche Anlage für einen Jahresverbrauch von 25000 t Kohlen sei nachstehend
beschrieben:
Der Wasserdruck beträgt 23 at und wird durch eine Pumpe mit Accumulator erzeugt. Die
Rohrleitungen ausserhalb des Ofenhauses sind von Gusseisen, dagegen die innerhalb
liegenden von Schmiedeeisen, an welche man von 10 zu 10 m biegsame Leitungen zur
Verbindung mit den Maschinen anschliessen kann. Das Wasser wird, wie bei der
Mehrzahl der Anlagen, von den Maschinen zur Pumpe zurückgeleitet, wodurch die
Ansammlung von Schlamm in Röhren und Accumulator vermieden wird.
Die Retorten haben an beiden Enden Mündungen, so dass die Füllmaschine auf einer
und die Ziehmaschine auf der anderen Ofenseite arbeitet. Die Ziehmaschine besteht
aus einem Stahlgerüste mit dem Ziehhaken, der durch zwei hydraulische Cylinder
behufs vollkommenen Ausräumens der Retorte abwechselnd hin und her bewegt wird. Die
senkrechte Verstellung des Hakens veranlasst ein dritter Cylinder, die wagerechte
Fortbewegung der Maschine auf den Schienen wird jedoch von Hand bewerkstelligt.
Das doppelte Spiel des Hakens wiederholt sich in der Regel vier- bis sechsmal zur
Räumung der Retorte und der ganze Vorgang erfordert eine halbe Minute.
Die Füllmaschine arbeitet in ähnlicher Weise, mit der gleichen Anzahl von
hydraulischen Cylindern. Oberhalb der Maschine befindet sich ein trichterförmiges
Gefäss von 5 t Fassungsraum. Die Kohle fällt in Partien von 25 k vor einen der
wagerechten Kolben, der sie in die Retorte schiebt. In der Regel sind sieben Hübe
erforderlich, um die Retorte zu füllen, was ebenfalls in einer halben Minute
geschehen ist.
Die Einrichtungen bezüglich Transportes der Kohle und Füllung der Lademaschine aus
einem grossen hoch gelegenen Kohlenbehälter sind im Allgemeinen dieselben wie bei
den West'schen Maschinen, in einzelnen Fällen erhält
jedoch die Füllmaschine selbst eine Hebevorrichtung, um von beliebigen Punkten aus
die Kohle auffassen zu können; letztere Einrichtung erfordert zwar eine Lagerung von
Kohle längs des ganzen Retortenhauses, erspart aber den grossen Kohlenbehälter und
einen Elevator. Zum Füllen und Entladen von 60 Retorten mittels dieser Maschinen ist
nur eine Stunde Zeit erforderlich; der Arbeiter hat dabei nur die einzelnen
Steuerungsventile zu handhaben.
Die Betriebsersparnisse und Vortheile der Arrol-Foulis-Maschinen sind dieselben wie
bei den Maschinen von West.
Mechanische Einrichtungen deutscher und österreichischer
Gasfabriken.
Einfache Vorrichtungen mit Löffel. Die Veränderungen,
die man in Deutschland getroffen hat, beziehen sich darauf, dass die Löffel und
Haken von kleinen, am Fussboden rollbaren Wagen oder von Hängebrücken getragen
werden, welche an Luftschienen laufen. Diese Einrichtungen sind in kleinen Werken
verbreitet und nur für diese passend, denn das Einschieben der langen und ziemlich
belasteten Löffel in die Retorten ist für einen Mann zu anstrengend. Die Retorten
dürfen daher nicht zu lang sein, so dass sie ein geringeres Ladegewicht haben. Das
Gleise vor den Oefen hat man im Allgemeinen nicht gern, weshalb man dazu
übergegangen ist, den Löffel an die Laufkatze eines Krahnes, der zwei senkrechte
Bewegungen ermöglicht, zu hängen. Die Schienen für die Krahnbrücke laufen die ganze
Länge des Ofenhauses entlang, sie sind je auf Consolen an den Stirnseiten der Oefen
und am Gebäudemauerwerk befestigt und reichen bis zum Kohlenmagazin. Die Ladung der
Retorten wird direct vom Kohlenmagazin aus in der Weise besorgt, dass in die
Laufkatze zunächst eine Eisenstange eingehängt wird, welche entsprechend den
Retortenreihen in verschiedenen Höhen Haken besitzt. In einen der Haken wird nun die
Gabel zur Aufnahme des dann in dieser Gabel frei balancirenden Löffels gelegt.
Während des Transports vom Kohlenmagazin zur Retorte ist das Ende des Löffelstiels in
eine zweite, am Ende der Krahnbrücke befestigte Stange eingehängt. Zum Füllen fasst
der Arbeiter den Löffel am Stiele und schiebt ihn auf zwei Drittel der Retortenlänge
ein; das letzte bezieh. hinterste Drittel der Retorte füllt sich dann durch den
Schwung der Massen von selbst. Die erzielten Ersparnisse sollen nur gering sein; man
erspart etwa die Hälfte an Ofenarbeitern und es rentirt sich die Anlage nur für
kleinere Gasfabriken. Auch in Frankreich sind solche Aufhänglöffel eingeführt
worden.
Maschinen mit Motorbetrieb.
Borchardt's Maschine.
Die Füllmaschine hat einen Löffel mit Führungen, mittels dessen eine Füllung von 200
k auf einmal eingefüllt werden kann. Der Motor steht ausserhalb des Retortenhauses,
die Kraftübertragung geschieht durch eine Seiltransmission.
Das eiserne Löffelgerüst bewegt sich auf vier Rollen, von denen zwei auf einer hoch
liegenden, an der Ofenfront angebrachten Schiene und zwei auf einer Bodenschiene
laufen. Der Maschinenführer befindet sich auf einer Plattform gegenüber den Oefen
und bewerkstelligt alle erforderlichen Bewegungen mit Hilfe von drei Lenkhebeln.
Die Borchardt'sche Maschine führt keinen Kohlenbehälter
mit sich. Es wird vielmehr der Löffel aus dem Gestelle gehoben, an eine Laufkatze
gehängt, die längs einer Luftschiene bis zum Kohlenlager führt; dort wird der Löffel
mittels Schaufel gefüllt und wieder zur Maschine gerollt. Diese Luftbahn dient auch
zur Abfuhr des mit Koks gefüllten Löffels der Ziehmaschine.
Die letztere hat einen Löffel, den man zwischen Retortensohle und Koks einschiebt,
der es ermöglicht, den ganzen Koksinhalt auf einmal zu ziehen und unmittelbar zum
Löschplatz zu bringen. Obwohl diese Art des Ziehens empfehlenswerth ist, scheint sie
noch nicht für alle Kohlensorten ausprobirt zu sein.
Das complete Manöver, nämlich Füllen einer und Ziehen einer anderen Retorte,
bewerkstelligt sich in weniger als 4 Minuten und da letzteres nicht stückweise,
sondern im Ganzen erfolgt, fällt nichts auf den Boden und bleibt das Ofenhaus
deshalb sehr rein.
Füllmaschinen von Runge und Bertrand.
Diese sind ebenfalls auf einem vor dem Ofen befindlichen Gleise fahrbar. Den
„Löffel“ vertritt jedoch bei diesem System ein langer eiserner, aus zwei
nach vorn schwach divergirenden, wie die hineinzuverbringende Kohlenschicht hohen
Seitenwänden, welche oben durch Bügel mit einander verbunden sind. Der Rahmen hat an
Stelle eines Bodens am hinteren Ende eine auf die jeweilige Retortenlänge
einstellbare Rückwand und einen Arm, an welchem eine um zwei am Gestelle befestigte
Rollen hin und her zu bewegende endlose Kette eingreift. Die Handhabung dieser
Maschine ist folgende:
Der Rahmen liegt zunächst auf einem Wagen lose auf, wird dann mit Kohle gefüllt und
hierauf durch entsprechendes Drehen an einem Schwungrad durch Vermittelung der
endlosen Kette in Bewegung gesetzt. Der Rahmen wird auf diese Weise gegen die
Retorte hingezogen, der Wagen folgt der Bewegung und stösst, nachdem der Rahmen ein
Stück weit in die Retorte hineingedrungen ist, mit einem Anschlag an den
Retortenkopf, während der Rahmen weiter in die Retorte eindringt und sie der ganzen
Länge nach mit Kohle füllt. Durch Rückwärtsdrehen des Schwungrades wird der Rahmen
wieder herausgezogen und nimmt den Wagen auf seinen richtigen, ebenfalls mit einem
Anschlag versehenen Platz im Maschinengestell zurück.
Die Form des Füllrahmens, die schwach konisch verläuft, ermöglicht den Vortheil, die
Retorte an ihrem Kopftheil weniger stark zu beschicken als wie am Retortenende.
Durch entsprechende weitere Vorrichtungen kann der Wagen mit dem Füllrahmen in jede
beliebige Höhe gebracht werden. Das Gewicht des ganzen Apparates ist durch
Gegengewichte ausbalancirt. Die Maschine ist in kleineren Gaswerken eingeführt. Die
Retortenchargirung (Eindringen und Herausziehen des Rahmens) dauert etwa 35
Secunden.
Runge'sche Füll- und Ziehmaschinen mit hydraulischem
Antrieb sind im Gaswerk zu Charlottenburg in Verwendung. Diese Arbeiten
vollziehen sich mit einem Betriebswasser, das unter einem Druck von 50 at steht und
das gleichzeitig zum Betriebe der Reinigungsanlage dient.
Die Füllmaschine fasst 2500 k Kohle für 15 Retorten (zu 166 k für die Füllung). 5
Mann Bedienungsmannschaft können in der Stunde etwa 54 Retorten laden und
ziehen.
Eine Combination der beiden vorhergehenden Maschinen (Füll- und Ziehmaschine
vereinigt), bei der das Füllen und Entleeren abwechselnd bewerkstelligt wird, hat
die Berliner Maschinenbau-Actiengesellschaft für das
Charlottenburger Gaswerk gebaut.
Das Entleeren geschieht durch Ausstossen des Koks mittels einer Stange, welche am
Ende einen Kopf mit drei Zähnen trägt, nach hinten, zu welchem Zwecke die Retorten
an beiden Enden offen sind. Der Koks fällt durch geneigte Rinnen aus Eisenblech in
den Löschabfuhrkanal, der aus einer von Eisenblech genieteten langen schmalen Rinne
besteht, die sich der ganzen Länge der Ofenreihe nach hinzieht. Dieser Kanal erhält
durch eine mechanische Excentervorrichtung stossweise oscillirende Bewegungen, in
Folge deren der Koks ruckweise nach einem Ende transportirt wird und in
untergestellte Wagen fällt.
Während dieses Marsches wird der Koks gleichzeitig durch stetig zuströmendes Wasser
abgelöscht. Zum Betriebe dieses Apparates sind 2 bis 3 erforderlich.
Diese neue Maschine soll nur einen Arbeiter erfordern.
Ueber Fortschritte in der Erzeugung und Verwendung von
Wassergas.
Hierüber berichtet H. Dicke in Essen a. d. R. im Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung,
1897.Wir verweisen hier auf
den ausführlichen und mit Zeichnungen eingehend erläuterten Bericht, indem
wir gleichzeitig auf die in unserem Journal enthaltenen Artikel verweisen:
1891 281 * 65. 1893 287 188, 214 288 * 54, 282. 1895 296 47. 1896 299
239.
I. Die Anlage besteht im Wesentlichen aus folgenden Apparaten: Das nicht leuchtende
Wassergas wird im Generator erzeugt, gelangt, nachdem es den Scrubber zwecks Kühlung
passirt hat, in den Ausgleichbehälter. Letzterer hat den Zweck, das Gas in stets
gleich massigem Strome durch die Reinigeranlage passiren zu lassen, da ohne diesen
die Reinigeranlage, welche jetzt genau so gross wie bei Leuchtgas ist, etwa dreimal
grösser sein müsste, ausserdem das Gas ruckweise die Reinigeranlage passiren würde.
Von der Reinigeranlage aus geht das Gas denselben Weg wie bei Leuchtgas, also durch
den Stationsgasmesser in den Hauptgasbehälter und von dort durch den Druckregler
nach der Stadt. Wassergas muss riechend gemacht werden, um Ausströmungen und
Leitungsdefecte zu erkennen. Dies geschieht entweder mittels Mercaptan oder
Carbylamin am zweckmässigsten hinter dem Druckregulator in einfacher Weise dadurch,
dass durch einen eigens hierfür construirten Tropfapparat abgemessene Quantitäten
vorgenannter Flüssigkeiten in das Hauptrohr nach der Stadt hin eingelassen werden,
woselbst die Flüssigkeit sich verflüchtigt und mit dem Gasstrome fortgeführt
wird;
Sollten Consumenten kein Auer-Licht verwenden wollen, oder durch Verhältnisse in der
Industrie leuchtende Flammen gewünscht werden, so kann beiden Anforderungen durch
einen hinter die Gasuhr aufgestellten kleinen Benzolcarburirungsapparat Genüge
geleistet werden, welche Apparate das Gas auf die gewünschte Kerzenstärke leuchtend
machen.
II. Dort, wo von vornherein leuchtendes (carburirtes) Wassergas verlangt wird und die
Oelpreise die Carburirung des Gases vertragen, wird wie folgt gearbeitet: Analog der
in I dargestellten Anlage wird das nicht leuchtende Wassergas in den
Ausgleichbehälter producirt, von wo aus dasselbe nach dem Retortenofen geführt und
in den Boden der Retorte zusammen mit Oel (Oelsiphon) eingeleitet wird. Das Oel
fliesst in eine in die Retorte eingeschobene kurze eiserne Pfanne, verdampft in
derselben, die Oeldämpfe mischen sich mit dem eintretenden Wassergase und wird das
Gemisch durch die Temperatur der Retorte (etwa 700°) zu einem permanenten Gase –
carburirtes Wassergas – fixirt. Das Gas passirt dann weiter die Condensation, die
Reinigeranlage und gelangt auf dem schon vorher beschriebenen Wege nach dem
Hauptgasbehälter und der Stadt.
III. Bestehende Leuchtgasanstalten und besonders solche, welche einestheils am
Maximum ihrer Productionsfähigkeit angelangt sind, anderentheils einen guten Absatz
für den Koks nicht finden, sind in der Lage, bei verhältnissmässig geringen
Anlagekosten durch Beimischung von Wassergas zu dem Leuchtgase die
Productionsfähigkeit des Gaswerkes ganz bedeutend zu erhöhen, und zwar, je nachdem
der Gesammtkoks auf Wassergas vergast wird, bis auf das 2,6fache der ursprünglichen
Production. Diese Beimischung vollzieht sich in folgender Weise:
Der Wassergasgenerator wird am zweckmässigsten, auch schon des Kokstransportes wegen,
entweder im Retortenhause selbst oder in der Nähe desselben aufgestellt. Das in den
Ausgleichbehälter producirte nicht leuchtende Wassergas wird in einfacher Weise
mittels eines Regulirventils hinter dem Exhaustor zu dem Leuchtgase geleitet,
passirt mit demselben die Reinigungsanlage und gelangt als Mischgas von da in den
Hauptgasbehälter. Die eventuelle Aufbesserung des Mischgases auf bestimmte
Kerzenstärke wird dann durch einen vor dem Eingange des Gasbehälters liegenden
Benzolapparat in bekannter Weise bewirkt. Bezüglich der Angaben über
Rentabilitätsverhältnisse in der Grosspraxis muss auf den Originalbericht verwiesen
werden.
IV. Zu den bestehenden Apparaten einer Leuchtgasanstalt kommt hinzu der
Wassergaskoksgenerator, welcher nicht leuchtendes Gas in den Ausgleichbehälter
producirt, ferner ein neuer Condenser und ein zweiter Exhaustor. Der oder die
Retortenöfen, welche für carburirtes Wassergas dienen sollen, werden, wenn nicht
schon jeder Ofen seine eigene Vorlage hat, von der Hauptvorlage abgetrennt und die
Vorlage mit dem Condenser und Exhaustor verbunden.
An dem Boden jeder Retorte der für carburirtes Wassergas bestimmten Oefen ist der
Wassergaseintritt mittels Regulirhahnes oder Ventiles und der Oeleinlauf ebenfalls
mit Regulirhahn angebracht. Die Bildung des carburirten Wassergases geht dann hier
genau wie bei den beschriebenen anderen Anlagen vor sich. Der Exhaustor saugt das
Gas von den Oefen durch den Condenser ab. Der hierbei entfallende Theer läuft in
eine Grube für sich, da derselbe nicht mit dem Leuchtgastheer, des Verkaufes des
letzteren wegen, zusammengebracht werden darf. Leucht- und Wassergas kommen in den
Reinigern zusammen, wo sich beide Gase mischen und reinigen, von da gelangen sie
durch die Stationsgasuhr in den Hauptbehälter.
Ein grosser Vorzug bei Retortencarburirung ist darin zu erblicken, dass man durch
entsprechende Stellung der Wassergas- und Oelregulirungsventile es in der Hand hat,
schnell und leicht die Leuchtkraft des Mischgases zu reguliren.
Die Temperatur der Retorten ist nicht so hoch wie bei Leuchtgas (etwa 1000°), sondern
nur etwa 700°. Die Reinigung der Retorte geschieht bei Herstellung eines
16-Kerzengases in 24 Stunden zweimal; dieselbe wird also nur zweimal geöffnet.
(Fortsetzung folgt.)